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Der Eingang zum Kerker

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Textdaten
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Autor: Bernhardine Schulze-Smidt
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Titel: Der Eingang zum Kerker
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 409, 428
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[409]

Der Eingang zum Kerker.
Gemälde von Th. Lybaert.
Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.

[428] Der Eingang zum Kerker. (Zu dem Bilde S. 409.) Grinimig genug sieht er drein, Firdus, der bosnische Kerkerwächter in der kleinen, weltfernen Stadt, wo die Türkenherrschaft noch ihre Spuren an Trachten und Bauwerken hinterlassen hat: stolze Rundbogenthore in zerbröckelndem dicken Gemäuer, zierliche Musterung der Fenstergitter, hinter denen Schuld, Haß und Freiheitsdrang lauern wie gefangene Raubtiere. Tabaksschmuggel, Blutrache, wilder Mord, kühne Dieberei, über das alles ist als Hüter Firdus der Schlanke gesetzt, dessen schmale Füße in den breiten Babuschi stecken, wie sein Arm, der nichts ist als stählerner Knochen, und eiserner Muskel, in den weiten Aermeln des osmanischen Kaftans. Waffenstarrend der Gurt: Handschar und Pistole, die lange Flinte mit dem gewundenen Kolben daneben. Unter dem roten Fes flattert das zottige Haar, und die offene Weste läßt den sehnigen Hals frei. Sinnend starren die Schwarzaugen unter der kurzen Stirn auf die sonnige Wand des Kerkerhofes; denn dort über ihm, hinter dem Gitter singt Mate Bucovich, der Schmuggler, den sie vor zwei Tagen erst gebunden hereingeschleppt haben. Er näselt und trillert sein Lied von Ruhm und Freiheit, so gut er’s ohne die geliebte Husla kann, die er zu streichen versteht wie einer! Um die vollen Lippen des Bosniaken spielt ein sonderbarer Zug: halb Verachtung, halb Triumph. Er denkt an jene mondlose Nacht auf dem grausigen Schwindelpfade des Prolegberges – drei Jahre ist’s her oder vier – da er noch kein Wächter des Gesetzes war, sondern selbst ein Schmuggler, wie er seine drei Verfolger niederstach und überwältigte – hinunter mit ihnen in den rauschenden Wald des Thales – hinüber er selbst in die freie Herzegowina, aus der er zurückkehrte, als der Krieg rief! Und jetzt ist Firdus gesetzt über die Mörder des weiten Landes, in dem es noch ein Verbergen und Untertauchen giebt für den Schuldigen, bis die Zeit kommt, da die alles nivellierende Kultur auch jenes Mischvolk von Mohammedanern und Christen, Juden und Zigeunern wird gebändigt haben. B. S.-S.