Zum Inhalt springen

Der Kater

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Hermann von Gilm
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Kater
Untertitel:
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 251–252
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons = Google-USA*
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[251]

Der Kater.

Ein Kater lebte lange Zeit
Zufrieden in der Ehe,
Bis ihn die Ungenügsamkeit
Erfasst mit ihrem Wehe.

5
Er hält sein Leben für gering

Und sich für ein verächtlich Ding
Und martert Weib und Kinder.

Der Kätzin geht gar tief der Schmerz
Des Gatten zu Gemüte,

10
Sie drückt ihn weinend an das Herz

Und spricht mit Lieb’ und Güte:
Dort geht die Sonn’ im Himmelsblau,
Die mächtigste, die grösste Frau,
Geh’ hin, um sie zu werben.

15
Der Kater geht von Hof und Haus

Und neigt sich vor der Sonne:
Allmächtig bist du, teilest aus
Auf Erden Licht und Wonne.
Die Sonne fällt ihm schnell ins Wort:

20
Nein, mächt’ger ist die Wolke dort,

Die kann mich ja verdunkeln.

Der Kater spricht zum Wolkenschiff,
Das eben Anker löste
Von einem hohen Felsenriff:

25
Halt an, du bist das Grösste!

Die Wolke, ein geschmeichelt Kind,
Errötet leicht und seufzt: Der Wind,
Der mich vertreibt, ist grösser.

[252]

Der Kater läuft dem Winde zu

30
Und wirft sich ihm zu Füssen:

Der Stärkste auf der Welt bist du,
Lass mich als Knecht dich grüssen. –
Der Stärkste ich? In meinem Lauf
Hält mich die kleinste Mauer auf

35
Und bricht mir meine Flügel.


Der Kater preist die Mauerkron’
Nun Königin der Stärke;
Die Mauer aber zürnt: Mein Sohn,
Du spottest, wie ich merke –

40
Ist stärker doch als ich die Maus,

Die nagt mich an und höhlt mich aus,
Bis ich zusammenbreche.

Der Kater sucht nun auf die Maus
Und spricht vor ihrer Höhle:

45
Du bist die Grösste – komm’ heraus,

Das ich mich dir vermähle.
Das Mäuschen steht ganz zitternd da:
Mein Gott, ich bin das Kleinste ja,
Das Grösste bist du selber.

50
Der Kater kehrt nun schnell zurück

Zu seinem kleinen Kreise –
Die Gattin fragt: Hast du das Glück
Gefunden auf der Reise?
Jawohl, spricht er, ’s ist alles Trug,

55
Ein jeder sei sich selbst genug,

Und jeder ist der Grösste.


Herm. v. Gilm.