Halensee

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Autor: Gustav Hochstetter
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Titel: Halensee
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aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 252–254
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
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Erscheinungsort: Berlin
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[252]

Halensee.

Dieweil der Mai zu blühn begann,
Verschloss ein junger Malersmann
Am Nachmittag sein Atelier
Und fuhr hinaus nach Halensee.

5
Die Frühlingsluft schwellt seine Lungen,

Er hat ein frohes Lied gesungen,
Durchgondelte die klaren Wogen
Des Sees, auf dem die Schwäne zogen,
Und als um Sonnenuntergang

10
Ihm Tanzmusik entgegen klang,

Da ging – das tun wir Alle mal –
Der Maler in ein Tanzlokal.

[253]

Viel Jugend sah er dort sich drängen
Es wiegten sich nach frohen Klängen

15
Die niedlichen Berliner Pflanzen . . .

Herrjeh! Die Mädel können tanzen!
Ja, die verstehn’s und sind dabei!
Meist tanzen sie zu zwei und zwei,
Erst wenige mit ihrem Schatz . . .

20
Der Maler sucht sich einen Platz

So recht weit hinten in der Eck’,
Und dann schaut er aus dem Versteck
All dem Getriebe und Getu’
Mit teilnahmsvollem Auge zu.

25
„Und welche von den Mägdelein“

Denkt er, „soll nun die Meine sein?
Die Blonde mit der blauen Bluse?
Nicht schlank genug für meine Muse! . . .
Die Schwarze mit der roten Taille?

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Zwar schlank – doch gar zu sehr Kanaille! . . .

Vielleicht die Kleine dort in weiss?
Die ist zu wild, sie tanzt so heiss! . . .
Da drüben die Brünette? Nein, –
Zu schön! Das könnt’ gefährlich sein! . . .“

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Und also prüfend, wägend, wählend,

Mit Fragen sich und Zweifeln quälend,
Sitzt er gar lange in Gedanken . . .
Bis von den Runden und den Schlanken,
Die er so prüfend wägt und misst,

40
Nicht eine mehr zu haben ist,

Weil so von Schlanken wie von Runden
Nun jede einen Schatz gefunden,
So dass allein und trist zum Schluss
Der Maler heimwärts wandern muss.
 *      *

45
Nun glaub’ ich fast, dass ihr nicht wisst,

Warum dies eine Fabel ist.
Jedoch, Herr Leser, nimm mal an,
Du selber seist der Malersmann,
Und setze für das Tanzlokal

50
Dies ganze irdische Jammertal . . .

Dann denke nach und schweige still,
Dann weisst du, was ich sagen will;
Dann weisst du, wie viel Schönes schon
In deinem Leben dir entfloh’n,

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Weil du zu lange überlegt hast,
[254]

Zu viel bedacht, zu viel erwägt hast …
Drum –: wenn das Glück dir wieder winkt,
Nur schnell ihm nach, eh’ es versinkt!
Dann denk’ an unsern Maler du

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Und fasse an und greife zu,

Damit es dir nicht wieder geh’
Wie unserm Freund in Halensee.

Gustav Hochstetter.