Der Kilimandscharo

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Titel: Der Kilimandscharo
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 200–201, 225-226
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[200–201]

Der Kilimandscharo.
Nach dem Gemälde von A. Lutteroth.

[225] Der Kilimandscharo. (Zu dem Bilde S. 200 und 201.) Unsere Leser wissen, daß der Kilimandscharo, jene gewaltige Gebirgsmasse in Deutsch-Ostafrika, aus zwei Bergen besteht – der höhere, der in die Kaiser Wilhelm-Spitze ausläuft, heißt der Kibo, der niedrigere der Mawensi. Der Kibo, dessen Kraternatur sich noch ganz deutlich erkennen läßt, ist mit Gletschern ausgefüllt. Er bietet in seiner majestätischen Einfachheit ein Bild von ergreifender Größe. Mit seiner funkelnden Schnee- und Eishaube ist er jetzt der Hauptberg, und der zerklüftete zernagte Mawensi, den unser Bild wiedergiebt, tritt gegen seinen Bruder zurück. Aber das war nicht immer so; einst überragte der Mawensi hoch den Kibo, ja er sah den jetzt so stolzen zu seinen Füßen entstehen und emporwachsen, denn der Mawensi ist der ältere Bruder.

Es gab einst eine Zeit, wo der Kibo und alle die kleinen Bergkegel rings um ihn noch nicht da waren und aus der Ebene nur ein Berg sich erhob, der Mawensi. Er war der ursprüngliche Vulkan. Er arbeitete ruhig und stetig; schreckend gewaltige Ausbrüche, durch welche ganze Berge in die Luft geblasen und ganze Länderstrecken in die geschmolzene Lavafluth getaucht werden, fanden hier nicht statt. Allmählich quoll und floß das flüssige Innere über die Mündung des Vulkans und erhöhte immer mehr und mehr seinen Rand, bis der aus Lavaschichten, Geröll und Tuffsteinmassen gebildete Schlund eine solche Höhe erreichte, daß die unterirdischen Kräfte zu schwach waren, das Gewicht der Lavasäule bis zu der Oeffnung zu heben. Von Zeit zu Zeit fand hier noch ein Ausbruch statt, bis der Vulkan gezwungen wurde, zu erlöschen oder sich eine andere Krateröffnung zu bilden.

Letzteres geschah westlich vom Mawensi, der, nachdem er seine Thätigkeit eingestellt hatte, nach und nach sein Haupt in Eis und Schnee hüllte. Der neue Krater, der heutige Kibo, wetteiferte im Verlauf der Zeit bald mit seinem Nachbar an Höhe, thürmte sich dann noch höher hinauf, zermalmte das eisgraue Haupt des Mawensi mit einem Regen von Felsblöcken und drohte ihn unter seinen vulkanischen Ausbrüchen zu begraben.

Inzwischen hatten auch andere Kräfte an dem Mawensi ihr Zerstörungswerk begonnen. Regen, Frost und Schnee arbeiteten an seinem Verderben, indem sie allmählich die lose Asche wegspülten, welche einst den Krater gebildet hatte, die fester gefügten Lavafelder unterwühlten und bergabwärts spülten, bis endlich der feste Kern als ein zerfressener, vom Wetter zerzauster Gipfel herausragte; nur eine leichte Einsenkung verräth die Linien des ursprünglichen Kraters. Die schöne Hohlkurve, welche so charakteristisch ist für große Vulkane, ist nur noch von Osten her zu erkennen. Das Schicksal des Mawensi ereilte auch bald nachher den Kibo. Eine Höhe wurde erreicht, welche allen Versuchen des Vulkans spottete, die Lava bis zur Oberfläche zu heben, und so löschte auch er aus wie jener. –

[226] Dr. Hans Meyer, der berühmte Ersteiger des Kilimandscharo, hat sich mit seinem Begleiter Purtscheller in den Oktobertagen des Jahres 1889 auch einer gründlichen Erforschung des Mawensi unterzogen. Die furchtbare Zerrissenheit des Mawensi ist dabei allenthalben festgestellt worden, und auch Meyer schließt in seinen „Ostafrikanischen Gletscherfahrten“ (Leipzig, Duncker und Humblot) aus dem ganzen Baue dieser alten Kraterruine, daß der Berg in seiner ursprünglichen Gestalt dem viel jüngeren, besser erhaltenen Kibo an Höhe mindestens gleichkam, wenn nicht ihn bedeutend übertroffen hat.

Die Landschaft des Kilimandscharo bietet selbst dem naturwissenschaftlich nicht geschulten Geiste einen bestrickenden Anblick. Hoch auf den Gipfeln lagern Gletscher und jungfräulicher Schnee, in den oberen Gebieten treten uns die bescheidenen Gewächse der gemäßigten Zone entgegen: die Heiden, Hundszungen, das Vergißmeinnicht, die Butterblumen, Waldreben, Anemonen, Veilchen, Geranien und die Farren; dann kommen wir, tiefer hinabsteigend, in das Gebiet, das den Vordergrund unserer Illustration bildet: Wälder von eigenartig geformten Baumfarren, Drachenbäumen und moosbedeckten Baum-Eriken, bis wir in die äquatoriale Zone gelangen mit ihren nach Myriaden zählenden Pflanzenformen, unter denen die Bananen und Palmen als Wahrzeichen hervortreten.

Von den Palmen zum ewigen Schnee schweift hier der Blick in einer Sekunde! Und zu den Füßen des alten Feuerberges wollte man jüngst auch werthvolle materielle Schätze gefunden haben, nämlich weit ausgedehnte Salpeterlager. Leider hat sich diese Kunde nicht bewahrheitet, und so wird man sich mit dem Reichthum an landschaftlicher Schönheit begnügen müssen, wie er dort am Kilimandscharo dem Beschauer allenthalben entgegentritt. *