Der Kirchenbau in Aachen. Eine Legende
In Aachen ward vor grauer Zeit
Ein Kirchenbau voll Eifer angefangen.
Der Hammer und die Axt erklangen
Sechs Monden lang mit seltner Thätigkeit.
Die dieses Werk betrieb, das Geld nun aus gegangen.
Es stockte schnell der Baugewerken Lohn:
So schnell auch ihre Lust, zu hämmern und zu hauen.
Die Menschen hatten nicht so viel Religion,
Nur halb vollendet stand es da,
Und glich schon sinkenden Ruinen.
In seinen Mauerritzen sah
Man Steinmoos, Gras und Eppich grünen.
Schon suchten hier die Käutzlein einen Platz,
Und Buhlerei trieb da der freche Spatz,
Wo Priester längst die Keuschheit lehren sollten.
Die Bauherr’n sannen kreuz und quer,
Und liefen hin und liefen her.
Ein rundes Sümmchen vorzuschießen.
Bei Sammlungen von Haus zu Haus
Fiel auch die Ärndte dürftig aus.
Statt der gehoften goldnen Füchse,
Nach drob empfangenem Bericht,
Verzog der Magistrat gar grämlich sein Gesicht,
Und blickte nach der Tempelmauer
Mit tief bekümmertem Gemüth,
Sein Lieblingskind verwelken sieht..
In dieser ängstlichen Minute
Erschien ein fremder, feiner Mann,
Der etwas stolz im Ton und Blick begann:
Hum! wenn’s an Geld nur fehlt, so tröstet euch, ihr Herr’n!
Mir zollen Gold- und Silberminen;
Ich kann und will daher euch gern
Mit einer Tonne Goldes dienen.« –
Der staunende Senat, und maß
Mit großen Augen still den Fremden auf und nieder.
Der Bürgermeister fand zuerst die Sprache wieder.
»Wer seyd ihr, edler Herr, der, uns ganz unbekannt,
Nennt euern Namen, euern Stand!
Wie? Oder seyd ihr gar aus höhern Regionen
Zu unsrer Rettung her gesandt?« –
»Ich habe nicht die Ehre, dort zu wohnen.
Bitt’ ich mich überhaupt großgünstig zu verschonen.
Genug, ich habe Geld, wie Heu.« –
So prahlend, zog der Fremdling eine Katze
Voll Gold hervor, und sprach dann fort:
Den Rest schaff’ ich sogleich zu Platze.
Und all der Bettel ist und bleibt
Euch ganz geschenkt, wenn ihr das Seelchen mir verschreibt,
Das einst zuerst durch’s Thor des neuen Tempels schreitet,
Als wie durch Erderschütterung
Empor geschleudert von den Stühlen,
So fuhren schnell mit einem raschen Sprung
Die Senatoren auf, und rannten, stürzten, fielen
Und nisteten so eng’ darin,
Wie scheue Lämmer, sich zusammen,
Wenn um sie her des Himmels Blitze flammen.
Nur Einer, der noch nicht sich selbst so ganz verlor,
Zog aus dem Menschenknaul den Kopf mit Müh’ hervor,
Und ächzte: »Hebe dich, du böser Geist, von hinnen!« –
Wer aber sich nicht hob, war Meister Urian.
Er spottete: »Was ihr euch doch geberdet!
So übel, daß ihr drob zu schwachen Kindern werdet?
Ich büße bloß beim Handel ein, nicht ihr!
Mit Hunderttausenden brauch’ ich nicht weit zu laufen,
Um Schocke Seelchen zu erkaufen.
Was macht ihr nun so lange Federlesens?
Man sieht euch an, daß ihr sehr kleine Herrscher seyd!
Zum Besten des gemeinen Wesens,
(Das oft auch nur den schönen Namen leiht)
Ein ganzes Heer zur Schlachtbank hin zu führen;
Und ihr, ihr wollt deshalb nicht Einen Mann verlieren?
Pfui, schämet euch, hochweise Herr’n,
So abgeschmackt, so bürgerlich zu denken!
Von euerm Völklein zu verschenken,
Wenn ihr mir ein Persönchen gönnt,
Das auf den ersten Ruf der Glock’ ins Bethaus rennt?
O nein, da fehlt ihr stark; denn wahrlich in der Regel
Indem der Listige so sprach,
Ermannten sich die Rathsherr’n nach und nach,
Und raunten sich ins Ohr: »Was hilft uns unser Sträuben?
Der grimme Löwe fletscht nun einmal seinen Zahn.
So packt er wohl uns selber an:
Drum stopfe lieber ihm das Maul ein Unterthan!« –
Kaum war hierauf der Blutkontrakt vollzogen,
Da kam durch Wand und Fenster in dem Saal
Und Urian, der sich diesmahl,
Gesitteter als sonst, ganz ohne Stank empfahl,
Rief an der Thür: »Zählt nach! Ich hab’ euch nicht betrogen.« –
Das Gold der Hölle ward getreulich angewandt,
Als es jedoch in voller Schönheit stand,
Befiel die ganze Stadt beim Anblick Furcht und Grauen.
Gelobten damals gleich, da Urian verschwand,
Die Senatoren sich sofort mit Mund und Hand,
So klatschten ihn doch Zwei daheim den lieben Frauen,
Und ganz natürlich ward das Ding nun allbekannt.
Man seufzt’ und schwor von allen Seiten,
Den Tempel nimmer zu beschreiten.
Und sie ließ eben so die Glatzenköpfe hangen.
Auf einmal rief ein Mönch: »Mir fällt ein Ausweg bei!
Die Jäger haben heut den bösen Wolf gefangen,
Der sich unlängst in das Gebiet der Stadt
Hetzt diesen Mörder unsrer Schafe,
Zu seiner wohl verdienten Strafe,
Dem Teufel in den offnen Schlund!
Wird gleich dem argen Höllenhund
So ziemt ihm doch, daß er es willig nimmt.
Ihr habt ein Seelchen ihm verschrieben;
Allein von wem? ist nicht bestimmt.« –
Das Pfaffenplänchen fand Behagen,
Da nun das Fest der Tempelweih’ erschien,
Gebot er, stracks den Wolf ans Hauptthor hin zu tragen,
Und als die Glocken jetzt begannen anzuschlagen,
Des Käfichs Fallthür aufzuziehn.
Ins weite Kirchenschiff hinein.
Husch! flog Herr Urian von seiner Lauerstelle
Dumpf rauschend, wie ein Sturm, und pfeilschnell hintendrein,
Und schmetterte voll Wuth, weil man ihn hintergangen,
Bis heute läßt man diesen Spalt
Von allen Reisenden begaffen,
Und triumphirt, daß eines Pfaffen
Verschmitztheit mehr, als Teufelspfiffe, galt.
Beim Kirchenthor der Wolf in Erz gezeigt,
Nebst seiner ewiglich verlornen armen Seele,
Die einem Tannenzapfen gleicht.