Der Kohlenbedarf beim Anfahren und Bremsen von Eisenbahnzügen

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Autor: Bw.
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Titel: Der Kohlenbedarf beim Anfahren und Bremsen von Eisenbahnzügen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 482
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[482] Der Kohlenbedarf beim Anfahren und Bremsen von Eisenbahnzügen. Bekanntlich bildet beim Eisenbahnbetriebe das oftmalige schnelle Anhalten und Wiederangehen der Züge einen nicht zu vernachlässigenden Punkt bei der Festsetzung der Fahrpläne und Betriebskosten. Jede neue Haltestelle bedeutet, ganz abgesehen von der Zeitdauer des Anhaltens selbst, nur durch die Verzögerung beim Bremsen und Anfahren einen Zeitverlust von ungefähr 3 Minuten, der, im Fall der Fahrplan unverändert bleiben soll, eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit auf freier Strecke notwendig macht. Ein Eisenbahnfachmann hat sich neuerdings der Mühe unterzogen, den Kohlen- und Kostenaufwand, der beim Bremsen und Anfahren der Eisenbahnzüge entsteht, durch Messungen und Berechnungen genau festzustellen, und ist dabei zu bemerkenswerten Resultaten gekommen. Wenn man den Dampf in so weiter Entfernung vor dem Haltepunkt ganz absperrte, daß die lebendige Kraft des Zuges eben hinreichte, um ihn bis in den Bahnhof zu bringen, so würde eine Zerstörung lebendiger Kraft durch Bremsung gar nicht erforderlich sein, und die Kosten des Wiederanfahrens bis zur Erreichung der vollen Geschwindigkeit wären durch die Ausnutzung der lebendigen Kraft bei der Einfahrt vollständig gedeckt. Die Zeitverschwendung bei dieser Methode würde jedoch so groß sein, daß der erzielte Gewinn an Kohlen dazu in gar keinem Verhältnis stände. So bleibt nur übrig, den Dampf verhältnismäßig spät abzustellen und dann die lebendige Kraft durch die Anwendung von Bremsmitteln zum Teil zu vernichten. Die ökonomisch günstigste Einfahrt bedingt etwa die Ausnutzung von ⅔ der lebendigen Kraft und die Vernichtung des Restes durch Bremsen. Unter diesen Umständen kommt ein Zug von mittlerem Gewicht und mittlerer Geschwindigkeit in etwa 3 Minuten zum Stillstand, wobei lediglich die Kosten der Vernichtung von einem Drittel der lebendigen Kraft auf 0,40 Mark beim Einlaufen eines Zuges von 75 km, auf 0,56 Mark bei einem solchen von 90 km mittlerer Geschwindigkeit berechnet wurden. In der gesamten lebendigen Kraft des Zuges, die beim jedesmaligen Anfahren durch stärkeres Heizen aufs neue erzeugt und beim Bremsen zu einem Drittel vernichtet wird, steckt natürlich der dreifache Wert, und zwar sind bei einem Zuge von 400 t Gewicht und 90 km Grundgeschwindigkeit 216 kg Kohle erforderlich, um diese lebendige Kraft zu entwickeln, d. h. den Zug aus dem Zustande der Ruhe in den einer Bewegung von 90 km in der Stunde zu versetzen. Die Zeit bis zur Entfaltung dieser Geschwindigkeit beträgt alsdann 6 Minuten, und nunmehr sind, um dem Zuge dieselbe Geschwindigkeit dauernd zu erhalten, 58 kg Kohle in jeder Minute erforderlich. Bemerkenswert ist es dabei, daß sich bei einem Zuge von gleichem Gewicht und halber Geschwindigkeit alle diese Ziffern nicht etwa halb so hoch, sondern nur ein Viertel oder ein Fünftel so hoch belaufen. – Soll nun etwa auf Grund der Einlegung eines neuen Haltepunktes bei Innehaltung desselben Fahrplans an Zeit gespart werden, so kann dies entweder dadurch geschehen, daß auf der freien Strecke um etwas schneller gefahren oder daß bei der Einfahrt in der Station schärfer gebremst wird. Um bei der Einfahrt eines Zuges von 90 km Geschwindigkeit eine Minute zu sparen, muß man ein weiteres Drittel der lebendigen Kraft durch Bremsen vernichten, d. h. entsprechend länger mit voller Kraft fahren und den Zug in 2 anstatt 3 Minuten zum Stehen bringen. Dabei aber werden sowohl die Kosten der Vernichtung von lebendiger Kraft, als die Kosten der Bremsung selbst und der Zerstörung von Betriebsmitteln durch den Angriff der Bremsklötze mindestens verdoppelt. Rechnungsmäßig kostet das Anhalten eines 400 t schweren Zuges von 90 km Normalgeschwindigkeit, welches 3 Minuten und einen Bremsweg von 2¼ km erfordert, 2⅓ Mark und bei einem Zuge von 120 km Normalgeschwindigkeit (ein auf gewissen Strecken nicht seltener Fall) 4 Mark. Die Ersparung von einer Minute durch scharfe Einfahrt erhöht diese Kosten auf rund 4, bezw. rund 7 Mark. Man kann denselben Zweck auch erreichen, indem man die Geschwindigkeit auf der freien Strecke weiter erhöht und es bei der gewöhnlichen Einfahrt beläßt, aber Rechnung und Erfahrung lehren, daß auf diese Weise der Zeitgewinn noch teurer bezahlt werden muß, wenigstens, wenn es sich um Züge von ohnehin großer Geschwindigkeit handelt. Bei langsam fahrenden Personenzügen ist es dagegen vorteilhafter, die Geschwindigkeit auf der Strecke zu steigern und langsam einzufahren.
Bw.