Der Löwe in der Falle

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Titel: Der Löwe in der Fall
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 715-716
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[715] Der Löwe in der Falle. Auf einer unserer Jagdparthien, erzählt Kapitain Reid in seinem Buschknaben, hatte unser Begleiter, der Buschmann Swartboy, einen Löwen leicht mit einem Pfeile verwundet und dieser, der keine Lust zu weiterem Kampfe zu haben schien, drehte sich um und trabte langsam in die geöffnete Thür eines einsam stehenden verlassenen Häuschen hinein. Es lag etwas Sonderbares darin, daß ein Löwe an einem so ungewöhnlichen Orte Schutz suchte, aber er bewies eben dadurch seine Klugheit. Es war in bequemer Entfernung kein anderer Schlupfwinkel zu finden, und ein Gebüsch zu erreichen, welches ihm ein Versteck gewährt hätte, würde sehr schwierig gewesen sein. Die berittenen Jäger hätten ihn leicht einholen können, wenn er versucht hätte, zu entrinnen. Er wußte, daß das Haus unbewohnt war. Er war die ganze Nacht um dasselbe herumgeschlichen – vielleicht auch schon darin gewesen, und wußte daher, was für ein Platz es war.

Der Instinkt des Thieres war ganz richtig. Die Mauern des Hauses schützten ihn vor den Kugeln seiner Feinde, so lange sie sich ihm fern hielten, und kamen sie näher, so war dies sein Vortheil und ihre Gefahr.

Als der Löwe in das Haus eindrang, ereignete sich ein seltsamer Vorfall. An dem einen Ende des Hauses befand sich ein großes Fenster. Natürlich war es nicht verglast und war es nie gewesen. Ein Glasfenster ist in jenen Gegenden eine Seltenheit. Es ward mit einem starken hölzernen Laden verschlossen. Dieser hing noch in seinen Angeln, bei dem schnellen Fortziehen aber war das Fenster offen stehen geblieben. Die Thür hatte ebenfalls angelehnt gestanden. So wie der Löwe zu derselben hineinsprang, kamen eine Reihe kleiner, wolfsähnlicher Thiere durch das erstere heraus und rannten, so schnell sie konnten, querfeldein. Es waren Schakals.

Wie sich später zeigte, war einer der Ochsen entweder von Löwen oder von Hyänen in das Haus hineingetrieben und hier zerrissen worden. Die größeren Fleischfresser hatten sich nicht lange mit seinem Kadaver beschäftigt und die schlauen Schakals ruhig an ihm gefrühstückt, als sie auf so plötzliche Weise gestört wurden. Der Eintritt ihres Königs in so grimmiger Laune zur Thür herein bewog die Fuchswölfe, sich schleunigst durch das Fenster zu flüchten, und das Erscheinen der Reiter draußen hatte diese feigen Thiere noch mehr erschreckt, so daß sie mit der größten Schnelligkeit aus dem Hause davoneilten, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Die drei Jäger konnten sich des Lachens nicht enthalten, bis sie plötzlich durch ein anderes Ereigniß in Anspruch genommen wurden, daß fast in demselben Augenblicke stattfand.

Van Bloom, unser Begleiter, hatte seine beiden schönen Hunde mitgebracht, damit sie ihm die Rinder mit nach dem Lager treiben helfen sollten.

Während des kurzen Haltes, den die Reiter an der Quelle gemacht, hatten die Hunde an einem schon halb verzehrten Kadaver hinter den Mauern geschmaus’t und waren, da sie sehr viel Hunger hatten, dabei geblieben, selbst als die Reiter sich wieder auf den Rückweg machten. Keiner der beiden Hunde hatte den Löwen gesehen, bis zu dem Augenblicke, wo das wilde Thier hervorbrach und nach dem Hause rannte. Die Schüsse, das Brüllen des Löwen und das laute Flügelklatschen der Geier, welche erschrocken davonflogen, verriethen den Hunden, daß etwas vorgehe, wobei sie eigentlich zugegen sein sollten, und ihr angenehmes Mahl verlassend, kamen sie Beide über die Mauern gesprungen.

Sie erreichten den offenen Raum gerade, als der Löwe zur Thür hineinsprang, und ohne zu zögern, stürzten die beiden muthigen Thiere ihm nach und folgten ihm in das Haus hinein.

Einige Augenblicke lang hörte man ein verworrenes Getöse – das Bellen und Balgen der Hunde, das Grunzen und Brüllen des Löwen. Dann folgte ein dumpfer Ton, als ob ein schwerer Gegenstand an die Mauer geschmettert würde. Dann vernahm man ein klägliches Geheul – ein zweites, ein drittes – dann ein Geräusch, als ob Knochen zerbrochen würden – das Schnurren des großen Thieren mit seinem lauten, rauhen Basse, und dann ein tiefes Schweigen. Der Kampf war vorüber. Dies ging daraus hervor, daß die Hunde nichts mehr von sich hören ließen. Höchst wahrscheinlich waren sie getödtet.

Die Jäger machten Halt und bewachten die Thür mit der größten Spannung und Unruhe. Das Gelächter war auf ihren Lippen erstorben, während sie diesen gräßlichen Klängen, den Zeichen des furchtbaren Kampfes, lauschten. Sie riefen ihre Hunde beim Namen. Sie hofften, sie, wenn auch verwundet, herauskommen zu sehen. Aber sie kamen nicht heraus – sie kamen nie wieder heraus – sie waren todt.

Ein langdauerndes Schweigen folgte auf das Getöse des Kampfes. Van Bloom konnte nicht daran zweifeln, daß seine so werth gehaltenen und einzigen Hunde getödtet waren. Durch dieses neue Mißgeschick noch mehr aufgeregt, setzte er fast die Klugheit aus den Augen. Er stand schon im Begriff, sich der Thür zu nähern, um so nahe als möglich auf den verhaßten Feind zu feuern, als Swartboy plötzlich etwas einfiel und er ausrief: „Baas, Baas! Wir wollen ihn einschließen! Wir wollen den Schuft einsperren!“

Es lag etwan sehr Kluges und Plausibles in diesem Vorschlage. Van Bloom sah es ein und von seiner ersten Absicht zurücktretend, beschloß er, auf Swartboy’s Idee einzugehen.

Aber wie sollte diese ausgeführt werden? Die Thür hing noch in den Angeln, eben so wie der Fensterladen. Konnten sie diese erfassen und zuschlagen, so hatten sie den Löwen allerdings sicher und konnten ihm mit Muße den Garaus machen.

Aber wie sollte man ohne Gefahr Thür und Fenster schließen? Das war die Schwierigkeit, die sich jetzt zeigte. Näherten sie sich der Thür oder dem Fenster, so ließ sich erwarten, daß der Löwe sie von innen sehen würde, und ganz gewiß hätte er sich in seiner Wuth sofort auf sie gestürzt. Auch wenn sie sich zu Pferde näherten, um ihre Absicht auszuführen, waren sie nicht viel sicherer. Die Pferde würden nicht ruhig gestanden haben, während die Reiter die Hände ausgestreckt hätten, um die Klinke oder den Griff zu fassen. Sämmtliche drei Thiere tanzten und bäumten schon vor wilder Erregung. Sie wußten, daß der Löwe im Hause war. Ein gelegentliches Grunzen verkündete seine Gegenwart – es ließ sich nicht erwarten, daß sie sich der Thür oder dem Fenster mit hinreichender Kaltblütigkeit nähern würden, und ihr Stampfen und Schnauben würde weiter nichts genützt haben, als daß sie das wüthende Thier sich aus den Haus gelockt hätten.

Es war sonach klar, daß das Schließen der Thür oder des Fensters eine sehr gefährliche Operation sein würde. So lange die Reiter im Freien und in einiger Entfernung von dem Löwen waren, hatten sie keinen Grund, etwas zu fürchten. Näherten sie sich jedoch und geriethen sie in die Mauern hinein, so war es höchst wahrscheinlich, daß Einer von ihnen dem blutdürstigen Thiere zum Opfer fallen würde.

So gering auch der Maßstab sein mag, den man an die Intelligenz eines Buschmannes zu legen hat, so gibt es doch eine ihm eigenthümliche Gattung, in welcher er wirklich zu excelliren scheint. In Allem, was Jagdlist betrifft, ist seine Intelligenz, oder man könnte es fast seinen Instinkt nennen, dem höher entwickelten Geiste des Kaukasiers vollkommen gewachsen. Es hat dies ohne Zweifel seinen Grund in der öfteren Ausübung dieser besonderen Fähigkeiten, von deren erfolgreicher Anwendung sehr oft sein Leben abhängig ist. In dem großen, unförmlichen Kopfe, den Swartboy auf seinen Schultern trug, stak eine nicht unansehnliche Masse Gehirn und ein Leben voll Mühen und Gefahren, obschon es keinen anderen Zweck hatte, als seinen Magen zu füllen, hatte ihn gelehrt, dieses Gehirn zu üben und zu gebrauchen, und in dem gegenwärtigen Augenblicke leistete es ihm und seinen Begleitern abermals wesentliche Dienste.

„Baas!“ sagte er, indem er sich bemühte, die Ungeduld seines Herrn zu zügeln, „wartet ein wenig, Baas. Ueberlaßt es dem alten Buschmanne, die Thür zuzumachen – er wird es besorgen.“

„Aber wie denn?“ fragte sein Herr.

„Wartet nur – sollt es gleich sehen.“

Alle drei waren miteinander so nahe an das Haus herangeritten, daß sie nicht mehr ganz hundert Schritte davon entfernt waren. Van Bloom und Hendrik verhielten sich schweigend und warteten, was der Buschmann beginnen würde.

Dieser Letztere zog einen Knäuel Bindfaden aus der Tasche, wickelte ihn sorgfältig auf und knüpfte das eine Ende an einen Pfeil. Dann ritt er bis auf dreißig Schritte an das Haus heran und stieg ab – dem Eingange nicht gerade gegenüber, sondern ein wenig auf der Seite – so daß die Fläche der hölzernen Thür, welche glücklicher Weise nur drei Viertel offen stand, sich gerade vor ihm befand. Den Zügel seines Pferdes über den Arm werfend, spannte er nun seinen Bogen und schoß den Pfeil in das Holzwerk der Thür. Nicht weit vom Rande, dicht unter der Klinke, blieb er stecken. Sobald als Swartboy den Pfeil abgeschossen hatte, sprang er wieder in den Sattel, um zum schleunigsten Rückzüge bereit zu sein, im Fall der Löwe einen Ausfall machte. Dabei aber hielt er immer noch den Bindfaden fest, dessen eines Ende an dem Pfeile befestigt war.

Das Anschlagen des Pfeils, als derselbe in die Thür hineinfuhr, hatte die Aufmerksamkeit des Löwen erweckt. Natürlich sah ihn keiner der Reiter, sein zorniges Grollen aber verrieth ihnen, daß dem so war. Er zeigte sich indessen nicht und verstummte wieder.

Nun zog Swartboy die Schnur an – anfangs vorsichtig, um sich vom Festhalten zu überzeugen, und dann that er einen stärkeren Ruck damit und warf die Thür zu. Die Klinke schnappte ein und die Thür blieb zu, selbst nachdem die Schnur nicht mehr angespannt war.

Um die Thür wieder zu öffnen, hätte der Löwe so viel Verstand haben müssen, daß er die Klinke gehoben hätte, oder es wäre nichts übrig geblieben, als durch die dicken, starken Planken hindurchzubrechen, und davon stand weder das Eine noch das Andere zu befürchten.

Nun aber war noch das Fenster offen, und durch dieses hätte der Löwe mit leichter Mühe herausspringen können. Swartboy faßte natürlich den Entschluß, es auf dieselbe Weise zu schließen wie die Thür. Dabei aber stellte sich eine eigenthümliche Gefahr heraus. Er hatte nur ein einziges Stück Schnur. Dieses war noch an dem Pfeile befestigt, der [716] noch fest in der Thür stak; wie sollte er es losmachen und wieder in den Besitz des Fadens gelangen?

Es schien kein anderer Ausweg vorhanden zu sein, als sich der Thür zu nähern und die Schnur von dem Pfeile abzuschneiden. Hierin aber lag eben die Gefahr: denn gewahrte ihn der Löwe und stürzte zu dem Fenster heraus, so war der Buschmann verloren.

Wie die meisten Individuen seines Volksstammes, war Swartboy mehr listig als tapfer, obschon er weit entfernt war, ein Feigling zu sein. Dennoch aber empfand er in diesem Augenblicke keine Lust, sich der Thür des Hauses zu nähern. Das zornige Grollen, welches sich von innen hören ließ, wurde selbst ein tapfereres Herz als Swartboy’s vor Furcht haben erbeben lassen.

In dieser Verlegenheit kam Hendrik ihm zu Hülfe. Hendrik hatte sich ein Mittel ausgesonnen, in den Besitz der Schnur zu gelangen, ohne sich der Thür zu nähern. Nachdem er Swartboy zugerufen, auf seiner Hut zu sein, ritt er bis auf dreißig Schritte auf den Eingang zu – aber auf der Seite, die der, auf welcher Swartboy sich befand, entgegengesetzt war, und machte dann Halt. An dieser Stelle stand ein Pfahl mit mehreren Gabeln, welcher zum Anbinden der Pferde gedient hatte. Hendrik stieg ab, legte den Zügel seines Pferden über eine dieser Gabeln, seine Kugelbüchse auf eine zweite, zielte nach dem Schafte des Pfeiles und gab Feuer. Die Büchse knallte, der zerschossene Stecken flog aus der Thür heraus und die Schnur war los. Alle machten sich fertig, in’s Weite hinaus zu galoppiren, der Löwe aber blieb, obschon er furchtbar brüllte, als er den Schuß hörte, in seinem Versteck. Nun zog Swartboy die Schnur an sich, befestigte sie an einen frischen Pfeil und ritt dann ein Stück weiter, um das Fenster richtig vor sich zu haben. Binnen wenigen Minuten pfiff der Pfeil durch die Luft und fuhr tief in das weiche Holz hinein, und kann drehte sich der Laden in seinen Angeln herum und ward zugeworfen.

Nun stiegen alle Drei von den Pferden, eilten still und rasch hinzu und befestigten Thür und Laden mittelst starker Riemen von ungegerbtem Leder. Hurrah! der Löwe war im Käfig.

Ja, das wüthende Thier war nun richtig in der Falle. Die drei Jäger athmeten frei auf.

Wie aber sollte die Sache enden? Sowohl die Thür als auch der Fensterladen schlossen dicht und fest, und obschon es möglich war durch die Ritzen zu sehen, so konnte man doch nichts erspähen, da es in Folge des Schließens der Thür und des Ladens im Innern vollständig finster war. Aber wenn man auch den Löwen hätte sehen können, so war doch kein Loch vorhanden, durch welchen man die Mündung eines Gewehres hätte hineinstecken und auf ihn feuern können. Er war gerade eben so sicher als seine Feinde, und so lange als die Thür geschlossen blieb, konnten sie ihm nicht mehr Schaden thun als er ihnen.

Sie konnten ihn eingesperrt lassen und dem Hungertode preisgeben.

Eine Weile hatte er allerdings noch an dem zu zehren, was die Schakals übrig gelassen, so wie an den Kadavern der beiden Hunde. Dies konnte ihn jedoch nicht lange erhalten und am Ende hätte er elend umkommen müssen. Reiflich erwogen, schien dies jedoch dem Boer und seinen Begleitern nicht so ganz ausgemacht zu sein. Wenn der Löwe merkte, daß er in allem Ernste eingesperrt war, so machte er vielleicht einen Angriff auf die Thür und bahnte sich, mit seinen scharfen Klauen und Zähnen einen Ausweg.

Der erbitterte Boer aber beabsichtigte nicht im Mindesten, dem Löwen eine solche Gelegenheit übrig zu lassen. Er war entschlossen, das Thier zu tödten, ehe er vom Platze ginge, und begann zu überlegen, wie dies auf die schleunigste und wirksamste Weise in’s Werk gesetzt werden könnte.

Anfangs dachte er mit seinem Messer ein Loch in die Thür zu schneiden, welches groß genug wäre, um hindurch sehen zu können, und den Lauf seiner Büchse hindurch zu stecken. Gelänge es ihm nicht, durch dieses eine Loch das Thier zu Gesicht zu bekommen, so wollte er ein zweites in den Fensterladen machen. Da beide sich auf an einander stoßenden Seiten des Hauses befanden, so mußte er dadurch einen Ueberblick über das ganze Innere erhalten, denn die frühere Wohnung des Boer bestand aus einem einzigen Gemache. Während seines Aufenthaltes hier war mittelst einer Scheidewand von Zebrafellen der Raum in zwei Gemächer getheilt gewesen.

Diese Scheidewand aber war jetzt entfernt, und es war nun wieder nur ein einziges Gemach vorhanden.

Anfangs konnte van Bloom sich auf kein anderes Mittel besinnen, um seinem Feinde Etwas anzuhaben, und dennoch gefiel ihm dieses eine nicht so recht. Es war allerdings ein ziemlich sicheres, und konnte, wenn es ausgeführt wurde, nur den Tod des Löwen zur Folge haben. Ein Loch sowohl in Thür als in Fensterladen müßte sie in den Stand setzen, so viele Kugeln, als ihnen beliebte, auf das Thier abzufeuern, während sie gegen einen Angriff von ihm vollkommen sichergestellt waren. Die Zeit aber, welche nöthig war, um diese Löcher zu schneiden – dies war es, weshalb der Plan dem Boer nicht gefiel. Er und seine Begleiter hatten keine Zeit zu verlieren: Ihre Pferde waren kraftlos vor Hunger und sie hatten noch eine lange Reise vor sich, ehe ein Bissen Futter erlangt werden konnte. Nein, – es war nicht so viel Zeit übrig, als zum Einschneiden der Löcher nöthig war, und man mußte daher auf eine schleunigere Angriffsmethode sinnen „Vater,“ sagte Hendrik, „wie wäre es, wenn wir das Haus in Brand steckten?“

Gut. Der Vorschlag war gar nicht übel. Van Bloom richtete seine Blicke auf das Dach hinaus. Es war ein schräg ablaufenden Bauwerk mit langen Traufen, und bestand aus schweren Balken trockenen Holzen mit Latten und Quersparren und war mit einer einen Fuß hohen Binsenschicht gedeckt. En mußte eine furchtbare Flamme geben, und wahrscheinlich erstickte der Rauch den Löwen, ehe noch das Feuer ihn wirklich erreichen kirnte.

Hendrik's Vorschlag ward deshalb angenommen und Anstalt getroffen, das Haus in Brand zu stecken.

Es war noch eine große Quantität Feuerholz da. Diesen setzte sie in den Stand, ihre Absicht auszuführen, und alle drei begannen sofort das Holz herbeizuschleppen und vor der Thür aufzuthürmen.

Man hätte meinen sollen, der Löwe habe ihre Absicht errathen, denn obschon er sich eine lange Weile vollkommen ruhig verhalten, begann er doch jetzt von Neuem zu brüllen. Vielleicht hatte das Geräusch der außen an die Thür anschlagenden Holzscheite ihn herbeigelockt und er hatte nun gesehen, daß die Thür zu und er eingesperrt war. Der Ort, den er zum Schutze ausgesucht, war in eine Falle verwandelt worden, und es lag ihm natürlich alles Mögliche daran, herauszukommen. Dies verrieth sich durch die Demonstrationen, die er zu machen begann. Man hörte ihn hin und her rennen – von der Thür nach dem Fenster, und an beide mit seinen ungeheuern Tatzen anschlagen, so daß sie in ihren Angeln erzitterten, während er ein ununterbrochenes höllischen Gebrüll hören ließ.

Obschon nicht ohne einige Befürchtungen, setzten die Drei doch ihre Arbeit fort. Sie hatten ihre Pferde zur Hand und hielten sich bereit, sofort aufzusitzen, im Fall der Löwe sich den Weg durch das Feuer heraus bahnte. Ueberhaupt hatten sie die Absicht, sich, sobald das Feuer ordentlich brannte, in. den Sattel zu werfen, und den Brand des Hauses aus sicherer Entfernung zu beobachten.

Sie hatten nun allen trockene Holz herbeigeschleppt und vor der Thür aufgehäuft. Swartboy hatte Stahl und Stein aus der Tasche gezogen und stand im Begriff, Feuer anzuschlagen, als man ein lauten Kratzen inwendig hörte, das ganz verschieden von dem war, welches bis jetzt zu ihren Ohren gedrungen. Es war das Scharren der Löwentatzen an der Mauer, aber es hatte einen seltsamen Ton, so, als ob das Thier sich heftig sträubte, und gleichzeitig schien seine Stimme heiser und gedämpft zu sein, und aus weiter Ferne zu kommen.

Was machte denn das Thier?

Der Boer und seine Begleiter standen einen Augenblick lang da und sahen einander fragend an. Das Kratzen oder Scharren dauerte fort – das heisere Grollen oder Grunzen ließ sich ebenfalls in Zwischenräumen vernehmen, endlich aber verstummte es, und dann ließ sich ein Schnauben und gleich darauf ein so lauten und helles Gebrüll hören, daß alle Drei erschrocken zusammenfuhren. Sie konnten nicht glauben, daß die Mauern sich noch zwischen ihnen und ihren! gefährlichen Feinde befänden.

Wieder hallte das entsetzliche Gebrüll. Großer Himmel! Es kam nicht mehr von innen – sondern von oben, über ihnen! War der Löwe auf dem Dache?

Alle prallten einige Schritte zurück und schauten hinauf. Ein Anblick bot sich ihnen dar, der ihnen vor Überraschung und Schrecken fast die Sprache raubte. Oberhalb des Essenkopfes zeigte sich der Kopf des Löwen, und seine funkelnden gelben Augen und weißen Zähne traten im Gegensatze mit dem schwarzen Ruße, mit dem er bedeckt war, nur um so greller hervor. Er zerrte seinen Leib nach. Eine Tatze hatte er schon auf den Essenrand herausgelegt, und mit dieser und seinen Zähnen erweiterte er die Öffnung, die ihn eingeschlossen hielt. Es war ein furchtbares Schauspiel – wenigstens für die, welche unten standen.

Sie waren in der That erschrocken, wie bereits gesagt worden, und würden sich sofort auf ihre Pferde geworfen haben, wenn sie nicht bemerkt hätten, daß das Thier feststak. Es war augenscheinlich, daß dies der Fall war, aber auch eben so gewiß, daß es ihm binnen wenigen Minuten gelingen würde, sich aus dem Schornsteine herauszuarbeiten. Seine Zähne und Tatzen waren mit Erfolg thätig, und die Steine und der Mörtel flogen nach allen Richtungen umher. Es konnte nicht lange dauern, so war der Essenkopf bis unterhalb der breiten Brust des Thieres zertrümmert, und dann –

Van Bloom überlegte nicht lange, was dann geschehen würde. Er und Hendrik eilten, mit den Büchsen in der Hand, sofort an den Fuß der Mauer. Der Schornstein war nur etwa zwanzig Fuß hoch, und das lange Feuerrohr des Boers reichte, als es emporgerichtet ward, beinahe bis auf die Hälfte dieser Distanz hinauf. Hendrik legte seine Buchse ebenfalls an. Beide feuerten zu gleicher Zeit. Die Augen des Löwen schlossen sich plötzlich, sein Kopf zitterte krampfhaft, seine Tatze sank kraftlos über den Essenrand herab, seine Kinnbacken öffneten sich und Blut tröpfelte ihm die Zunge herab. In wenigen Augenblicken war er todt.

Dies war Allen klar. Swartboy jedoch war. nicht eher zufriedengestellt, als bis er ungefähr ein halbes Schock seiner Pfeile nach den, Kopfe des Thieres abgeschossen, so daß es bald aussah wie ein Stachelschwein.

Das ungeheure Thier hatte sich so fest eingezwängt, daß es selbst nach dem Tode in seiner eigenthümlichen Situation verharrte.

Unter anderen Umständen würde man den getödteten Löwen um seiner Haut willen heruntergezerrt haben. Es war jedoch keine Zeit übrig, ihn abzuhäuten, und ohne weiteren Verzug stiegen van Bloom und seine Begleiter auf ihre Pferde und ritten fort.