Der Landsberg bei Meiningen

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Titel: Der Landsberg bei Meiningen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 457–458
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[457]
Der Landsberg bei Meiningen.

Die Werrabahn, welche eine neue Verbindung des deutschen Nordens und Südens gewährt, führt an der Wartburg, der stolzen Horde Thüringens, und an der Coburger Veste, der nicht minder ruhmreichen Krone Frankens, vorüber. Fast in gleicher Entfernung von beiden bietet die neue Eisenbahn den schönen Anblick einer jüngeren Schöpfung der Baukunst, zwar weit weniger genannt, aber doch schon vielfach von Reisenden besucht.

In nördlicher Richtung, ¾ Stunden unterhalb der Residenzstadt Meiningen, ist das Thal von einem Kalksteinhügel begrenzt, der noch vor zwanzig Jahren sich traurig und öde aus dem Wiesengrün emporhob. „Die Burgtrümmer auf seinem Rücken,“ heißt es in Meyer’s Universum, dem wir diese Textnotizen, trotz unseres entschiedenen Hasses gegen alle Art von Nachdruck, ausnahmsweise entnehmen, „lagen am Boden, nichts Erhebendes versöhnte mit seinem Anblick. Früher war und jetzt ist das anders. Die Lage der isolirten Höhe zwischen drei belebten Straßen, dem alten Thalwege im Werragrund, der alten Frankenstraße und der Straße in das sogenannte Sandland, war zu lockend für die Burgengründer des Mittelalters, um lange unbenutzt zu bleiben. Urkundlich ist erwiesen, daß die nahen Orte Meiningen, Vachdorf und Leutersdorf unter König Heinrich I., dem Städtebauer und Hunnenbesieger, ihre Befestigungen erhielten. Da nun Walldorf und Meiningen damals Reichsdomänen waren, so spricht Vieles für die Wahrscheinlichkeit, daß auch auf dem heutigen Landsberg schon zu jener Zeit (zwischen 924–930) eine feste Burg erbaut worden sei. Am deutlichsten spricht aber dafür der Name jener ältesten Burg, sie hieß: „Landeswehr“, und der Berg „der Landwehrberg.“

Der Landsberg bei Meiningen.

„Wenn dies der Ursprung der alten Burg ist, so haben wir damit den interessantesten Theil ihrer Geschichte erzählt. Später hatte sie das Schicksal von Hunderten ihres Gleichen in Thüringen, Franken und Schwaben. Lange Zeit sammt der Stadt Meiningen mit deren Umgegend Besitzthum der Bischöfe von Würzburg, welche Burgmänner daselbst hielten, blieb sie in der Hand des Geschlechts der Wolfe, die jedoch in jenen Blüthentagen des Faustrechts ebenso oft die Grafen von Henneberg, von deren Gebiet Meiningen und Landeswehr rings umschlossen waren, ihre Lehnsherren nennen mußten. Burg und Berg mit den Hofstätten am Fuße desselben waren wieder würzburgisches Kammergut geworden, als der Bauernkrieg 1525 der Herrlichkeit auf der Höhe ein Ende machte. Ein hoher Turm und einige Thor- und mächtige Mauerreste mit hohlen Fensterluken bedeckten den Landwehrberg, als derselbe sammt Meiningen 1542 an Henneberg und endlich, 1583, an das Haus Sachsen kam. Der dreißigjährige Krieg hatte hier nur den Meierhof mit allem Zubehör zu verwüsten, that dies aber so gründlich, daß noch lange nach dem westphälischen Frieden sich Niemand zum Wiederanbau der hier entstandenen Wildniß entschließen wollte. Nach der Ländertheilung des Herzogs Ernst des Frommen ward Meiningen durch Bernhard I. Fürstensitz; man verwendete nun die Steine der Ruine Landeswehr zum Schloßbau in Meiningen und sprengte den letzten Stolz des Hügels, den hohen Thurm, mit Pulver. Dies geschah im Jahre 1685. Ein zerborstener Theil diesen Thurmes liegt noch heute, quer und fest, wie sein Heidelberger Schicksalsgenosse, auf dem Fundamente seiner Vergangenheit. Seitdem machte der Name „Landwehrberg“ dem kürzeren „Landsberg“ Platz.

„Diesen Namen erhielt auch das neue Schloß, dessen Bau im [458] Jahre 1836 begonnen und nach dem Plane und unter der Leitung August Döbner’s, des herzoglichen Baumeisters, bis 1840 in den Hauptmassen vollendet wurde. Das Ganze besteht aus dem mit drei starken Eckthürmen und zwei hohen Plattformen zierend umgebenen Hauptbau und zwei durch Bogengänge und Thormauern damit in Verbindung stehenden Nebenbauten, der Castellanswohnung und dem Thorwarthause. Von diesem bis zu jenem zieht sich eine Ringmauer hin, die einen freundlichen Hofraum umgürtet und das alte Thurmgetrümmer noch mit umschließt. Neben letzterem führt eine Pforte zu dem zweiten neuen Schmuck des Landsbergs, zu der herrlichen jungen Waldanlage, aus deren frischem Grün das Schloß so heiter und anmuthig emporragt und durch welche schattige Fußwege zur ebenfalls neuen und von Döbner nach Schweizermanier erbauten Meierei am Fuße des Hügels führen. Unser Holzschnitt zeigt uns Burg und Berg von dieser Seite.

„Dem äußeren Bilde der Burg entspricht vollkommen das Innere. Die Anmuth herrscht im ganzen Bau vor und hält die Pracht im rechten Maße zur Größe der Räumlichkeiten. Das Mittelalter zeigt uns hier alle heiteren Seiten seiner Lebensformen, und wie Herzog Bernhard II. dasselbe angesehen wissen will, sagt uns der Spruch über der Eingange der Waffenhalle:

„Nicht zurückwünschen laßt uns die alte Zeit,
Wohl aber der Ahnen Kraft und männlich Walten,
Nicht den Lehnsdruck, nicht der Ritter Eisenkleid,
Wohl aber die felsenfeste Treu’ der Alten.“

„Die Waffensammlung selbst ist klein, aber wohl gewählt und geschmackvoll geordnet. Besondere Beachtung nimmt der große Saal (50 Fuß lang, 17½ Fuß breit und eben so hoch) in Anspruch wegen W. Lindenschmitt’s acht historischer Bilder aus der Vorzeit Thüringens, der trefflichen Glasmalereien, der reichen gothaischen Schnitzereien am Holzgetäfel der Wände, des Credenztisches, der geschmackvollen Kerzenleuchter und der neuerdings dort aufgestellten sehr wertvollen Autographensammlung. Drei hohe Glasthüren verbinden diesen Saal mit der 3219 Quadratfuß großen nördlichen Plattform der Burg, die den Blick nach Norden und Osten frei läßt.

„Das nordöstliche Thurmzimmer und das Lutherzimmer sind hauptsächlich mit Sculpturwerken Ferdinand Müller’s ausgeschmückt, jenes mit einem beziehungsreichen Turnierfries, dieses mit Reformatorenstatuetten. Eine besondere Zierde des letzteren ist Kellner’s (in Nürnberg) Glasgemälde: „Der Tod der Maria.“

„Im zweiten Stock des Schlosses fesselt uns im Mittelzimmer ein Bild, das alle heiteren Eindrücke der bisher durchwandelten Räume plötzlich verdüstert. Da sitzt der arme Thyrann auf dem Balkone, das abgefeuerte Gewehr im Schooße, im Gesicht das Zeugniß eines vom Glaubenswahn verbranntem Gehirns: „Karl IX. nach seinem ersten Schusse auf die Hugenotten in der Barholomäusnacht“, Beck’s treffliche Copie nach Wapper’s weltberühmtem Gemälde. Auch die übrige Zimmergesellschaft kann einem ehrlichen Deutschen das Herz nicht erleichtern: Kaiser Karl V., Tilly und Ferdinand II. von Spanien. Was die in den Freinächten der Geister während der heiligen Zeit da droben mit einander berathen mögen? – Offenbar, um eine protestantische Opposition gegen etwaige Beschlüsse dieser gefährlichen vier Herren zu ermöglichen, hält im nordöstlichen Eckzimmer eine Versammlung von anderen Männern geheimen Rath: Ernst der Fromme, Bernhard von Weimar, Gustav Adolph, Philipp der Großmüthige und Friedrich von der Pfalz; Erzengel Michael, der Drachenbesieger, ist ihnen sinnig zugesellt, letzteres ein feineres Holzrelief. – Nachdem wir noch die Laube, das Spruch- und das Stammbaumzimmer, deren Bestimmung und Hauptschmuck durch die Bezeichnung erklärt ist, betrachtet haben, besteigen wir vom ebenfalls noch zimmerreichen dritten Stock aus die Schneckenstiege des 120 Fuß hohen Hauptthurmes, auf dessen freier Zinne wir 456 Fuß über dem Spiegel der Werra und 1343 Fuß über der Nordseefläche stehen.

„Gleichwohl kann die Aussicht in das von höheren Bergen begrenzte und an sich schmale Thal der Werra nur eine beschränkte sein. Außer den fern herüberschauenden Köpfen der Rhön und des Thüringerwaldes sind die Berge der Nähe, Geba und Dolmar, die Zierden des Rundbildes, welches gegen Süden die untere Vorstadt von Meiningen, nach Norden die berühmte Tabaksstadt Wasungen mit den Trümmern der ehemaligen Burg Maienluft (im Hintergrunde unseres Holzschnittes sichtbar) und außerdem noch zwischen Feldern und Wiesen und an Waldrändern und kahlen Höhen 8 Dörfer und Einzelnhöfe, die Meierei des Landsbergs eingeschlossen, in sich faßt. Anstatt der Aussicht erquickte mich auf der Thurmzinne beim Hinabblick auf das Schloß eine wohlthuende Einsicht. Vergleiche, lieber Leser, die Jahre vor der Julirevolution, wo die großen Sonnenblumen der ersten Restauration blühten, mit der Gegenwart: damals wieder, wie zu Ludwig’s XIV. Zeit, war Paris die Sehnsucht aller Prinzen, und nur das Ausland bot standesmäßige Bezugsorte für alle feineren Bedürfnisse der höheren Regionen. Was „nicht weit her“ war, taugte nichts, und wer nichts taugte, war „nicht weit her“. Ist das nicht anders, nicht besser geworden? Bei den schönsten Arbeiten da unten im Schlosse, zu deren Vollendung Handwerk und Kunst sich die Hände reichen mußten, frage: Wer sind ihre Meister? Wer war des Schlosses Maurer? Wer verfertigte jene Kronleuchter? Wer jene Holzschnitzereien der Sessel, Stühle und Wandbänke, der Thüren und Decken? Wer jenen kunstreichen Credenztisch? Wer die architektonische Malerei der Zimmer? Wer die Glasmalereien der Fenster und Thüren? Wer die plastischen Ornamente und historischen Sculpturenwerke? Da erfährst du Namen, wie: Meister Thomas, Meister Meiße, Meister Morgenroth, Meister Rieneck, Eberlein, Kellner, Thieme, Müller u. s. w., lauter deutsche Namen, deren Inhaber nicht weit her, meistens in Meiningen und, wenn nicht im Inland, höchstens nur in Deutschland daheim sind. Das thut wohl und macht dem edlen Bauherrn wie den tüchtigen Meistern der Heimat Ehre.“[WS 1]



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Holzschnitt nach dem Stahlstich in Meyer’s Universum, Band 18 (1857), S. 146-149. [1], woher auch der zitierte Text stammt.