Der Marsch durch das Heimathsdorf

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Titel: Der Marsch durch das Heimathsdorf
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 617, 628
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[617]

Der Marsch durch das Heimathdorf.
Nach einem Gemälde von C. Röchling. Photographie von Franz Hanfstaengl Kunstverlag A.-G. in München.

[628] Der Marsch durch das Heimathsdorf. (Zu dem Bilde S. 617.) Was soll man dazu sagen! Ist das noch militärische Zucht und Ordnung, was wir hier auf diesem Bilde von Röchling sich abspielen sehen? Läuft da ein Tambour von der Spitze der Kompagnie weg, ein alter Bauer hat sich dem baumlangen Hornisten an den Arm gehängt, der Unteroffizier vorne vor dem ersten Gliede führt einen Buben an der Hand, als gehörte der mit dazu oder wäre er ein gefangener Spion! Es ist wahr, ganz ordonnanzmäßig ist die Geschichte nicht, aber es hat auch eine eigene Bewandtniß mit ihr. Wie jeder weiß, haben bei uns in Deutschland die einzelnen Linieninfanterieregimenter ihre bestimmt abgegrenzten, meist nicht allzu umfangreichen Ersatzbezirke, aus denen sie ihre Rekruten holen. Da geschieht es denn nicht selten, daß aus einem und demselben Dorfe mehrere Burschen bei einer und derselben Kompagnie stehen, und wenn dann der glückliche Zufall eintritt, daß das Manöver diese Kompagnie in dieses ihr „Heimathdorf“ führt, dann ist das begreiflicherweise ein festliches Ereigniß für die eine wie für das andere. Schon Wochen vorher hat sich im Dorfe die frohe Kunde verbreitet, und ist endlich der bestimmte Tag herangekommen, da strömen schon in der Frühe die selbstverständlich schulfreien Buben hinaus, auf der muthmaßlichen Marschstraße den Truppen entgegen. Es dauert lange, es wird Mittag – noch nichts! Wohl hört man von ferne das Dröhnen der Kanonen, das Rollen des Infanteriefeuers, und die Phantasien der Knaben erfüllen sich mit allerhand kriegerischen Bildern – aber kein „Hundertundneuner“ will sich zeigen.

Da endlich wälzt sich die dunkle Schlange mit ihrem blitzenden Rücken heran, sie kommt näher, und bald hat der kleine Frieder seinen Bruder, den Unteroffizier, an der Spitze der Kompagnie erkannt, ein untrügliches Zeichen, daß es „die Rechten“ sind. Und nun ziehen sie ein in die breite Hauptgasse des wohlhabenden badischen Dorfes, dessen stattliche Bauernhäuser den meisten so wohl bekannt sind – die grünen Büsche an den Helmen schauen so lustig aus, als wären sie eigens zum Vergnügen der „Landsleute“ aufgesteckt und nicht bloß zum „Markiren des Feindes“ – an den Fenstern, unter den Thüren erscheinen bekannte Gesichter, es ist ein Winken und Grüßen, ein Necken und Erkennen, eine Aufregung und ein Jubel im Dorfe, daß der alte Gänserich vollständig den Kopf verloren hat und in seiner unheimlichen Angst schnatternd und kreischend der Kolonne vorausflattert.

Da drückt denn nun auch die strenge Göttin, „Marschdisciplin“ genannt, ein Auge oder beide zu, wenn nicht alles ganz säuberlich in der Ordnung bleibt, und so mag sich der lange Hornist seinen Apfelmost, den ihm der Alte – wohl sein Vater – eingeschenkt hat und noch einschenken wird, mag sich der kecke Tambour sein Glas Bier, das ihm sein alter Schulkamerad, der Hausknecht vom „Goldenen Löwen“, eilends herbeibringt, in Gemüthsruhe schmecken lassen; sie wissen, der Herr Hauptmann „macht diesmal nichts“. Er wird auch nichts dagegen haben, wenn von den Aepfeln des schönen großen Baumes ein paar in die marschirende Kolonne geworfen werden und die hungrigen und durstigen Krieger sich einen kurzen Augenblick darum balgen – wenn nur dann draußen vor dem Orte wieder alles hübsch stramm beieinander ist. Und darauf kennt der Herr Hauptmann seine Leute!