Der Musterschutz

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Titel: Der Musterschutz
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 604–606
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Der Musterschutz.
 „Suum cuique“[1]

Wenn wir einzelne Familien, kleinere oder größere Völkerschaften aus dem nomadisirenden und patriarchalischen Zustand heraustreten und dieselben eine Gemeinschaft, die wir als „Staat“ bezeichnen, bilden sehen, so finden wir, daß eine solche nur dann bestehen kann, wenn der Begriff des Eigenthums festgehalten und das letztere gegen Eingriffe geschützt werden kann.

Die Anerkennung des Eigenthums ist so vorzugsweise die Grundlage alles Fortschrittes der Menschheit, daß mit Recht behauptet werden darf, je intensiver in einem Staat das Eigenthum geschützt, und je weiter sich der Begriff, was als solches anzusehen ist, ausdehnt, um so höher steht die Bildung in demselben.

Während in weniger cultivirten Ländern geringere Eigenthumsverletzungen kaum geahndet werden und die Staatsgewalt nur bei ganz wesentlichen einschreitet, geht man in gebildeten Ländern viel weiter und bestraft auch die unbedeutendsten Veruntreuungen, nicht des materiellen Schadens wegen, welcher den Betheiligten dadurch erwächst, sondern weil man in dem geringsten Vergehen gegen das Eigenthum einen Angriff auf das sittliche Grundprincip der ganzen Gesellschaft selbst sieht und sehen muß.

Eine gar lange Zeit hindurch verstand man unter Eigenthum nur Sichtbares, Greifbares, und es bedurfte eines wesentlichen Fortschrittes der Volksbildung, bis man zu der eigentlich naheliegenden Anschauung gekommen ist, daß es außer materiellem Eigenthum auch ein geistiges geben könne und gibt, und daß beide das Product ein und desselben Factors, körperlicher Thätigkeit (der Arbeit) sind. Nachdem sich diese Anschauung durchgearbeitet hatte, fing man also an zu erkennen, daß nicht allein der Handarbeiter Etwas dem Begriffe Eigenthum Entsprechendes schafft, sondern daß der Erfinder einer Maschine, der Componist, der Künstler, mit gleichem Recht Schutz ihrer Arbeit zu fordern berechtigt sind, wie jener.

Zuerst sehen wir in Folge dessen die sogenannte Patentgesetzgebung für Erfindungen auf dem Gebiete der Technik. Man verleiht nämlich Seiten der Regierungen für neue Constructionen von Maschinen, so wie Verbesserungen an den älteren, für neue chemische Proceduren, nachdem die Neuheit oder Verbesserung durch Zeichnung und Beschreibung nachgewiesen und als solche durch eine sachverständige Commission erkannt ist, dem Erfinder ein Patent, in welchem dessen Berechtigung für eine bestimmte Reihe von Jahren, seine Erfindung ausschließlich anzuwenden, ausgesprochen und ihm hinsichtlich der Eingriffe unberechtigter Nachahmer der im Patentgesetze zugesicherte Schutz, (Berechtigung zur gerichtlichen Verfolgung des Nachahmers, Confiscation der unberechtigt nachgeahmten Gegenstände, Waaren als Anspruch auf Schadenersatz) zugesagt ist.

In dieser Gesetzgebung sind uns England und Frankreich vorausgegangen, der österreichische Staat folgte, und seit langer Zeit schon ist die Patentgesetzgebung auch in den deutschen Ländern heimisch; leider aber in sehr unvollkommener Weise, indem nämlich das Patent in jedem deutschen Staat besonders gegeben wird und es mithin für den Patentsuchenden bedeutende Kosten und Mühen macht, ein solches für ganz Deutschland gültig zu erlangen, während, wenn die Staaten des Zollvereins sich über ein gemeinsames Patentgesetz geeinigt und eine gemeinsame Behörde zur Vollziehung desselben bestellt hätten, die Füglichkeit, ein Patent zu erhalten, erst wirklichen Werth erhielte und manche Erfindung im Vaterlande verbleiben würde, deren Besitzer lieber nach England oder Amerika damit geht, wo ein und dasselbe Patent für die weiten Gebiete dieser Staaten gleiche Kraft hat und gleichen Schutz gewährt.

Ein weiterer Fortschritt in der Gesetzgebung der besprochenen Richtung war der Erlaß des preußischen Gesetzes zum Schutze des Eigenthums an den Werken der Wissenschaft und Kunst vom 11. Juni 1837, welches in der Hauptsache die nachstehenden Bestimmungen, unter Androhung der entsprechenden Strafen für die etwaigen Uebertretungen enthält:

„Das Recht der Vervielfältigung einer Schrift, Predigt, Vorlesung oder Composition steht nur dem Autor oder dessen Erben für die Dauer von 30 Jahren zu.“ [2]
„Dasselbe Recht findet auch Anwendung auf geographische, topographische, architektonische und ähnliche Zeichnungen.“
„Die Vervielfältigung von Zeichnungen oder Gemälden durch Kupferstich, Stahlstich, Holzschnitt, Lithographie, Farbendruck, Uebertragung u. s. w., ohne Genehmigung des Urhebers, ist verboten.“
„Die Vervielfältigung von Sculpturen aller Art, durch Abgüsse, Abformung u. s. w. ist ebenfalls nicht gestattet, und bleibt das Verbot auch dann aufrecht erhalten, wenn die Abformung in anderer Größe stattfindet, als das Original-Kunstwerk.“
„Die Aufführung eines dramatischen oder musikalischen Kunstwerkes, im Ganzen oder mit unwesentlichen Abkürzungen, darf nur mit Erlaubniß des Autors, seiner Erben und Rechtsnachfolger stattfinden, so lange das Werk nicht durch den Druck veröffentlicht ist, und bleibt dies Recht zehn Jahre nach dem Tode des Autors geschützt.“

Dieses Gesetz ist, die letzteren Bestimmungen (die Aufführungen dramatischer oder musikalischer Werke) betreffend, auf den Antrag Preußens vom deutschen Bunde mit wenig Abänderungen angenommen, und am 22. April 1841 zum Bundesgesetz erhoben worden, so zwar, daß die Bühnenschriftsteller und Componisten allenthalben mit ihren Erzeugnissen im deutschen Vaterlande gegen unberechtigte Verwendung ihres Eigenthums gesichert sind.

Preußen hat dem Gesetze vom 11. Juni 1837 dadurch eine vermehrte Bedeutung verliehen, daß es mit den übrigen europäischen Staaten Reciprocitäts-Verträge vereinbart hat und abzuschließen sucht, was übrigens, vorzugsweise zur Verhinderng des Nachdrucks, auch von den meisten andern deutschen Staaten geschehen ist.

Es wird in Deutschland wenig Gebildete geben, welche die besprochenen Maßregeln nicht mit Freude begrüßt haben, weil es Jedem bekannt ist, wie in früheren Zeiten unsere erhabensten Geister, die Koyphäen der Kunst, mit ihren sie lange überlebenden Werken kaum ihren Lebensunterhalt erschwingen konnten, indem sie, was die ersteren betrifft, durch den schmählichen Nachdruck, die letzteren durch die frivolste Benutzung ihrer Bestrebungen zu andern Zwecken, von jedem Buben bestohlen werden konnten.

Um so mehr wird es manche unserer Leser überraschen, wenn sie erfahren, daß noch eine Menge Erzeugnisse geistigen Ursprungs, wenn wir so sagen dürfen, jedes Schutzes entbehren, und so rechtlos [605] dastehen, wie ehedem der Erfinder, der Schriftsteller[WS 1] und der Künstler.

Wir sprechen hier von dem weiten Gebiete der Muster und Formen, für welche man von Seiten der Betheiligten seit vielen Jahren schon in den meisten, namentlich industriellen Ländern nach Schutz verlangt, ohne daß es bis jetzt gelungen ist, die Regierungen zu einem entsprechenden Gesetze zu veranlassen und die öffentliche Meinung in solcher Weise zu gewinnen, wie es wünschenswerth ist. In letzter Zeit noch hat man dafür in Preußen petitionirt und ein in dieser Angelegenheit von einem Fabrikanten in Brandenburg a. d. Havel, Herrn Noll, vorzugsweise an die Mitglieder beider Häuser des preußischen Landtages gerichtetes Sendschreiben gibt uns die Veranlassung, das größere Publicum für dieselbe zu interessiren.

Indem wir dem Gedankengange des mit dem Motto unserer Abhandlung versehenen Noll’schen Sendschreibens folgen, wollen wir uns einer deutlichen Darstellung befleißigen, um auch den Laien verständlich zu machen, was die Betheiligten unter Muster und Formenschutz verstehen und welche Ansprüche sie dieserhalb machen.

Viele der Leser und freundlichen Leserinnen dieser Zeilen gehen täglich an den Auslagekasten in großen und kleinen Städten vorüber und schauen sich je nach Geschmack und Bedarf die zum Verkauf ausgestellten Gegenstände an. Da liegt ein reizendes Jaconetkleid, dort ein prächtiges Band mit so schönen Blumen geziert, als hätte sie der Künstler mit dem Pinsel geschaffen; weiter sehen wir ein Glas in alter und edler Form, endlich ein reizend ausgedachtes Etui, in welchem sich eine ganze Schneiderei und Literateneinrichtung, durch geistreiche Zusammenstellung von Nähnadeln, Scheere, Zwirn, mit Papier, Tinte, Federn und Siegellack, unter einem Verschluß vereinigt findet.

Mit dem angenehmsten Eindruck über die schönen Muster und Formen, allenfalls mit dem Gedanken, „was aber die Leute jetzt Alles erfinden!“, und im günstigsten Falle mit dem Vorsatze, wenn die Casse es erlaubt, Das oder Jenes zu kaufen, verläßt man die Auslage und nur Wenige denken darüber nach, welche großen Schwierigkeiten, welches Nachdenken, welche Geldopfer, wie viel Zeit und Mühe das Schaffen mancher dieser Gebilde, man mag sie Muster, Form oder Zusammenstellung nennen, gekostet haben, ehe sie dem Publicum zum Gebrauch vorgelegt werden konnten!

Und doch ist es wahr, daß die Schwierigkeit der Herstellung vieler industrieller Erzeugnisse, sowohl was ihre Zusammensetzung, ihre Form oder sonstige äußere Erscheinung betrifft, sich nicht allein messen kann mit vielen Erzeugnissen der Literatur, der Musik und Kunst, deren Schutz wir oben besprachen, sondern thatsächlich einen größeren Aufwand an geistiger Kraft, an Zeit und Geld in Anspruch nimmt, wie jene. Um nur ein Beispiel aufzuführen, wählen wir die Anfertigung eines sogenannten Wiener Shawl’s (Umschlagtuchs). Zu einem solchen gehört vor allem eine Zeichnung, die nicht von einem gewöhnlichen Musterzeichner, sondern von einem tüchtigen, künstlerisch durchgebildeten Maler angefertigt wird, welcher aber nicht, wie der Hersteller eines Gemäldes, lediglich seiner Phantasie folgen darf, sondern fast bei jedem Pinselstrich darüber nachdenken muß, ob die Form, die er gibt, auch technisch ausführbar sei. Eine solche höchst schwierige Zeichnung kostet 100 bis 200 Thaler und darüber. Mit dieser Zeichnung ist aber Nichts weiter als das Bild geschaffen, welches dem Fabrikanten zeigt, wie der anzufertigende Shawl nach seiner Vollendung auf dem Webstuhle aussehen soll, und es bedarf noch der Anfertigung mehrerer tausend sogenannter Karten (Pappestreifen, in welche Löcher nach gewissen, durch die Zeichnung bestimmten Entfernungen geschlagen werden), um das Muster auf dem äußerst complicirten Jacquardstuhle (ein Webestuhl, im Anfange dieses Jahrhunderts von einem Franzosen, Jacquard in Lyon, erfunden, welcher heute noch unübertroffen dasteht) weben zu können.

Diese Karten nebst der sehr schwierigen Vorbereitung zum Beginn des Webens, dem sogenannten „Einziehen“, können leicht auch einige hundert Thaler kosten.

Wir sehen also, daß zur Erzeugung eines Shawl-Musters eine baare Auslage von mehren hundert Thalern nöthig ist, wir wissen aus dem Gesagten, daß es eines Künstlers Hand zur Anfertigung der Zeichnung bedarf, wir erfahren ferner, daß es großen Nachdenkens und mühsamer Vorrichtungen bedarf, um den Shawl zu weben, und daß die combinirteste praktische Anwendung der Chemie nothwendig ist, um dem seidenen und wollenen Garne, welches verwendet werden soll, die reizende, der Natur abgelauschte Farbe, welche wir auf solchen Fabrikaten sehen, zu geben, und werden sonach zugestehen müssen, daß sich eine solche Leistung rechtmäßig einer Abhandlung über einen wissenschaftlichen Gegenstand, oder dem Componiren eines Musikstückes, oder dem Schaffen eines Bildes durch einfache Malerei an die Seite stellen läßt. Und dennoch finden die Schöpfungen auf industriellem Gebiet, mit Ausnahme der Maschinen und mancher chemischer Proceduren, bis jetzt wenigstens, keinen Schutz! Nachdem ein derartiger Gedanke durch das Manufact seinen sichtbaren Ausdruck gefunden, steht derselbe rechtlos da, der nächste Freibeuter macht das Geschaffene nach und kann die Form, welche dem ersten Erzeuger bedeutende Summen kostete, für die paar Thaler erlangen, welche er zum Ankauf des fertigen, nach der schmählichen Benutzung zur Nachahmung auch noch brauchbaren Gegenstandes bezahlt hat. Schande solchem Verfahren!

Die gegebenen kurzen Andeutungen, die Kosten eines Shawlmusters betreffend, sind ein in’s Auge fallendes Beispiel, wie bedeutend dieselben häufig sind, allein abgesehen von der Weberei, gibt es noch viele Zweige der Industrie, in welchen Muster und Formen eine Hauptrolle spielen und die Auslagen dafür unglaublich groß sind.

Es versteht sich von selbst, daß nicht alle Gegenstände, die uns unter neuen Formen begegnen, Hunderte von Thalern Vorbereitungskosten erforden, aber so viel steht fest, daß die Erzeugung derselben in allen Fällen das Product längeren Nachdenkens, d. h. geistigen Schaffens ist, welches letztere, ganz abgesehen von dem Kostenpunkt, reellen Anspruch auf Schutz, wie jedes andere sogenannte geistige Eigenthum, welches sich davon in keiner Weise unterscheidet, in Anspruch zu nehmen berechtigt ist. Worin liegt denn der so große Unterschied, ob Jemand denkt, schreibt und drucken läßt (schriftstellert, componirt), oder ob er denkt, malt (ein Muster erfindet) und dieses dann häufig mit noch mehr Schwierigkeit, als der Buchdruck mit sich bringt, statt auf Papier, auf baumwollenem oder seidenem Zeuge vervielfältigt?

Wir werden hier auf keinen großen Widerstand stoßen, wenn wir annehmen, daß der Unterschied in diesem Leisten nicht gar groß ist, wollen uns aber dagegen verwahren, als ob wir jede geringe industrielle Leistung auch nur entfernt vergleichen wollten mit den erhabenen Schöpfungen einzelner großer Geister auf wissenschaftlichem, musikalischem oder künstlerischem Gebiete; allein eben so gut wie Goethe’s Werke geschützt werden gegen Nachdruck, durch dasselbe Gesetz wie eine Abhandlung über die Fleckseife, so verlangen wir, daß dieser Schutz nach Verhältniß des Werthes der Sache Jedem für seinen Theil werde und nur ein Unterschied darin eintrete, daß eine bedeutende Leistung längere Zeit und eine geringere kurze Zeit, vielleicht nur Monate, gegen Nachahmung geschützt werde.

Dieser Wunsch ist von den Industriellen, wie wir bereits erwähnt haben, vielfach ausgesprochen und durch Petitionen an die betreffenden Regierungen unterstützt worden, doch, obgleich man sich auf die in Frankreich und England längst bestehende Einrichtung des Musterschutzes beziehen konnte und hierdurch die Möglichkeit eines diesem gewidmeten Gesetzes erwiesen ist, hat die gewichtige Frage noch keine Erledigung gefunden. Auch in Preußen, welches mit lobenswerthem Eifer die Sache des Schutzes des geistigen Eigenthums in der bereits erwähnten Richtung zuerst in die Hand genommen hat, ist es bis jetzt noch nicht gelungen, die Nothwendigkeit und Nützlichkeit eines Gesetzes für Musterschutz so darzulegen, daß die Regierung die Vorlage eines solchen an den Landtag beschlossen hätte, obgleich es sich auch hierbei, wie wir sehen werden, durchaus nicht allein um die dadurch vermittelte materielle Verbesserung des ersten Erzeugers oder Erfinders handelt, sondern um die Lösung von Fragen, welche eine bedeutende Wirkung auf die sittliche Anschauung des Volkes ausüben müssen und für die pecuniäre Stellung einer großen Menge von Arbeitern in den verschiedenen Zweigen der Industrie von ungemeiner Wichtigkeit sind. Dadurch nämlich, daß wir Muster- und Formenschutz entbehren, sind wir, namentlich was solche Industrien betrifft, welche aus dem Auslande erst nach Deutschland übergegangen sind, wie die Druckerei, die Kunstweberei, größtentheils zu Nachahmern des ausländischen Musterwesens geworden, was allerdings billiger ist, wie die eigene Erfindung, aber jedenfalls den großen Nachtheil hat, daß man unser Fabrikat auf ausländischen Märkten nicht für originales Product ansieht, sondern als Conterfei und mithin nicht so bezahlt, [606] wie das Original. Das ist eine Schattenseite des Nachahmens, eine andere ist es, daß wir bei weitem weniger künstlerisches Talent der Industrie dienstbar machen können, wie das beispielsweise in Frankreich geschieht, wo nicht selten Zeichner (wirkliche Künstler), welche mit dem Erfinden von Mustern für die theuern Lyoner Seidenstoffe, für Meublezeuge und andere Luxusartikel beschäftigt werden, drei- bis viertausend Thlr. und mehr Jahresgehalt beziehen, welchen der Fabrikant lediglich dadurch zu bezahlen im Stande ist, daß er durch die Neuheit und Originalität seines Geschmackes oft unglaubliche Preise für sein Fabrikat erzielt. Endlich, und das ist unserer Ansicht nach die wichtigste Seite, kann in vielen Gewerbszweigen nur durch Musterschutz dem in der That Niemandem, weder dem Fabrikanten noch dem Käufer, eigentlichen Vortheil bringenden Sinken der Preise und als nothwendige Folge der Löhne entgegen gearbeitet werden, indem dieses zwecklose, aber für die Arbeitsbevölkerung mit pecuniärem und sittlichem Nachtheil verbundene Herabdrücken häufig nur deshalb stattfindet, weil der Fabrikant alsdann wohlfeiler verkaufen muß, um noch rasch die Kosten einer Form oder eines Musters zu decken, wenn es, eben nachgeahmt, von dem Concurrenten zu einem bei weitem billigerem Preise, wie der im Anfange von dem ersten Erzeuger mit Leichtigkeit erzielte, ausgeboten wird.

Hier ist es augenscheinlich, wie wesentlich das Wohl der Arbeiter solcher Industrieen, wo Form und Muster eine große Rolle spielen, mit dem Schutz des besprochenen geistigen Eigenthums zusammenhängt! Jetzt ist eine Tabula rasa in dieser Seite des Verkehrs. Wie bereits erwähnt: ein Theil der Fabrikanten copirt französische, englische und andere Muster, ein anderer Theil, welcher eine gewisse Ehre darin setzt, originell zu sein, producirt Neues mit großen Opfern, und ein anderer Theil liegt, wie die früheren Raubritter, im Hinterhalt, fällt über die neue Production her, und macht sie sich, wenn er auch nicht bis in’s kleinste Detail copirt, für ein Billiges zurecht. Und das thun Leute, bei welchen man schlecht ankommen würde, wenn man von Diebstahl spräche, was eine solche Handlungsweise in der That ist!

Es gibt zwar in manchen Ländern einzelne Gesetze und Verordnungen, welche die gerichtliche Verfolgung solcher Nachahmungen möglich machen, doch ist das Verfahren vor gewöhnlichen Gerichten, wie bekannt, ein so zeitraubendes, daß diesen Weg selten ein Verletzter einschlägt, um so mehr, als der Beweis im Sinne der juristischen Anschauung so schwierig zu führen ist, daß man so lange von der Verfolgung jener Räuber abstehen muß, als nicht ein besonderes Gesetz dafür gegeben, und dasselbe von sachverständigen Richtern, welchen zur Ueberwachung der vorgeschriebenen formellen Behandlung ein juristisch befähigtes Mitglied beigegeben sein dürfte, in Anwendung gebracht wird.

In Folge dessen werden die Klagen von Seiten der Betroffenen immer lauter, und erst vor Kurzem haben „die Aeltesten der Kaufmannschaft“ in Berlin durch eine Commission einberufener Sachverständiger den Entwurf zu einem Gesetz für den Musterschutz aufstellen lassen, und diesen der preußischen Regierung unterbreitet.

Die Forderung nach Muster- und Formenschutz ist eine gerechte, und wir stimmen in den mehrfach ausgesprochenen Wunsch ein, daß es sich gerade die zur unserer großen Genugthuung nunmehr geschützten Schriftsteller, namentlich jene der Zeitungspresse angehörigen, zur Aufgabe machen sollten, die Angelegenheit recht durchzusprechen, damit man in dem Erlaß eines Gesetzes der besprochenen Art die Erfüllung, nicht eines Zugeständnisses für die Industriellen, sondern einer Forderung der öffentlichen Moral finden möge.

Schließlich müssen wir noch bemerken, daß die Gewährung desselben für einzelne kleine Länder, keinen praktischen Nutzen haben könnte, indem lediglich nur ein Gesetz für ganz Deutschland (noch besser in Gemeinschaft mit Oesterreich) von durchgreifender Wirksamkeit sein kann. Einem solchen könnte man zu gleicher Zeit strafrechtliche Bestimmungen gegen die bisher vielfach ungestraft ausgeübte Nachahmung von sogenannten Fabrikzeichen (ganz gleichbedeutend mit dem Nachahmen des Petschaftes eines Privatmannes) beifügen, wie dies neuerdings in Frankreich geschehen, wo jede durch ein unberechtigtes Zeichen gestempelte und jede eingehende Waare ohne Unterschied confiscirt wird, welche ausländischen Ursprungs ist und ein auf französischen Ursprung deutendes Fabrikzeichen (auch wenn es nicht nachgemacht ist) an sich trägt, so wie in England, wo jede Waare confiscirt wird, die durch ein englisches Zollamt auch nur transito geht, wenn sich auf dem vorfindlichen Fabrikzeichen der englischen Sprache bedient ist.

Wir wollen dergleichen dem Auslande gegenüber drückende Maßregeln, namentlich die zuletzt angeführte englische Einrichtung, welche zur groben Ungerechtigkeit wird, und gar nicht geduldet werden sollte, nicht rechtfertigen, rathen aber, die gedachten Länder, was das Gute und Zweckmäßige in ihren Gewerbsgesetzen anbelangt, immer wieder zum Vorbild anzunehmen, daß das Suum cuique in Deutschland auch für die Gewerbtreibenden zur Wahrheit werde.
–ng.



  1. Jedem das Seine.
  2. Wenn man das Anrecht der Autoren an ihren Werken nicht für alle Zeiten anerkennt, sondern dasselbe auf eine bestimmte Reihe von Jahren beschränkt, so scheint uns dies genügend dadurch gerechtfertigt, daß keiner derselben das, was er ist, sein könnte, wenn nicht die Schöpfungnn seiner Vorgänger ebenfalls zum Gemeingut geworden wären.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schrifsteller