Der Rosengarten von Agstein
[116] Der Rosengarten von Agstein. Am Ufer der Donau, unfern der berühmten Abtei Mölk, liegt auf steilem Felsen das alte Schloß Agstein, welches im 13. Jahrhundert einem Ritter von Schreckenwald gehörte. Der Ritter war ein wilder, fehdelustiger Mann, der nicht nur Wegelagerei trieb, sondern auch mit den benachbarten Städten und Edelherren in stetem Kampfe und Unfrieden lebte. Wehe aber dem Unglücklichen, welcher des Burgherrn Zorn auf sich geladen hatte und in seine Hände fiel oder nicht im Stande war, das von Schreckenwald geforderte Lösegeld zu bezahlen; seiner harrte ein schreckliches Schicksal. Wo der Schloßfelsen nach der Donau abfällt, führte aus einem Gemache des Schlosses eine kleine Thür nach einem Felsenvorsprung, drei Schritte breit und eben so lang, umgeben von jäher Tiefe. Diesen Platz nannte der Ritter mit unmenschlichem Hohn „seinen Rosengarten“. Das Opfer, welches der Ritter dem Verderben geweiht hatte, wurde in das Gemach am Rosengarten geführt, dort fürstlich mit Essen und Trinken traktirt und nichts gespart, um sein Herz zur Fröhlichkeit zu stimmen. Wenn nun der Gast, hocherfreut über die vermeinte Versöhnlichkeit seines Gewalthabers, schon von seiner bevorstehenden Freiheit träumte, hieß ihn der Ritter aufstehen und durch die von ihm geöffnete Thür in „den Rosengarten“ hinaustreten. Rasch fiel dann die eiserne Thür wieder ins Schloß, und hohnlachend von innen den Riegel vorschiebend und das Speisegemach verschließend, ging der Ritter von dannen. Für den Unglücklichen auf dem Felsenvorsprunge gab es keine Hoffnung mehr. Ihm blieb nur die Wahl, zu verhungern und zu verdursten oder sich in die schwindelnde Tiefe hinabzustürzen. Zahllose Opfer sollen auf diese Weise ihren Tod gefunden haben. Endlich wurde die Burg Agstein von verbündeten Edelleuten und Bürgern belagert und erstürmt und Schreckenwald, nach tapferer Gegenwehr, gefangen nach „dem Rosengarten“ geschleppt und über den steilen Felsen in die Donau hinabgestürzt.