Der Rumänenfürst an seinem Rubicon

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Titel: Der Rumänenfürst an seinem Rubicon
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 626
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[626]

Fürst Karl von Rumänien.
Originalzeichnung von Professor W. Camphausen in Düsseldorf.

[626] Der Rumänenfürst an seinem Rubicon. (Mit Abbildung auf S. 615.) Diesmal heißt der Rubicon – Donaustrom, und die verhängnißvolle Ueberschreitung desselben durch die Spitze der rumänischen Armee geschah in der Nacht vom 24. zum 25. August. – „Wenn Du über den Halys gehst, wirst Du ein großes Reich zerstören“ – weissagte die delphische Priesterin dem Crösus vor seinem Untergange, und auch zum Halys kann die Donau werden, trotz des hinkenden Vergleichs.

Von dem Augenblicke an, wo Fürst Karl mit der Nachricht überrascht worden war, daß die Russen unangemeldet über die rumänischen Grenzen eingedrungen seien, ist er aus der türkischen in die russische Vasallenschaft gerathen, wenn er jetzt, wie eine österreichische Zeitung sagt, „mit zäher Zudringlichkeit es durchgesetzt hat, seine Landeskinder auf die Schlachtbank zu führen“, so geschieht dies ausschließlich für die Russen, denn er selbst darf, nach dem bestimmt ausgesprochenen Willen Oesterreichs, Eroberungen auf dem rechten Donauufer, selbst wenn ihm dergleichen gelingen sollten, nicht behalten. Man sucht vergeblich nach vernünftigen Beweggründen für solch einen militärischen Opferdienst und kommt auf den Verdacht, der Fürst habe seine gesammte Armee nur deshalb unter sein Commando gestellt, um Soldaten und Officiere Rumäniens vor der fernerweiten Mißhandlung und Mißachtung von Seiten der moskowitischen Freunde zu sichern.

Fürst Karl ist in seiner Stellung als Fürst der Moldau und Walachei nie sehr zu beneiden gewesen, weniger als jetzt aber niemals. Als der siebenundzwanzigjährige Gardedragonerlieutenant Prinz Hohenzollern vor elf Jahren an seinem Geburtstage (20. April) zum Nachfolger des Fürsten Kuza erwählt und mitten durch das ihm feindliche Oesterreich glücklich nach Rumänien durchgeschmuggelt worden war, mochten bei dem festlichen Empfang und Einzug in Bukarest (am 22. Mai 1866) ihn alle Freude des Herrscherthums anlächeln. Wir haben früher in der „Gartenlaube“ dargestellt, wie bald jene Festkränze verwelkt und zerrissen umherflogen und wie hart der Fürstenstuhl war, auf welchen der junge Mann sich so eilig gesetzt hatte. Er blieb dem Volke ein Fremder, und gerade die deutschen Siege von 1870 erweiterten den Spalt, weil nach dem Beispiel des mit französischem Bildungsfirniß glänzenden Adels das Volk den Franzosen seine Sympathie erwies, seinem „Hohenzollern“ zum Trotze. Sogar seine kinderlose Ehe konnte als Vorwurf gegen ihn benutzt werden. Seit er 1871, des widrigen Treibens endlich müde, mit Abdankung gedroht, schienen die Verhältnisse zwischen Fürst und Volk sich gebessert zu haben.

Selbst während des serbischen Aufstandes wußte Rumänien seine Ruhe zu behaupten. Da kam die große nordische „Befreiung“, winkte mit Souveränität und Königskrone und erbat sich den Hausschlüssel des künftigen Rumänenreichs – und so ist alsbald mit unwiderstehlicher Gewalt die Freundschaft eingezogen, an welcher das arme Volk jetzt daheim zu leiden und jenseits der Donau zu bluten hat. Das schwerste aber hat es von der russischen Dankbarkeit zu ertragen. Nicht wie auf dem Freundesboden eines Verbündeten, sondern wie in einem eroberten Lande betragen sich die Russen. Der schwerste Theil der Kriegslast liegt auf Rumänien, es ist nicht mehr Herr seiner Straßen und Bahnen; der Russe befiehlt jeder Obrigkeit – und der Fürst geht über die Donau, um wenigstens seiner Armee befehlen zu können, so lange es die russischen Generäle gestatten. Kann eine Königskrone von Rußlands Gnaden die tausend Wunden des Landes wieder heilen, die so tief herabgesetzte rumänische Fürstenwürde wieder herstellen?