Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 3 Kapitel 7
Wiewol die Inventierung und Beschreibung der Güter nicht wenig Beschwernüß hat / so ist dennoch ein jeglicher / wer Güter in Händen hat / die er künfftiglich restituiren muß / damit aller Verdacht und Argwohn vermitten bleibe / dieselbe gebührlich / jedoch auff unterschiedene Maß und Form / nach Gelegenheit der Sachen / inventiren zu lassen schüldig.
Insonderheit / nach dem ein jeglicher Erb / so ein mahl sich der Erbschafft unterziehet / ohne einige Außflucht und Behelff / alle des Verstorbenen Schulde / auch was derselbig in seinem Testament oder letzten Willen andern verschaffet / oder außzurichten befohlen [345] hat / zu bezahlen verpflichtet ist / ungeacht daß schon die verlassene Güter sich so weit nicht erstrecken möchten: So ist dagegen den Erben diese Begnadung und Wolthat Rechtens gegeben / daß sie in einem Monath / dem nechsten / nach dem sie des Todtsfalls und angestorbenen Erbschafft berichtet worden / alle und jede des Verstorbenen Haab und Güter / Schulden / Gegenschulden / brieffliche Uhrkunden und anders / in die Erbschafft gehörig / zu inventiren und zu beschreiben anfangen / und in zweyen Monaten darnach vollenden / und also das gantze Inventarium in dreyen Monaten verfertigen mügen / wiewol aus beweglicher Ehehafft / als da der Erbe absens, oder der Erbschafft Güter an verschiedenen Oertern zerstreuet seyn / längere Zeit / und ein gantz Jahr zur Inventation zugelassen werden sol. Und wann also nach auffgerichtetem Inventario, ein Erb sich der Erbschafft unterfanget / und mit den Gütern als ein Erb waltet / ist er den Gläubigern und andern weiter nicht / dann sich die inventirte Güter erstrecken / verpflichtet / noch ein mehrers zubezahlen schüldig.
Es mag auch auff solchen Fall / des auffgerichten Inventarij, der Erbe alle das jenige / so er auff des Verstorbenen Begräbnüß / auch zu Verfertigung des Inventarij, und sonsten einiger Gestalt / der [346] Erbschafft wegen auffgewandt oder bezahlet / von der Erbschafft Gütern vorab ziehen und einbehalten; aber was andere Spruch und Fürderung / so er zu dem Verstorbenen bey dessen Lebzeit gehabt / anbelangen thut / darinnen andern Creditorn gleich gehalten werden.
Damit aber der Erb solcher Wolthaten würcklich zugeniessen haben müge / so wird bey solcher Inventirung erstlich erfordert / daß er auff Erlaubnüß des Raths / alle des Verstorbenen Gläubiger / und die jenigen / welchen im Testament etwas vermacht / so viel derselben in dieser Stadt und Gebiete / durch des Gerichts-Diener einen / oder da dieselbe nicht alle bekandt / durch einen öffentlichen Anschlag und Proclama, bey Aufrichtung des Inventarij, auff gewisse darzu bestimbte Zeit und Stelle / so ihnen dabey angezeiget werden sol / zu erscheinen eins für alle heischen und laden lasse / und darauff alsdann durch den Gerichtschreiber / in Beywesen zweyer glaubwürdiger Zeugen / welche den Verstorbenen gekandt / zusampt den citirten und erscheinenden Gläubigern und Legatarien / auch so noch andere Gläubiger ausser dieser Stadt Gebiete / so nicht citirt wären / an deroselben statt dreyer darzu insonderheit erbetener erbgesessenen Bürger / alle und jedes des Verstorbenen Haab und Güter / Schulden / Gegenschulden / brieffliche [347] Uhrkunden / und alles anders / was in des Verstorbenen Verlassenschafft bey seinem Ableben befunden / ordentlich und unterschiedlich / mit eines jeden eigendlicher Beschaffenheit / Aestimation und Werth / inventirt und beschrieben / folgends auch dasselb Inventarium zu End / nicht allein durch den Gerichtschreiber / welcher dasselb / verfertiget / sondern auch durch den Erben selbst / mit eigener Hand / oder wofern derselb nicht schreiben könte / durch einen andern deßwegen requiriten Notarium, daß solch Inventarium von ihm dem Erben getreulich / und ohn alle Arglist und Gefährde auffgerichtet sey worden / unterschrieben werden.
Würde aber der Erb diese obgesetzte Form zu inventiren / in ein oder mehr nothwendigen Puncten überschreiten / oder etwas gefährlicher Weiß im inventiren verschweigen / verhalten oder verbergen / und dessen überwiesen werden / so soll er die Schulde und alle Legata, ungeachtet daß er ein Inventarium auffgerichtet / und die Erbschafft so viel nicht vermöchte / zubezahlen verpflichtet seyn.
Jedoch mügen die Erben / innerhalb der Zeit / welche ihnen / wie obstehet / zu Außfertigung [348] des Inventarij von Rechtswegen zugelassen und bestimmt / von den Gläubigern oder Legatarien, ihrer Schulden oder Geschäfft halben / nicht angefochten oder besprochen werden.
Ferners / da jemande auff sein Lebezeit der Besitz oder genießlicher Brauch / aller oder etlicher Güter / vermacht / sol derselbe gleichsfalls von allen solchen Gütern / auff vorgehende gebührliche Citation des Eigenthümers Erben / ein Inventarium durch den Gerichtschreiber / in Gegenwart zweyer glaubwürdiger Zeugen / auffrichten / und darinnen alles und jedes nach seiner Qualität / und mit hinzugesetzter Aestimation und Werth desselben / eigentlich beschreiben lassen / und dann zu End / neben dem Notario, dasselbig mit seiner Hand unterzeichnet / auch ferners die Caution, welche er solches Besitzes und Geniesses wegen / dem Eigenthumbs Erben zu thun schüldig / demselben Inventario auch einverleiben. Im Fall aber er dasselbe gäntzlich unterlassen / oder auch im Inventiren etwas gefährlicher Weise verschweigen / oder unterschlagen / und dessen / wie Recht / überzeuget würde / sol er damit denselben Besitz und Genieß allerdings verwirckt und verlohren haben: Hingegen aber auch / da er etwas aus Irrthumb in das Inventarium gebracht / so [349] darinn nicht gehöret / ihm auff gebührende Andung unschädlich und unpraejudicirlich seyn.
Imgleichen ist auch ein jeglicher Vormund und Vorsorger / von allen des Pupillen Gütern / inmassen im nechst vorgehendem Titul von Vormund- und Pflegschafften verordnet / ein richtig Inventarium verfertigen zu lassen schüldig.