Der Witwer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Karl Friedrich Kretschmann
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Witwer
Untertitel:
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 325–326
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons = Google-USA*
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[325]

Der Witwer.

Einst lebt’ in seinem Dörfchen, arm,
Doch frisch und flink und sonder Harm,
Hans, Namens Ohnesorgen.
Kaum hatt’ er von der Hand ins Maul;

5
Doch diese Hand war nimmer faul

Zum Abende vom Morgen.
Drum fand er ohne viel Gebet,
Was in der vierten Bitte steht.

     Nicht lange blieb das Bett ihm leer;

10
Er nahm ein Weib, so flink wie er.

Nun ging’s durch zwei Paar Hände!
Er hatte eignen Herd, dazu
Bald eine schöne bunte Kuh;
Sein Glück schien sonder Ende:

15
Denn ihn erfreuten Weib und Rind

Durch manches Kalb, durch manches Kind.

     Doch kurz nur stund sein Wohlfahrtsbau.
Es starb die flinke junge Frau
Im dritten Wochenbette.

20
Ein harter Schlag kam stracks hinzu,

Er fand die schöne bunte Kuh
Erstickt im eignen Fette.
Das war dem Armen doch zu viel!
Er wusste seines Grams kein Ziel.

25
     Da sass er auf der Ofenbank

Mit Gott und Welt und sich im Zank,
Und greinte bittre Zähren,
Je zwei um zwei: für Seelenruh’
Der flinken Frau, der bunten Kuh. –

30
Die Nachbarn alle wehren

Mit Trost und Rat der Traurigkeit.
Umsonst! Sie blieb so lang wie breit.

     Jetzt sprach der Schulze Martin: »Freund,
Nur nicht versagt, nur nicht gegreint!

35
Wenn Gott nahm, nimm du wieder!

Ich wüsst’ ein hübsches Rundgesicht.
Ei sieh! Dort geht sie, irr’ ich nicht,
Im roten Sonntagsmieder.
Du kennst doch Muhme Greten? Sprich!

40
Die wär’ ja wohl ein Trost für dich.«
[326]

     Hans seufzte still. Da nahm das Wort
Der Ludimoderator Kort:
»Das Grab ist allen erblich,
Was sein muss, nun das muss, Freund Hans,

45
Sei’s Mann und Frau, sei’s Kuh und Gans.

Wir alle sind ja sterblich!
Doch, weisst du was? Mein Hannel ist
Schon mannbar über Jahresfrist.«

     Doch Witwer Hans schwieg immer noch,

50
Er seufzte, greinte fort; und doch

Umdrängten ihn die Wichte.
Der eine hatt’ ein Schwesterlein,
Der zweit’ ein Mündel zu verfrei’n,
Der dritte seine Nichte;

55
Dann Enkel, Pate, Schwägerin;

Ei war wie Jahrmnrkt rings um ihn.

     Nun kam auch noch der Bader Tropf,
Rasierte Witwerbart und Kopf,
Und sprach: »Freund, braucht bei Zeiten!

60
Ich hätte was, das hilft geschwind;

Es ist mit mir Geschwisterkind
Und heisst – Susanne Veiten.
Sie dient bei mir ums Brot statt Lohn,
Ein braves Mensch! Rasiert auch schon!«

65
     Da ward Hans endlich wild. Er sprang

Empor von seiner Ofenbank
Und rief: »Ihr sollt euch schämen!
Mir starb die Frau, und – seid ihr toll? –
Ist kaum ins Grab hinein: so soll

70
Ich schon zehn andre nehmen?

Mir starb die Kuh: doch gebet ihr
Mir auch nicht einen Schwanz dafür!«


Karl Friedrich Kretschmann.
(1788–1877)