Der amerikanische Gesandte am französischen Hofe
[46] Der amerikanische Gesandte am französischen Hofe. Ueber dieses Thema bringt ein amerikanisches Blatt, die Cincinnati Gazette folgende Notizen:
„Am 15. August (1853) gab der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Drouyn de L’Huys. dem diplomatischen Corps ein Diner zu Ehren des Geburtstags Napoleon’s I. Alle in Paris befindlichen Gesandten und Geschäftsträger, sowie einige nicht mehr in Thätigkeit befindliche Diplomaten, waren bei diesem Mahle anwesend. Auch auf Sandford’s, unseres Gesandten, Karte stand, wie auf allen übrigen, in einer Ecke „in Uniform.“ Sandford schrieb sofort an den Minister des Auswärtigen, „daß seine Regierung, wie Herr de L’Huys ohne Zweifel wahrgenommen haben werde, kürzlich gewisse Instruktionen in Bezug auf Hofuniform erlassen habe, denen nachzukommen seine Pflicht sei; wenn er also bei dem Mahle erscheine, was ihm sicher viel Vergnügen machen werde, so müsse es in dem einfachen Anzuge eines Bürgers der Vereinigten Staaten geschehen. Gleichfalls ersuche er den Minister, wenn nöthig, dem Hofe anzuzeigen, daß er eben so in den Tuilerien sich zeigen werde.“ Er empfing ungesäumt vom Minister eine Antwort, welche keinen Einwand machte.
Er ging, und wie man sich denken kann, machte dieser Eingriff in altes Herkommen gerade zu einer Zeit, wo der Hof mehr und mehr ceremoniell und glänzend wird, großen Aufsehen und veranlaßte viel Gerede. Die Versammlung war brillant und schien mehr aus Gold, funkelnden Kreuzen, Sternen und kaiserlichen Adlern, als aus Menschen zusammengesetzt. Sie waren buchstäblich mit Schmuck überladen.
Sandford allein erschien in dem Anzuge eines einfachen Bürgers: schwarzer Frack, weiße Weste, gleiche Halsbinde und schwarze Hosen, ohne irgend eine Auszeichnung oder Stickerei. Während des Essens saß er neben dem Geschäftsträger der Schweiz, ihm gegenüber aber der Geschäftsträger von Venezuela, so vollständig in goldene Stickereien eingewickelt, daß er seinen Körper nur mit der größten Schwierigkeit in Bewegung setzen konnte. Der schweizer Geschäftsträger bemerkte, indem er sich gegen Sandford wandte: „Sehen Sie diesen kleinen Herrn, er ist der Repräsentant der unbedeutendsten Regierung von Venezuela, einer Macht, die kaum auf ihren Beinen stehen kann, die Wucht seiner Goldborten erstickt ihn fast, indessen Sie, der eine der größten Mächte der Welt, wo nicht die größte, vertritt, in der einfachen Tracht eines bescheidenen Bürgers erscheinen. Dieser Contrast macht Ihnen und Ihrem Lande Ehre.“ Etliche andere Complimente der Art wurden Sandford indirect gesagt, indessen die Mehrzahl der Anwesenden zeigte positive Abneigung. Die Neuerung war zu sehr ein directer Commentar zu ihrer eigenen Erscheinung, sie führte zu einem eigenthümlichen Gedankengang und nothwendig auch zu unangenehmen Betrachtungen über ihre eigene Stellung. Der Herzog von Guiche, der die französische Regierung zu Turin vertritt, nahm nach dem Essen Sandfords Arm und machte einige starke Bemerkungen über sein Auftreten. Sandford entgegnete in demselben Ton, und das Gespräch nahm eine andere Wendung. Der türkische Gesandte, Omar Pascha, am französischen Hofe sehr geachtet, suchte Sandford’s Gesellschaft und sagte zu ihm mit schlecht verhehltem Verdruß: „Eh! Qu’est ce que c’est! Vous avez l’air d’un corbeau dans cette foule des oiseaux d’or! (Was ist das? Sie sehen wie ein schwarzer Rabe unter diesen goldenen Vögeln aus!) Obwohl Sandford dem Muhamedaner seine Gründe aus einandersetzte, wollten sie diesem doch nicht recht einleuchten.
Der Tag war zugleich der Empfangstag in den Tuilerien, und der Kaiser empfing eine große Anzahl Würdenträger, darunter auch das diplomatische Corps. Sandford war auch hier in seinem schwarzen Gewande anwesend, abermals ein Rabe unter den goldenen Vögeln. Gewöhnlich bildet bei solchen Gelegenheiten das diplomatische Corps einen Kreis, der Kaiser geht dann herum und reicht Jedem die Hand. Diesmal aber blieb er auf der Stufe des Thrones stehen, zum Zeichen, daß die Gesandten zu ihm zu kommen haben. Etliche derselben näherten sich ihm, darunter Lord Cowley. Sandford schritt gerade durch das Zimmer und machte im Vorübergehen dem Kaiser sein Kompliment.
Abends wurde eine auserwählte Gesellschaft von hundertfünfzig Personen in die Tuilerien geladen, um mit dem Kaiser und der Kaiserin der Illumination beizuwohnen. Die Gesellschaft bestand aus der kaiserlichen Familie, den Gesandten und ihren Frauen und etlichen wenigen hervorragenden Fremden, unter denen der Marschall Narvaez und die Königin Christine von Spanien. Wiederum war Alles in Uniform, mit Ausnahme Mr. Sandford’s, welcher diesmal etwas Mühe hatte, durch die Hände der zahlreichen Lakaien zu kommen, die den Weg zur Majestät pflastern. Die Gesellschaft hatte sich im Saale der Marschälle versammelt; um neun Uhr traten der Kaiser und die Kaiserin ein. Sandford sprach mit der Prinzessin Mathilde, dem preußischen Gesandten und mit zwei oder drei Andereren über seinen Anzug, als der Kaiser sich zeigte. Als dieser Sandford erblickte, ging er sofort auf ihn zu, reichte ihm die Hand, sprach einige Minuten mit ihm und ersuchte ihn, wenn er schreibe, zu melden, daß er der beständige Freund Amerika’s sei! Der Kaiser ist schlau und hat seine Schule durchgemacht.