Der farendt Schuler im Paradeiß
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[105] [A 3, 3, 18a]
22. Faßnacht spiel mit 3 Personen:
Der farendt Schuler im Paradeiß.
Die Pewrin gehet ein vnnd spricht:
ACh wie manchen seufftzen ich senck,
Wenn ich vergangner zeit gedenck,
Da noch Lebet mein erster Man,
Den ich ye lenger lieb gewan,
Wann er war einfeltig vnd frumb.
Mit jm ist all mein frewdt gestorben,
Wie wol mich hat ein andr erworben.
Der ist meimb ersten gar vngleich,
Er kratzt vnd spardt zusam das gut,
Hab bey jm weder frewdt noch mut.
Gott gnad noch meinem Man, dem alten,
Der mich viel freundtlicher thet halten;
Ich wolt mich halt nit saumen dran.
Der farendt Schuler gehet ein vnnd spricht:
Ach liebe Mutter, ich kumb herein,
Bit, laß mich dir befolhen sein,
Mit deiner milten handt vnd gab;
Die ich in Buechern hab gelesen.
Ich bin in Venus berg gewesen,
Da hab ich gsehen manchen Buler;
Wiß, ich bin ein farender Schuler
[106] Von Pariß ich erst kummen bin
Itzundt etwa vor dreien tagen.
Die Pewrin spricht:
Secht, lieber Herr, was hoer ich sagen,
Kumbt jr her auß dem Paradeiß?
Habt jr mein Man nicht drin gesehen?
Der ist gestorben in der nehen,
Doch vast vor einem gantzen Iar,
Der so frumb vnd einfeltig war;
Der farendt Schuler spricht:
Der Seel so viel darinnen waren; [A 3, 3, 18c]
Mein Fraw, sagt, was hat ewer Man
Fuer kleider mit jm gfuerdt daruan?
Ob ich jn darbey moecht erkennen.
Die Pewrin spricht:
Er het ach auff ein plaben hut
Vnd ein leilach, zwar nit vast gut,
Darmit hat man zum grab besteht.
Kein ander Kleidung er sunst het,
Farendt Schuler spricht:
O liebe Fraw, ich kenn jn wol,
Er geht dort vmb ohn hossn vnd schuch,
Vnd hat ahn weder hem noch bruch,
Sonder wie man jn legt ins grab;
Vnd thut das leilach vmb sich huellen.
Wenn ander brassen vnd sich fuellen,
So hat er gar kein pfenning nicht.
Als denn er so sehnlich zusicht
Was jm die andern Seelen geben;
So ellendt thut er dort vmbgan.
[107] Die Pewrin spricht:
Ach, bist so ellendt dort mein Man,
Hast nit ein pfenning in ein badt?
Das du solt solche armut leiden.
Ach, lieber Herr, thut mich bescheiden,
Wert jr wider ins Paradeiß?
Der farendt Schuler spricht:
Morgen mach ich mich auff die reiß,
Die Pewrin spricht: [A 3, 3, 18b]
Ach, wolt jr etwas mit euch tragen,
Ins Paradeis bringen meim Man?
Der farendt Schuler spricht:
Ia, Fraw, ich wil es geren than,
Doch was jr thon welt, thut mit eil.
Die Pewrin spricht:
Zu sammen wil das suchen ich.
Sie geht auß.
Der farendt Schuler redt mit jm selb
vnnd spricht:
Das ist ein recht einfeltig Viech
Vnd ist gleich eben recht fuer mich,
Wenn sie viel gelts vnd kleider brecht,
Wolt mich baldt mit trollen hienauß,
Eh wann der Pawer kemb ins Hauß.
Er wirt mir sunst mein sach verderben;
Ich hoff, ich woel den alten erben.
Die Pewrin bringet jhm ein puerlein vnd spricht:
Nemet hin die zwoelff guelden rot,
Die ich lang hab gegraben ein
Da aussen in dem Kuestal mein,
Vnd nemet auch das puerlein ahn
[108] In jene Welt ins Paradeiß,
Darinn er finden wirt mit fleiß
Zu einem Rock ein plobes tuch,
Hossen, joppen, hemb vnd bruch,
Sagt jm, zum nechsten wers noch besser,
Ich wil jn noch mit Gelt nit lassen.
Mein Herr, fuerdert euch auff der strassen, [A 3, 3, 19a]
Das er baldt auß der armut kumb,
Ist noch der liebst vnter den zweien.
Der farendt Schuler nimmet das buerlein vnnd spricht:
O wie wol wirt ich jn erfrewen,
Das er mit andern am Feyrtag
Etwan ein vrten trincken mag,
Die Pewrin spricht:
Mein Herr, wie lang wert jr auß bleiben,
Das jr mir bringt ein botschafft wider?
Der farendt Schuler spricht:
O ich kumb so baldt nicht herwider,
Wann der weg ist gar hardt vnd weit.
Die Pewrin spricht:
Etwan wiederumb gelts gebrechen
Zu baden, spielen vnd Wein zechen,
Bringt jm auch die alt behmisch groschen.
Wenn wir nun haben außgetroschen,
Vnd das vor meinem Man verhelen,
Das ichs in dem Kuestal ein grab
Wie ich auch diß behalten hab.
Seht, habt euch den Taler zu lahn
Der farendt Schuler gehet ab.
Die Pewrin hebet ahn zu singen laut:
Pawren Meidlein, laß dirs wolgefallen. [A 3, 3, 19b]
[109] Der Pawr kummet vnnd spricht:
Alta, wie das so froehlich bist,
Sag mir baldt, was die vrsach ist?
Die Pewrin spricht:
Ach lieber Man, frew dich mit mir,
Der Pawer spricht:
Wer hat das Kalb ins aug geschlagen?
Die Pewrin spricht:
Ach sol ich nit von wunder sagen?
Ein farendt Schuler mir zu frummen
Ist auß dem Paradeiß herkummen,
Vnd thut auff seinen Aidt verjehen,
Wie er leidt so grosse armut,
Hab nichts den seinen ploben hut
Vnd das leilach in jener Welt,
Das glaub ich wol, das er nichts hab,
Denn wie man jn legt in das grab.
Der Pawr spricht:
Wolst nicht etwas schicken deim Man?
Die Pewrin spricht:
O lieber Man, ich habs schon than,
Hosen, joppen, hemb, stiffl vnd bruch,
Auch fuer ein guelden kleines gelt,
Das er jms brecht in jene Welt.
Der Pawer spricht:
Ey, du hast der sach recht gethan.
Den du die ding hast tragen lassen? [A 3, 3, 19 ]
Die Pewrin spricht:
Er zog hienauß die vntern strassen,
Es tregt der Schuler hoch erfarn
[110] An seinem Hals ein gelbes garn
Der Pawr spricht:
Ey nun walt dein als vngelueck,
Du hast jm zu weng geltes geben,
Er kan nit lang wol daruon leben.
Geh, heiß mirs Roß satteln bey zeiten,
Im noch ein zehen guelden bringen.
Die Pewrin spricht:
Mein Man, hab danck mit diesen dingen,
Das du meimb altn bist guenstig noch!
Wils Gott, ich wils verdienen doch,
Der Pawr spricht:
Was darff es viel vhnnuetz geschwetz?
Geh, heiß mirn Knecht satteln das Roß,
Eh dann der frembt kum an das moß.
Die Pewrin gehet nauß.
Der Pawr spricht zu ihm selb:
Ach, Herr Gott, wie hab ich ein Weib,
Ein Dildap, Stockfisch, halber Nar,
Irs gleich ist nit in vnser Pfarr,
Die sich lest vber reden leider,
Vnd schickt jrem Man gelt vnd kleider,
Durch des farenden Schulers list.
Ich wil nach reitn, thu ich jn erjagen,
So wil ich jm die haudt vol schlagen, [A 3, 3, 19d]
In niderwerffen auff dem feldt,
Darmit wil ich denn heimwartz kern
Vnd mein Weib wol mit feusten bern,
Das ploben geben vmb die augen,
Das sie jr thorheit nit kuen laugen.
[111] Ach, das ich hab vmb sie geworben,
Das muß mich rewen all mein tag,
Ich wolt, sie het Sanct Vrbans blag.
Die Pewrin schreidt daussen:
Sitz auff, das Roß ist schon bereit,
Sie gehen beyde ab.
Der Farendt schuler kummet mit dem puerlein vnnd spricht:
Wol hat gewoelt das glueck mir heudt,
Mir ist geratn ein gute beudt,
Das ichs den Winter kaum verzehr.
Het ich der einfelting Pewrin mehr,
Wehr schadt, das sie all weren weiß!
Botz angst, ich sie dort ein von weiten
Auff eim Roß mir eilendt nach reiten.
Ists nicht der Pawr, so ists ein blag,
Ich wil das perlein hie verstecken
Ein weil in diese doren hecken,
Nun kan er je mit seinem Roß
Nit zu mir reiten in das moß,
Ia er thuts gleich, nun wil ich schweigen,
Mein garn in busen schieben frey,
Auff das er mich nit kenn darbey,
Will leinen mich an meinen stab, [A 3, 3, 20a]
Der Pawr kumbt gespordt vnnd spricht:
Glueck zu, mein liebs Menlein, glueck zu!
Hast nit ein sehen lauffen du,
Hat ein gelbs strenlein an dem hals
Vnd tregt auff seinem ruck nachmals
Der farendt schuler spricht:
Ja, erst ich ein gesehen hab
Der laufft ein vbers moß gehn Waldt,
[112] Er ist zwar zu ereilen baldt,
Ietzt geht er hinter jener stauden
Wann er tregt an dem puerlein schwer.
Der Pawr spricht:
Es ist bey meim Aydt eben der!
Mein liebs Menlein, schaw mir zum Roß,
So wil ich zu fuß vbers moß
Das jn sein leben muß gerewen,
Er sol es keinem Pfaffen beichten.
Der farendt Schuler spricht:
Ich muß da warten auff ein gweichten,
Welcher kumbt nachher in der nehen.
Biß das jr thut herwider lencken.
Der Pawer spricht:
So wil ich dir ein Creutzer schencken.
Huet, das mirs Pferdt nit lauffet werdt.
Der Pawer gehet ab.
Der farendt Schuler spricht: [A 3, 3, 20b]
Laufft hin, sorgt nur nicht vmb das Pfert,
Das Roß wirt mir recht, lieber Man.
Wie froelich scheindt mir heudt das glueck,
Volkummentlich in allem stueck:
Die Fraw gibt mir rock, hossn vnd schw,
Das ich nit darff zu fussen gahn.
O das ist ein barmhertzig Man,
Der geht zu fuß, lest mir den Gaul,
Er weiß leicht, daß ich bin stuedtfaul.
Auch sturb vnd fuer ins Paradeiß,
So wolt ich gwiß von diesen dingen
Ein gute beut daruon auch bringen.
Doch wil ich nit lang mist da machen;
So schlueg er mich im feld darnider
Vnd nem mir gelt vnd kleider wider;
Wil eilendt auff den Grama sitzen
Vnd in das Paradeiß nein schmitzen,
Den Pawrn lassen im moß vmb waten.
Der farendt schuler nimmet sein puerlein, gehet ab.
Die Pewrin kummet vnd spricht:
Ach, wie ist mein Man so lang auß,
Das er nit wider kumbt zu Hauß.
Ich bsorg, er hab des wegs verfelt,
Botz mist, ich hoer den Schulthes blassen.
Ich muß gehn baldt mein Sew auß lassen.
Die Pewrin gehet ab.
Der Pawr kumbt, sicht sich vmb vnd spricht: [A 3, 3, 20c]
Botz leichnam angst, wo ist mein Pferdt?
Ja, bin ich frumb vnd ehrenwerdt,
Er daucht mich sein dueckischer sitten,
Hat auch das gelt vnd kleider hin.
Der groest Narr ich auff erden bin,
Das ich traudt diesem Schalck vertrogen.
Ich darff jr wol vom Roß nit sagen,
Ich troet jr vor hart zu schlagen,
Das sie so einfeltig het eben
Dem lantzpscheissr das dinglich geben,
Viel groesser streich wer ich wol werdt,
Weil ich mich klueger duenck von sinnen.
Ich wil etwan ein außred finnen.
Die Pewrin kumbt vnnd spricht:
Schaw, bist zu fusen wider kummen,
[114] Der Pawr spricht:
Jha, er klagt mir, der weg wer weit,
Auff das er kumb in kurtzer zeit
Ins Paradeiß, zu deinem Mann,
Das Pferd ich jm auch geben hann,
Bring auch das Pferdt dem Manne dein.
Mein Weib, hab ich nit recht gethan?
Die Pewrin spricht:
Jha, du mein hertzen lieber Man,
Erst vermerck ich dein trewes hertz.
Wolt Gott, das du auch stuerbest morgen,
Das du nur sehest vnuerborgen,
Wie ich dir auch geleicher weiß
Nach schicken wolt ins Paradeiß,
Das ich dir nit zu schicken thet:
Gelt, kleider, kelber, genß vnd Sew,
Das du erkennest auch mein trew,
Die ich dir hindn vnd foren trag.
Der Pawer spricht:
Solch Geistlich ding sol heimlich sein.
Die Pewrin spricht:
Es weiß schon die gantz dorff gemein.
Der Pawr spricht:
Ey, wehr hats jn gesagt so baldt?
Die Pewrin spricht:
Ey, eh du nein riedts in den Waldt,
Was ich meim Mann hab hin gesendt
Ins Paradeiß, gar mit andacht.
Ich mein, sie haben mein gelacht
Vnd sich alle gefrewdt mit mir.
[115] Der Pawr spricht:
Sie haben all nur dein gespodt!
Wie hab ich ein Weib, lieber Gott! —
Geh nein, richt mir ein Millich ahn.
Die Pewrin spricht:
Jha, kumb hernach, mein lieber Man.
Die Pewrin gehet auß.
Der Pawr beschleust:
Der mit eim solchn Weib ist erschlagen,
Gantz ohn verstandt, vernunfft vnd sin, [A 3, 3, 21a]
Geht als ein dolles Viech dahin,
Baldt glaubich, doppisch vnd einfeltig,
Das sie nicht verwarloß sein gut.
Doch weil sie hat ein trewen muht,
Kan er sie dester baß gedulden,
Wan es kumbt auch gar offt zu schulden,
Das er ein federn lassen muß,
Etwan leit schaden durch betrug,
Das er auch ist nit weyß genug.
Denn zieh man schad gen schaden ab,
Vnd keyn vneinigkeyt auff wachs;
Das wuenschet vns allen Hans Sachs.
Die Person inn das Spiel:
Der farendt Schuler 1
Der Pawr 2
Die Pewrin 3
Anno M. D. L. Jar.
Am VIII. Tag October.
Auszug des Vorworts des Herausgebers zu diesem Fastnachtspiel
[X] 22) Vorlage: 3. Folioband 3, 18a—21a. Der Meistergesang in der Dresdn. Handschrift M 98, 268, mit der Ueberschrift: Der farent schuler mit der pewrin 1549, 7. Mai behandelt denselben Gegenstand, den der Dichter in Paulis Schimpf und Ernst No. 463 fand. In seinem ersten Theile stammt er aus [XI] Bebels Geschwänken 2, 158. Weitere Nachweisungen in Oesterleys Ausgabe von Pauli S. 527.
Aenderungen:
V. 8 ander A, andr?;
V. 46 lieb A, liebe CK;
V. 108 beha,isch A, behmisch B;
V. 147 wenig A, weng?;
V. 149 Geheiß A, wie V. 157 Geh heiß?;
V. 170 kleider A, kleidr?;
V. 182 geraten A, geratn?;
V. 183 ich es A—C, ichs K;
V. 189 Ist A, Ists CK;
V. 190 wider A—K, widr?;
V. 238 gut A, gute?;
V. 240 Pawr A, Pawer?;
V. 289 hinden A, hindn?;
V. 293 gesagt A, gesagt?.