Der goldige Quell von Pilsen

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Autor: Th. Gampe
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Titel: Der goldige Quell von Pilsen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 571–573
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Der goldige Quell von Pilsen.


In Boheim, dem Lande der Heilquellen, wetteifert seit etwa 15 Jahren die Menschenhand mit der Natur auch ihrerseits durch künstliche Quellen den Ruhm der Heimath in alle Welt zu tragen, und wer weiß, ob sie heut nicht schon Siegerin ist, ob nicht das „Pilsener“, dem unser Aufsatz gilt, mehr genannt wird, als der altberühmte Sprudel. Wer hätte nicht davon vernommen und wer nicht schon einmal den kühlen Trank genossen?

Im Jahre 1842 errichteten die Bürger Pilsens, zunächst nur um für sich ein gutes Bier zu brauen, auf einem Grundstücke an der Radbusa ein Brauhaus von bescheidenem Umfange. Die Einrichtung war auf vierundsechszig österreichische Eimer berechnet, und damit dachte man dem täglichen Bedürfniß der Stadt selbst genügen zu können. Man braute, und man sah, daß es gut war, und nannte es im freudigen Glauben, daß das Ideal erreicht sei, „Bairisches“, obgleich es augenscheinlich mit dem bairischen nicht die mindeste Aehnlichkeit aufwies.

Der ideelle Ruf des Bieres verbreitete sich sehr schnell, aber die reale Anerkennung ließ noch lange auf sich warten; man rühmte es auswärts, doch man trank es noch nicht. Vielleicht war nur der frühere Mangel an Verkehrswegen daran schuld, vielleicht auch die nicht gerade glückliche Lage des Ortes; das kleine Pilsen liegt unweit der böhmischen Urwälder. Aber die Anerkennung des Echten ist eine logische Nothwendigkeit, die auch unter den ungünstigsten Umständen nicht ausbleiben kann. Im Jahre 1850 machte sich die erste Vergrößerung der Anstalt nöthig, und im Jahre 1862 fand der Verfasser bei einer Durchreise schon eine Brauerei ersten Ranges vor. Allein trotz immer neuer Zubauten hielt von jetzt an die Erzeugungkraft nicht Schritt mit der Vernichtungskraft der sich gewaltig mehrenden Bekenner des flüssigen, grüngoldigen Evangeliums. Sechs Jahre später entstand neben der alten eine zweite Brauerei auf Antheil, die gleich von vornherein auf eine immense Zeugungskraft angelegt wurde, und von jetzt an datirt erst der ungeheure Aufschwung der Pilsener Bierbrauerei überhaupt und es will scheinen, als ob die jüngere geschäftsfreudige Braunixe die großen Abzugsschleußen für die ältere mit gezogen hätte. Auffallend ist, daß sich seit jener Zeit der Verdoppelung jede der Brauereien ebenfalls verdoppeln mußte. Doch keine sei auf Unkosten der anderen gerühmt; es sind ein Paar ebenbürtige Schwestern, ein Paar Riesinnen, die unter ganz gleichen Grundbedingungen hantiren; sie vermälzen beide nur böhmische Gerste, sie würzen nur mit Saazer Hopfen, sie kochen beide mit demselben eisenhaltigen Quellwasser, das nach der Fama den Hauptbeitrag zu dem berühmten Wohlgeschmack liefern soll, sie lagern beide ihre Biere in denselben Sandsteinfelsen, es ist sonach nichts natürlicher, als daß beide gleich stark begehrte Producte liefern.

An Nährwerth stehen die bairischen Biere offenbar höher als das Pilsener, doch die neuere Zeit, die sich mit festen Nahrungsmitteln kräftiger nährt, wendet sich mit Vorliebe den weniger scharf gemälzten und dafür stärker gehopften Bieren zu.

Ueber den Geschmack des böhmischen Goldquells etwas sagen zu wollen, verbietet sich; es ist das eben Sache der Gefühlsnerven; man könnte nur sagen, es ist stark gehopft und es schmeckt nach Kohlensäure, außerdem läßt sich vielleicht noch ein allgemeines Urtheil hinzufügen, etwa angenehm etc., was aber die Hunderttausende während der Wiener Weltausstellung in die Pilsener Restaurants lockte, sie wissen es nicht. Die feinsten Grade in der Qualität sind eben undefinirbar.

In den statistischen Angaben, welche die volkswirthschaftliche Bedeutung der beiden Brauereien vor Augen führen werden, fasse ich der Erleichterung wegen beide zusammen; die ältere nimmt etwa mit 7/11, die jüngere mit 4/11 an den Zahlen Theil.

Die Ausdehnung der Gebäude ist eine großartige, sie erstrecken sich über eine Fläche von vierzig Hectaren, bedecken sonach die Aecker eines vollen Hufengutes und würden für sich schon eine ansehnliche Stadt abgeben. Die Zahl der arbeitenden Hände ist bei Brauereien, in Anbetracht aller andern Verhältnisse, eine ziemlich geringe; man sieht ungeheuere Räume, in denen sich eine Menge gangbares Zeug umdreht und Arbeiten verrichtet, und doch ist keine Menschenseele dabei sichtbar. Nur siebenhundert Männer halten von den Comptoiren bis hinab zu den Waschhäusern die weitläufigen Werke im Gange. Außer den Directoren führen noch etwa zwanzig Personen die kaufmännische Leitung, dreihundertfünf Brauburschen mälzen, brauen und verfüllen, hundertsechszig Faßbindergesellen liefern die Fässer hierzu, und was übrig bleibt von den siebenhundert, führt [572] die Scheuerbürste. Zweihundert Pferdekraft in Dampf bewegen außer wenigen Maschinen nur die Stoffe hin und her. Die Anfuhr und Abfuhr aller Lasten geschieht auf der neuen Brauerei mittelst Locomotive; die ältere konnte ihrer unebenen Lage wegen kein Gleis erbauen, muß daher einen Fuhrpark halten.

An Gerste, dem vornehmsten Bestandtheile des Bieres, verbrauchen beide jährlich ein Quantum von dreihundertfünfzigtausend österreichischen Metzen, etwa einundzwanzig Millionen fünfhunderttausend Liter. Zur Versinnlichung dieser Zahlen sei angeführt, daß ein Acker, der diese Menge erzeugen sollte, drittehalb Quadratmeilen oder ungefähr vierzehntausend Hectaren groß sein müßte. Man sagt, Hopfen sei ein Unkraut, nun, wohl Dem, dessen Acker solch ein Unkraut trägt, die Saazer Hopfenbauern streichen für die nöthigen 3500 Centner Unkraut alljährlich die Summe von einer Million vierhunderttausend Mark ein.

Die Feuer unter den Dampfkesseln, den Malzdarren und den ungeheueren Sudpfannen fressen jährlich zweitausend Wagenladungen Kohle. Ebenso muß auch für den zweiten Hauptfactor in Brauereien, die Kälte, gesorgt werden. Siebentausend österreichische Kubikklaftern oder achthunderttausend Centner Eis sind nöthig, um die äußerste Klärung zu bewerkstelligen. Eine gleichzeitige Anfuhr dieser wahrhaften Gletschermassen würde vierundsechszigtausend Pferde erfordern. In dem milden Winter von 1872 zu 1873 war das Eis in Pilsen ein kostbarer Artikel, mehrere tausend Wagenladungen mußten die Locomotiven aus den Gebirgen herbeischleppen, ohne daß der volle Bedarf gedeckt werden konnte. Es ist gut, daß unsere Erde wieder der Eisperiode zusteuert. Zehntausend Centner Pech hat der Böhmerwald jährlich Tribut nach Pilsen zu entrichten. Doch zur Hauptsache, zu den Biermassen.

Man glaubte bei der Gründung mit vierundsechszig Eimern das tägliche Bedürfniß Pilsens zu decken, heute muß weit mehr sein für den Hausbedarf in den Brauereien selbst. Der Hauskellerbeamte der bürgerlichen Brauerei versicherte, daß er fünfzig Eimer täglich an das Personal verzapfen lasse; um nicht fehl zu greifen, nehme ich den Actiendurst nur mit dreißig Eimer an, die Notiz wird dadurch an Frappanz nichts einbüßen, denn das sind achttausendachthundert deutsche Seidel oder halbe Liter auf nur siebenhundert Kehlen.

Was man übrig lassen muß, fordert natürlich ein ganzes Heer von Zechern; und die Zahl Derer, die da glauben Pilsener zu trinken, ist Legion; leider schlagen betrügerische Wirthe oft mit sehr zweifelhaftem Gebräu Capital aus dem rechtlich erworbenen Rufe des Pilsener Bieres und, was das Schlimmste ist, sie schädigen ihn bei dem, der nicht im Stande ist, die Täuschung zu erkennen.

Den stärksten Antheil an dem Verbrauche nimmt Oesterreich selbst. Nächstdem stellt der reichsconsolidirte Germane seinen Mann. Die berühmtesten Bierstädte Baierns, München voran, sind nicht die geringsten Abnehmer. In dem waldfrischen Schlesien, in dem sonnigen Rheinland, im rührigen Sachsen und Thüringen, bei den Holsten, bei den Schwaben wie bei den Aelplern erfreut man sich an dem krystallklaren, bernsteinfarbigen Bierquell. Selbst von hoher Stelle zu Berlin ergingen Befehle an die jüngere Braunixe, ob im allerhöchsten Auftrage, weiß ich nicht, jedenfalls ist der königliche Trank auch eines kaiserlichen Durstes würdig.

Der Magyar, der Pole trinkt das beliebte Naß des unbeliebten Teutonen; es perlt champagnerlustig auf den Tafeln der sarmatischen Großen, und selbst der gemeine Russe räumt ihm hie und da neben dem Sanct Wutky noch ein Plätzchen in seinem Herzen ein. Auch in Italien und in Frankreich werben die reifenumschnürten Pilsener Apostel eifrig um Proselyten.

Obgleich der Franzose noch mißtrauisch auf die „neue germanische Invasion“ hinblickt, im Geheimen gesteht er, wie der Verbrauch zeigt, doch zu, daß die Schaumraketen unwiderstehlich sind, wie die Kanonen von Krupp. Die böhmischen Riesinnen werfen ihre Netze aus über den Ocean. An allen Strömen der neuen Welt kennt und verehrt man die Töchter der Radbusa, und ein etwas stärker gebrauter Trank aus der Actienbrauerei geht in Flaschen über die Prairien und die Rocky Mountains bis hin zu dem fernsten Mitarbeiter der „Gartenlaube“, nach San Francisco; es durchkreuzt den Aequator nach Java, Indien und den La Platastaaten; der Malaie, der Hindu, der Gaucho trinkt es oder sieht es trinken von dem sonnengebräunten Europäer; es sucht den himmlischen Sohn des Reiches der Mitte auf; es steigt über die Anden zu den Enkeln der Azteken und Altperuaner.

Daß solche Mengen von Bier, die sieben bis acht Monat lagern müssen, große Kellereien beanspruchen, daran dachte schon der Leser, doch wird seine Vorstellung kaum die Wirklichkeit erreicht haben. Reihen wir die hohen, gutventilirten Gewölbe, die nach allen Richtungen hin von den Hauptstollen aus abzweigen, aneinander, so erhalten wir einen Tunnel von der Länge einer vollen deutschen Meile. Hier lagern stätig für fünf Millionen Mark Bier. Friedlich und schweigsam liegen die Faßungeheuer neben- und übereinander, nur zuweilen vernimmt man ein unheimliches Knurren, wie stille Seufzer gewaltsam unterdrückter Freiheit.

Alle hier angegebenen Zahlen fundiren auf statistischen Ausweisen, zum Theil von amtlicher Natur; beide Brauereien zahlen bei höchster Tagesproduction viertausend Gulden Brausteuer, im Jahre etwa einundeinhalb Millionen Mark. Wahrlich, ein Finanzminister hat Ursache, den Durst in seinem Reiche zu fördern.

Das Brauen selbst ist ein ziemlich einfaches Verfahren, wenn nicht die Chemie hineinsündigt. Malzersatzmittel, aber noch mehr die des Hopfens, als da sind: Belladonna, Quassia, Bitterklee, Strychnin, Kokelskörner, Herbstzeitlose, Colchicum und ähnliche liebliche Gegenstände, machen den Brauproceß freilich verwickelter; doch sei gleich zur Ehre einer zahlreichen Berufsclasse hinzugefügt, daß die Welt wohl sehr viel auch über die Geheimnisse an den Braupfannen fabelt. Man rechnet sich vor: mit wie wenig Strychnin läßt sich ein Centner Hopfen für zweihundert Gulden zur Nothdurft ersetzen? Man findet das krampfhaft verlockend, aber man bedenkt nicht, daß jeder Braubursche eine Zunge im Munde führt, die theurer werden könnte, als der beste Saazer Hopfen. Daß es vorkommt, ist unstreitig, Schelme giebt es in jedem Stande, freilich kann ein brauender Schelm mehr Unheil anrichten, als tausend Einbrecher, er bricht Tausenden in die Schatzkammern der Gesundheit. Für die Pilsener Etablissements in dieser Angelegenheit einzutreten, ist wohl überflüssig, man müßte dort selbst Kokelskörner bis zur Betäubung genossen haben, wenn man angesichts der großartigen Erfolge von dem alten guten Recepte abweichen wollte.

Geeignetes Wasser, Gerste, Hopfen und Hefe in rechter Zusammensetzung, dann eine sorgfältige Behandlung, schließlich eine tadellose Reinlichleit – das schafft uns, abgesehen von einigen Handwerksvortheilen beim Gähren und Klären, einzig und allein ein gesundes gutes Bier; die neuere Zeit hat nur die Behandlung verbessert, an den Stoffen haben die Jahrtausende seit der Erfindung nichts hinzusetzen können als Werthloses und Niederträchtiges. Das Weitergehende, die Finesse, das Exquisite im Geschmacke einzelner Biere läßt sich nicht absichtlich herstellen; diese Tränke werden, so scheint es, von Launen der Natur begünstigt, die oft mit dem Fachberufenen ein wahres Versteckenspiel treiben. Was hat man nicht Alles schon nachbrauen wollen, und wie wenig ist es gelungen! Auch die Oertlichkeit muß auf die feinsten Grade des Gelingens von Einfluß sein; man hat z. B. Pilsener Wasser nach auswärts verfrachtet, man hat aber kein Pilsener Bier daraus gebraut.

Wer von den geehrten Lesern sich für ein einfaches Brauverfahren interessirt, der folge mir durch die ganz modern eingerichtete neue Brauerei, die wegen ihrer äußerst vortheilhaften Anlage den übersichtlichsten Betrieb zuläßt.

Sobald die Gerste im Brauhaus ankommt, bringt man sie durch ein Paternosterwerk auf die Sortirmaschine, ein Werk, welches selbstständiger arbeitet als so mancher Mensch, man braucht sich stundenlang nicht um dasselbe zu kümmern; Alles, was hier die Eigenschaft eines Gerstenkorns nicht besitzt, wird durch eine sinnreiche Vorrichtung beseitigt, ebenso werden alle leichten schlechten Körner, als unwürdig einer so trefflichen Veredelung, herausgeworfen. Ein Schneckenwerk, das heißt eine Welle, an der in schneckenhausförmigen Windungen Flügel angeschraubt sind, die sich innerhalb einer Röhre umdrehen, rollt und drängt die gereinigten Körner auf die Speicher, wo sie, zu wahren Hügeln aufgethürmt, ihres Schicksals harren.

Den natürlichen Fall benutzend, lassen die Mälzer das nöthige Quantum nach dem Souterrain und zwar vorerst [573] in die Quellbottiche ablaufen. Vom Dampf herbeigeholtes Radbusawasser quellt das Korn auf und bereitet es, wie der Regen auf dem Felde, zum Keimen vor. Ist das geschehen, so öffnen sich die Zapfen und die jetzt sehr dickbäuchig gewordene Gerste rutscht abermals abwärts nach unterirdischen Räumen, die jedoch eher an versunkene Rittersäle denn an Kellereien erinnern. Die Wölbungen sind auf schlanke Säulen gestützt und der Fußboden ist mit geschliffenen Kehlheimer Platten belegt. Geübte Hände breiten hier die Körnermassen nur durch den Wurf der Schaufel so gleichmäßig aus, daß sie wie hingelegte Teppiche erscheinen. Das Korn erholt sich wieder von seinem kalten Bade, durch das Zusammenliegen entsteht Wärme und bald schickt es sich an, wie auf dem Acker draußen Wurzelkeime zu treiben. Doch man unterbricht den Proceß, sobald der Blattkeim vom Wurzelstock aus Dreifünftel der Kornlänge erreicht hat, denn das ist das sicherste Zeichen, daß sich der gewünschte Vorgang erfüllt hat. Gewisse Eiweißstoffe verwandeln sich nämlich in Diastase (ein chemischer Sammelbegriff) und das wieder ermöglicht die spätere Verwandlung des Stärkemehls in Zuckerstoff. Die Menschenhand hat hier durch gute Ventilation und durch äußerste Sorgfalt im Wenden der Körner nur für eine ganz gleichmäßige Entwickelung der Keime zu sorgen; im Uebrigen thut sich die Sache von selbst. Jetzt holt ein Fahrstuhl die süß gewordenen Körner, nun Malz genannt, in die Darren. In diese dunklen Gewölbe mündet fortwährend durch einen feinen Drahtboden ein Luftstrom ein von achtunddreißig bis vierzig Grad Réaumur, man verdampft die Feuchtigkeit aus den Malzmassen und eine gelinde Röstung ist das Endresultat.

Der Grad des Darrens bedingt die Farbe des Bieres; viele Brauereien setzen noch extra gedarrtes scharfes Farbmalz hinzu, warum, ist freilich nicht einzusehen, die dunkle Farbe begünstigt unstreitig das Fälschen in obscuren Wirthshauskellern, denn wohl auch hier geschehen heimtückische Attaquen auf die unglücklichen Gehirnnerven der Menschheit. Wenn die Putzmaschine die sogenannte Malzblüthe, d. h. die Wurzelkeime abgestreift, nimmt ein Schneckenwerk sich abermals der Körner an und bringt sie auf die Schrotmühle, wo sie zermalmt werden, damit sich der Gehalt für den Sudproceß bloßlegt. Hiermit ist das Mälzen vollendet und der Dampf fördert das Malz über nach den ungeheuren Küchen, Sudhäuser genannt. Zunächst geht der Schrot nach einem Vormaischer, ein ringsum verschlossenes eisernes Gefäß, das ihn in angefeuchtetem Zustand in die offenen Maischbottiche abgiebt. Man verhütet damit eine Verstäubung der mehligen Stoffe. Das Maischen, jedenfalls von Mischen hergeleitet, ist nichts als eine Vermengung des Malzes mit heißem Wasser. Die dickflüssige Masse wird übergeführt nach der Maischpfanne, und man setzt den Proceß fort durch ein allmähliches Kochen – ein rotirendes Kettenwerk auf dem Grunde dieses Gefäßes sorgt dafür, daß an den Feuerflächen nichts anbrenne, und wirbelt nebenbei die sinkenden Stoffe nach aufwärts.

Wir übergehen die nochmalige Zurückführung nach dem Maischbottich; es brächte nichts Neues; auch eine Treberaufhackmaschine, die innerhalb eines Bottiches und inmitten eines feinzertheilten kochenden Wasserstromes arbeitet, ist bei ihrer complicirten Construction des Raumes wegen nicht gut zu beschreiben, sie vermittelt die äußerste Verwerthung des Malzes. Der verlorene Sohn würde sich heut kaum noch von den Trebern moderner Brauereien ernähren können. Die Centrifugalpumpen schlürfen auf's Neue die heißen Wogen aus dem Läuterbottich auf und bringen sie in die Würzpfannen. Man setzt hier das Gewürz, den Hopfen zu und wir stehen damit auf dem Gipfel des Brauverfahrens.

Ein zweistündiger intensiver Kochproceß entnimmt dem Hopfen das ätherische Oel, den Bitterstoff und das Hopfenharz, und dann treibt der Dampf die dicke Flüssigkeit auf die Kühlschiffe, schmiedeeiserne Kästen, die in großen luftigen Häusern aufgestellt sind. Hier setzen sich die festen Stoffe zu Boden und das junge Bier klärt sich etwas und kühlt aus. Ist die Witterung dem nicht günstig, so müssen Eiswasserapparate nachhelfen, Röhrenwerke, in denen sich Bier und Eiswasser, selbstverständlich getrennt, entgegenströmen. Sechshundert Stück riesengroße Gährbottiche stehen in den Gährkellereien bereit, die abgekühlten Fluthen aufzunehmen; man setzt hier von einem Gebräu zum andern verpflanzte Hefe zu, und diese veranlaßt die Gährung, welche wieder den Zuckergehalt zum guten Theil in Alkohol und Kohlensäure verwandelt. Ist die Hefe ganz oder zum Theil ausgestoßen, je nachdem es Lager- oder Schankbier werden soll, so leitet der natürliche Fall den Bierbach abwärts nach den sehr tief im Schooß der Erde liegenden Lagerkellereien, die wir schon aus früheren Erwähnungen kennen. Sind die Dickbäuche einer Kellerabtheilung verfüllt, so wird das Bier eingeschlagen, das heißt, man vermauert in regelrechter Weise den Eingang.

Nach dem Princip der Einzelhaft muß der Trank den letzten Besserungsproceß durchsitzen; dabei ist sein Gefängniß entweder mit Ober-, Stirn oder Unter-Eis gefüttert und eine stetig gleiche Temperatur von nur drei Grad über Null sorgt dafür, daß er in seiner Klärung nicht gestört werde, denn jeder Wärmezufluß trübt ihn sofort auf's Neue. Nach drei Vierteljahren erfolgt der Aufbruch; mit Kennermiene stehen die fackelerleuchteten Gestalten schweigsam in den schweigsamen Gewölben um das leisrieselnde Zapfenloch; ein Blick durch das Glas nach dem Licht und der Trank gleitet lautlos über die Zungen, bis ein gegenseitiges Kopfnicken die von der Erwartung gebannte Sprache löst und die Bestätigung giebt, daß der aufgeschlossene Trank sich würdig seinen Vorgängern anreiht und hinausgehen kann, die Welt zu erfreuen. Unzählige kleine Eimergebinde werden herbeigerollt und aus den großen Fässern verfüllt. Eine Dampfmaschine von zwanzig Pferdekraft thut den Tag über nichts, als sie hebt ähnlich einer Fördermaschine in Bergwerken die flüssigen Goldschätze zu Tage aus und in die dicht am Förderschachte harrenden Waggons. Wir wollen die Pichhäuser, die ausgedehnten Waschhäuser und Binderwerkstätten, sowie die Wohnungen und Küchen der Leute, die nach gutem altem Handwerksbrauch im Hause verköstigt werden, übergehen, man gönne uns dafür noch einige allgemeine Worte für die, denen die böhmischen Königstropfen noch böhmische Dörfer sind.

Daß sie gut schmecken, ist zur Genüge angedeutet, aber wie bekommen sie? Nun, wer den Trank auf die Nagelprobe stellen will, wir stehen ein, er riskirt nichts dabei und wenn es auch ein wenig über die Nagelprobe gehen sollte. Es ist dies zwar eine Empfehlung, die zugleich eine bedenkliche Beichte enthält, doch die Wahrheit wird ja nicht zu theuer erkauft und wir sind ja Alle keine Tilly's und wollen uns dessen freuen. Also: Zur Gesundheit!
Th. Gampe.