Der junge Dürer kommt zu Wohlgemuth in die Lehre

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Textdaten
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Autor: J. P.
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Titel: Der junge Dürer kommt zu Wohlgemuth in die Lehre
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 504–505, 516
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[504–505]
Datei:Die Gartenlaube (1896) b 0504.jpg

Copyright 1895 by Franz Hanfstaengl in München.
Der junge Dürer kommt zu Wohlgemuth in die Lehre.
Nach dem Gemälde von F. Bayerlein.

[516] Der junge Dürer kommt zu Wohlgemuth in die Lehre. (Zu dem Bilde S. 504 und 505.) Albrecht Dürer, der größte deutsche Maler des Reformationszeitalters, war eines Handwerkers Sohn. Aber dieser Handwerker, der Goldschmied Albrecht Dürer, betrieb sein Handwerk als Kunst; er gehörte mit zu denen, welche dem alten Nürnberg des 15. und 16. Jahrhunderts zu jener Blüte des Kunsthandwerks verhalfen, die wir noch heute bewundern. In der Werkstatt des Meisters hatte der Sohn, der seinen Vornamen erbte, schon als Knabe Gelegenheit, den Sinn an schöner Form, die Hand im Zeichnen zu üben. Doch das früh sich regende Talent des gelehrigen Kleinen fand sehr bald kein Genügen am Zeichnen von Ornamenten für Schmuckwerk und Waffenzier; er überraschte Eltern und Gespielen mit Zeichnungen nach lebenden Personen, so in seinem 13. Jahre mit einem Bildnis, das er von sich selbst aus dem Spiegel aufnahm. Dieses Bild ist uns erhalten; es befindet sich in der „Albertina“ in Wien und vermittelt uns einen Einblick in das früheste Werden der Kunst Albrecht Dürers wie die Kenntnis seines Aussehens als Knabe. Mehr noch als die in ihm bethätigte Kunstfertigkeit verblüfft uns darin die wundersam beseelte Charakteristik der Gesichtszüge und deren bereits vorhandene Aehnlichkeit mit den späteren Selbstporträts des zum Manne gereiften Meisters. Ein sanfter milder Ausdruck waltet in ihnen vor; in den Augen liegt Sinnigkeit und ein früher Ernst, der durch das langgetragene Haar noch gehoben wird; die kräftig hervorspringende Nase und die leichtgewölbten geschlossenen Lippen über dem entwickelten Kinn deuten auf Energie und Bewußtheit des Willens. 1486, zwei Jahre nach dieser Kunstprobe, also in seinem 15. Jahre, kam der junge Dürer zu Michael Wohlgemuth, dem zur Zeit angesehensten Nürnberger Maler, in die Lehre. In der Zwischenzeit jedoch hatte er in der Goldschmiedwerkstatt seines Vaters eine regelrechte Lehrzeit durchgemacht, was für seine künstlerische Entwicklung von hoher Bedeutung war. Mit Recht sagt A. v. Eye in seinem schönen Buch über Dürer, daß dessen hohe Fertigkeit im Zeichnen und Modellieren, sein scharfer Blick für Proportion und künstlerische Anordnung, unter der Anleitung des Vaters seine Grundlage erhielt; gehörte doch das freihändige Gravieren in Metall zu den Hauptkunstfertigkeiten des Goldschmieds. Nur ungern scheint sich der Alte entschlossen zu haben, das reiche Talent seines Albrecht einem andern „Handwerk“ zu überlassen.

Ja, auch die Malerei hatte sich damals in Deutschland noch nicht aus den Banden des zunftmäßigen Handwerks losgelöst. Sie war auch da, wo sie als freie Kunst geübt ward, ein Kunsthandwerk wie die Goldschmiederei, Erzgießerei, Formenschneiderei, Steinhauerei etc. Kunstschulen und Akademien waren dieser Zeit noch fremd; es gab weder Farbenfabriken noch Handlungen mit Malutensilien. Wer Maler werden wollte, trat bei einem Meister als Lehrling ein, lernte bei diesem zunächst die Hilfsleistungen, die Bereitung und das Anreiben der Farben, das Zurichten und Glätten der Holzlafeln, auf denen damals vorherrschend gemalt ward, das Reinigen von Pinseln und Palette, bis er zur kunstgemäßen Anwendung dieser Dinge zugelassen wurde; nach vollendeter Lehrzeit hatte er dann als Gesell auf die Wanderschaft zu gehen und bei anderen Malermeistern Arbeit zu suchen. Auch der Kunstübung selbst haftete viel Handwerksmäßiges an und selbst Meister Michael Wohlgemuth, obwohl in seinem persönlichen Schaffen ein wirklicher Künstler von ernstem Streben, ließ in seiner Werkstatt von zahlreichen Gesellen Votivtafeln und Altarbilder fabrikmäßig nach herkömmlicher Schablone herstellen. Als Albrecht Dürer der Vater hier seinen Knaben einführte und den ergrauten Maler bat, den Sohn als Lehrling anzunehmen, mag dieser freilich beim Betrachten der frühen Talentproben desselben sogleich erkannt haben, daß dieser stille sanfte Knabe mit dem feierlichen Ernste im Blick zu Höherem berufen sei, daß sich ihm hier die beglückende Aufgabe stelle, als Meister der Kunst einen neuen Meister heranzubilden. Und daß er sich dies angelegen sein ließ, das beweist die Anhänglichkeit, welche Dürer, nachdem er selbst zu Ansehen und Ruhm gelangt war, seinem alten Lehrer bethätigt hat und von welcher auch das liebevoll ausgeführte Bildnis zeugt, das er dann von ihm malte. Als Dürer im Alter daran ging, Nachrichten über sein Leben niederzuschreiben, hat er sich über seine Lehrzeit nur kurz dahin geäußert, es habe ihm in derselben Gott Fleiß verliehen, „daß er wohl lernete“, und hinzugefügt, daß er viel von den Gesellen seines Meisters zu leiden gehabt habe. Wir dürfen annehmen, daß nicht nur das vor allem Gemeinen zurückschreckende Wesen des Jünglings den Hohn und Spott ganz anders gearteter Zunftgenossen herausforderte, sondern daß auch die Ausnahmestellung, die dieses Wesen sich beim Meister eroberte, dazu beigetragen hat, ihm die Mißgunst der die Kunst nur als Handwerk betreibenden Gesellen zuzuziehen.

Den bedeutsamen Augenblick, in welchem der junge Dürer in diese Welt des Lernens eintrat, hat F. Bayerlein in unserem Bilde mit Benutzung all dieser Motive lebensvoll dargestellt. Zur Ausführung der Gestalten des die Zeichnungen des jungen Talents teilnahmsvoll prüfenden Wohlgemuth, des kritisch dreinschauenden Vaters und des gespannt das Urteil erharrenden Knaben, konnte er die Bilder benutzen, in denen Dürer selbst die drei Charakterköpfe der Nachwelt überliefert hat. Im Hintergrund zeigt das Bild einen Lehrjungen gewöhnlicheren Schlags beim Farbenreiben und einen jener Gesellen, von denen der jetzt neu eintretende Lehrling dann so grobe Behandlung zu ertragen gehabt hat. Ihm selber aber sehen wir an, daß Roheit und Unbill seinem Streben nichts anhaben und ihn nicht irre machen werden an seiner Mission, die Handfertigkeiten, die er sich auf dem goldenen Boden des Handwerks erworben, in den Dienst einer Kunst zu stellen, die unter dem Einfluß der Renaissance das innigste Empfinden seiner eigenen Seele, die tiefsten Gedanken seines eigenen Geistes in Darstellungen voll Schönheit und Wahrheit zu offenbaren berufeu war. J. P.