Der kupferne Kessel zu Bodmann
Im Kessel zu Bodmann, da steh’ ich zur Stund’,
Soll leeren den Becher bis auf den Grund,
Den Becher, gefüllet mit Königswein,[2]
Herr Karl ihn pflanzt auf dem Felsengestein.
Ein freier Schwabe jetzt erntet’s mit Dank,
Er sperrt’s in den Keller nicht feindlich ein,
Er ruft den Fremdling zum Trunk herein.
Und wie in den Becher mein Auge schaut,
Und wie der Wein an der Lippe mir schwillt,
Die Sage hervor schon, die sprudelnde, quillt.
Sie saßen zu Bodmann beim fröhlichen Mahl,
Der Vater, die Mutter, die Kinder im Saal,
Das edelste, schönste Geschlecht am See.
Viel Gäste beglänzet vom Sonnenschein,
Sie tranken und sangen beim Königswein,
So wie ich heut trinke und singe mein Lied;
Die Nacht kam heran mit Wetter und Wind,
Des stürmischen See’s verstohlenem Kind,
Die Wolken sie sammeln sich über dem Haus,
Doch gehen die Lampen im Schlosse nicht aus.
Die Wolken auch führen den nächtlichen Reih’n,
Es sprühen die Fackeln in Gang und Saal,
Die Blitze, die spähen mit gierigem Strahl.
Und in der Schalmeien und Flöten Gesang
Noch rauschet im Saale das Spiel und der Witz,
Da schlägt durch die Decke der zackige Blitz.
Und Flammen umwölken den mächtigen Saal,
Ersticken die Gäste, verzehren das Mahl;
O herrlich Geschlecht, wie vergehst du so schnell!
Der Vater, die Mutter, todt liegen sie schon;
Ach, dringt zu der Thüre kein blühender Sohn?
Die zuckende Flamme läßt Keinen hinaus,
Da dringt durch Flammen und Feuers Schwall
Die Amme, die treue, heraus auf den Wall,
Sie trägt auf den Armen ein wimmerndes Kind,
Sie hat es enthoben der Wiege geschwind.
Im Schloß ist verlodert der edle Stamm,
Da schließt sie besonnen in’s eherne Haus
Das Zweiglein, das letzte, und schleudert’s hinaus.
Es rollet der Kessel den Berg hinab;
Die Dienerin folgt nur mit Mutterblick
Und sinkt in die Flammen des Hauses zurück. –
In Trümmern die Burg lag ein manches Jahr,
Bis daß das Knäblein erwachsen war;
Der letzte Bodmann sein steinernes Haus.
Der letzte Bodmann der Erste ward,
Er zeugte Söhne von edler Art,
Und liebliche Töchter und Enkel so hold,
Und Vater und Mutter beim fröhlichen Mahl,
Und Kinder noch heut in dem festlichen Saal,
Sie sitzen, sie trinken vom Königswein,
Sie schenken dem Wandrer ihn freundlich ein.
Im Kessel soll er ihn trinken aus,
Er soll den versunkenen Ahnen mit Fug,
Soll der Amme gedenken bei jedem Zug. –
Mein Lied ist gesungen, wie wird mir zu Muth?
Es drehet der Kessel, der eherne sich,
Wald, Himmel und Wasser umtaumeln mich.
Doch heißet im Kopf mich der Königswein
Getrost bei dem Wunder, dem seltsamen, seyn;
Der Kessel steht stille, mein Auge wird klar;
Es schauet die Burg und den See und das Land,
Gott hüte das Haus und Geschlecht vor Brand!
Und will er Flammen ja senden hinein,
- ↑ [78] Am westlichen Ende des Bodensee’s pflanzte sich in zwei Aesten und mit zweierlei Wappen der Adel der Bodmann rühmlich fort. Sie bauten auf dem Heiligenberge gegenüber die Feste Hochbodmann. Als das Stammschloß im Jahr 1307, durch den Blitz entzündet, von Grund aus abbrannte, wurde der damals noch einzige Sprößling des ganzen Geschlechtes, Johann von Bodmann, wie durch ein Wunder gerettet; Seine Eltern und Alles im Schloße fielen den Flammen zum Raube; ihn aber legte eine mütterlich gesinnte Säugamme in einen kupfernen Kessel und ließ ihn so den steilen Berg hinab rollen. Dieses schwache Reis trieb bald neue Zweige und das edle Geschlecht blüht noch in mehreren Linien. Die auf dem Stammschloße wohnhafte nennt sich Bodmann-Bodmann. Der Kessel von Erz, worin der junge von Bodmann beim Brande der Burg gerettet worden, wird noch auf dem Schlosse gezeigt. Man pflegt sich hineinzustellen und einen gläsernen Humpen voll Weines auf das Wohl des Geschlechtes von Bodmann zu leeren.
- ↑ [78] Der Weingarten bei Bodmann, in dem einer der besten Weine des ganzen Seeufers wächst, heißt noch der Königsgarten; Carl der Dicke soll ihn gepflanzt haben und man nennt daher den Wein im Schloße von Bodmann den Königswein.