Zum Inhalt springen

Der moderne Prometheus auf der Anklagebank

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Storch
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der moderne Prometheus auf der Anklagebank
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 137–139
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[137]

Der moderne Prometheus auf der Anklagebank.

Geschichtliche Scene von Ludwig Storch.

Es giebt Tage im Leben der Menschheit, an welchen sich irgend eine dem Anscheine nach unbedeutende Begebenheit vollzieht, auf die Niemand ein besonderes Gewicht legt, und eine Scene vorfällt, welche mit dem Gange der Ereignisse in keinem innern Zusammenhange zu stehen scheint, und diese Tage nehmen in der Folgezeit doch, man möchte sagen täglich und stündlich, an historischer Wichtigkeit zu, sie wachsen immer bedeutender in die Geschichte hinein, bis sie den Nachkommen als leuchtende Heilstage erscheinen, wo eine großartige Geistesbefruchtung in der Stille vollzogen wurde, und zuletzt als große Nationalfesttage von allem Volke gefeiert werden.

Ein solcher Tag ist der 29. Januar 1774. Es wurde an diesem Tage keine große Schlacht geschlagen, kein bedeutender Mensch geboren, keine wichtige Entdeckung gemacht, es geschah nichts weiter, als: ein einfacher anspruchsloser Gelehrter, ein edler Mensch und verehrungswürdiger Greis wurde vor dem obersten Gerichtshof Englands von einem gemeinen, frechen und übermüthigen Rabulisten zum größten Gaudium der vornehmen Richter öffentlich geschmäht und mit Koth beworfen, und der Verunglimpfte schwieg zu der ihm angethanen brutalen Ehrenkränkung. Das war Alles.

Und doch steht dieser Tag bei den auf ihre Freiheit und ihre wachsende Macht stolzen Bürgern der nordamerikanischen Union als einer von denen, an welchen die Saatkörner der republikanischen Freiheit, des Glückes und Wohlstandes und der politischen und moralischen Größe ihres Vaterlandes ausgestreut wurden, bereits in hohem Ansehen und wird einst, wenn die aus jener Saat emporgewachsene Frucht zur höchsten und schönsten – jetzt kaum geahnten – Herrlichkeit gediehen sein wird, als ein politisch-moralischer Siegesfesttag gefeiert werden zum tröstlichen Beweis für alle vergewaltigten edlen Menschenherzen, daß wahre Tugend und echte Humanität, wenn auch erst von Gewalt und List niedergehalten und in der Entfaltung ihrer Kräfte gestört, zuletzt doch ungehemmt ihren Triumphzug zum hohen Ziele halten, Freiheit durch Wahrheit und Gerechtigkeit.

Georg der Dritte war 1760 als zweiundzwanzigjähriger Jüngling seinem Großvater Georg dem Zweiten als König von Großbritannien und Irland gefolgt. Er war weder von Haus aus ein guter Mensch, noch hatte er eine gute Erziehung erhalten. Wer die tiefer liegenden Fäden, aus welchen sich die Schicksale der Völker zur Weltgeschichte zusammenweben, mit scharfem Auge verfolgt, darf die Behauptung aussprechen, so paradox sie auch klingen mag: im herzoglichen Residenzschlosse zu Gotha und mehr noch in dem längst verödeten Lustschlosse Friedrichswerth, zwei Stunden nordwestlich von Gotha, liegen die ersten Saatkeime und von da laufen die ersten zarten Wurzeln der nordamerikanischen Freiheit aus. Hier wuchs nämlich Auguste, Tochter des Herzogs Friedrich des Zweiten von Gotha, unter den Augen ihres Vaters auf, dessen ultraabsolutistische Grundsätze sie, die selbst beschränkten Geistes war, einsog, um sie nachher, als sie die Gemahlin des Prinzen Friedrich Ludwig von Wales und Mutter und Vormünderin des schon im zwölften Lebensjahr vaterverwaisten Prinzen Georg geworden war, auf diesen überzutragen. Wenn man die Charaktere, Liebhabereien und Bestrebungen jenes Herzogs von Gotha, eines geradezu lächerlichen Halbgotts und aufgeblasenen Affen des vierzehnten Ludwig’s von Frankreich, und seines Enkels, des Königs von Großbritannien, vergleicht, so wird man die Aehnlichkeit überraschend finden und den psychischen und physischen Zusammenhang Beider zugeben müssen.

Die absolutistisch stolze Prinzessin von Wales suchte unter allen englischen Lords den absolutistisch geartetsten zum Erzieher ihres Sohnes aus, Lord Bute, unseligen Andenkens, und so wurde der Prinz mit jenem Haß und jener Verachtung der freien Institutionen des englischen Volkes erfüllt, dessen constitutioneller König er werden sollte und dessen absoluter König zu werden er mit Zustimmung seiner Mutter und seines Erziehers ein starrsinniges verwegenes Verlangen zeigte. Am meisten war ihm der kecke jugendliche Freiheitsgeist der englischen Colonien in Nordamerika zuwider, und in dieser Antipathie wurde er von der in den beiden Parlamentshäusern sitzenden hohen Aristokratie des Landes bereitwilligst secundirt. Die Lords waren mit dem Könige einverstanden, daß dieser „frevelhafte“ amerikanische Geist auf jede Weise gebrochen und gedemüthigt werden müsse, und die zu jeder Gewaltthat geneigte Regierung wählte dazu jene verkehrten Mittel, welche noch immer in der Weltgeschichte zum Gegentheil dessen geführt haben, was sie bezwecken sollten; sie setzte gewissenlose gewalttätige Statthalter in die Provinzen, die im Geheimen angewiesen wurden, die Constitutionen derselben durch alle erdenklichen Mittel zu beseitigen, wenigstens illusorisch zu machen. Diese Werkzeuge der nach absoluter Herrschaft in Amerika lüsternen [138] königlichen Partei waren natürlich schlechte, nichtswürdige, verrätherische Subjecte; denn ein ehrlicher Mensch gab sich nicht zum Handlanger einer Böses sinnenden Regierung her. Die frechsten dieser saubern Herren waren Hutchinson und Oliver, Statthalter von Pennsylvanien und Massachusetts. Dies waren die ältesten englischen Niederlassungen, hier war auch der erste Heerd der Freiheit und hierher waren zumeist die argwöhnischen Blicke der Regierung gerichtet, um die Funken desselben zu ersticken. Sie hatte dazu die gewaltthätigsten Menschen gewählt und glaubte Wunder wie trefflich diese Wahl sei. Die beiden Herren ließen es denn auch nicht fehlen, sich in ihren einflußreichen Aemtern im Sinne des Königs und der Parlamente aufzuführen. Sie verschworen sich gegen die Verfassung und beantworteten jede Klage über Unrecht und Gewaltthat mit Hohn und Verachtung.

Die also gemißhandelten Provinzen wählten einen schlichten, ehrlichen Bürger zu ihrem Anwalt, durch welchen sie ihre gerechten Klagen über Verfassungsbruch, Rechtsverletzung und Gewaltthat vor den Thron zu bringen beschlossen. Dieser Mann war bereits achtundsechszig Jahre alt, aber ein nüchternes, geschontes und thätiges Leben hatte ihn an Körper und Geist kräftig und jugendlich erhalten. Dabei besaß er wegen großen Rechtssinnes, wegen Bravheit, Einsicht in die öffentlichen Angelegenheiten und strenger Loyalität die allgemeine Achtung seiner Mitbürger und war von diesen zu dem Ehrenamte eines Agenten der Provinzen Pennsylvanien, Massachusetts, Newjersey und Georgia berufen worden. Seines Gewerbes war er Buchdrucker, er hatte sich jedoch durch Selbststudium einen Namen als Gelehrter und Naturforscher erworben, der auch in Europa Geltung besaß, und bekleidete das Amt eines Postmeisters in Boston, seiner Vaterstadt. Doch ich muß endlich den Namen – den unsterblichen! – nennen: der Mann war Benjamin Franklin. Es gab in den ganzen Colonien kein passenderes Individuum für ein so heikliges Geschäft; denn Franklin war der besonnenste, ruhigste, gesetzlichste und ehrwürdigste Mann. Er hatte in London als Buchdrucker gearbeitet, war auch schon ein paarmal als Agent dort gewesen, um die Differenzen zwischen der Regierung und den Colonien auszugleichen, und kannte die Verhältnisse im Allgemeinen. Seinem Vaterlande (Massachusetts) mit anspruchsloser Liebe ergeben, bewahrte er auch dem Könige unerschütterliche Treue.

Franklin faßte die Klagschrift mit der gewandten und umsichtigen, parteilosen Feder ab, die ihn schon längst zum beliebtesten Schriftsteller Amerikas gemacht hatte, und übersandte das Document dem Könige. Er hatte darin mit leidenschaftloser Würde um die Entfernung der Herren Hutchinson und Oliver petitionirt. Hierauf erhielt er eine Vorladung vor den geheimen Staatsrath und reiste mit seinen Vollmachten nach London. Die Petition hatte in den maßgebenden Kreisen der Hauptstadt böses Blut und ungemeine Aufregung gemacht, und als Franklin sich meldete, erfuhr er, wie erbittert der König, der Hof, das Ministerium und das Parlament gegen ihn seien. Auch war ihm der Alles beherrschende, schier allmächtige Einfluß der genannten Gewalten auf die öffentliche Meinung nicht unbekannt, und er mußte erwarten, daß ganz London, vom Könige bis zum Straßenkehrer, gegen ihn und seine Sache in Schlachtordnung standen. Er wußte das Alles, aber er zagte nicht.

Zu Ende des Jahres 1773 war er nach London gekommen, zu Anfang des folgenden Jahres erhielt er die Weisung, am 29. Januar vor dem geheimen Staatsrath zu erscheinen, um seinen Antrag zu begründen. Am bezeichneten Tage stellte er sich mit zwei Rechtsbeiständen, den berühmten Sachwaltern Dunning und John Lee, vor dem hohen Gerichtshof und beantragte mündlich noch einmal mit Gründen die Entfernung Hutchinson’s und Oliver’s von ihren Stellen als Gouverneure von Pennsylvanien und Massachusetts.

Mit außerordentlicher Spannung hatten sowohl die Mitglieder des geheimen Staatsraths als auch das intelligente Publicum dieser Verhandlung entgegengesehen; fünfunddreißig Lords waren zugegen, eine größere Anzahl, als jemals einem solchen Verhör beigewohnt hatte, und der Zuhörerraum des Saales war dicht gedrängt voll Menschen.

Dunning hatte den Vortrag für Franklin übernommen und sprach gut und den Gegenstand klar beleuchtend. Für die angeklagten Gouverneure traten der Anwalt Israel Mauduit, der alte Feind der Anglo-Amerikaner und Anrather der berüchtigten Stempelacte, und der Generalanwalt Wedderburne auf. Dieser, allgemein als Rabulist, Rechtsverdreher und schlechter Mensch bekannt, drehte die Sache in seiner pathetischen Rede so, als ob Franklin als Angeklagter hier vor Gericht stände, und übergoß ihn und die von ihm vertretenen Petenten mit einem schmutzigen Strome der ärgsten Schmähungen und Verdächtigungen. Seine ganze Rede war ein ununterbrochenes Gewebe von Lüge, Verleumdung, Falschheit, Frechheit und unerwiesenen Beschuldigungen. Franklin, ehrwürdig wegen seines Alters, seiner Rechtlichkeit und Sittlichkeit, seines reinen Wandels und seiner Loyalität, so wie wegen seines Ehrenamtes als erwählter Vertreter seines Vaterlandes, wegen seines Talentes als allgemein beliebter Volksschriftsteller und endlich wegen seines Ruhmes als wissenschaftliche Autorität (die ganze Welt feierte ihn als Erfinder des Blitzableiters), dieser so vielfach Ehrwürdige wurde öffentlich vor dem höchsten Gerichtshof des Landes vom Generalanwalt unter dem Hohngelächter und Zujauchzen der hochadeligen Beisitzer wie ein nichtswürdiger Bube behandelt.

Wedderburne zog auf die abgeschmackteste, ja widersinnigste Weise eine Parallele zwischen Hutchinson und Sejanus, dem gewaltthätigen Günstling des verächtlichen Kaisers Tiberius, zwischen Boston und Capri, zwischen der bescheidenen Petition der Legislatur von Massachusetts und einer schwülstigen Epistel des Tiberius. Und die Lords bemerkten den Unsinn nicht. Den schlichten Franklin, dessen Charakter Güte, Wohlwollen, Menschenliebe war, schilderte er als ein Ungeheuer von überlegtester Bosheit, der im Leben das übe, was die Phantasie des Dichters bis jetzt blos in die Gedanken eines blutdürstigen Afrikaners gelegt habe; ihn, den weisen Greis, der seit zwanzig Jahren seine wunderbare Fähigkeit als Versöhner und Vermittler zwischen der Regierung und den Colonien aufgeboten und auch nicht ein einziges Mal die ihm zu Gebot stehende amerikanische Presse benutzt hatte, um das mit dem schreiendsten Unrecht behandelte Volk seines Vaterlandes aufzureizen, sondern vielmehr die ungesetzliche Besteuerung Amerikas durch das Parlament durch schriftliche und mündliche Vorstellungen in London (als Beauftragter der Colonien) bei den Ministern und andern einflußreichen Personen, durch wahrheitsgetreue Angaben und Schilderungen vor dem Unterhause und durch den besten Rath als wahrer Freund beider Länder zu verhindern gesucht hatte, – einen solchen Mann bezeichnete nun vor den höchsten Richtern des Staates in einem öffentlichen Rechtsact ein gewissenloser Generalanwalt als „echten Aufwiegler“! Und diese Richter, diese Lords des Staatsrathes, diese Corporation, welche auf die höchste Ehre und Achtung Anspruch machte, welche behauptete, hier als Appellhof für die Colonien zu Gericht zu sitzen, ermunterte den ohnedies unverschämten Vertheidiger der beklagten Partei zu immer größeren Schmähungen eines ehrenwerthen öffentlichen Gesandten, welcher blos als Ueberbringer der Petition einer großen und loyalen Colonie vor ihnen stand, durch Gelächter, Witzworte und den Ruf: hört! hört! Und doch verachtete ihn der König, auch in dessen Sinne dieser Wedderburne sprach, doch verachteten diese zustimmenden Lords ihn als einen schlechten Menschen, doch wußten der König und die Lords des Staatsrathes, welch’ ein edler, trefflicher und allgemein geachteter Mann Benjamin Franklin war, doch wußten sie, daß der große deutsche Philosoph Immanuel Kant ihn wegen seiner Erfindung des Blitzableiters den „modernen Prometheus“ genannt hatte! Und der moderne Prometheus im weißen Haare stand ruhig aufrecht in der Sturmfluth der Verleumdung, die seiner Ehre den Todesstreich zu versetzen suchte. Seine beiden Rechtsbeistände waren durch die maßlose Bosheit Wedderburne’s so bestürzt, daß sie kaum etwas Erkleckliches vorbringen konnten. Dunning war so unwohl geworden, daß man seine Worte gar nicht verstand. Es würde aber auch die beste Vertheidigung von ihrer Seite dem verleumdeten Greise nichts gefruchtet haben, denn der Bericht der Lords war schon vor der Sitzung fertig gewesen und wurde sofort unterzeichnet. Sie ließen das ihrer Meinung nach niedergeschmetterte Opfer der Gewalt liegen und gingen stolz und in gehobener Stimmung davon, wie Fox später sagte, „nahe daran vor Freuden die Hüte in die Luft zu werfen, als ob sie durch die heftige und beredte Philippika gegen den ehrwürdigen Franklin einen Triumph erlangt hätten“.

Doch auch Franklin verließ den Schauplatz dieser beispiellosen Gemeinheit ruhig und gefaßt, getragen vom Freispruch eines guten Gewissens. „Niemals,“ sagte er, „habe ich die Macht eines guten Gewissens so lebhaft gefühlt wie an diesem Tage; [139] denn wenn ich die That, wegen deren man mich so sehr beleidigt hat, nicht als eine der besten Handlungen meines Gebens und als eine solche betrachtet hätte, die ich unter denselben Umständen ganz gewiß wieder begehen würde, so hätte ich es nicht ertragen können.“

Der Schmach fügte die Regierung die Gefährdung seiner Existenz hinzu, indem sie ihn von seinem Amte als Postmeister entfernte.

Aber nicht ihm, sondern dem Volke von Amerika war die Beleidigung in der Person seines Agenten angethan worden, und das Volk trat für ihn ein; die Weltgeschichte übernahm seine Rache. Im folgenden Jahre brach die nordamerikanische Revolution aus, welche das Losreißen der Colonien vom Mutterlande und die Gründung der Republik zur Folge hatte. Die Personen gingen ihre Wege und die Geschicke ihre Bahnen. Franklin breitete durch Wort und Schrift, durch Lehre und Beispiel das himmlische Feuer der Freiheit unter den Sterblichen aus und wurde ein Wohlthäter der Menschheit, eine der ersten Zierden seiner Zeit und seines Volkes, dessen Name mit Segnungen ausgesprochen werden wird, so lange die menschliche Sprache in einem richtigen Verhältnisse zur Cultur steht, von der Mitwelt aber, wie Georg Washington sich eben so wahr wie schön ausdrückt, „seiner Herzensgüte wegen verehrt, seiner Talente wegen bewundert, seines Patriotismus wegen geachtet, seiner Menschenliebe wegen geliebt“. Vier Jahre später war er als nordamerikanischer Gesandter am Hofe zu Versailles der Gegenstand allgemeiner Verehrung, der schlichte sittenstrenge Greis an dem üppigen, verderbten Hofe. Die französische Akademie ernannte ihn zu ihrem Mitgliede, und bei seiner Ausnahme in diese berühmte Corporation begrüßte ihn d’Alembert mit dem unsterblich gewordenen Hexameter:

„Er entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Scepter.“
(Eripuit coleo fulmen, sceptrumque tyrannis.)

Der Segen seiner Wirksamkeit steigerte sich mit den Jahren, und er erlebte vierundachtzig Jahre und sah hochbefriedigt einen großen Reichthum von Volksglück um sich aufgehäuft, als dessen würdiger Schatzmeister er endlich vom Schauplatz abtrat. Als er am 17. April 1790 gestorben war, trug ihn ganz Amerika zu Grabe, und die französische Nationalversammlung legte auf Mirabeau’s Antrag dreitägige Trauer an.

Wedderburne war fortan eifrig bemüht, Titel und Reichthümer als Lohn seiner Bestechlichkeit zusammenzuhäufen, und hatte doch keine Kinder. Verachtet und gemieden führte er ein freudloses Leben, und als er gestorben war, sagte der König: „So bin ich denn den größten Schurken meines Landes los.“ Die Weltgeschichte würde keine Kenntniß seines Namens haben, wenn ihn nicht Franklin’s Name in’s Schlepptau genommen hätte.

Den Lords des Staatsraths, die den größten Sohn Bostons zu brandmarken gedachten, ist es nicht einmal so gut geworden. Wer kennt ihre Namen? Sie sind verschollen, als hätten sie nie gelebt, und wenn sie wirklich nie gelebt hätten, wer hätte etwas verloren?

Auch der König wurde zweiundachtzig Jahre alt, aber sein Alter trat in steigender Progression in einen merkwürdigen immer schärfern Gegensatz zu dem zunehmenden Alter Franklin’s. Wie dieses immer glänzender, seine gesegnete Wirksamkeit immer breiter und weiter, sein Geist immer klarer, sein Gemüth immer wohlwollender wurde, bis er hinabging, wie die Sonne in einem herrlichen Abendroth, das seine bunten Lichter noch lange auf die Fluren streut, so wurden die letzten zwölf Jahre Georg’s des Dritten, wie von einem furchtbaren Fluche beladen, immer finsterer und unheimlicher, sein Thun und Treiben immer engspuriger und befangener, sein Leben immer einsamer, bis es in der finsteren Nacht des Wahnsinns schauerlich erlosch. Schon in seinen jüngeren Jahren hatte man periodische Spuren von Geistesstörung an ihm bemerkt, und sein wahrhaft schrecklicher Starrsinn war wohl nur Folge der Verdüsterung und Verwirrung seiner Gehirnthätigkeit. Dabei war er vom Volke so allgemein gehaßt, daß eine Menge Attentate auf sein Leben versucht wurden. Wie man ihm in seiner Jugend einen Galgen auf einem Karren unter seine Fenster geschoben hatte, so sang man in seinem Alter Schmählieder auf ihn und der gemeine Mann sprach seinen Namen nie ohne eine Verwünschung aus. Im Jahre 1810 erlosch das Licht seiner Vernunft gänzlich und nun sah man ihn mit Grausen noch zehn Jahre in den Abendstunden auf der Schloßterrasse von Windsor umherirren wie König Lear, Flüche und Verwünschungen ausstoßend. Als er endlich starb, bedauerte ihn Niemand. Und wie der Segen Franklin’s in Amerika fortzuwirken scheint, so daß es zur hundertjährigen Feier seiner Unabhängigkeitserklärung 1876 der mächtigste Staat des Erdbodens sein wird, eben so scheint der Fluch und Freiheitshaß Georg’s des Dritten in England fortzuwuchern, so daß es bereits seine Culmination erreicht haben dürfte und langsam rückwärts geht.

Ein merkwürdig drastisches und lehrreiches Bild, dieser Bürger Benjamin Franklin und dieser König Georg der Dritte, dieses Amerika und dieses England!