Der neue Frühling
Käme doch der Frühling! seufzt’ ich oftmals,
Daß der süße Blumenduft, das Flüstern
Holder Birken und das Lied der Lerchen
Meine heißen Thränen trocknen möchten! –
Und in jedem Jahre weint’ ich Thränen:
Töne, Blumen, holdes Baumgeflüster,
Alles ging wie scheu mir aus dem Wege,
Nichts, das meinen heißen Busen kühlte:
Kläglich kam er, kaum daß ich’s bemerkte,
Düster blickt’ ich in sein grün Gewebe,
Dachte: bist nicht besser als die andern! –
Hinter mir hört’ ich ein leises Rieseln,
Hinter mir lief Wind durch das Gebüsche,
Seitwärts nickten alle Blumen freundlich,
Und in sanften röthern Strahlen spielte
Sonnenschein zum grünen Boden nieder.
Was die holde Täuschung um mich zaubre.
Als ich wieder auf vom Boden blickte
Stand ein holder Knabe mir zur Seiten,
Goldne Locken hingen um die Schläfe,
Sah mich an mit keckem blauen Auge:
„Träumer du! zertritt nicht alle Freuden,
Die so zart in deinem Wege liegen!“ –
Rief es, hob den Zeigefinger drohend. –
Neu begrünt, wie Glanz und süßes Leben
Sich auf jedem Zweige schaukelt; Blumen,
Nachtigallen, Düfte, alles ruft dich
An mit wunderbar holdseelgen Tönen.
Bist du, Thor, nicht selber dir im Wege?
Stracks voll Mismuth ward mein banger Busen:
Kinder, sagt’ ich, sollten nicht so sprechen,
Thöricht sind sie, haben nichts erfahren,
Wissen über Spielgeräth zu urtheln,
Müssen aber über Kummer schweigen.
Also sagt’ ich ernsthaftlich vermahnend,
Meinte, daß er sich wohl schämen dürfte,
Und die Fassung wär’ mir fast entgangen.
Aber als ich herzlich zürnen wollte,
War Besinnung so wie Zorn entschwunden,
Und wie von dem heiligsten Entzücken
Mitten in dem allerschönsten Frühling
Den mein Herz so lange hergesehnet.
Meine Wangen fühlt’ ich roth erglühen
Kühnes Blicks sah ich umher, als wären
Mir entgegen streckten sich Gewinde
Ach! aus Myrthen, zauberischen Rosen,
Kein Cypressenblatt im ganzen Kranze,
Und die schönste Hand streckt’ ihn entgegen.
Rief ich, wollte blöde nach dem Kranze
Nicht die Hände zitternd reichen. – Wach’ ich?
Oder fesselt Schlaf die trüben Sinne,
Daß, um mich zu laben goldne Träume
Lächelnd sprach der Knabe: Nein, du wachest,
Hast bisher im schweren Traum gelegen,
So wie jetzt wird’s immer um dich bleiben,
Darum weckt’ ich dich aus deinen Träumen.
Wagt’ es nicht, dem Kleinen zu vertrauen,
Sank in meine Knie, die Blumenkränze
Rührten kühlend meine heiße Schläfe. – –
Darf ich wohl dem Wort des Knaben trauen?