Der neue Justizpalast in München
[260] Der neue Justizpalast in München. (Zu dem Bilde S. 241.) Lange hat die an Kunstdenkmälern so reiche bayrische Residenz den eigentlichen Großstadtcharakter entbehrt; sie gewinnt ihn neuerdings durch eine Reihe monumentaler Prachtbauten, unter welchen der Justizpalast des Architekten Professor Friedrich Thiersch eine hervorragende Stelle einnimmt. Die reichgegliederte Renaissancefassade des aus grünlichem Donausandstein erbauten Gebäudes am Karlsthor macht in ihrem guten Verhältnis der Länge zur Höhe, den stattlichen Vorsprüngen und der schön geführten Haupttreppe, mit den großen Fensteröffnungen zwischen den Wandsäulen, den Eindruck der Würde und künstlerischen Schönheit. Ueber ihren figurengeschmückten Giebeln erhebt sich die Kuppel des Mittelbaues. Sie überdacht die große Marmorwandelhalle und das Treppenhaus, dessen Amorettengruppen von dem Bildhauer Professor Eberle herrühren; die Wandmalereien im Repräsentations- und Schwurgerichtssaal hat Professor Thiersch in Verbindung mit jungen Künstlern geschaffen. Die Stückarbeiten des ornamentalen und figürlichen Schmuckes machte Bildhauer Pfeifer. Der nun so prächtig vollendete Palast hat seinem Erbauer nicht wenig Sorgen gemacht wegen der Schwierigkeiten, mit der vom Landtag verwilligten Summe von nur 6½ Millionen (ziemlich der gleiche Preis wie der des Reichsgerichtes in Leipzig, das um die Hälfte kleiner ist) den äußeren Schmuck des Gebäudes noch herauszubringen. Seiner Energie und Sparsamkeit ist das Werk trotzdem gelungen und so steht nun der stolze Bau, den weiten Karlsplatz mit seinen Anlagen und schönen Architekturbilderu überragend, der Münchener Kunst zur Ehre als eine neue große Zierde der so mächtig aufblühenden Isarstadt. Bn.