Der neue englische Krim-Wagen
Der neue englische Krim-Wagen.
Daß die Schnecke ihr Haus auf dem Rücken mitnimmt, wenn sie verreis’t, ist bekannt. Daß man im Scherze dem Boten, der schnell sein soll, räth, er solle die Beine auf die Achseln nehmen, ist uns auch geläufig. Aber ein Wagen, der seinen Weg mitnimmt, der im Dahinrollen sich immer eine Eisenbahn baut und gleich hinter sich wieder wegnimmt, um vorn immer wieder damit weiter zu bauen, das ist uns neu und erinnert an den alten mittelalterlichen Teufel, der den Herren, welche sich ihm verschrieben hatten, während ihres Lebens sclavisch dienen mußte, wenn er die Seele endlich abfassen wollte, um seine Hölle damit zu bereichern. Unter Anderem mußte der damals geplagte Teufel einmal zwischen einer mit Vieren bespannten, im vollen Carriere fahrenden Equipage immer vor ihr das Steinpflaster aufreißen und hinter ihr gleich wieder legen, so daß nie mehr Pflaster aufgerissen war, als die Equipage Raum einnahm. Das war ein respektables Kunststück vom Herrn Beelzebub. Aber die Herren Engländer Boydell und Glasier in Camden-Town (London) haben’s doch noch weiter gebracht. Sie bauen Hunderte von kleinen Lastwagen zunächst für die Krim und die Ackerwirthschaften des Prinzen Albert, welche ihren Weg immer unter sich selbst aufbauen und hinter sich wieder wegnehmen. Wenn man einen Weg fahren soll und es giebt keinen, wie dies auf der Krim und Tausende von Meilen in den asiatischen Steppen oft Regel ist, giebt es nichts Genialeres und Praktischeres, als auf Wagen zu fahren, die sich immer diesen fehlenden Weg selbst machen, glatt wie auf dem Tische, und nicht blos Weg, sondern complete Eisenbahn. Diese Erfindung klingt auf den ersten Schreck des Hörens fabelhaft, aber mit Hülfe einer Abbildung finden wir uns leicht zurecht.
Wir sehen Eisenbahnschienen rings an den Felgen der Räder angebracht, und zwar so, daß das Rad im Umdrehen immer in eine Schiene nach der andern hineinläuft und sie immer sofort nach der ersten Berührung beim Scheiden von der nächst vorhergehenden platt niederdrückt. Die Schienen bewegen sich in den Rädern in Kurbeln gerade so, daß sie sich, immer eine nach der andern, immer eine genau an die andere sich anfugend, platt auf die Erde genau unter’s Rad hinlegen, so wie sie an die Reihe kommen. So werden Löcher und Tiefen und sonstige Höcker der Erdhaut, die man rippenzerbrechend unter sich fühlt, wenn man auf Wegen fahren muß, die es gar nicht giebt, immer gerade so lang, als der Wagen braucht, zu gebahntem, glatten Eisenwege. Auch Sümpfe werden auf diese Weise hart, da die äußere Fläche der Schienen sehr breit ist und für den Moment dem Einsinken Widerstand genug entgegensetzt. Dabei gewinnt man in Fortbewegung von Lasten auf Wagen gerade die Hälfte der Locomotivkraft, d. h. ein Pferd ist vor einem solchen Wagen so viel wie zwei. Sie wurden wegen der Krimnoth erfunden und die Erfinder haben Hunderte für den Kriegsschauplatz gebaut. Doch läßt Prinz Albert kleinere und ähnlich construirte Wagen auch bereits auf seinen Wiesen und Aeckern in Anwendung bringen. Wenn man sich ein ordentliches Bild, eine deutliche mathematische Vorstellung von der Wirkung dieser mitlaufenden Schienen gemacht hat, begreift es sich sofort, daß diese Art Locomotiven alle schlechten Wege, frischgepflügtes Land, Sumpfboden u. s. w. immer fort in gute Wege [599] verwandeln und die Hälfte der Zeit und der Kraftanstrengung in Fortbewegung von Lasten sparen. Mit recht großen Rädern und langen Schienen baute sich der Wagen gewiß auch immer die nöthigen Brücken über Gräben und kleine Abgründe. Die Erfindung wird ihre Zukunft haben. Vorläufig begnügen wir uns mit dem ordentlich witzig aussehenden Bilde eines Wagens, der sich immer so viel Eisenbahn selbst baut, als er gerade braucht, so recht dem alten Teufel zum Schure, der immer gerade so viel Weg verderben mußte, als die Equipage der ihm contraktlich verschriebenen Seele einnahm.