Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 8–9

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Titel: Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 8. Ein Abenteuer auf der Entenjagd; Nr. 9. Eine Hirschjagd
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 599–601, 604
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.

Nr. 8. Ein Abenteuer auf der Entenjagd.

Von den zwei Dutzend Arten wilder Enten, die es in Amerika giebt, hat keine so viel Ruf als die Canvas-(Segeltuch-) Ente (Anas vallisheria), deren Fleisch das schmackhafteste von allen ist und von den Kennern noch über das des Prairiehuhns und des westindischen Ortolans gesetzt wird. Sie ist nicht groß und wiegt selten mehr als drei Pfund, ihr Gefieder gleicht dem der wilden Ente Europa’s, der Kopf ist dunkelbraun, die Brust schwarz und Rücken und Flügelspitzen bläulich-grau, und in solcher Weise von beiden Farben durchzogen, daß sie, freilich nur sehr entfernt, dem Gewebe des Segeltuches gleichen. Daher der Name des Vogels.

Sie gehört zu den Zugvögeln, wandert im Frühling nach den kalten Gegenden der Hudsonsbai und kehrt im October in ungeheuren Zügen nach den atlantischen Küsten zurück. Sie verbreitet sich nicht über die Fischwasserseen der Vereinigten Staaten, sondern bleibt in drei bis vier Buchten, von denen die Chesapeakebai ihren Hauptaufenthalt bildet, weil sie dort ihre Lieblingspflanze findet, die man gewöhnlich den wilden Selleri nennt. Diese hat lange, spitze, auf dem Wasser schwimmende Blätter, und ihre süßen Wurzeln geben der Canvas-Ente den angenehmen Geschmack, welcher ihr einen so hohen Preis auf den Märkten von New-York und Philadelphia sichert.

Ihre Jagd ist daher sehr einträglich. Sie sind jedoch schwer zu schießen, weil sie äußerst scheu sind, und es wäre kaum möglich, sie zu erlegen, wenn sie nicht zugleich sehr neugierig wären. Ein Hund, der am Ufer hin und her läuft, veranlaßt sie schon näher zu kommen, und bindet man diesem gar einen rothen Lappen um den Leib oder um den Schweif, so kann man darauf rechnen, sie in Schußweite zu bringen.

Als ich mich in der Nähe von Chesapeakebai bei einem Freunde befand, der dort eine Pflanzung hatte, beschloß ich natürlich, mich ebenfalls der Canvasjagd zu widmen, da auch mir der Braten dieser Vögel außerordentlich behagte. Dabei sollte mir indessen ein Abenteuer begegnen, an das ich mein Leben lang denken werde.

Mein Freund hatte nicht Zeit, mich zu begleiten, gab mir aber seinen Hühnerhund mit, der, wie er mir sagte, sich vortrefflich auf die Jagd verstand, und ich machte mich mit diesem auf den Weg, d. h. ich fuhr in einem Boot einen kleinen Fluß hinab, der zur Bai führte. Ich kam bald dahin, band mein Boot im Gebüsch fest und stellte mich dort auf den Anstand, indem ich den Hund aufforderte, seine Dienste zu thun. Zu meinem Verdruß wollte er mir aber nicht gehorchen, sondern weigerte sich absolut an’s Wasser zu gehen und verkroch sich in’s Gebüsch. Ich zog ihn heraus und nach dem Wasser, redete ihm zu, schalt, drohete ihm, Alles vergebens, er lief immer wieder zurück, und ich ärgerte mich doppelt, denn etwa eine halbe Meile vom Ufer saßen Tausende von Enten. Als ich sah, daß ich mit dem Hunde durchaus nichts anfangen konnte, weil ich ihm zu fremd war und er mir nicht folgen wollte, beschloß ich, in mein Boot zurückzukehren und zu versuchen, ob ich mich leise an die Enten heranrudern könnte, denn das war das Einzige, was mir jetzt noch übrig blieb, um zum Schuß zu kommen. Ich wollte das ungehorsame Thier gar nicht mitnehmen und rief ihm daher gar nicht zu, als der Hund indessen sah, daß ich nach dem Boote ging, folgte er mir und sprang noch vor mir in dasselbe. Ich dachte zuerst daran, ihn hinauszujagen, die Rücksicht auf meinen Freund gab mir indessen einen anderen Entschluß ein und ich ließ ihn ruhig liegen.

Bald dachte ich nur an die Enten, denn ihr Anblick erweckte in mir wahre Tantalus-Gelüste. Da saßen sie zu Hunderten bei einander, und wenn ich ihnen nur nahe genug zu kommen vermochte, konnte ich sie massenweise erlegen. Aber sobald ich diesen Punkt erreicht zu haben glaubte, verschwanden sie wieder. Ich sah daher ein, daß ich eine List gebrauchen mußte. Ich fuhr wieder an’s Ufer zurück, hieb grüne Zweige ab und steckte diese in dem Boot auf, damit sie, diesem als Segel dienend, mich geräuschlos zu den Enten trügen. Das gewährte mir auch noch den Vortheil, daß ich mich vor der furchtbaren Hitze schützen konnte. Es war November und ein sogenannter alter Weibersommer mit wohl 90 Grad Hitze. Um einen andern Preis hätte ich mich dieser gewiß nicht ausgesetzt, aber die Aussicht auf eine gute Entenjagd verdiente schon dieses Opfer.

Als ich den Enten näher kam, hatte ich ein interessantes Schauspiel vor mir. Außer den Canvas-Enten sah ich noch Pfeifenten, die anders gefärbt waren. Diese waren schlechte Taucher, während die Canvas-Enten vortrefflich tauchten. Wenn sie daher mit ihrer Wurzelbeute zum Vorschein kamen, suchten die Pfeifenten sie ihnen zu rauben und warteten jedesmal geschickt das Emportauchen der Andern ab, so daß diese sich beraubt sahen, ehe sie zur Besinnung kamen. Da ihnen das Verfolgen der stärkeren Räuber unnütz erschien, entschlossen sie sich alsdann gewöhnlich dazu, von Neuem zu tauchen und Wurzeln zu suchen. Außerdem sah ich auch noch eine dritte Art, welche der gewöhnlichen wilden Ente glich und sich nur durch den Schnabel von der Canvas-Ente unterscheidet. Sie wird daher auch gewöhnlich als solche verkauft, ist aber nicht so viel werth, weil sie sich mit den grünen Blättern der Selleripflanze begnügt und sich nicht die Mühe nach den Wurzeln giebt, wie die Canvas-Enten.

Als ich den Vögeln nahe genug war, legte ich meine Flinte vorsichtig durch das Buschwerk, und hatte die Freude, nachdem ich zweimal gefeuert, wohl zwanzig Enten todt auf dem Wasser schwimmen zu sehen. Als der Rest des Schwarmes emporflatterte, rauschte es wie leiser Donner in der Luft.

Ich sollte aber nicht dazu kommen, die Zahl meiner Beute genau zu ermitteln, denn gleich nach dem Schuß nahm ein anderer Gegenstand meine Aufmerksamkeit in Anspruch, der mich bald alle Canvas-Enten vergessen ließ. Schon vorher hatte das Benehmen meines hündischen Gefährten ab und zu meine Augen auf diesen gelenkt. Ich hatte gesehen, wie er sich am Stern des Bootes, wo er lag, zuweilen aufgerichtet, mit den Zähnen gefletscht, dann geschüttelt und wieder niedergelegt hatte. Die Enten hatten mich indessen zu sehr beschäftigt, um Betrachtungen daran zu knüpfen. Jetzt nach dem zweiten Schusse sahe ich mit einem Male, daß der Hund in der Mitte des Bootes, nur drei Schritte von mir entfernt, mit den Vorderpfoten auf einem Sitz stand und mich anstierte. Seine Augen hatten einen wilden Ausdruck, die Zunge hing ihm aus dem Halse und von seinen Kiefern floß Schaum.

Der Hund war toll. Ich sahe es deutlich, denn ich kannte die Anzeichen der Tollwuth sehr wohl, und mich überkam daher, wie man denken kann, kein gelinder Schreck. Wenn der Hund auf mich zusprang, war ich verloren. Tod – sicherer Tod war mein Loos, denn es wäre mir fast unmöglich gewesen, ihn, ohne verletzt zu werden, von mir abzuwehren. Instinktmäßig setzte ich mich indessen in Vertheidigungszustand, indem ich nach meiner Flinte faßte. Sie war aber abgeschossen. Sollte ich sie laden? Eine Bewegung des Hundes zeigte mir, daß dies gefährlich gewesen wäre, denn er war offenbar in seiner Tollheit von dem richtigen Instinkt ergriffen, daß ich im Stande war, ihn zu tödten. Deshalb war er bei dem Schuß aufgesprungen und bedrohte mich. Mir blieb daher nichts Anderes übrig, als mit dem festgefaßten Gewehr möglichst unbeweglich stehen zu bleiben, um ihn in dem Augenblick, wo der Hund auf mich zuspringen würde, niederschlagen zu können. Aber auch damit wäre eine große Gefahr für mich verbunden gewesen, denn das Boot war so klein und schlecht gebaut, daß ich nur mit Mühe stehend das Gleichgewicht in demselben erhielt. Bei einer heftigen Bewegung wäre es umgeschlagen, und da ich jetzt schon sehr weit [600] vom Ufer ab war, hätte ich dieses in den Kleidern und schweren Jagdstiefeln schwerlich erreichen können. Dieser Grund hielt mich auch ab, ohne Weiteres über Bord zu springen, und den Hund mit dem Boot seinem Verderben zu überlassen.

Das Beste, was ich thun konnte, war daher, den Hund so starr als möglich zu fixiren und ihn durch meine ruhige Haltung zu nöthigen, sich zurückzuziehen. Dies that ich auch eine Weile mit vollster Kaltblütigkeit. Darauf beunruhigte mich aber eine neue Beobachtung. Es hatte sich eine frische Briese erhoben und trieb mich mit meinen Laubsegeln der offenen See zu, und ungefähr eine halbe Meile vor mir zeigte sich eine Reihe von Klippen, an der mein Boot unfehlbar zerschellen mußte.

Diese Gefahr abzuwenden, mußte ich die Riemen ergreifen und das Boot aus der Strömung bringen. In dieser hätte ich einen gewissen Tod gefunden, den Hund konnte ich noch abwehren und er bildete daher die geringere Gefahr. Ich griff also nach einem Riemen, und als der Hund dies sah, mußte er sich seinerseits wohl für minder gefährdet halten, denn er zog sich auf sein früheres Lager zurück, und ich konnte mich zum Riemen niedersetzen. Ich hörte schon die Brandung rauschen, und es war die höchste Zeit, daß ich die Riemen gebrauchte. Nichts destoweniger führte ich rasch erst einen andern Entschluß aus. Ich behielt den Hund fest im Auge, der seinerseits jetzt furchtsam um sich blickte, und faßte leise nach dem Pulverhorn und Schrotbeutel in meiner Tasche, maß nach dem Gefühl eine Ladung ab und ließ sie in den Lauf gleiten. Als mir dies gelungen war, fühlte ich mich schon sicherer und lud den zweiten Lauf sorgsamer. Dann brachte ich das Gewehr ruhig in schußgerechte Stellung, wagte aber nicht, es an meine Backe zu heben und zu zielen, sondern maß die Richtung ebenfalls nach dem Gefühl ab und feuerte.

Ich hörte kaum den Hall des Schusses, so laut brüllte die See, aber ich sah den Hund sich überstürzen und in seinem Blute wälzen. Dies bewies mir, daß er schon hinlänglich getroffen sei, um unschädlich zu sein. Um ihn daher vollends zu beseitigen, legte ich das zweite Mal ordentlich an, zielte und streckte ihn unmittelbar darauf todt zu Boden. Jetzt legte ich mit aller Energie die Riemen ein, um mein schon auf den Wogen der See tanzendes Boot zu retten. Mit ein paar Schlägen warf ich es zurück und lenkte es darauf der Küste zu.

An meine Canvas-Enten dachte ich kaum mehr. Sie waren indessen längst fortgeschwemmt und eine Beute der Haifische geworden, und ich kümmerte mich auch nicht darum, denn ich war froh, daß ich der furchtbaren Gefahr entronnen war, und hatte keine größere Sehnsucht, als so schnell als möglich von dem Schauplatz derselben zu entkommen, und gelobte mir im Stillen, nie mehr mit einem mir unbekannten Hund auf die Entenjagd zu gehen.

Nr. 9. Eine Hirschjagd.

In Nordamerika giebt es sechs Arten Wild: das Musethier (Cervus alres), welches mit dem europäischen Elenn identisch ist, das Elenn (Cervus Canadensis), das dem europäischen Rothwild entspricht, das Dammwild, welches ebenfalls dem europäischen gleicht (Cervus Virginanus) und die Amerika allein gehörenden Arten des Caribou oder Rennthiers (Sarandus), des schwarzschweifigen (macrotis) und des langschwänzigen (leucurus) Maulthieres. Der Hirsch von Louisiana sowie das Mazama von Mexiko sind nur Spielarten des virginischen Hirsches. Diesen meint man gewöhnlich, wenn von Wild in Amerika die Rede ist, denn er ist am Weitesten verbreitet, und man findet ihn fast in allen Zonen von Nord- und Südamerika. Er ist das kleinste Wild, denn er wird nicht höher als drei Fuß und wiegt selten mehr als 500 Pfund, ist aber äußerst zierlich gebaut und sein Schaufelgeweih steht ihm ungemein stattlich. Dies „schwarzschwänzige“ und „langschwänzige“ Wild hält sich nur im fernen Westen, in Californien, dem Oregongebiet, den hochgelegenen Prairien und den Thälern der Rocky Mountains auf. Die Naturforscher haben es erst wenig beschrieben, und es ist eigentlich nur den Jägern bekannt. Das Caribou oder Rennthier findet man nur im hohen Norden und nicht innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten. Das Musethier ergeht sich dagegen bis an deren Nordrand. Eben da findet man auch das Elenn, das sich aber zugleich bis zu den gemäßigten Regionen, ja bis zum Süden von Texas hinabzieht.

Das Vorhandensein derselben Wildgattungen in Europa und Amerika beweist offenbar, daß es eine Periode gegeben haben muß, in der zwischen den nördlichen Theilen beider Continente eine Verbindung stattfand. Auch der Polarbär und die Polarfüchse beider gehören denselben Arten an.

Das amerikanische Dammwild ist ein werthvolles Thier, denn von ihm ist alles zu gebrauchen, das Fleisch, das Fell wie das Gehörn, und es ist sehr natürlich, daß ihm vielfach nachgestellt wird. Außer dem Menschen sind aber auch noch der Cougno, die Luchse, Wölfe und Wolwerinen seine Feinde. Die Jäger behaupten, daß die Wölfe fünf gegen eins, das sie schießen, rauben. Wenn ihnen auch die alten Thiere entgehen, so fallen ihnen doch die Kälber zur Beute. Nichts destoweniger findet man sie noch überall in Fülle, und wo man die Wölfe auszurotten sucht und die Schonzeit inne hält, wie im Staate New-York, vermehrt sich ihre Anzahl sogar.

Man erlegt sie auf verschiedene Weise, vom Anstand aus, wo man sich aber sehr still verhalten muß, weil sie ebenso scheu als neugierig sind, oder durch Spüren im festgefrornen Schnee, in dem sie nur schlecht laufen können, weil er ihnen die Läufe zerschneidet. Ich wohnte einmal einer solchen Jagd bei, auf der wir zwanzig Stück an einem Morgen erlegten. Ferner läßt man sie mit Hunden jagen und folgt ihnen zu Pferd oder läßt sie durch Menschen und Hunde treiben wie in Europa. Endlich stellt man Nachtjagden an, indem man ein Feuer von Kienäpfeln in einer eisernen Pfanne anzündet und mit dieser den Wald durchstreift. Sehen die Thiere diesen sonderbaren Gegenstand, so kommen sie gewiß näher, und man kann ihre Augen, die wie Kohlen leuchten, deutlich unterscheiden und darauf zielen.

Als ich mich an der Jagd des Dammwildes hinlänglich gesättigt hatte, suchte ich die langschwänzigen Thiere im Westen auf. Ihre langen Ohren sowie ihre Schweife gaben ihnen in der That etwas Maulthierartiges, weshalb sie von den Trappern auch so genannt werden, sie gehören aber offenbar zum Dammwildgeschlecht, denn sie haben eben solches Gehörn und ihre Farbe ist röthlich braun, ihr Schweif jedoch an der Spitze schwarz, ihr Bau etwas kürzer und gedrungener. Beim Laufen springen sie mit allen Vieren zugleich, während die langschwänzige Art mehr im Trab wie das Dammwild läuft oder mit diesem und dem Springen abwechselt. Dabei halten die letztern ihren Schweif aufrecht, so daß sie einen ziemlich lächerlichen Anblick darbieten. Diese sind das kleinste Wild, denn sie wiegen selten mehr als hundert Pfund. Sie gleichen ganz dem Dammwild, bis auf den Schweif, der häufig achtzehn Zoll lang wird. Vom November bis April äsen sie in großen Heerden mit einander, dann trennen sich die Kühe. um zu werfen; am Liebsten halten sie sich in den parkähnlichen, offenen Waldstellen auf, wo sie eine fettere Weide und eine freiere Aussicht haben. Dort sieht man sie in ungeheuren Massen bei einander und sie geben solchen Landschaften ein eigenthümliches Leben.

Als ich mich in den Rocky Mountains in der Nähe von Fort Vancouver befand, begab ich mich einmal mit nur einem Diener begleitet auf die Jagd nach dem langschwänzigen Dammwild, die einen sonderbaren Verlauf nahm. Wir gingen lange Zeit einen Strom entlang, ohne auf Wild zu stoßen, so daß Dick, mein Diener, der ein erfahrener Jäger war, mir zuredete, landeinwärts zu gehen, wo wir gewiß auf Wild stoßen würden. Wir sahen auch alsbald verschiedene Stück, sie waren aber ungemein scheu und flohen mit einem pfeifenden Ton davon, der die andern ebenfalls zur Flucht trieb. Nicht lange darauf hörten wir, daß eine Parthie Indianer vor drei Tagen das Revier abgejagt habe und das Wild deshalb noch so scheu sei.

„Dann, Master,“ sagte Dick zu mir, „müssen wir’s anders anfangen. Ich will Euch doch zum Schuß verhelfen. Kommt da hinunter nach dem Sumpf.“ Ich folgte ihm. „Seht Ihr die Pflanze da mit den breiten Blättern und den weißen Blüthen?“

„Ja.“ Ich kannte sie wohl, es war eine baumähnliche Pflanze, welche in der Botanik Heracleum lanatum heißt; was sie aber auf der Jagd nutzen sollte, war mir unbekannt.

Dick zeigte es mir. Er schnitt einen Zweig ab, etwa sechs Zoll lang, und richtete ihn zu einer Art Trompete zu. Als er den rechten Ton heraus hatte, sagte er mir, nun wolle er die Thiere schon rufen, ich solle mich ruhig hinter dem Gebüsch und schußfertig halten.

Es dauerte auch in der That nicht lange, so kam auf seine Töne ein Bock herbeigesprungen, der sich offenbar nach dem herausfordernden [601] Gegner umsah, denn Dick’s Trompete gab ganz diesen Ton von sich, und um ihn noch täuschender zu machen, bewegte er es sich vor und rückwärts, wie der Bock es gethan haben würde. Als unser Bock bis auf zwanzig Schritt heran war, stutzte er, als wollte er sich doch erst von der Natur seines Feindes überzeugen, in demselben Augenblick drückte ich aber auch los und er blieb unter dem Feuer. Nachdem wir ihn abgeledert, hingen wir das Fleisch so hoch, daß die Wölfe es nicht erreichen konnten, und nicht lange darauf erlegte ich einen zweiten Bock. Nachher konnte ich aber nicht mehr zum Schuß kommen und Dick machte mir den Vorschlag, die Jagd in der Nacht bei Fackellicht fortzusetzen, wobei ich gewiß mehr Wild erlegen würde.

Da ich eine solche Jagd noch nicht mitgemacht hatte, ging ich sogleich darauf ein, und begab mich zunächst mit Dick, nachdem wir die besten Stücke aus dem erlegten Wild aufgepackt hatten, nach Hause, um die nöthigen Vorbereitungen zu treffen. Wir wollten unsere Leuchtpfannen in einem Boot aufpflanzen, und den Strom hinabfahrend, das zum Saufen an’s Wasser gekommene Wild zu erlegen suchen. Dick hatte auf diese Weise häufig viel Wild erlegt und mir gefiel dieser Plan ebenfalls. Ich miethete daher ein Boot von einem Indianer, das freilich nur aus einem ausgehöhlten Baumstamm bestand, aber von Dick doch für ganz gut erklärt wurde, und er selbst sorgte für Kienäpfel und eine Rostpfanne. Als Alles an Bord war, zündeten wir unser Feuer an, das bald hell emporloderte, und ich übergab Dick das Steuerruder und setzte mich schußfertig nieder.

Die Scenerie des Flusses, über den wir sanft dahin glitten, gewährte einen prachtvollen Anblick. Es war Herbst und das Laub der Bäume hatte schon den köstlichen gelblich röthlichen Schimmer gewonnen, welcher die amerikanische Baumwelt vorzugsweise auszeichnet, dazu der Schimmer des Feuers, es war, als ob die ganze Landschaft in Grün, Gelb und Roth strahlte, während wir auf einer goldenen Glut dahin zu fahren schienen. Und dazwischen die alten bemoosten Felsstücke, man kann sich nichts Malerischeres denken. Lange Zeit hatte ich nur dafür Sinn und sah staunend auf die Landschaft.

„Da unten,“ rief mir jedoch Dick zu, indem er mich aus meinen Träumen weckte, und bald sahe ich in der Richtung, nach der er zeigte, folgend, ein Paar runde leuchtende Kugeln, die durch das Gebüsch funkelten.

Ich zielte, drückte los, das Echo brachte den Knall zurück, dann raschelte etwas am Ufer und gleich darauf folgte ein Plumpen, als sei etwas in’s Wasser gestürzt.

„Wir haben ihn,“ sagte Dick, indem er nach dem Ufer steuerte und bald sahen wir einen prächtigen Bock vor uns im Wasser liegen. Dick zog ihn bei den Schaufeln heraus und brachte ihn in Sicherheit.

Wieder fuhren wir dann in die Mitte des Stromes, wieder leuchteten ein paar Augen durch das Dunkel, ich schoß und erlegte eine Rücke. Dann folgte ein zweiter und ein dritter Bock. Diese Jagd hat durchaus nichts Aufregendes und Ermüdendes an sich, und es war daher sehr natürlich, daß wir wenig an die Zeit und an den Rückweg dachten, obwohl wir in der Stunde wohl drei Meilen zurücklegten. Endlich wurden wir aber daran erinnert, weil uns die Munition für unsere Rostpfanne ausging. Dick hatte gerade den Rest aufgeschüttet und dies bemerkt, als ein Geräusch zu uns drang, das wie ein Wasserfall klang. Uns war dies jedoch nicht neu, da wir schon an mehreren Fällen kleinerer Ströme, die sich in den Fluß ergossen, vorbeigekommen waren; es war uns indessen jetzt, als sei das Geräusch gerade vor uns, und rühre von dem Flusse selbst her. Dick lenkte deshalb aus dem Strome, da er aber fand, daß der Fluß eine scharfe Wendung machte und dann ruhig dahin strömte, war er der Ansicht, daß der Fall doch seitwärts sei und von einem Nebenstrome herrühre, und ruderte daher wieder ruhig in die Mitte des Stromes zurück.

Bald darauf wurde meine Aufmerksamkeit durch ein paar leuchtende Kugeln am linken Ufer erregt, die feuriger waren, als ich sie bisher gesehen und offenbar keinem Wild angehörten. Der Raum zwischen ihnen war bei weitem größer und das Thier mußte einen größeren Kopf haben. Um so größer war für mich der Reiz zu schießen. Ich legte an und drückte gerade los, als mir Dick zurief: „Master, schießt nicht!“ – Begierig sah ich nach dem Ufer, die Augen waren noch da und leuchteten furchtbarer als vorher.

Hatte ich gefehlt? Dick’s Zuruf hatte mich etwas gestört und es war wohl möglich, daß ich nicht so sicher gezielt hatte als sonst. Gleich darauf traf aber ein Ton mein Ohr, den ich nur zu gut kannte und der es mir mit einem Male klar machte, weshalb Dick mich zurückhalten wollte, – das Schnorcheln des grauen Bären, das dem der Wildschweine ähnlich ist, wenn sie Furcht empfinden. Es war mir auch mit einem Male deutlich, daß ich ihn zwar getroffen, aber nur oberflächlich verletzt habe, denn er sprang plötzlich in’s Wasser.

„Ach Gott, er kommt hinter uns her!“ schrie Dick und gebrauchte sein Ruder mit aller Macht.

Der Sprung hatte den Bären aber so weit getragen, daß wir ihn unmittelbar darauf dicht bei unserm Boot sahen. Ein Schlag mit dem Ruder auf seine Schnautze trieb ihn indessen etwas zurück, während unser Boot rasch dahin glitt. Unsere Lage war aber dadurch unendlich peinvoll, daß unser Feuer nicht mehr hell genug leuchtete, und wir daher den Bären gar nicht sehen konnten. Wir hörten nur an seinem Schnaufen, daß er immer noch hinter uns her war und wußten, daß, wenn es ihm gelang, eine Tatze auf unser Boot zu legen, er dieses auch umstürzen und dies unser Tod sein würde. Dick ruderte daher mit Leibeskräften und ich hielt den Kolben meiner Büchse bereit, um ihn fortzustoßen, wenn er uns nahe käme, denn neu zu laden hatte ich im Finstern nicht gewagt.

So schossen wir mit Windeseile stromabwärts, als uns plötzlich eine neue Gefahr vor die Seele trat. Immer stärker hörten wir das Rauschen des Wasserfalles vor uns, und jetzt konnten wir nicht länger im Zweifel darüber sein, daß dieser von dem Fluß selbst herrührte. Wir schossen also gerade unserm Verderben zu und man kann sich denken, daß unsre Aufregung dadurch bedeutend wuchs. Wir ruderten mit allen Kräften, um nach dem Ufer zu gelangen, und uns gelang es auch, das Boot dahin zu wenden, als der Stern desselben an etwas Schweres stieß und gleich darauf gehoben wurde. Dies schüttelte die Kienäpfel, daß sie stärker emporflackerten und ihr Schimmer zeigte uns den furchtbaren Kopf und die Tatzen des Bären über dem Rand des Bootes. Der Bär hatte offenbar die Absicht, in das Boot hinein zu klettern. Unsere Gefahr war bis auf’s Aeußerste gediehen, und das Bewußtsein hiervon ließ uns beinahe erstarren. Lenkten wir das Boot jetzt an das Ufer, so wurden wir die Beute des Bären und fuhren wir in den Strom zurück, so geriethen wir in ein paar Minuten in den Wasserfall. Wir wußten ungefähr, daß er fünfzig Fuß hoch sei, seine Höhe konnte aber auch hundert Fuß betragen, jedenfalls reichte sie hin, uns in die Ewigkeit zu befördern. Die Noth trieb uns indessen zum Handeln. Ich schlug auf den Bären los und rief Dick zu, er solle nur weiter nach dem Ufer halten. Besser einen Kampf mit dem Bären wagen, als in den Fällen ein sicheres Grab finden. Meine Hiebe wirkten, der Bär zog sich zurück und Dick ruderte mit allen Kräften, da – o Schreck, hält Dick plötzlich nur noch den Stiel seines Ruders in der Hand. Die Schaufel war abgebrochen, und der Strom ergriff uns wieder.

Jetzt waren wir rathlos. Nun konnten wir das Boot nicht mehr lenken und mußten über die Fälle. Auch an Hinausspringen war nicht mehr zu denken, der Strom hätte uns nicht mehr hinaus gelassen. Wir sahen dies Beide und saßen sprachlos da, unserer letzten Augenblicke wartend. Auch den Bären hörten wir noch immer, er hielt sich offenbar am Sterne fest. Das Boot schoß vorwärts wie ein Pfeil. Dann hörten wir einen lauten Krach, als wären wir auf einen harten Felsen gerathen. Das Wasser spritzte über uns, aber zu unserer Freude fühlten wir gleich darauf, daß wir noch am Leben waren, ebenso im Boote saßen wie vorher und ruhig über das Wasser glitten.

Es war ganz finster um uns, aber selbst in der Dunkelheit gewahrten wir, daß der Bär nicht weit von uns schwamm. Er hatte also die Reise mit uns gemacht, aber dadurch offenbar die Lust verloren, weiter mit uns anzubinden. Das Sturzbad hatte seinen Muth gekühlt, und er wandte sich dem Ufer zu. Dahin mußten auch wir zu gelangen suchen, denn unser Boot war voll Wasser. Wir ruderten daher so viel als möglich mit den Händen, bis wir die überhängenden Zweige eines Baumes erreichen und an diesem landen konnten. Dort befestigten wir das Boot, hingen das Wild auf den Baum und traten unsern Rückweg zu Fuß an.

[604] Am nächsten Morgen ging eine Jagdparthie aus, um das Wildpret zu holen und wo möglich das Canoe über die Strecke des Falles zurück zu tragen. Wir fanden jedoch, daß es so viel Schaden erlitten hatte, daß es den Transport nicht mehr verlohnte. Ich hatte daher noch das Vergnügen, mich mit dem alten Indianer über das Boot abfinden zu müssen, was nicht leicht war, aber nach überstandener Gefahr war das Erlebniß reichlich auch dieses Opfers werth.