Der schwerste Gang
Der schwerste Gang.
„Mir ist’s im Herzen so bang’ und schwer,
Als ob ein Unglück im Anzug wär.“
Die junge Gattin seufzet es laut,
Großmutter nickt, das Knäblein schaut –
Es schaut in’s Antlitz Beiden und spricht:
„Mein Vater kommt aber recht lange nicht.“
Großmutter tröstet, sie thut sich Gewalt:
„Der Krieg ist ja aus, nun kommt er bald.“
Und doch sitzen die Frauen in Trübsal dort,
Der Knabe allein spielt heiter fort.
Und des Wegs ein Wehrmann wandert daher;
Man sieht’s: der trägt im Herzen schwer.
Je näher dem Haus, je zager der Schritt –
Er kehrte noch um, wenn die Pflicht es litt’.
Er pocht mit zitterndem Finger an,
Und wie die Pforte wird aufgethan –
Das junge Weib ihm entgegenspringt
Und schreckensbleich die Hände ringt:
„Um Gotteswillen, Johann, Johann,
Du kommst allein – wo ist mein Mann?“
„Dein Mann schläft in gar fester Ruh’,
Ich drückt’ ihm selber die Augen zu.
Er schläft nicht allein. Wir senkten hinab
Wohl hundert Cam’raden in’s selbe Grab.
Und die Ehrensalve, die war so stark,
Viel Tausenden fuhr sie durch Bein und Mark.
Denn wo wir das große Grab gemacht,
Da donnerte drüber die ganze Schlacht.
Hier ist seine Uhr und sein Briefbüchlein
Mit dem letzten Gruß – und sein Todtenschein.
Das bring’ ich Euch, ich that’s ihm zu Lieb’,
Das ist Alles, was von ihm übrig blieb.“
Da flog ein Engel durch den Raum,
Das Schluchzen und Wimmern – man hört’ es kaum.
Denn bei dem allertiefsten Schmerz
Da rinnen die Thränen hinab in’s Herz. –
Als der Landwehrmann trat wieder heraus,
Bekreuzet er sich und bekreuzet das Haus.
„Vor Granaten und Kugeln war mir nicht bang’,
Aber das, das war mein schwerster Gang.“
Fritz Hofmann.