Witz und Humor

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: H. B.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Witz und Humor
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 298–300
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[298]
Witz und Humor.


Der Witz in Mißcredit. – Von den Ursachen dieses Mißcredits. – Nur ein Kalauer! – Berliner Wortspiele. – Friedrich Wilhelm der Vierte und seine Bonmots. – Confusion, Gallimathias und Maculatur. – Witzige Abfertigungen. – Friedrich der Große und der Geisterbeschwörer. – Eine Probe von Jean Paul’s unsterblichem Humor.


Was ist aus unserm Witz geworden? Außer den Blättern, welche ihn zwangsweise machen, findet sich selten eine Zeitschrift, die ihn nur duldet! Und warum ist der Witz so in Mißcredit gekommen, warum sein Cours so niedrig? Weil die Actien so steigen, d. h. wegen des unersättlichen, gefräßigen und doch nie zu befriedigenden Materialismus unserer Zeit. Wir verhalten uns mehr begehrend als betrachtend zu den Menschen und Dingen um uns. So stehen wir unter dem Zwange unserer Begierden, die uns unfrei machen. Die Gegenstände beherrschen uns, nicht wir sie. Sind wir dagegen im Stande, Menschen und Dinge um uns blos zu beurtheilen, zu erkennen, zu betrachten, so nehmen wir rein ästhetische Vorstellungen von ihnen auf, die unsere Freiheit nicht beeinträchtigen, weil wir nichts von ihnen wollen, sondern weil sie im Gegentheil dazu dienen, uns den Genuß der Freiheit zu erhöhen. Wir spielen geistig mit den Eindrücken von außen und fühlen so die Herrschaft über die Dinge, denen wir diese Eindrücke verdanken. „Freiheit giebt Witz und Witz giebt Freiheit,“ sagt Jean Paul. „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.“ „In den heiteren Regionen, wo die reinen Formen wohnen, rauscht des Jammers trüber Sturm nicht mehr.“ (Schiller.) Darin liegt zugleich der Schlüssel zu den Geheimnissen der Witzlosigkeit unserer Zeit, der fieberhaft unersättlichen Begehrlichkeit, unserer Sclaverei unter dem Joche des Lebens, des Götzendienstes für die Molochs „Soll und Haben“.

Wir glauben uns deshalb ein Verdienst zu erwerben, wenn wir einmal wieder auf den Werth des Witzes und seine heiter befreiende Kraft aufmerksam machen. Wie herrlich sind schon dessen verschiedene Formen und Wandlungen! Alles Häßliche und Drückende in unserm Leben und den Erscheinungen um uns löst sich durch einen einzigen Blitz richtiger, uneigennütziger Erkenntniß in die beglückendste Heiterkeit auf, wenn uns der Contrast zwischen dieser Unnatur und dem Begriffe oder der Idee der Sache plötzlich durch ein treffendes Wort klar gemacht wird. Solche spielende Urtheile, in denen sich der Witz geltend macht, sind wahre Erlöser und Befreier. Was bisher in unseren Vorstellungen unverträglich war und uns selbst durch seine Mißverhältnisse quälte, wird durch den Witz ein glückliches Liebespaar. „Der Witz,“ sagt Jean Paul, „ist der verkleidete Priester, der jedes Paar traut und zwar die Paare am liebsten, deren Verbindung die ernsten interessirten Verwandten nicht dulden wollen.“

Wie oft stören uns die Ochsen am Berge des Fortschritts! Sie stoßen nicht uns, sondern wir sie aus unserm Wege fort, wenn wir mit Börne sagen: „Als Pythagoras seinen berühmten Lehrsatz entdeckt hatte, opferte er hundert Ochsen; seitdem zittern alle gehörnten Wesen dieser Art, so oft eine neue Wahrheit entdeckt wird.“ Das ist ein Witz, und die Dummheit der Welt, die uns bisher drückte und störte, erregt das Gelächter unseres freien Geistes. Ja, es ist eine Freude, blitzartig, d. h. mit Witz, zu erkennen und mit dem darauf folgenden Donner der Zwerchfelle die uns drückenden Fesseln abzuschütteln. Man lerne den Witz wieder ehren, und wer es irgend kann, lerne ihn machen oder vielmehr mit geschärftem Auge finden. Der Stoff dazu liegt überall umher. Man lerne vor allen Dingen sich höher, besser, freier fühlen, als die Dinge und Menschen, die uns drücken und ärgern. Der Witz entspringt aus dem sich erhebenden und befreienden Selbstgefühl und steigert dasselbe. Freilich um mit solchen spielenden Urtheilen blitzen zu können, dazu gehört nicht blos die Höhe, von welcher er herunterschießt, sondern auch die Kraft, welche den Blitz wirft. Wenigstens fühlt sich die Geisteskraft, wo sie blitzt, erhaben, frei und glücklich, und dies um so mehr, je mehr der Blitzschleuderer sieht, wie der Blitz zündete und die Leute um ihn her lachen und sich ebenfalls frei fühlen. Dies ist unendlich wohlthuend und ein dankbares Geschäft. Ein alter römischer Spottvogel sagte einmal: „Es ist schwer, keine Satire zu schreiben,“ und deshalb ist es auch nicht leicht, einen witzigen Einfall zu unterdrücken. Man gebe sich deshalb auch keine Mühe, sondern platze und blitze heraus, selbst auf die Gefahr hin, daß nichts herauskomme als ein „Kalauer“. Die Menschen um ihn her mögen nur dafür sorgen, daß sie den Witz verstehen, und sich vor allen Dingen hüten, ihn übelzunehmen.

Wer weiter nichts kann, versteht oder macht vielleicht sogar gelegentlich eine leichteste Art von Witzen, einen bloßen Wort- oder Klangwitz. Auch diese Sorte kann zuweilen schon ganz würzig und wirksam gerathen. Früher jedoch gedieh er sogar auf Kanzeln, und Abraham a St. Clara in Wien war Meister darin. Schiller verdankt ihm für seine Capucinerpredigt im Wallenstein die meisten Wortspiele:

„Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg,
Wetzt lieber den Schnabel als den Sabel,
Hetzt sich lieber herum mit der Dirn’,
Frißt den Ochsen lieber als den Oxenstiern.
Das römische Reich, daß Gott erbarm’,
Sollte jetzt heißen: römisch arm.
Der Rheinstrom ist geworden zu einem Peinstrom,
Die Bisthümer sind verwandelt in Wüstthümer,
Die Abteien und Stifter
In Raubteien und Diebesklüfter.

Auch nicht übel vergleicht er den verlornen Sohn mit einem Irländer und dann wieder mit der Donau, die sich nach verschiedenen Irrfahrten mit der Sau verbindet. Die Sau ist bekanntlich ein Nebenfluß der Donau und der verlorne Sohn aß mit den Schweinen Trebern. Ein Hamburger Lotteriecollecteur sprach nach Heine mit Rothschild ganz „famillionär“, und wer Shakespeare’s Macbeth kennt, wird auch den Witz Heine’s gut finden: „Hier in Hamburg herrscht nicht der schändliche Macbeth, sondern Banko.“ Solche Wortwitze werden oft durch den Doppelsinn ziemlich werthvoll und wirksam. Die Philosophen theilen sich in Kantianer, Fichteianer, Hegelianer, Leibnitzianer etc., und da sie sehr oft an schlechter Verdauung leiden, gehören sie und viele Gelehrte oft zu der ganz besonderen Sorte der Unterleibnitzianer. Insofern hat auch der ehrliche Kalauer unter Umständen seine volle Berechtigung. Wir wollen hierbei bemerken, daß eine etwas bessere Sorte dieser Wortwitze besser Kalenburger genannt werden. Es ist dies eine kalauernde Uebersetzung der französischen Bezeichnung für schlechte Wort- und Klangspiele, Calembours. Diese gehen herab bis zu den dummen Witzen und dem höheren Blödsinn, z. B. Welche Ringe sind nicht rund? Die Heringe. Warum gießt man kein Wasser in’s Portemonnaie? Weil dies zu sehr in’s Geld laufen würde. Ein Fähndrich Fallstaff’s heißt Pistol. Populär sagt man zu einem unangenehmen Gaste: Drücke Dich! Wenn nun Fallstaff zu seinem Fähndrich sagt: „Drücke Dich aus unserer Gesellschaft ab, Pistol!“ so ist das zwar ein sehr wohlfeiler, aber gut abblitzender Schuß.

Das Gebiet des Wortspiels ist unendlich groß und erhebt sich von der niedrigsten Kalauerei des höheren Blödsinns bis zu den höchsten Gedankenblitzen, die aus einem einzigen Worte hervorzucken können. Alle diese Spiele sind je nach Ort und Zeit berechtigt. Wir verzeihen sogar lachend die Antwort auf die Frage: Wann liegt Berlin an einem Vulcan? Während des Wollmarktes, weil dann mancher „Wullkahn“ auf der Spree liegt. Auch die Lösung des Räthsels einer berühmten komischen Figur in Berlin ohne Ahnung eines Unterschiedes zwischen Dativ und Accusativ wird wenigstens einmal gern gehört: „Das Erste ist eine Kuh, das Zweite ein Pferd und das Ganze steht auf dem Boden, bis man verreist; was ist das? Ein Kuffert“ (Koffer). Während eines Winters sollten in Berlin vier Subscriptionsbälle stattfinden. Derselbe Papa gefragt, ob er einen oder den anderen besuchen werde, antwortete: „O, ich komme uff allen Vieren!“

Solche Art von Witz braucht übrigens nicht besonders cultivirt zu werden, destomehr das eigentliche Wortspiel, das gute Wort, bon mot, wie es die Franzosen nennen. Aus solch einem Worte mit Doppelladung blitzt dann auch ein weithintreffender Schuß.

Napoleon der Dritte, Kaiser der französischen Adler, nahm gleich im Anfange seiner glorreichen Regierung die Güter der [299] Orleans weg. Da sagten die Franzosen: C’est la premier vol de l’aigle. Da nun vol zugleich Flug und Diebstahl heißt, ist das Wortspiel vortrefflich. Ein witziger Höfling wurde einmal von Ludwig dem Fünfzehnten aufgefordert, er möge ihn, den König selbst zum Subject eines Witzes machen. Der Hofmann antwortete einfach: „Der König ist kein Subject.“ (Sujet: Gegenstand und Unterthan.) Heine sagte von seinen satirischen Schriften, daß er aus ihnen und aus seinen Feinden Ducaten geschlagen habe und zwar so, daß er die Ducaten bekommen und seine Feinde die Schläge.

Professor Kuno Fischer in Jena hat ein vortreffliches kleines Buch: „Ueber die Entstehung und die Entwickelungsform des Witzes“ geschrieben, welches wir dieser begehrlichen, unfreien, nutzlosen Zeit mit diesem unseren Aufsatze, der sich vielfach daraus bereichert hat, dringend empfehlen. Er erwähnt als eines der besten bon mots das Friedrich Wilhelm’s des Vierten. Der kleine dicke Bürgermeister, über dessen Wanst sich in ungeheurer Ausdehnung eine stattliche weiße Weste wölbt, hält ihm in sehr kaltem Wetter eine nie enden wollende Rede. Da unterbrach ihn der König sehr wohlwollend und rief: „Mein Lieber, erkälten Sie sich nicht Ihren Montblanc.

Erstens welcher Contrast zwischen dem Pathos des Redners und diesem Schneegebirge von weißer Weste und dann noch obendrein die Vorstellung, als könnte sich der Montblanc erkälten!

Ein anderer Bürgermeister blieb in der Rede an denselben König gleich im Anfange stecken. Sie fing an: „Tausende grüßen Dich und abermals Tausende grüßen Dich!“ Und da er es nicht weiter konnte, nahm er noch einmal einen Anlauf von vorn: „Tausende grüßen Dich und abermals Tau–“. „Danke schön, danke schön!“ unterbrach ihn der König, „grüßen Sie Alle wieder, aber hübsch Jeden einzeln.

Das Wortspiel ist wesentlich Doppelsinn und wird dann leicht zur Zweideutigkeit. Jeder anständige Mensch wird hier stets den Unterschied achten und doppelsinnige Worte nur dann gebrauchen, wenn keiner derselben das Licht zu scheuen braucht und beide Sinne sofort klar hervorblitzen. In der Zweideutigkeit versteckt sich immer die eine Seite des Doppelsinnes. Das ist zugleich der Tod des Witzes, weil dieser sich blos vollzieht, wenn beide Deutungen sich mit gleicher Lichtkraft zu einem hellleuchtenden Knallgasblitze vereinigen.

Zu dem Komischen oder Lächerlichen gehören immer zwei Subjecte: ein thätiges und ein leidendes. Ersteres im Bewußtsein des Richtigen, Wahren oder Schönen schiebt dem Irrigen, Unwahren oder Häßlichen sein besseres Bewußtsein unter, wodurch ein Zusammenstoß und ein sich entladender Blitz in dem thätigen entsteht. Da muß man dann eben lachen. Und durch diesen Proceß wird der Wahrheit oder Schönheit in dem lächerlich werdenden Gegenstande sein Gericht und Recht gethan. Das Häßliche, der Irrthum wird thatsächlich ausgelacht, d. h. durch Lachen ausgetrieben. Dies vollzieht sich in den verschiedensten Formen. So ist zum Beispiel ein sehr willkommener Gegenstand für den Witz die Confusion der Vorstellungen und der Rede. Wer sich verspricht, wohl gar öfter hintereinander Confusion, „Gallimathias“ oder Maculatur spricht, wird am schnellsten und liebsten ausgelacht. Hier hatte ein ehemaliger Professor in Gotha einen wirklichem Ruhm erworben. Es giebt einen ganzen Band von ihm gesprochener Druckfehler seiner Zunge. „Alexander der Große wurde in Abwesenheit seiner Eltern geboren.“ „Luther ritt, in einem Planwagen versteckt, nach der Wartburg.“ „Von jetzt an sollen sich die Fehlenden immer auf die letzte Bank setzen, damit ich gleich sehe, wer eigentlich fehlt.“

Eine mindestens dreifache Confusion ist folgende. Ein berühmter Berliner Arzt wird in einer Gesellschaft neben Friedrich Tieck, den Bildhauer und Bruder des berühmten Romanschriftstellers Ludwig Tieck, gesetzt und ihm vorgestellt. Bei Tische ruft er, um dessen Wohl zu trinken: „Vivat Oranien!“ Niemand begriff, was er wollte. Man verstand die in diesen beiden Worten liegenden drei Confusionen erst später: er hatte nämlich erstens Friedrich mit Ludwig Tieck, dann diesen mit Tiedge, dem Dichter der „Urania“, und endlich „Urania“ mit „Oranien“ verwechselt. Mehr kann man mit zwei Worten kaum leisten.

Auch das bloße Versprechen, sowie das Stottern der Verlegenheit ist ein Lieblingsgegenstand des Komischen. Wenn einer flucht und mehrmals ruft „Schwech und Pefel“ und dann es richtiger zu machen glaubt, wenn er „Pefel und Schwech“ schreit, oder ein Anderer statt „Bildergalerie“ nach einander „Bildergalderie, Gallerbilderie, Gilderbalderie, nein Baldergillerie“ etc. stottert, so hat ein gutes Zwerchfell lange zu thun, um sich den Eindruck wieder lachend auszuschütten. Ein berühmter Alterthumsforscher ließ sogar viel lächerlichen Unsinn drucken, was ihm übrigens unzählige andere Schriftsteller mehr oder weniger bändereich nachgemacht haben. Vom Nil in Aegypten sagt er: „sein Wasser kann zu einer wahren Leidenschaft werden.“ Vom altrömischen Colosseumtheater heißt es: „Achtzig Thore brachten die Zuschauer auf die Spitze und entleerten diese Spitze ebenso schnell.“ „Eine tiefe Schlucht dringt von links hinauf.“ „Das Schulgeld wird von jetzt an halbjährlich in Quadratzahlungen entrichtet.“ „Das Turnen giebt den Lehrern Gelegenheit, die Schüler auch von einer ‚anderen Seite‘ kennen zu lernen.“ Ein dummer Schauspieler gab einmal den Schiller’schen Tell und fing den Monolog „Durch diese hohle Gasse muß er kommen“ mit einem tiefsinnig auf seine Stirn gedrückten Finger an. Niemand dachte an den Geßler, sondern an die hohle Gasse seines Gehirns.

Mit solchem und überhaupt allen Arten von Unsinn spielt der Witzige und Wissende, namentlich der Mutterwitz sehr gern und erfüllt damit sogar eine sehr angenehme Pflicht. Die herrliche Naturgabe des Mutterwitzes ist in dem gar stattlichen Herrn, dem Abte Bürger’s, seinem Schäfer und dem kurrrigen Kaiser unsterblich gefeiert worden. Wer nicht wissen kann oder will, dem macht der Mutterwitz gern etwas weis. Und der mutterlose Witz oder Aberwitz, der leicht zum Wahnwitz werden kann, sollte überall mit allen möglichen Waffen des wahren Witzes zu allen Tempeln, in welche er sich eingeschlichen, hinausgekitzelt werden. Auch das witzige Abfertigen giebt dem, der es kann, ein sehr angenehmes Gefühl geistiger Ueberlegenheit und freien Spiels über die festesten und besten Autoritäten. Fischer führt folgende zum Beispiele an: Herzog Karl von Würtemberg fragt auf einem Spaziergange einen handwerklich thätigen Färber: „Kann Er auch meinen Schimmel blau färben?“ „Ja wohl, Durchlaucht, wenn er das Sieden vertragen kann!“ Friedrich der Große läßt sich einen berühmt gewordenen Geisterbeschwörer aus Schlesien kommen und fragt ihn: „Also, Er kann Geister beschwören?“ „Zu Befehl, Majestät, aber sie kommen nicht.“

Hierher gehört auch, was man foppen, schrauben, zum Narren halten, zum Besten haben oder rheinisch „utze“, weiter im Norden „hutzen“ nennt.

Wenn diese Spiele des Uebermuthes nicht in Hohn und Bosheit ausarten, sind sie berechtigt, denn Irrthum und Unsinn, namentlich wenn er mit Autorität und Anmaßung auftritt, kann nicht oft und vielfältig genug abgeblitzt werden. Es ist sogar oft gut, sich für diesen Zweck selber die Narrenkappe aufzusetzen, um als lustiger Narr alle Arten von Verkehrtheiten mit der Pritsche zu klatschen. Als die Fürsten sich noch Hofnarren hielten, brauchten sie keine Constitution, keine Parlamente. Man kann oft die schärfste, tiefste Wahrheit in Form eines Unsinns sagen. Sie kommt wissenschaftlich ästhetisch unter dem Namen Oxymoron, d. h. zugespitzte Dummheit, witziger Unsinn vor. Beispiele:

„Ein Messer ohne Klinge und Griff,“ witziges Sinnbild der Volksrechte in scheinconstitutionellen Staaten. „Zweischläfrige Kirchenstühle“. „Beredtes Schweigen“. „Die Sprache erfunden, um Gedanken zu verbergen.“ Der Jean Paul’sche Recensent: „Ich kann dieses Buch nicht einmal recensiren, geschweige lesen.“ Insofern heut zu Tage sehr geistvolle, wahrheitsliebende, edle Charaktere nur mit besonderen Hindernissen vorwärts und emporkommen und in keinem Schwindel und Gewaltwesen brauchbar sind, ist auch folgendes Oxymoron sehr treffend: „Die Menschen, die nichts taugen, sind bekanntlich fast noch immer die besten.“

Man sieht hier, wie der Witz gern die Form des Gegensatzes, des Contrastes und des Epigrammes annimmt, um verborgene oder umdunkelte Wahrheiten dadurch um so rascher und schlagender aufblitzen zu lassen. Schauspieler und sonstige Lieferanten an die große Menge glauben immer: jemehr Kunden, jemehr Beifall, desto höher ich und meine Leistung; aber die urtheilslose Menge ist gewöhnlich ein schlechter Richter. Deshalb rief der berühmte griechische Redner Phokion, als er lebhaft beklatscht wurde: „Was habe ich Dummes gesagt?“

[300] Hamlet’s Ausspruch: „es giebt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen läßt,“ wird durch Lichtenberg’s Zusatz: „aber es giebt auch Vieles in der Schulweisheit, das sich weder im Himmel noch auf Erden findet,“ zu einem treffenden Pfeile gegen die Schulregulative.

Die kürzeste und treffendste Form dieser Witzart liegt im Epigramm, d. h. einer Aufschrift mit einer überraschend contrastirenden und lösenden Unterschrift. Darin war Lessing Meister.

„Die arme Galathee, man sagt, sie schwärzt ihr Haar,
Da doch ihr Haar schon schwarz, als sie es kaufte, war.“

Werden die Blitze des Witzes zum dauernd leuchtenden und Lüge niederbrennenden Geiste, so genießen wir die Schönheit der Satire oder der Ironie, und wenn sie in’s Fleisch einschneidet, des Sarkasmus. Geht es dabei anschaulich in Wort oder wirklichen Bildern zu, so haben wir die Carricatur, welche leider in gezeichneten und gedruckten Uebertreibungen vielfach zum Zerrbild ihrer selbst geworden ist. Mit Worten läßt sich noch sehr wirksam übertreiben, weil sie ganz rasch und vorübergehend über den lächerlichen Gegenstand hinwegblitzen, während das gezeichnete Zerrbild feststeht und jede Linie zu viel oder zu groß leicht selbst häßlich wird, statt das Häßliche der Vernichtung durch die Lächerlichkeit preiszugeben. Falstaff schildert die rothe Nase seines Bardolph übertrieben stark; aber wollte man die Wortbilder malen oder zeichnen, so käme nicht die rothe Weinnase, sondern ein gräßliches Ungethüm zur Anschauung.

Der dauernd leuchtende Blitz wird in einer höheren Stufe zur Ironie und erreicht endlich seine Vollendung im Humor, der „feinsten Blüthe der Bildung“, der vollen und wahren Selbsterkenntniß, welche uns allein auf die höchste Stufe ästhetischer Freiheit erhebt, von welcher wir bald mit mitleidigen Thränen, bald mit der reinsten Seligkeit auf die Gebrechlichkeiten und Lächerlichkeiten der Welt um uns herabschauen, weil wir auch in den Brüchen dieser Lebensgestaltungen einen berechtigten Theil des Ganzen, des ewig Wahren und Schönen erkennen und genießen.

Unsterbliche Proben dieses Humors verstecken sich in dem wilden Reichthum der Jean Paul’schen Muse. Kuno Fischer hat als lustigstes Beispiel den Anfang der „Flegeljahre“ gewählt. Sie beginnen mit der Eröffnung von Kabel’s Testament, dessen Haus dem unter seinen sieben Anverwandten zufallen soll, der in der ersten halben Stunde nach Verlesung des Testaments wenigstens eine Thräne vergießt. Der Testamentsvollstrecker sitzt mit der Uhr in der Hand und wartet auf das erste Wasser aus einer der sieben zum Weinen vereinigten trockenen Provinzen. Der erste Erbe, der listige Buchhändler Pasvogel, machte sich sofort still an die Sache selbst und durchging alles Rührende, das er theils im Verlag, theils in Commission hatte; dabei sah er aus wie ein Hund, der das Brechmittel, das ihm der Pariser Hundearzt Demet auf die Nase gestrichen, langsam ableckt. Der zweite Erbe, Hoffiscal Knol, verzog sein Gesicht wie ein Schuster, der Sonnabend Abends bei einem Dreierlicht von seinem Gesellen rasirt und radirt wird. Der eigentliche Wettstreit um den Preis des Hauses, die binnen dreißig Minuten zu vergießende Thräne, ist zwischen dem Kirchenrath Glanz und dem Frühprediger Flachs. Letzterer sieht zunächst aus wie ein reitender Betteljude, mit dem der Hengst durchgeht. Er erinnert sich an allen Haus- und Kirchenjammer und sammelt die besten, schwülsten Wolken; auch ist sein Herz nahe daran, wie eine Sonne vor schlechtem Wetter, das nöthigste Wasser aufzuziehen, aber das Haus kommt ihm als ein gar zu erfreulicher Anblick immer dazwischen. Da erhebt sich der Kirchenrath und spricht mit Würde:

„Jeder, der meine gedruckten Werke gelesen, weiß, daß ich ein Herz im Busen trage, das so heilige Zeichen wie Thränen eher zurückdrängen, um keinem Nebenmenschen etwas zu entziehen, als mühsam hervorzubringen nöthig hat aus Nebenabsichten. Dies Herz hat sie schon vergossen, der Kabel war mein Freund.“ Er sah umher und mit Vergnügen bemerkte er, daß Alle noch so trocken dasaßen wie Korkhölzer.

Blos Flachsen schlug es heimlich zu; er dachte an die grauen Haare seiner Zuhörerinnen des Frühgottesdienstes, an Lazarus mit seinen Hunden. In der Eile dachte er auch an seinen eigenen langen Sarg, an das Köpfen so mancher Menschen, an Werther’s Leiden, an seine eigene augenblickliche erbärmliche Lage: noch drei Stöße hatte er zu thun mit dem Pumpstiefel, so hatte er sein Wasser und Haus.

„O Kabel, mein Kabel!“ fuhr nun Glanz fort, fast vor Freude weinend, daß ihm die Trauerthränen so nahe waren, „einst wenn neben Deine mit Erde bedeckte Brust voll Liebe auch die meinige zum Vermod –“

„Ich glaube, meine verehrtesten Herren,“ sagte nun Flachs, betrübt aufstehend und überfließend umhersehend, „ich weine,“ setzte sich darauf nieder und ließ es vergnügter laufen, denn er war nun auf dem Trocknen.

Witz ist zugespitztes, blitzendes Wissen und als Humor in unserer Empfindungs- und Gemüthsweise ein nie versiechender leuchtender Strom, der immer wieder jene Muscheln und Tange, die uns umwachsen wollen, mit sich fortspült, nie duldet, daß wir verknechtet unten im Schmutze und Staube der Dinge kleben bleiben, sondern uns frei oben schwimmend erhält auf dem flüssigen Elemente der ästhetischen, uneigennützigen Freiheit.

Wir müssen erkennend, scharfblickend ohne Begehr und ohne Haß uns frei zu machen suchen und Alles um uns aus seiner Verirrung und Verunstaltung mit diesen scharfen Waffen des blitzenden und leuchtenden Wissens zu erlösen suchen. „Das ist der Humor davon.“

H. B.