Der verzagte Freier
[160] Der verzagte Freier. Dieses (S. 157 abgedruckte) Bild des berühmten Carl Hübner, jenes Meisters der Düsseldorfer Schule, welcher noch vor dem Sturmjahre 1848 im Vorgefühl desselben das sociale Tendenzbild – man denke an seine „schlesischen Weber“ und sein „Jagdrecht“! – der Genremalerei einverleibte, gehört einer späteren Zeit des Künstlers an, welche ihn wieder zu friedlicheren Stoffen zurückgeführt hat.
Hübner’s vorliegendes Bild spricht deutlich genug, um keines Commentars zu bedürfen. Oder sollten wir dennoch über die wirklichen geheimen Wünsche des Mädchens im Unklaren bleiben? Wie geschickt ist’s in dem Auge angedeutet, daß es nicht auf den Faden und seinen richtigen Weg durch das Nadelöhr, sondern innerlich rückwärts zum erwarteten Freier blickt! Der Faden hätte längst seinen Weg gefunden, aber ihr lauschendes Ohr vernimmt ja das Geflüster der Ermuthigung, sie muß in ihrer Stellung beharren und so lange einfädeln, bis der Freier seinerseits mit dem Einfädeln seines Antrags fertig geworden ist. Mit dem Mädchen correspondirt reizend die nichts weniger als ängstliche Mutter; ihr Mutheinpredigen geschieht mit heiterem Lächeln, während dem alten Vater einige unmuthige Besorgniß nicht fremd ist. Er aber, der Held des Bildes in seiner musterhaften Zauderergröße, läßt uns völlig im Dunkeln, ob er eigentlich auch Liebe oder nur Beklemmung fühlt; – geheirathet wird er in jedem Fall. Ob aber seine Größe ihm in der Ehe endlich zu Gute kommt, oder ob die kleine Frau ihm das lange Einfädeln durch um so strengeres Regiment entgelten läßt, darüber könnte wohl nur der Künstler uns vielleicht in einem späteren Bilde Auskunft geben.