Des Sängers Fluch
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Des Sängers Fluch.
Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,
Weit glänzt’ es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und rings von duft’gen Gärten ein blüthenreicher Kranz,
Drin sprangen frische Brunnen im Regenbogenglanz.
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wuth,
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.
Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,
Der Alte mit der Harfe, er saß auf schmuckem Roß,
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.
Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk’ unsrer tiefsten Lieder, stimm’ an den vollsten Ton,
Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz.“
Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;
Der König furchtbar prächtig, wie blut’ger Nordlichtschein,
[389] Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll,
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen, wie dumpfer Geisterchor.
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit;
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.
Die Höflingsschaar im Kreise verlernet jeden Spott,
Die Königin, zerflossen in Wehmuth und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.
„Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?“
Der König schreit es wüthend, er bebt am ganzen Leib,
Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hochauf springt.
Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm,
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein! Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!
Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft’gen Tagen versteint, verödet liegt.
Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums!
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms,
Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“
Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
Noch Eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht,
Und rings, statt duft’ger Gärten, ein ödes Heideland,
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch.
Dieser Quellentext existiert auch als Audiodatei, gesprochen von Deepfighter. (Mehr Informationen zum Projekt Gesprochene Wikisource) | |||
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