Des Nesselhemd

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Textdaten
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Autor: August Schnezler
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Titel: Des Nesselhemd
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 303–305
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[303]
Des Nesselhemd.
(Andere Version.)

„Schämt Euch, Herr Vogt von Eberstein!
Statt auf des Volks Beglückung,
Sinnt Ihr auf nichts, als nur allein
Auf dessen Unterdrückung!

5
Voll Geiz und Wollust übt im Land

Ihr alle Tyranneien;
Gott wolle bald aus Eurer Hand
Uns gnädiglich befreien!“

„Oho, mein sprödes Jungfräulein!

10
Mit dir ist bös zu minnen!

Nun gut – kann ich durch Schmeichelei’n
Dein Herzchen nicht gewinnen,
So will ich gerne deine Gunst
Nicht mehr zu fesseln sinnen,

15
Kannst du für mich mit deiner Kunst

Ein Hemd aus Nesseln spinnen!“

Er läßt bestürzt das arme Kind,
Und ihre Thränen rinnen:
„O Gott, wie kann ich so geschwind

20
Ein Hemd aus Nesseln spinnen?“

Da schwebt herbei im Abendlicht
Die niedlichste der Elfen,
Und spricht. „Christinchen, weine nicht!
Ein Schutzgeist will dir helfen.

[304]
25
„Bekannt bist ja du lange schon

Mir als das bravste Mädchen!
Nimm hier zu deiner Tugend Lohn,
Dies goldne Spinnerädchen;
Häng’ Nesseln dran, und über Nacht

30
Wird es zum feinsten Linnen,

Von selbst, noch eh’ du bist erwacht,
Ein Hemd dem Burgvogt spinnen!“

Bevor Christinchen danken kann,
Ist schon der Geist verschwunden.

35
So trägt sie heim den Rocken dann,

Mit Nesseln dicht umwunden;
Und Nachts im Traume hört sie laut
Das goldne Rädchen schnurren,
Und sieht aus wildem Nesselkraut

40
Die schönsten Fädchen surren.


Und schon beim ersten Morgenschein
Erblickt sie mit Frohlocken
Das Nesselhemd, gar blank und fein,
Vollendet an dem Rocken.

45
Schnell eilt sie mit zum Vogte hin,

Der just vom Schlaf erwachte
Und an die spröde Spinnerin
Voll Schadenfreude dachte.

Der Vogt traut seinen Augen kaum

50
Und ruft: „So wahr ich lebe!

Das Hemd ist weiß wie Schwanenflaum,
Ein wunderfein Gewebe!“
Und auf der Stelle zieht er’s an,
Doch sinkt er schnell zusammen:

55
„Weh’ dir, was hast du mir gethan?

Dein Hemd brennt ja wie Flammen!“

In Todesangst versuchet er
Das Hemd sich abzureißen;
Umsonst! es brennt ihn immer mehr,

60
Wie lauter glühend Eisen.
[305]

So stirbt er, von der Gluth verzehrt,
Mit gräßlichem Gebrülle,
An seinem Körper unversehrt
Blieb nur die Nesselhülle. –

65
Doch lauter Glück und Segen spinnt

Sich aus Christinchens Rädchen;
Ja, manchen Tag sogar gewinnt
Sie lauter goldne Fädchen.
Bald hat mit einem wackern Mann

70
Sie liebend sich verbunden,

Und heilt im Thale, wo sie kann,
Der Armuth schwere Wunden.

A. Schzlr.