Des Pfalzgrafen Buhle
Des Pfalzgrafen Buhle.
„Hier, setzen wir uns auf den Baumstumpf nieder,
„Die Beere ladet gastlich uns zum Mahl,
„Und meine alten frostdurchbebten Glieder
„Erwärmen sich am milden Sonnenstrahl;
„In einem Winkel auf dem Stroh geboren,
„Vom Licht gemieden, von dem Glück gefloh’n,
„Ein Leben lang gehungert und gefroren,
„Bettl’ ich als Greis mit meines Sohnes Sohn,
„Ich bin am Ziel, Du wirst mich bald verlieren –
„Und einsam weiter hungern, weiter frieren.
„Dein Vater war ein trotziger Geselle,
„Da Deine Mutter Dich gebar im Schnee,
„Schoß einen Hasen er, in seinem Felle
„Wollt’ er Dich bergen vor des Winters Weh’ –
„Der Pfalzgraf mußte just im Forst sich laben,
„Der ließ ihn schmieden auf den stärksten Hirsch,
„Und hussah! hollah! über Busch und Graben,
„Es war, bei’m Himmel! eine lust’ge Birsch!
„Ich scharrt’ ihn ein, nicht durft’ ich ihn beklagen –
„Was wollt’ er auch des Grafen Hasen jagen!
„Und Deine Mutter spann ein köstlich Linnen,
„Es nahm der Graf sie in der Mägde Troß;
„Der frühe Morgen traf sie schon beim Spinnen,
„Die späte Nacht noch nicht ihr Auge schloß;
„Wie eine Blume ohne Sonne schwindet,
„So siechte sie in dumpfer Kammer hin,
„Zu rechter Zeit – sie war ja fast erblindet
„Und fortgejagt, die faule Bettlerin,
„Mit ihrem Blute näßte sie die Spule –
„In ihrem Linnen prangt des Grafen Buhle.
„Ein Kind noch hatt’ ich – meine Thränen thauen –
„Von meinem Weibe sterbend mir geschenkt,
„Könnt’ ich die Tochter einmal nur noch schauen,
„Eh’ man zur Mutter mich hinuntersenkt!
„Der Sonnenstrahl, der auf dem Blatt sich schaukelt,
„Das rothe Wölkchen, das am Himmel zieht,
„Der Falter, der die Rose dort umgaukelt:
„So schön ist nichts, was auch Dein Auge sieht –
„Nach dürrem Laube schickt’ ich einst die Kleine,
„Die seither als verloren ich beweine.“
Der Greis verstummt, auf’s Herz die Hände preßt’ er,
Es ballt der Enkel still die kleine Faust –
Da plötzlich horcht’ er, zittert, schmiegt sich fester:
Auf Rosseshufen kommt’s von fern gesaust,
Wie jähe Pfeile von der Sehne schnellen,
So stürmt’s einher, daß bang’ die Erde dröhnt,
Ein muthig Wiehern, einer Dogge Bellen,
Die Blätter rascheln, und der Grashalm stöhnt:
Ein stolzes Paar sprengt an auf hohen Rossen,
Es hält der Schreck des Knaben Mund geschlossen.
Voran auf schwarzem Roß ein schwarzer Reiter
Mit wildem Bart und buschig finstern Brau’n,
Wohl blickte nimmer dieses Auge heiter,
Und wo es blickt, wach ruft es Schreck und Grau’n;
Der Pfalzgraf ist’s, er denkt im Forst zu jagen,
Zurück ließ er die Meute und den Troß,
Mit seiner Buhle seitwärts sich zu schlagen,
Die seines Waidwerks einziger Genoß;
Jetzt sieht die Bettler er – mit wildem Grimme
Hebt er den Arm zum Schlag, zum Fluch die Stimme.
Da drängt die Maid, die seitwärts ihm geritten,
Den weißen Zelter zwischen sie voll Hast,
Des Grafen Zorn weicht ihren stummen Bitten,
Sie wehrt dem Hund, der nach dem Knaben faßt –
Der Sonnenstrahl, der auf dem Blatt sich schaukelt,
Das rothe Wölkchen, das am Himmel zieht,
Der Falter, der die Rose dort umgaukelt:
So schön ist nichts, was auch sein Auge sieht –
Die Hände faltet er und steht geblendet:
Es ward ein Engel ihrer Noth gesendet.
Sie aber schaut hernieder auf den Alten,
Ihr Busen wogt, ihr Auge blickt verwirrt,
Als wolle fest sie ein Erinnern halten,
Das dunkel jetzt durch ihre Seele irrt,
Sie sucht und forscht, ob sich der Faden findet,
Daran sich weiter das Gewebe spinnt,
Es ist umsonst, das flücht’ge Bild entschwindet,
Der Zelter scharrt, des Herrn Geduld verrinnt,
Ein tiefer Seufzer – Alles ist beendet,
Den schweren Beutel sie dem Bettler spendet.
Der wacht jetzt auf aus seinem dumpfen Brüten,
Gebeugt stand er, das schwere Haupt gesenkt,
Wohl mußte sorglich er sein Auge hüten,
Daß nicht voll Haß es sich zum Grafen lenkt,
Er blickt sie an, und sprengt sie auch von hinnen,
Der eine Blick macht Alles schnell ihm klar.
Er bricht zusammen, seine Thränen rinnen,
Und jammernd rauft er sich das weiße Haar:
„O, wehe mir! Der Alles mir genommen,
„Hat meinen Schatz in seine Hand bekommen!
„In’s Dorf, mein Knabe, mußt Du eilig laufen –
„Laß mich allein, ich sterbe sanft und lind –
„Von diesem Gold sollst Du den Sarg mir kaufen,
„Mein einzig Bett schenkt mir mein einzig Kind –
„Wie soll in ihm die lange Ruhe laben! –
„Hast morgen Du geweint an meinem Grab,
„Dann geh’ aufs Schloß – brauchst keine Angst zu haben –
„Und sage ihr, die mir den Beutel gab:
„„Der Bettler, dem so freundlich Du begegnet,
„„Dein Vater war’s, der sterbend Dich gesegnet!“
Albert Traeger.