Deutsch-Samoa (Die Gartenlaube 1899/27)

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Autor: F.
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Titel: Deutsch-Samoa
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 846–848
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Deutsch-Samoa.


Der erste Morgenschein leuchtet über der Südsee, die ein Dampfer eilig durchkreuzt. Wie ein köstlicher Opal schimmert die unendliche Flut, im Süden taucht aber wie ein prächtiger Riesensmaragd ein Eiland aus den Wogen des Meeres empor. Berge bilden seine Zinnen, aber kein toter, kahler Fels erglüht auf ihren Gipfeln in den Strahlen der aufgehenden Sonne; die gewaltigen bis 900 m hohen Kuppen, die einst von vulkanischen Kräften aus dem Meeresgrunde emporgetürmt wurden, prangen vom Fuß bis zum Scheitel in dem herrlichsten grünen Mantel üppiger tropischer Vegetation. Also grüßt Upolu, die Perle von Samoa, den Südseereisenden – ein entzückender Anblick!

Näher und näher dampft das Schiff heran, zwischen Brandungen der Korallenriffe sucht es seinen Weg und fährt in die von dem schön gerundeten Apiaberge überragte Bucht. Ueber die Masten der Handels- und Kriegsschiffe schweift das Auge hinüber nach dem Strande. Leichte Holzhäuschen lugen aus dem üppigen Grün hervor; so schmuck, so freundlich ist ihr Anblick, daß der Fremde glaubt, eine neuerstandene Sommerfrische mit schmucken Villen vor sich zu haben.

Im weiten Halbkreise, fast nur eine einzige Straße bildend, hat sich Apia, Samoas „Hauptstadt“, an dem Gestade der Bucht ausgebreitet. In der Mitte liegt die eigentliche Stadt mit den Handelshäusern, Gasthöfen und Schenken; westlich vor ihr sehen wir das Dorf Matafele; deutscher Fleiß Hai es errichtet und zur Blüte emporgebracht; denn in langen Reihen stehen hier die weiten Gebäude der großen Faktorei der „Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft der Südsee“. Im Osten erblicken wir das Dorf Matautu mit englischen und amerikanischen Konsulatsgebäuden und auf der Landzunge Mulinu, die an Matafele grenzt, haben sich die Eingeborenen in ihren leichten, luftigen Hütten angesiedelt.

Samoanerin in europäischer Kleidung.

Samoanisches Mädchen in seinen
Mattenkleidern.

Doch die braunen Kinder der herrlichen Insel begrüßen uns bereits. Bevor noch der Anker in die Tiefe rasselt, haben sie schon in leichten Kanoes das Schiff umringt. Da sehen wir keine abstoßenden, häßlichen Wilden. Freundliche Menschen steigen von den Booten auf das Deck des Schiffes; vollendet schön sind ihre Körperformen; ihr Eindruck wird noch gehoben durch die malerische Tracht, ein Hüfttuch und Blätter- und Blumengewinde; ihre Gesichtszüge haben auf klassische Schönheit keinen Anspruch, aber sie sind selbst dem Europäer sympathisch, der sich bald angezogen fühlt durch das freundliche, sich anschmiegende Wesen der bronzefarbigen Gesellen.

Wir lernen ihre Heiterkeit und Sorglosigkeit begreifen, wenn wir mit ihnen ans Land gehen und mit ihrer Heimat vertraut werden. Ewiger Sommer herrscht auf den paradiesischen Eilanden; die Durchschnittstemperatur des heißesten Monats (Dezember) beträgt etwa 27° C., die des kältesten (Juli) 24° C. Die Hitze wird jedoch gemäßigt durch das Meer und die Südostwinde, die von April bis November wehen. Raubtiere giebt es auf Samoa nicht, wohl aber Scharen von Vögeln, namentlich wilden Tauben, und das Meer wimmelt von Fischen. Ueberaus fruchtbar ist der verwitterte vulkanische Boden, und alle Nutzpflanzen der Tropen können in ihm aufs beste gedeihen. Ein besonders schwerer Kampf ums Dasein ward dem Samoaner von der Natur nicht auferlegt. Seit jeher konnte er an Brotfruchtbäumen und Kokospalmen seinen Hunger stillen; Bananen gediehen ihm herrlich, und die Yamswurzel und die Knollen des Taro (Arum esculentum) boten Abwechslung für seine Küche. Citronen und Orangen, sowie Mangobäume erquickten den Insulaner mit ihren Früchten. Die Rinde des Papiermaulbeerbaumes lieferte ihm Stoff für seine Kleider, und wenn er auch Wein und Bier nicht kannte, so lernte er aus einer rankenden Pfefferart. dem Piper methysticum, ein berauschendes Getränk, die Kawa, bereiten.

Trotz der Fortschritte, die im Laufe der letzten Jahrzehnte der Handel, Plantagenbau und das Christentum auf den Samoainseln gemacht haben, lebt noch der größte Teil der Eingeborenen in vieler Hinsicht nach alter Väterart. Betritt man die unter Palmen und Brotfruchtbäumen gelegenen Dörfer der Samoaner, so sieht man überall ihre eigenartigen Häuser. Auf vier bis fünf Fuß voneinander stehenden rund behauenen Holzpfosten wölbt sich ein solides aus Blättern des Zuckerrohres oder der Kokospalme gefertigtes Dach. Tagsüber zeigt das Haus keine Wände, es ist nach allen Richtungen offen und wird von den kühlenden Seewinden durchstrichen; erst für die Nacht werden die aus Palmblattstreifen bestehenden jalousieartigen Wände herabgelassen. Eine Schicht loser, von der See geglätteter Steine bildet den Fußboden; auf ihm werden die Matten ausgebreitet, und die einfache Lagerstätte des Samoaners ist bereit. Kein Herd steht in dem Hause, denn für Kochzwecke sind abseits vom Dorfe besondere Schuppen errichtet, die von mehreren Familien gemeinsam als Küche benutzt werden. Die deutsche Hausfrau würde mit Staunen die einfache Einrichtung dieser Küchen beobachten. Hier giebt es weder Kochtöpfe noch Bratpfannen. In der Mitte des Schuppens befindet sich eine muldenförmige Vertiefung, in welcher ein Haufen faustgroßer Steine aufgeschichtet ist. Sind diese im Feuer erhitzt worden, dann kann das Backen und Schmoren losgehen. Schweinefleisch, Hühner, wilde Tauben, Brotfrüchte, Bananen, Yams und Taroknollen werden in Bananenblätter eingewickelt und zwischen den Steinen geröstet. Selbst flüssige und breiartige Gerichte setzt man in Beutelchen aus Bananenblättern an. Die letzteren dienen auch als Teller und Servietten. Wie auf [847] den benachbarten Tongainseln, so gehört auch auf Somoa die Küche nicht in das Bereich der Frau, die Bereitung der Speisen ist vielmehr Sache der Männer. Die Frau macht sich durch andere Thätigkeit nützlich.

Wandeln wir durch ein samoanisches Dorf mit seinen offenen Häusern, so können wir beobachten, wie unter geschickten Frauenhänden die Bekleidungsstoffe und die Matten für Häuservorhänge, Lagerdecken, Segel u. dgl. entstehen. Die Lava-Lava oder Hüftschurze der Samoaner sind zumeist aus dem sogenannten Tapatuch gearbeitet. Es wird aus geklopften Stücken der weißlichen Rinde des Papiermaulbeerbaums (Morus papyrifera) hergestellt und mit roten und schwarzen Mustern bemalt. Die feineren und feinsten Matten flechten die Frauen aus Pandanusblättern oder der Bastfaser einer Hanfrose (Hibiscus). Sie werden mit bunten Federn besetzt und gelten dann als die feinsten Erzeugnisse der Kunstfertigkeit, die sich von Geschlecht zu Geschlecht vererben und als eine Art Familienheiligtum behandelt werden. Je älter sie sind, desto wertvoller erscheinen sie dem Samoaner, denn sie sind gewissermaßen Urkunden, die das hohe Alter eines vornehmen Geschlechtes bezeugen.

Wahre Meisterstücke der Handfertigkeit sind auch die Fächer, die man aus Pandanusblättern oder Kokosblattrippen zu flechten versteht. Unsere Abbildungen zeigen uns einen Samoaner mit Tapaschurz und Fächer und Samoanerinnen in feinen Mattenkleidern. Viele von ihnen beginnen europäische Stoffe und Kleider nach europäischem Schnitt zu tragen, aber ihr Haar schmücken sie noch gern mit den zierlichen Kämmen aus Kokosblattrippen, und neben Glaskorallen, die von den Händlern eingeführt worden sind, tragen sie noch Armbänder von roten Federn, Schildpatt, Haifisch, und Schweinezähnen. Ihr liebster Schmuck sind aber duftende vielfarbige Blumen.

Naturgemäß ist das Inselvolk auch auf der See heimisch. Die Samoaner bauen gute Bote und sind treffliche Ruderer. Sie ziehen zum Fischfang hinaus in die Küstengewässer, wo unter dem blauen Meeresspiegel die abeuteuerlichen Korallenbauten wie leuchtendes Silber glänzen. Dann mischt sich ihr rhythmischer Gesang mit dem Rauschen der fernen Brandung. Sind sie mit gutem Fang heimgekehrt, so geht es fröhlich zu in dem Dorfe. Der Kawatrunk wird bereitet: junge Mädchen kauen die Wurzeln des rankenden Pfeffers und thun sie dann in eine aus Holz schön gearbeitete Bowle. Dann kreist der Becher und auf dem Malä, dem Grasplatz des Dorfes, werden die malerischen Nationaltänze aufgeführt, in welchen die schönen Insulanerinnen ihre größten Eroberungen machen. An Gästen fehlt es nicht bei solchen Gelegenheiten, denn der Samoaner übt die Gastfreundschaft in einer fast einzig dastehenden Art. In jedem Dorfe ist ein besonderes Gasthaus für Fremde errichtet, und Besuche gehen hin und her, wobei dem Wirt seine Vorräte aufgezehrt werden, so daß er sich genötigt sieht, auch seinerseits als Gast auf Kosten anderer zu leben.

Dem gemütlichen Charakterbilde des Samoaners fehlen allerdings die Schattenseiten nicht. Diese Insulaner sind leider ungemein arbeitsscheu. Nur das Notwendigste zum Lebensunterhalt pflegen sie zu verrichten und lassen sich durchaus nicht bewegen, in den Pflanzungen zu arbeiten. Eine Geißel, die sie über sich selbst beschwören, sind ihre fortwährenden Kriege, die aus Rivalität der einzelnen Häuptlinge geführt werden. Sie verlaufen zwar nicht besonders blutig, aber die Parteien verheeren gegenseitig ihre Pflanzungen, hauen des Feindes Brotfruchtbäume und Kokospalmen um und brennen die Häuser nieder. So haben diese nutzlosen Scharmützel nur zu oft Hungersnot im Gefolge, die sonst in dem gesegneten Lande völlig unmöglich sein würde. Die europäischen Pflanzer bezahlen dann zum Teil die Kriegskosten, indem die hungrigen Eingeborenen aus den Plantagen allerlei Früchte, namentlich die Kokosnüsse, stehlen. –

Flußscenerie in Apia.

Ein samoanisches Dorf.  

Den Europäer, der an der herrlichen Küste von Apia verweilt, lockt es, in das Innere des Landes, zu den waldgekrönten Bergeshöhen zu wandern. Ein solcher Ausflug lohnt die Mühe. Er führt durch wundervolle Wälder, in denen prächtige Farnkräuter den Boden bedecken, während zahllose Lianen zu den hohen Baumwipfeln emporklettern. Kleine Flüsse laden unterwegs zum Baden ein; weiter bergaufwärts rauschen Wasserfälle; [848] den herrlichsten Punkt Upolus bildet aber der Lanutoberg, der sich 780 m über den Meeresspiegel erhebt. Er ist ein alter Kraterberg und birgt auf seiner Spitze einen kreisrunden See, den ein etwa 30 m hoher mit Bergpalmen und Baumfarnen bestandener Felsenkranz umschließt. An diesem bezaubernden smaragdgrünen Gewässer hat der deutsche Lehrer von Apia für sich samoanische Hütten bauen lassen und so eine der lieblichsten Sommerfrischen geschaffen.

Westlich von Upolu liegen zwei kleine Inseln, Manono und Apolima; die erstere ist überaus fruchtbar und gleicht einem einzigen Garten, die andere ist der Rest eines zur Hälfte eingestürzten Kraters, der, malerisch mit Bäumen bewachsen, etwa 150 m über den Meeresspiegel hervorragt. Die westliche Grenze des Archipels bildet Savaii, die größte der Samoainseln, denn ihr Flächeninhalt beträgt 1700 qkm, während Upolu nur 880 qkm umfaßt. Landschaftlich ist Savaii Upolu ähnlich; nur steigen hier die Berge höher empor und die Erhebung des Kraters Mua bei dem Dorfe Aopo wird auf 1600 m geschätzt. Die vulkanische Thätigkeit hat hier länger gedauert als auf Upolu; an manchen Stellen liegen noch Asche und unverwitterte Lavafelder. Rings um die Insel zieht sich ein breiter Streifen überaus fruchtbaren Landes, und auf ihm wohnen etwa 13000 Einwohner in verschiedenen Ortschaften, als deren wichtigste Matautu an der Nordküste zu nennen ist. Völlig unbewohnt ist aber noch das gebirgige Innere, das von üppigen Urwäldern bedeckt ist.

Ein Samoaner.

Upolu, Savaii und die an diese grenzenden kleinen Eilande sind nunmehr in deutschen Besitz übergegangen. Ein inniger Wunsch unserer Kolonialfreunde ist damit erfüllt worden, denn deutscher Geist und deutsche Arbeit spielen seit Jahrzehnten die hervorragendste Rolle auf Samoa. Im Jahre 1722 werden die Inseln von dem Holländer Roggeveen entdeckt, und erst nach hundert Jahren, gegen 1830, ließen sich auf ihnen die ersten Missionare nieder. Heute ist die gesamte Bevölkerung wenigstens dem Namen nach christlich. Das Verdienst, auf Samoa regelmäßigen Handel und Plantagenwirtschaft eröffnet zu haben, gebührt dem Hamburger Hause Godeffroy, das in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts mit 32 Handelsschiffen die Südsee beherrschte und später Apia zum Mittel- und Stützpunkt seiner weitreichenden Unternehmungen machte. Nach der Auflösung des Hauses Godeffroy im Jahre 1879 gingen seine samoanischen Besitzungen an die „Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft“ über, die das Kulturwerk mit unermüdlicher Ausdauer fortsetzte. Sie hat bis jetzt gegen 3500 ha Land in mustergültiger Weise mit Kokospalmen bepflanzt. Die reifen Nüsse werden durch farbige Arbeiter, die zumeist auf den Salomoninseln angeworben werden, eingesammelt, von Eseln nach den Wagen getragen und auf diesen durch Ochsen nach den Kopradarren gefahren. Hier werden die Nüsse mit der Axt aufgeschlagen, das weiße „Fleisch“ (Endosperm) wird herausgeschnitten und in den Darren getrocknet. So zubereitet heißt es Kopra, aus dem in europäischen Fabriken Oel gepreßt wird. Außerdem hat die Gesellschaft Kulturen von Kaffee und Kakao angelegt. Sehr ausgedehnt ist auch die Viehhaltung, die sich auf etwa 2000 Stück Rindvieh und etwa 150 Pferde und Esel beläuft. Fünfzig deutsche Beamte stehen in Diensten der Gesellschaft, die gegenwärtig 600 Arbeiter beschäftigt. Früher belief sich die Zahl derselben auf 2000, aber die fortwährenden Wirren auf Samoa zwangen die Pflanzer zur Einschränkung ihrer Thätigkeit.

Nun ist der größte und schönste Teil der Samoainseln deutsch. Dem Pflanzer ist unter dem Schutz des Reiches eine sichere Zukunft gewährleistet. Samoa wird aufblühen, und hoffentlich wird es gelingen, auch das heitere Völkchen der Samoaner wirklich zu kultivieren, indem man ihm die kleinen Kriege unmöglich macht und es nach und nach zur Arbeit erzieht. F.      

Der Strand von Apia.