Deutscher Fensterschmuck

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Titel: Deutscher Fensterschmuck
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 733–734
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Deutscher Fensterschmuck.

Von C. Falkenhorst. Mit Zeichnungen von A. Lewin.

Es sind verschiedenartige Wandlungen, welche das Fenster in unserm Wohnhause durchmachen mußte, bis es schließlich so ausgestattet wurde,

daß der Aufenthalt in der Stube freundlich und behaglich wurde. So lange südliche Völker Träger der Kultur waren, blieb die Fensterausstattung vernachlässigt, denn der Südländer, der Römer wie der Grieche, war kein Stubenmensch; nur selten zwang ihn die rauhe Witterung, innerhalb der wohlverwahrten vier Wände Zuflucht zu suchen; sein Leben spielte sich mehr im Freien, auf öffentlichen Plätzen und in Parkanlagen, in Vorhallen und unter Säulengängen ab. Als aber die Barbaren des Nordens, der Gallier, der Germane, zu einer höheren Civilisationsstufe sich emporschwangen, wurde es für sie zur Nothwendigkeit, die Wohnräume behaglich einzurichten, Wind und Wetter von ihnen fern zu halten und doch zugleich dem hellen Tageslicht Eintritt zu gewähren.

Nothdürftig wurde dieses Ziel durch die ältesten „Fensterscheiben“ erreicht, die aus durchscheinenden Hornplatten oder geöltem Pergamentpapier zubereitet wurden; wenn wir heute in einem Zimmer mit derartigen Fenstern stetig uns aufhalten sollten, würden wir bald in düstere Melancholie versinken; denn solche Räume mit ihrem trüben Zwielicht erinnern an die Abgeschlossenheit eines Klosters oder eines Gefängnisses.

Ein großer Fortschritt war es darum, als an den Fenstern des deutschen Wohnhauses die Verglasung eingeführt wurde. Aber dieser Fortschritt konnte sich nur langsam vollziehen; die trübe Dämmerung, die im altdeutschen Wohngemache herrschte, wich nicht mit einem Schlage dem hellen lichten Tage, denn die Glasbläser im Anfang des Mittelalters verstanden nicht gleich die Kunst, unsere großen modernen Glasscheiben anzufertigen. Was aus ihren Werkstätten hervorging, das waren kleine Glasstücke, die außerdem nicht klar, durchsichtig, sondern verschiedenfarbig waren; erst viel später lernte man wasserklares Glas für billiges Geld herstellen. Diese kleinen bunten Glasstücke waren das Material, aus welchem man die ersten Glasfenster in altdeutschen Häusern zusammensetzte; die einzelnen Stücke wurden in Blei gefaßt, die Farben nach verschiedenen Mustern geordnet, und so entstanden die Butzenscheiben, die noch heute ihre Verehrer haben.

Wie anders bot sich nunmehr das Fenster den Blicken des Beschauers dar! Anstatt der geölten Papierfläche ein buntes Farbenspiel, welches das Auge erfreute. Der Dämmerung, welche bis dahin im Wohngemach geherrscht hatte, war die Morgenröthe mit ihrem Farbenzauber gefolgt. Der Kunstsinn bemächtigte sich der günstigen Gelegenheit und setzte aus den einzelnen farbigen Gläsern Bilder zusammen. Glasmosaik schmückte nun das Fenster. Zuerst wurden solche Kunstwerke nur an Gotteshäusern und öffentlichen Bauten angebracht, sie fanden aber später auch im Bürgerhaus Eingang. Von der Glasmosaik war es nur ein Schritt zur echten Glasmalerei, die im 10. Jahrhundert in Nordfrankreich und in Deutschland aufblühte. Wiederum schmückte man zuerst die Kirchen mit den herrlichen Kunstschöpfungen, die, wo sie dem Zahne der Zeit getrotzt haben, noch heute unsere Bewunderung erregen. und als die Zahl der Glasmaler wuchs, da leuchteten die Glasgemälde in ihrer unübertroffenen Farbengluth bald auch in den Fenstern der Burgkemenaten und in den Erkerstuben der bürgerlichen Patrizierhäuser. Es gab im Mittelalter eine Sitte, nach der beim Neubau eines Hauses Freunde und Anverwandte Fenster mit Glasgemälden stifteten. Da wurden Wappen mit prachtvollen Verzierungen angebracht, da leuchteten Wappenthiere, wilde Männer oder Waldfräulein als Schildhalter dem Beschauer entgegen, und das Ganze wurde mit einer spitzbogigen Architektur aus farbigen Pfeilern und Säulen oder mit knorrigen Stämmen umgeben; oder es wurden Jagd- und Kampfscenen zwischen die Ornamente eingestreut.

Im 15. Jahrhundert hielt dieses mit Malereien geschmückte Fenster seinen Einzug in das deutsche Bürgerhaus, und die Pracht, die man mit dem neuen glänzenden Ausstattungsstück der Wohnräume entfaltete, muß groß gewesen sein, da die bekannten „Ordnungen“ jener Zeit, die zur Beschränkung des Luxus von vorsorglichen Stadtvätern erlassen wurden, auch gegen das gemalte Fenster im Bürgerhaus sich richteten.

Inzwischen aber hatte sich bereits eine Wandlung angebahnt. Die Venetianer hatten erhebliche Fortschritte gemacht in der Kunst, Tafelglas herzustellen; große, völlig durchsichtige Scheiben waren keine besonders theure Seltenheit mehr, und nun wurde das helle wasserklare Glas an Stelle der bunten Gemälde in die Fensterrahmen gesetzt. Mehr Licht und freie Ausschau! – das war jetzt die Losung, und das Licht siegte allmählich. Die neuen Häuser wurden großfenstrig angelegt; die Holländer waren die Vorkämpfer der neuen Richtung, und die Hugenotten, die in Deutschland Schutz suchten, brachten dorthin die Lehre von der neuen „aufgeklärten“ Bauart, Vorüber war das Mittelalter mit seinen engen winkligen Gassen, mit seinem träumerischen Morgenschein im Innern des vielgiebeligen, erkerreichen Hauses.

Fenster mit Diaphanien.

Aber der Rückschlag blieb nicht aus, denn die Neuerung hatte auch ihre unliebsamen Fehler. Wie kahl und frostig erschienen auf einmal die Fensterecken im Zimmer! In dem altdeutschen Hause hatte man sich ganz daheim gefühlt wie in einer festen Burg; kein neugieriger Blick vermochte durch die Butzenscheiben oder durch das gemalte Fenster in das Wohngemach zu dringen. Jetzt aber! Preisgegeben dem Gegenüber, so zu sagen auf der offenen Straße saß man da, und das war lästig.

Also doch lieber wieder etwas zurück ins Dunkel! Das lichtreiche Fenster wurde wieder abgedämpft durch leichte durchsichtige Vorhänge, die Gardinen – einen modernen Fensterschmuck, der den Burgfräulein und Patriziertöchtern des Mittelalters völlig unbekannt gebliehen war. Die Gardine trat ihren Siegeszug in der Welt an und vollendete ihn rasch. Hoch und niedrig hieß den diskreten Fensterschleier gern willkommen, und heute ist das mit weißen, cremefarbigen oder gar zart gemusterten Vorhängen geschmückte Fenster für uns das Sinnbild eines traulichen Heims, wenn auch das Gefühl des Geborgenseins allerdings durch die Gardine lange nicht in demselben Maße erreicht wird wie durch ein gemaltes Fenster.

Aus dieser kurz gefaßten Geschichte des Fensterschmuckes im bürgerlichen Hause ersehen wir wohl, daß es keineswegs ausschließlich eine Modelaune war, welche in jüngster Zeit die altdeutsche Wohnungsausstattung wieder in Aufnahme kommen ließ.

Man hätte gern, auch was die Fenster anbelangt, die völlig durchsichtigen Scheiben wieder durch bemalte ersetzt. Aber dieser Wunsch war für viele, ja die meisten unerfüllbar: die einst so kopfreiche Zunft der Glasmaler war inzwischen ausgestorben und die wenigen Künstler, welche gemalte Glasfenster liefern, hätten den allgemeinen Bedarf nicht befriedigen können. Außerdem sind die Erzeugnisse der Glasmalerei nur für einen hohen Preis zu haben. Wohl schmückt man heutzutage wieder Kirchen und öffentliche Bauten mit farbenprächtigen Fenstern, das eigene Heim indessen mit echten Glasgemälden auszustatten, dazu sind nur sehr reiche Leute in der Lage.

Aber unsere Zeit ist erfinderisch. Auf anderen Gebieten hatte sie längst gelernt, Werke der Kunst durch Vervielfältigung den weitesten Volkskreisen zugänglich zu machen. Neben dem Kupfer- und Stahlstich haben auch die Buntdrucke ihr Heimathrecht an der Wand der Wohnzimmer erworben, unaufhaltsam schreitet die Technik vorwärts und versteht es, immer geschickter die Originalwerke großer Meister nachzuahmen. Diese Fortschritte haben ihre Wirkung auch auf das Gebiet der Glasmalerei ausgedehnt, soweit dieselbe für die Ausstattung des modernen Wohnhauses in Betracht kommt. Schon vor Jahren tauchten in Frankreich und England Nachahmungen der Glasmalerei auf, durchsichtige Bilder, die, auf Fensterscheiben geklebt, ein Glasgemälde ersetzen sollten. Sie waren aber vielfach mangelhaft und konnten einen allgemeinen Anklang nicht wohl finden. Seit einigen Jahren werden nun auch in Deutschland solche durchsichtige Bilder oder „Diaphanien“ hergestellt. Man begegnet ihnen immer häufiger in den verschiedensten Räumen unserer Wohnhäuser; sie leuchten in den Fenstern als Rittergestalten oder Bildnisse berühmter Männer, als Blumenstücke oder niedliche Amoretten, als Landschaften oder Wiedergaben von Gemälden alter und neuer Meister. Wer diese Diaphanien im Laufe der letzten Jahre aufmerksam beobachtet hat, [734] muß zugeben, daß dieser neue Zweig am Baume des Kunstgewerbes unverkennbare Fortschritte gemacht hat. Seinen Schöpfern ist es in der That gelungen, etwas Gediegenes zu bieten, das wohl imstande ist, weiten Kreisen einen Ersatz für die echte Glasmalerei zu geben. In Anbetracht der Verbreitung, welche die „Diaphanien“ (eigentlich „Durchscheinbilder“) bereits erreicht haben, und der Zukunft, die ihnen bevorsteht, dürfte es für unsere Leser gewiß nicht ohne Interesse sein, über die Herstellungsweise dieser Bilder Einiges zu erfahren.

Es handelt sich dabei im wesentlichen darum, farbige Kunstdrucke so durchscheinend zu machen, daß das Ganze, gegen das Licht gehalten, den Eindruck macht, als ob es eine Glasmalerei wäre. Damit diese Kunst gelinge, müssen aber viele Vorbedingungen erfüllt werden. Zunächst kommt es auf die Wahl des Druckstoffes an, der besonders geartet sein muß, dann auf die Wahl der Farben, die nicht verblassen dürfen und deren Wirkung auf das durchfallende Licht zu berechnen ist; dann auf die Wahl der Chemikalien, welche die Kunstdrucke so durchscheinend zu machen haben, als wären sie wirklich wasserklares Glas. Jede von diesen Einzelheiten ist von der größten Bedeutung, erst wenn alle richtig getroffen sind, kommt eine Leistung zustande, die unser Gefallen erregt und neben der Glasmalerei bestehen kann. Selbstverständlich bilden diese Einzelheiten: die Zusammensetzung des Druckstoffes, der Farben etc., das wohlgehütete Geheimniß der Kunstanstalten , welche sich mit der fabrikmäßigen Herstellung solcher Diaphanien befassen.

Das Verdienst, auf diesem Gebiete die Errungenschaften der Technik mit den Anforderungen der Kunst in glücklichem Maße vereinigt zu haben, gebührt der Anstalt von Grimme und Hempel in Leipzig, deren Werkstätten wir einen kurzen Besuch abstatten wollen.

Der erste Theil ihrer Thätigkeit betrifft die künstlerische Seite, die Beschaffung von Vorlagen für die Diaphanien. Als solche können bereits vorhandene berühmte Oelgemälde oder Aquarelle benutzt werden, oder es werden Künstler besonders beauftragt, bestimmte Bilder wie Blumenstücke oder Landschaften für die Zwecke der Anstalt zu malen. So haben von Mitarbeitern der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau eine Reihe amerikanischer Landschaften, darunter Ansichten der Niagarafälle, und H. Heubner außer vielen meist alpinen Ansichten auch solche von Schwarzburg-Rudolstadt für die Anstalt geliefert. Das neueste sind Porträts von Mr. und Mrs. Cleveland, welche in Amerika durch die New Yorker Zweigniederlassung vertrieben werden.

Die nächste Aufgabe besteht nun in der Vervielfältigung der Vorlagen; es werden mit Hilfe des lithographischen Verfahrens farbige Bilder gedruckt, die den farbigen Kunstbeilagen zur „Gartenlaube“ durchaus ähnlich sehen, nur daß eben wie gesagt Druckstoff und Farben anders beschaffen sein müssen. Die Räume, in welchen diese Vervielfältigung besorgt wird, bieten im großen und ganzen denselben Eindruck wie die einer chromolithographischen Anstalt.

Nachdem die gedruckten Bilder getrocknet sind, gelangen sie in eine neue Abtheilung, in welcher sie durchscheinend gemacht werden. Hier duftet es nach ätherischen Flüssigkeiten, hier wandern die Bogen in verschiedene Behälter, bis sie nach einer bestimmten Zeit durchscheinend wie Glas geworden sind. Nun ist das Bild, wenn wir es vor einem dunklen Hintergrunde ansehen, unscheinbar geworden, es leuchtet aber im schönsten Glanze, wenn wir es gegen das Licht betrachten.

Der Gang der Arbeit erscheint somit ungemein einfach, in Wirklichkeit aber ist er sehr verwickelt; denn die Farben wirken auf einem undurchsichtigen Stoffe ganz anders als im durchfallenden Lichte, und es kostet viele Probebilder, bis es endlich gelungen ist, die Farben so aufzutragen, daß sie in der Diaphanie zu einer richtigen künstlerischen Wirkung gelangen.

Jetzt wird das durchscheinend gemachte Bild getrocknet und sieht nun wie ein farbig gedrucktes, mit Lack bestrichenes Gelatineblatt aus. Die Diaphanie ist fertig. Sie wandert alsdann in die Glaserwerkstätte der Anstalt, wo sie zwischen zwei Scheiben eingefügt wird. Bevor dies aber geschieht, wird noch jedes Blatt genau nachgesehen und, wo irgend ein kleiner Fehler, ein weißes Tüpfelchen oder dergleichen sich vorfinden sollte, die Retouche von geübter Hand vorgenommen in ähnlicher Weise, wie dies bei den Negativplatten der Photographen geschieht. Das in der Doppelscheibe verwahrte Bild kann nun einfach in einen Nickelrahmen gefaßt und so verwerthet oder aber auch mit Randleisten, Einfassungen, Ornamenten aller Art von Kathedralglas, Butzen, Knöpfen etc. umgeben werden. Am überraschendsten wirkt die Diaphanie, wenn ihr Hauptbild – sagen wir beispielsweise Rafaels Sixtinische Madonna – zum Mittelpunkt einer den ganzen Fensterrahmen ausfüllenden Scheibe gemacht wird.

Schon heute ist die vorliegende Auswahl von Bildern sehr groß: Bildnisse der deutschen Kaiser und berühmter Männer, Charakterköpfe großer Künstler, religiöse Bilder, moderne Genre- und Thierbilder, Naturansichten werden in gleich vorzüglicher bewährter Technik ausgeführt.

Wir zweifeln deshalb nicht, daß es gelingen werde, den neuen schönen Fensterschmuck volksthümlich zu machen und dadurch dem modernen Wohnhaus einen Abglanz der farbig schimmernden Romantik längst verklungener Zeiten zu verleihen.