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Die Cayapo-Indianer in der Provinz Matto-Grosso

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Autor: Otto Kupfer
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Titel: Die Cayapo-Indianer in der Provinz Matto-Grosso
Untertitel:
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 5. Band (1870). S. 244–255
Herausgeber: Wilhelm David Koner
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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[244]
XI.
Die Cayapo-Indianer in der Provinz Matto-Grosso.
Von Dr. Kupfer.


Bei meinem Aufenthalt in Brasilien und namentlich auf einer Reise ins Innere der Provinz Matto-Grosso im Jahre 1857 hatte ich Gelegenheit, die Reste des einst sehr großen Stammes der Cayapos, eine Zweiges der Tupis kennen zu lernen. Was ich von ihnen weiß, will ich in Kürze mitzutheilen.

Schon auf alten Karten wird der Name der Cayapos als Indios bravos und Bewohner der südlichen Theile der Provinzen Matto-Grosso und Goyaz genannt.

[245] Langsdorff auf seiner Reise durch Brasilien fand im Jahre 1822 noch ein großes, sehr bevölkertes Dorf derselben, gegenüber der Mündung des Tieté in den Paraná, und ein Begleiter von Langsdorff, der noch jetzt in Brasilien lebt, schilderte mir die Cayapos von damals als sehr tiefstehend im Vergleich mit anderen Indios, nackt und schmutzig in elenden Hütten ohne allen Hausrath wohnend.

Ich besuchte auf meiner Reise, ehe ich die Cayapos selbst sah, diesen Platz; es war ein öder Camp, auf dem keine Spur mehr von ihrem verlassenen Dorfe zu finden war. Das Dorf hatte übrigens eine ausgezeichnete Lage gehabt, indem es in der Nähe zweier großer Wasserfälle, des Itapura im Tieté und Urubupunga im Paraná, wo die schönsten Fische sich, namentlich zur Laichzeit, förmlich aufdämmen, ihnen allein durch Fischfang reichliche und leichte Nahrung bot. Meine Begleiter meinten, daß die Cayapos diesen ausgezeichneten Platz nur verlassen hätten, weil mit der Zeit die Schifffahrt der Brasilianer auf dem Tieté und Paraná zu lebhaft geworden und sie durch die häufigen Besuche der Brasilianer zu oft in ihrer trägen Ruhe gestört worden wären.

Von Sta. Anna de Paranahyba aus, einem kleinen Städtchen in der Provinz Matto-Grosso unterm 20° südl. Br. und ca. 100 deutsche Meilen von der Küste entfernt, machte ich dann mit zwei zuverläßigen Begleitern einem Dorfe der Cayapos, welches ungefähr 12 Meilen von Sta. Anna entfernt war, einen Besuch. Man hatte mir gesagt, daß die brasilianische Regierung den Cayapos dort ein großes Stück Land zum Wohnsitz angewiesen habe, daß sie sich dort in der Nähe eines großen Wasserfalls des Rio grande niedergelassen und mit den Brasilianern in freundschaftlichem Verkehr ständen, Indios manços wären, einige von ihnen auch schon als Schiffer bei Brasilianern gedient hätten und daher etwas Portugiesisch verständen, namentlich ihr Capitaõ.

Wir kamen nach zweitägiger Reise Nachmittags gegen 4 Uhr in ihrem Dorfe an, welches am Rande eines Waldes auf dem Campo lag und aus einigen zwanzig kleinen Lehmhütten mit Palmenblättern gedeckt, bestand, ähnlich denen, wie sich die ärmste Klasse der Brasilianer zu machen pflegt.

Das Dorf mochte einen Raum von vielleicht 400 Quadrat-Ruthen einnehmen; ziemlich in der Mitte war ein von allen Seiten offener Schuppen zu sehen.

Schon aus der Ferne hatten wir ein reges Leben im Dorfe bemerkt, und als wir näher kamen, sahen wir auf dem freien Platz vor dem Schuppen einen nackten, nur mit einem Schurz bekleideten Cayapo und an jeder Seite von ihm drei Frauen, einen Tanz aufführen [246] und dazu singen, wenn man das laute Ausstoßen von Vocalen, wie aha, aho, ahu – singen nennen kann. Der Cayapo war ein breitschultriger, großer Mann, aber schon ziemlich bejahrt, wenigstens ein Fünfziger und, wie wir später hörten, ein Cazique, und hatte sich langes dürres Gras in seine schwarzen struppigen Haare geflochten, während er sein Gesicht mit rother und seinen Leib mit schwarzer Farbe bemalt hatte.

Die Frauen waren nicht geschmückt, sondern hatten sich nur einen schmutzigen Lappen um die Hüften gebunden.

So tanzten, d. h. stampften Alle mit den Füßen den Boden, sich langsam vielleicht zehn Schritte vorwärts und dann wieder rückwärts bewegend, ohne dabei die Arme und den übrigen Körper viel zu bewegen, und stets ihr lautes Geheul ausstoßend. Der Tanz dauerte auch noch eine Weile fort, als uns die Tänzer schon längst bemerkt hatten, und erst als wir von den Pferden gestiegen waren, hörte der Tanz auf und der Cazique kam uns schweißtriefend entgegen. Die Weiber waren in ihre Hütten gelaufen, aber von den Männern sammelten sich mehrere um uns, unter ihnen auch ihr Capitaõ, von der brasilianischen Regierung dazu ernannt. Er kannte meine Begleiter, sprach etwas portugiesisch und wies uns auf unsere Bitte um Nachtlager den Schuppen zur Wohnung an. Er war der Einzige, der mit einer baumwollenen Hose bekleidet war, während die übrigen Männer nur einen Schurz oder ein breites Band zwischen den Beinen, an einer Schnur befestigt trugen.

Allmälich kamen auch die Frauen wieder zum Vorschein; sie alle trugen einen schmutzigen, baumwollenen Lappen um die Hüften gewickelt, der bis zum unteren Drittel des Oberschenkels reichte, und nur die kleinen Kinder gingen ganz unbekleidet.

Der Capitaõ erzählte uns dann auch, daß er schon als Kind – das wie und warum wußte er nicht – in das Haus eines Präsidenten von Goyaz gekommen wäre, dort portugiesisch und manches Andere gelernt hätte, aber mit seinem 18. Jahre wieder zu seinem Stamme gegangen wäre, weil es da doch besser sei. Er war jetzt vielleicht 40 Jahre alt, über mittelgroß, starknochig und hatte ein ernstes, kluges Gesicht.

In dem Schuppen, in den die Weiber und Kinder übrigens nicht zu kommen wagten, und der an 30 Fuß lang und an 20 Fuß breit war, lagen eine Menge Holzklötze zerstreut: die Kopfkissen der Männer, wenn sie am Tage der Ruhe pflegen wollten.

Wir hatten eine Rolle Taback und einige Glasperlen mitgebracht [247] und gaben davon den Männern und Frauen, die um uns herumstanden; sie benahmen sich dabei bescheidener, als ich erwartet hatte, wurden bald zutraulicher und brachten uns der Eine Zuckerrohr, der Andere in Asche geröstete Bataten, die uns nach der anstrengenden Reise köstlich mundeten; dann hörten wir auch vom Capitaõ[WS 1], daß einige Männer den Tag vorher einen großen Tapir gejagt hätten und heute großer Festtag sei, weil Alle an der Beute Antheil hätten, wenn ein großes Wild getödtet wird.

Der Capitaõ[WS 1] ließ Holz in unsern Schuppen bringen um für die Nacht – es war im August und noch brasilianischer Winter – Feuer machen zu können, und begab sich dann in seine Hütte, um uns Essen bereiten zu lassen. Ich sah mir während der Zeit die physische Beschaffenheit der Cayapos näher an.

Die Männer waren alle wohl genährt, wenige, wie der Cazique und Capitaõ, über mittelgroß – über 5 Fuß 6 Zoll – von runden, wohlproportionirten Formen und besonders starker, hochgewölbter Brust. Ihre Farbe war ein helles Kupferroth, ihre Haut weich, ihr Haar schwarz, struppig und tief in die kleine, schmale, niedere Stirne gehend, so daß diese kaum zwei Finger breit bis zu den Haarwurzeln maß. Ihre schräg nach Innen geschlitzten Augen, ihre stark vorspringenden Backenknochen, ihr dünner Bartwuchs gaben ihrem Gesicht einen stark mongolischen Ausdruck. Einige sahen wild, scheu und stupide, Andere wieder verschmitzter und gutmüthiger aus. Tätowirt war Niemand, wohl aber Einige im Gesicht und am Körper mit rother und schwarzer Farbe bemalt, und nur wenige Aeltere hatten sich die Unterlippe durchbohrt, um durch dieses Loch bei der Jagd den scharfen Pfiff des Tapir nachahmen zu können.

Als einer bemerkenswerthen Eigenthümlichkeit erwähne ich noch ihrer[WS 2] großen Zehen, die wohl um zwei Linien kürzer waren als der zweite Zeh und ihrer überhaupt kurzen und dicken Zehen, wodurch ihr Fuß, der sonst schön gewölbt war, ein etwas plumpes Ansehn bekam. Schon auf der Reise zu ihnen waren mir ihre Fußspuren mit den kurzen, dicken Zehen aufgefallen, die die Brasilianer daran auch sogleich als „rastos de Indios“ zu erkennen pflegen; auch bemerkte ich, wenn mehrere gewandert waren, daß meist einer hinter dem anderen gegangen und einer in die Fußspuren des anderen getreten war.

Von den Frauen hätte ich nur noch zu erwähnen, daß auch sie wohlgenährt, meist mittelgroß – 5 Fuß – waren, daß die Jüngeren feste, kleine, etwas spitzig zur Brustwarze und nach Außen zulaufende [248] Brüste hatten, während die reiferen Frauen eine volle aber nicht unschöne Brust zeigten.

Ich will hier nur kurz erwähnen, daß wir von dem Capitaõ während unseres viertägigen Aufenthalts in seinem Dorfe gut verpflegt wurden, daß wir mit ihm und seinen Leuten jagten und fischten und daß ich so Gelegenheit hatte, auch über ihr Psychisches, ihre Sitten, Gewohnheiten und ihre Sprache einige Erfahrungen machen zu können.

Wie lange die Cayapos schon in diesem Dorfe wohnten, wußte Niemand von ihnen, auch der Capitaõ nicht; der alte Cazique erinnerte sich nur, daß die Cayapos einst auch ein Dorf am Tieté gehabt hätten. Augenblicklich waren an 150 Männer, Weiber und Kinder im Dorfe wohnhaft.

Der Capitaõ hatte nur geringe Macht über sie; sie gehorchten ihm wohl meist, wenn er sie rief oder schickte, doch thaten sie auch öfter als hörten sie ihn nicht; mehr ergeben schienen sie dem alten Caziquen. Von Strafen wegen Ungehorsams habe ich nichts gesehen. Sie haben ihr früheres herumschweifendes Jägerleben aufgegeben oder aufgeben müssen, da ihnen der frühere sehr große Jagdgrund mehr und mehr von den brasilianischen Viehzüchtern genommen wurde, und sind so jetzt nur noch auf im Verhältniß zu früher kleine, von der Regierung ihnen angewiesene Ländereien beschränkt; aber auch diese sind immer noch einige Quadrat-Meilen groß, und jagd-, fisch- und fruchtreich genug, um ihnen fast ohne Arbeit ein materiell sorgenfreies Leben zu garantiren, namentlich da sie auch, des warmen Klimas wegen, keiner Kleider bedürfen.

Sie besitzen nichts als ihre ärmlichen Lehmhütten, ohne Haus- und Küchengeräthe, ihre noch ärmlicheren Waffen und einige Matten. Sie kennen bis heute noch nicht die Gewinnung und Bearbeitung von Metallen, sie leben noch jetzt in der Stein- oder, wie Herr Dr. Bastian treffend bemerkte, in der Holzzeit, denn ihre Waffen sind meist von festem, schweren Holze, wie Keule und Bogen und die Pfeilspitzen meist von der kieselharten Schale des Bambus, oder von hartem, mit Wiederhaken versehenem Holz oder auch von scharfgeschliffenen Knochensplittern. Feuerstein-Pfeilspitzen fand ich bei ihnen nicht, habe aber in der Provinz St. Paulo, näher der Küste zu, wo andere, weiter entwickelte Indianer-Stämme, wie die Guaianazes, gewohnt hatten, künstlich zurechtgeschlagene Feuersteinpfeilspitzen und auch Steinäxte gesehen; sie werden noch jetzt zuweilen von den Brasilianern bei den Arbeiten auf dem Felde gefunden.

Ihr Schmuck, den namentlich Frauen tragen, besteht in Ketten [249] von mit Bast oder Baumwolle zusammengeflochtenen Thierzähnen oder buntem Samen von Früchten oder in von Bast oder Baumwolle geflochtenen Bändern, die sie mit Urucu, einer Frucht, roth färben, und um Beine, Arme und Hals binden. Schönen Federschmuck habe ich bei ihnen nicht gesehen, obgleich Papageien und Arras zahlreich in ihren Wäldern vorkommen.

Ihre Kunstfertigkeiten bestehen im Flechten von ziemlich rohen Matten und Hüten; Hängematten, wie sie andere Indianerstämme haben, sah ich bei ihnen nicht; sie pflegen auf bloßer Erde oder auf einer Bastmatte, einen Holzklotz unter dem Kopf, zu schlafen.

Die meisten Männer haben sich aber mit der Zeit doch Angelhaken, Messer und einige selbst Flinten angeschafft, so daß sie mehr und mehr ihre Holzwaffen vernachlässigen und zu gebrauchen verlernen.

Ackerbau treiben sie nicht, wenn man nicht das Pflanzen von Bananen und Bataten oder das in den Bodenstecken von Stücken Zuckerrohr und Mandioca, was dann ohne weitere Pflege reift, Ackerbau nennen will. Selbst Orangen hatten sie sich nicht gezogen – es dauert immer 6–8 Jahre, bis diese Früchte tragen.

Von Hausthieren hielten sie sich zahlreiche Hühner, einige magere Hunde zur Jagd, und der Capitaõ sogar ein Pferd, für das er auch etwas Mais gepflanzt hatte; aber keine Kühe, Schafe und Schweine.

Religiöse Begriffe und eine Art Cultus haben sie kaum, obgleich viele von ihnen, namentlich die Jüngeren, durch einen Geistlichen, der von Sta. Anna jährlich einmal zu ihnen kommt, getauft sind. Ob sie an einen großen Geist und an ein glückliches Fortleben nach dem Tode – wie die nordamerikanischen Wilden – glauben, habe ich nicht herausbringen können; sie haben zwar einen Namen für Gott: Kapecoá – und Himmel: Ciotí – ob das aber nur von dem Geistlichen mechanisch angenommene Begriffe sind, oder ob sie ursprünglich ihrer Sprache und Gedankenwelt angehören und was sie sich dabei denken, weiß ich nicht.

Bis zu bösen Waldgeistern oder Jagdstörern haben sie es aber schon gebracht; sie heißen Hempiampiam; sie opfern ihnen aber weiter nicht, da sie ja trotz ihrer nie Noth zu leiden brauchen.

Zauberer und Heilkünstler habe ich auch nicht bei ihnen gesehen, und war erstaunt, eine so vollkommene Unkenntniß selbst der einfachsten medizinischen Kenntnisse bei ihnen zu finden; in ihren Wäldern und auf dem Campo wachsen eine Menge medizinischer Pflanzen, wie Sennesblätter, Ipecacuanha, Sassaparille, Copahiba- und peruanischer Balsambaum etc., die von den Brasilianern gut gekannt und auch benutzt werden, aber die Cayapos kennen und benutzen sie [250] nicht. Werden sie krank, so legen sie sich stoisch – oder besser gesagt – stumpfsinnig auf ihre Matte, lassen sich tüchtig Feuer vor den Füßen machen, bedecken sich auch wohl mit den wenigen Lappen, die sie besitzen, und warten dann gedankenlos das Ende der Krankheit ab. Wenn sie viel Durst haben, trinken sie viel Wasser, essen aber beim Kranksein wenig oder gar nichts, und werden sie von Fieberhitze zu sehr geplagt, so springen sie in den Fluß, der stets in der Nähe ihrer Dörfer zu finden ist. So ist kaltes Wasser wohl das einzige Heilmittel, welches sie nöthigenfalls anwenden. Aber bei schon öfter unter ihnen ausgebrochenen Masern und Pocken-Epidemieen hat diese rohe Naturheilkunde ihnen schon sehr viele Opfer gekostet und die Bevölkerung decimirt, da sie in der heftigsten Fiebergluth beim Ausbruch des Exanthems sich in den Fluß zu stürzen pflegten.

Wie sie sich bei schweren Verwundungen zu benehmen pflegen, weiß ich nicht; leichtere überlassen sie der Natur.

Geburten fanden während meiner Anwesenheit unter ihnen nicht statt, doch sagte man mir, daß die Wöchnerin sich bald nach der Geburt mit dem Neugebornen ebenfalls im Fluß zu waschen pflege, denn warmes Wasser können sie sich wegen Mangel an passenden Gefäßen, selbst der irdenen, nicht machen; nur verschiedene Fruchtschalen sah ich bei ihnen als Gefäße gebraucht.

Kinder hatten die Frauen nur wenige; 3–4 in einer Familie waren schon selten zu finden. Die Mädchen verheiratheten sich früh, bald nach der ersten Menstruation. Heirathsfähige Mädchen gab es damals keine unter ihnen, wohl aber mehrere unverheirathete junge Männer; die älteren Männer haben nämlich das Recht, wenn ihnen die erste Frau zu alt wird, sich eine zweite junge zu nehmen, und dieses Recht hatten mehrere Alten benutzt und so die Mädchenzahl verringert.

Die unverheiratheten Männer schienen übrigens die Frauen der anderen zu respectiren. Hat ein Mann zwei Frauen, so leben diese friedfertig zusammen in einer Hütte und arbeiten zusammen für den gestrengen Herrn, der die Jüngere aber doch bevorzugt, und, wenn er gejagt und gefischt hat, sich der Ruhe pflegt, entweder in der Hütte oder am Tage meist mit anderen zusammen im Schuppen – ihrem Herrenhause. Heirathsceremonien kennen sie nicht, wohl aber hat der Bewerber den Eltern des Mädchens eine Matte, oder ein Paar Hühner oder ein Stück Wild zu schenken, sie besitzen nichts Besseres, und damit ist die Trauung geschehen.

Bei Geburten bringen sie jetzt meist die Kinder zum Pfarrer, um sie taufen zu lassen – sie bekommen dann Padrinhos und kleine Geschenke von diesen – und damit hat ihr Christenthum ein Ende.

[251] Bei Todesfällen hüllen sie den Todten in seine Matte und beerdigen ihn – jetzt auf einem vom Pfarrer eingesegneten Platz in der Nähe des Dorfes, wo ich einige einfache Kreuze bunt durcheinander stehen sah.

Kranke habe ich bei ihnen nicht gesehen, aber sehr alte Leute fand ich auch nicht unter ihnen, wohl kaum einige 70jährige Frauen: es schienen nicht einmal so alte Männer da zu sein, doch läßt sich darüber nichts Bestimmtes aussagen, da sie ja ihre Jahre nicht zählen.

Es scheint aber, als wenn das Leben so ohne alle Bequemlichkeit, das Essen ohne Salz, was nur der Capitão als Delikatesse führte, und besonders das nackte Schlafen auf oft feuchtem Boden und in den kalten Winternächten, wo der Thermometer oft bis +4° R. sinkt und es in den tieferen Gegenden zuweilen selbst reift – als wenn dies rohe Naturleben die Kräfte der älteren Leute doch überstiege und sie zu rasch aufriebe.

Daß sie sich spirituöse Getränke bereiten können, glaube ich nicht, sie sind selbst dazu zu indolent; wohl aber trinken sie, wo sie ihn nur bekommen können, sehr gern Branntwein; da sie aber zu arm sind und zu fern von bewohnten Orten wohnen, können sie sich selten diesen Genuß verschaffen. Auch rauchen sie, Männer und Frauen, sehr gern Taback, den sie aber, wie auch die kleinen Thonpfeifen, nur von den Brasilianern beziehen, obgleich Taback auf ihrem Campo fast wild wächst.

Von Musikinstrumenten habe ich außer Ochsenhörnern, auf denen sie blasen konnten, nichts gesehen; ich hatte eine einfache Jagdpfeife von Holz bei mir und als ich vor ihnen darauf pfiff, sprangen Alte und Junge wie die Kinder vor Freuden, und jeder von ihnen wollte auch darauf pfeifen, und als sie Einer nach dem Andern unter großem Jubel sich daran ergötzt hatten, ließ mich der alte Cazique bitten: wenn ich noch eine Pfeife hätte, so möchte ich ihm doch diese schenken; natürlich gab ich sie ihm sogleich bei so bescheidener Bitte.

Ihre Frauen scheinen sie nicht hart und schlecht zu behandeln, und obgleich die Frauen nicht in den Schuppen kommen durften und die ganze Last des kleinen Haushalts über sich hatten, namentlich viel Holz aus dem Walde herbeischleppen mußten, da das Feuer in ihrer Hütte Nacht und Tag nicht ausgeht, auch für die Kinder und die einfache Bereitung der Speisen sorgen mussten, so schienen doch die Frauen, namentlich die jüngeren, oft heiter und das ganze Völkchen überhaupt ein harmloses, zufriedenes, glückliches Dasein zu führen, wenn man ein solch rohes Naturleben ohne Arbeit, ohne Sorgen und ohne Gedanken ein glückliches Leben nennen darf.

Einer komischen Scene, die für die Stellung der Frauen bezeichnend [252] ist, will ich noch erwähnen. Kurz nachdem wir angekommen waren, kehrten auch vom Piracicaba, wohin sie als Schiffsknechte mitgefahren waren, und als solche sind die Cayapos von den Brasilianern sehr gesucht wegen ihrer Geschicklichkeit und Ausdauer, vier Männer zurück; sie waren über drei Monate abwesend gewesen, und einer von ihnen, der verheirathet war, hatte seiner Frau, wie sonst üblich, nichts mitgebracht, nicht einmal ein rothes Tuch, der Cayapofrauen liebster Schmuck. Der Mann sollte auch, wie die andern drei seiner Frau erzählt hatten, in Piracicaba seinen Lohn mit einer Mulattin durchgebracht haben. Plötzlich hörten wir im Dorfe Lärm und laute Stimmen und sahen vor einer Hütte mehrere Männer und Frauen gesticuliren. Wir liefen hinzu und sahen dann die Frau des Sünders mit der Keule bewaffnet drohend an der Thüre stehen und ihm so den Eingang in die Hütte verwehren. Der Mann, wohl im Bewußtsein seiner Schuld, benahm sich dabei furchtsam und feig, und erst unsrer Vermittlung und durch einige Geschenke von Glasperlen und Taback gelang es, den Frieden zwischen den Ehegatten wieder herzustellen. Die Frauen müssen also wohl bei den Cayapos ihren Männern nicht so sklavisch untergeordnet sein, wie es bei anderen Stämmen der Fall sein soll.

Ihre Lasten tragen die Frauen an starken, geflochtenen Gurten, die quer über die Stirn nach hinten laufen und dort die Last fest umschnüren; die kleinen Kinder werden dabei meist auf dem Nacken reitend getragen.

Ihre Speisen bereiten die Cayapos: die Bananen, Bataten und Mandiocawurzel in der Asche röstend, die Fische auf einem hölzernen Rost über Kohlen und das Fleisch zwischen heißen Steinen, indem sie ein Loch und darin Feuer machen, Steine hineinwerfen und, wenn diese heiß sind, das rohe Fleisch dazwischen packen, Zweige darauf legen, Erde darüber werfen, und so das Fleisch an zwei Stunden darin schmoren lassen, was einen delicaten Braten giebt. Doch essen sie, wie schon gesagt, ihre Speisen meist ohne Salz, und können auch wegen Mangel an Gefäßen keine Suppen und Gemüse bereiten. Nur der Capitaõ führte Salz und hatte sich auch seit Kurzem einige eiserne Gefäße zum Kochen und selbst Blechlöffel angeschafft, worauf er nicht wenig stolz war.

Von Wald- und Camposfrüchten, die sie nur zu sammeln brauchten, erwähne ich der Cocusnuß und mehrerer anderen Palmenfrüchte, des Palmenkohls, der Pinhões, Früchte von Araucaria brasiliana, der delikaten Jabuticaba, Mangaba, Cajú, Goijaba, Marmella, Pitanga, Arraça, des wilden Honigs, so daß sie neben der reichen Jagd und dem Fischreichthum wohl nie Nahrungsmangel zu leiden haben werden; weshalb [253] sollten sie sich auch, die ja keinen Ehrgeiz kennen, noch anstrengen mehr zu erringen? Das fast zu gesegnete Land bietet ihnen von selbst, was sie zur Nothdurft brauchen, und damit begnügen sie sich.

Nur wenn sie Waffen, Pulver und Blei oder auch bunte Tücher für ihre Frauen haben wollen, flechten und verkaufen sie Matten und Hüte oder verdingen sich bei brasilianischen Salzhändlern als Schiffsknechte; aber in den heißen Monaten, wo bei ihnen die schönsten Früchte reifen und wo sie auf der Flußreise auch zu sehr von Moskitos geplagt werden würden, lassen sie sich durch Nichts zur Reise bewegen.

Von der Sprache der Cayapos habe ich nur Weniges notiren können; die wenigen Männer, die etwas portugiesisch verstanden, ermüdeten bei den Fragen und Antworten stets so leicht, daß ich ihre Aufmerksamkeit kaum eine viertel Stunde jedesmal zu fesseln vermochte.

Ihre Sprache besteht aus scharf accentuirten, kurz hervorgestoßenen Wörtern und macht den Eindruck als stotterten sie. Weiter unten werde ich die von mir gesammelten Wörter geben und will hier nur das Bemerkenswertheste erwähnen.

Artikel und Declination haben sie nicht; von persönlichen Fürwörtern: ich = nehé, er = moamá, wir = pauhiá, sie = hokeré, mein = hakiamá, sein = kakiamá, unser = pakiama.

Von Zahlwörtern haben sie seltsamerweise nur drei: eins = mahé, zwei = mujalapió und – was darüber ist, ist ihnen viel = moschi, was auch zugleich reich bezeichnet, während sie arm und wenig mit kit benennen.

Ob sie eine Art Conjugation haben, konnte ich nicht herausbringen; so nannten sie mir für: ich will, er will, gieb mir, nur ein Wort: makiá.

Von Farben haben sie Wörter für weiß, hell = kaketé, für schwarz, dunkel = tapanjó; den weißen Mann nennen sie: hepé, den braunen: hempiampiam, womit sie auch ihre Art Waldteufel bezeichnen; für ein rothes Tuch haben sie ein besonderes Wort: netampiá, ebenso für die rothe Frucht, mit der sie sich zu bemalen pflegen: urucú und für die schwarze: genipápó.

Während in früheren Zeiten, namentlich in den ersten Jahrzehnten nach der Invasion, sich Portugiesen und Brasilianer häufig mit Indianerinnen verheiratheten, und noch jetzt viele tüchtige Brasilianer mit echt indianischem Typus zu sehen sind, werden die Bugres do matto, wie die Indianer jetzt genannt werden, schon seit lange von den Brasilianern so verachtet, daß Verbindungen zwischen beiden jetzt wohl nur höchst selten vorkommen mögen.

Die Menge der Cayapos vermindert sich stetig, und da sie nicht [254] genug Energie und keine Lust haben, um durch sich selbst der an sie herandrängenden Cultur zu folgen, so werden auch die armen Cayapos, die einst nach Tausenden zählten, wie schon so viele brasilianische Stämme, wohl in wenigen Jahrzehnten spurlos von der Erde verschwunden sein, obgleich sie Niemand mehr bekriegt, die brasilianische Regierung sie sogar beschützt, und obgleich – vielleicht weil – sie in einem der gesegnetsten Länder der Erde leben.


     Einige Wörter der Cayapo-Sprache.

Hokió, der Vater.

Kuinzí, die Mutter.

Ipó, der Sohn, die Tochter.

Bitó, der Onkel, die Tante.

Uté, der Großvater.

Tapopié, die Großmutter.

Kikré, das Haus.

Kapekoá, Gott.

Ciotí, der Himmel.

Kriná, die Kirche.

Kientómá, der Geistliche.

Intá, der Regen.

Cupé, der Wind.

Hiutóte, die Sonne.

Impúte, der Mond.

Anzoti, der Stern.

Jaká, der Tag.

Potekó, die Nacht.

Puará, der Mann.

Intiará, das Weib.

Kiacipiá, das Mädchen.

Incipiá, die verheirathete Frau.

Piantoé, der Knabe, Jüngling.

Ikiá, der Kopf.

Intó, die Augen.

Sacoa, der Mund.

Pacré, die Nase.

Zicré, das Ohr.

Inki, die Haare.

Ipá, die Finger.

Ité, das Bein.

Pató, die Zehen.

Zucoté, die Brust.

Zounzé, der weibliche Busen.

Patucá, der Bauch.

Impú, der Penis.

Inzé, die Vulva.

Hióp, der Hund.

Kitazá, das Pferd.

Zurinzi, das Huhn.

Potimazó, der Hahn.

Popió, der Ochs.

Otinazó, die Kuh.

Hiapampé, die Katze.

Impó, das Reh.

Kiúte, der Tapir.

Ikiú, das wilde Schwein.

Zoinzi, das Hausschwein.

Napía, die Unze (felis onca).

Potiti, der Ameisenbär.

Kuschiá, der Branntwein.

Penkó, das Zuckerrohr.

Penhi, der Zucker.

Kuóch, die Mandiocawurzel.

Itú, die Batate.

Pinkó, das Wasser.

Hi, das Fleisch.

Nó, groß.

Páu, klein.

Tompé, schön.

Tamancáre, häßlich.

Caputú, alt.

Piantoé, jung.

Moschi, reich, viel.

[255] Kit, arm, wenig.

Hitóte, stark.

Pepé, schwach.

Kateté, weiß.

Tapanjó, schwarz.

Hempiampiam, der braune Mann, Waldteufel.

Hepé, der weiße Mann.

Netampiá, das rothe Tuch.

Urucú, die rothe Frucht (zum bemalen gebraucht).

Genipápó, die schwarze Frucht (zum bemalen gebraucht).

Pipré, mager.

Naschoá, dick.

Kiuhi, kalt.

Ankiúte, warm.

Anokiúte, lauwarm.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. a b Vorlage: Capitõa
  2. Vorlage: hrer