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Die drei Jungfern in der Waknitz

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Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Die drei Jungfern in der Waknitz
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 223–227
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[223]
116. Die drei Jungfern in der Waknitz.

1453. Es sind in dieser Zeit drei Jungfern im S. Johanniskloster gewesen, welche man in früher Kindheit dahin gebracht. Wie sie aber zu ihren Jahren gekommen, haben sie die der menschlichen Natur eingepflanzte Schwachheit gefühlt. Da sind sie auf den Rath der ältesten eins geworden und haben sich eidlich dazu verbunden: was sie einander vertraulich offenbaren würden, vor jedermann ohne alle Ausnahme getreulich zu verschweigen, auch sich gegenseitig darin nach Kräften zu helfen. Wie sie nun mit einander vertraulich sprechen, befindet sich, daß sie alle drei darauf bedacht gewesen, durch welche Mittel und Wege sie aus dem Kloster kommen möchten. Nun sind sie einmal in den Garten gegangen, und haben sich traurig niedergesetzt, und abermals mit einander berathschlagt: siehe, da tritt zu ihnen ein alter ansehnlicher Mann, welcher neben andern Bürgern und Bürgerssöhnen, die ihre Verwandten im Kloster hatten, aus- und abgegangen: der grüßt sie freundlich, und begehrt von ihnen zu wissen, weshalb sie doch so traurig dasitzen. Darauf hat ihm keine der drei eine Antwort geben wollen. Der Alte aber spricht wieder: „Lieben Jungfern, ich habe drei Söhne, die da jung und [224] großes Vermögens sind und Euer wohl würdig: wollt Ihr dieselben zu Männern haben, so kommt auf den Abend wieder an diesen Ort; dann will ich Euch dazu helfen, daß Ihr aus dem Kloster kommt.“ Nun war ihre Antwort: sie wollten sich darauf bedenken und besprechen. Damit geht der Alte fort. Als sie nun von den andern Jungfern befragt werden: wer der Alte gewesen? spricht die eine: er sei aus ihrer Freundschaft und aus fremden Orten hergekommen, sie zu besuchen.

Auf den Abend nun, als alle Nonnen und Jungfern in ihre Zellen und Betten gegangen, finden sich die drei wieder heimlich im Garten ein; der alte Mann aber kömmt mit einer kleinen Leiter über die Mauer, grüßt sie wieder, und begehrt zu wissen, wie sie gesinnt; so sie mit ihm wollten, sollten sie ihr Lebenlang Gutes die Fülle haben. Darauf geben sie ihr Jawort, doch mit der Bedingung, daß er ihnen eins zusage und treulich halte. Er antwortet: „ja gerne; saget mir nur, was Ihr begehrt.“ Sie sprechen „daß wir nicht so weit von Lübeck zu Euren Söhnen geführt werden, und daß wir alle Jahr einmal mögen wiederkommen.“ „Ja wohl, betheuert der Alte, das soll Euch treulich gehalten werden; greifet nur alle drei diese Schnur an.“ Damit spricht er einige Worte, und alsbald werden sie in wilde Schwäne verwandelt und fliegen mit ihm über die Mauer in die Waknitz hinein.

[225] Alle Jahr aber, auf denselben Tag, da sie hinausgeflogen, schießen sie dreimal aus dem Wasser bis unter die Knie nacket empor; nur die Füße kann man nicht sehen.

Bisweilen hört man sie deutlich rufen; dann ertrinkt den folgenden Tag Einer.


Andere erzählen so: Vor langen Jahren gab es auf der Waknitz zwischen dem Hürter- und Mühlenthor, gerade S. Annen-Kloster gegenüber, ein herrliches, anmuthiges Lusthaus mit einer Brücke. Auf diesem Lusthause haben die Patrizier zweimal des Jahres ihre Köste angestellt: einmal im Mai, da sind die Junker zu Pferde hingeritten, Mann und Weib bei Paaren, hernach die Gesellen und Jungfern auch zu Pferde; zu Winterszeit aber sind sie in Schlitten hingefahren: das hat man das Schneegelag geheißen; und sind daselbst sehr lustig gewesen. Nun hat sich bei Sommerzeit zugetragen, daß einer von den Junkern aus Welschland nach Hause gekommen und einen guten Freund von unansehnlicher Statur mitgebracht; der wird nebst Andern mit hinausgebeten. Da spricht nun der heimgekommene Junggesell etlichen ihm bekannten Jungfern zu: sie sollten den fremden Gesellen nicht verachten, ob er gleich häßlich sei; denn er wäre wohl so hochgeadelt, wie alle Anwesenden, [226] und könne auch mehr als Brot essen. Dieser Verwarnung ungeachtet sind gleichwohl drei Jungfern dagewesen, die sich mit einander besprochen und vereinigt, daß sie mit dem Fremden nicht reden, viel weniger mit ihm tanzen wollten. Unter der Mahlzeit nun trieb der fremde Gesell viel Kurzweil mit den Jungfern; nur die drei haben ihm nichts geantwortet, noch etwas mit ihm zu thun haben wollen. Nach dem Essen aber, als der Tanz angestellt wird, begehrt der Fremde mit einer von den Dreien zu tanzen; es wird ihm jedoch abgeschlagen. Der Gesell schweigt still, und gehet zu der andern; die versagt ihm auch den Tanz: die dritte desgleichen. Eine vierte aber tanzt sogleich mit ihm, und folgends auch die andern Jungfern alle.

Wie nun die Stunde des Abscheidens vorhanden und die Bierglocke schlägt, thut sich der Fremde ganz hoch und freundlich bedanken, und will es allenthalben, dahin er kommen möchte, zu rühmen wissen; soviel aber die drei Jungfern belange, hat er gebeten, daß man sie möchte an die Tafel kommen lassen. Da hat er sich vor den anwesenden Herren und Junkern beklagt, daß ihm die drei großen Schimpf gethan und bewiesen, wie ihm sein Lebtage nicht widerfahren; er begehre demnach, daß sie ihm vor den Herren und geladenen Gästen abbitten wollten; oder er wäre bedacht, ihnen allen drei einen größeren Possen zu spielen, als sie ihm gethan hätten. [227] Aber die drei Jungfern habens verlacht und gering geachtet. Da geht er her, und verbannt sie alle drei ins Wasser, daß sie bis zum jüngsten Tage darin bleiben sollen, – nur daß man sie alle Jahr einmal in Menschengestalt sehen möchte, – bis ein größerer Künstler als er sie wieder frei machen würde. Und indem er dieß spricht, haben sich die drei in die Arme genommen, und sind als Schwäne aus dem Fenster in die Waknitz geflogen.

Der Fremde aber hat sich verloren und nie wieder sehn lassen.

Bemerkungen

[395] S. 225 Köste – Festgelage.