Die „Fornarina“
[276] Die „Fornarina“. (Zu unserer Kunstbeilage.) Das Bildniß einer schönen Frau, welches wir in unserer heutigen Kunstbeilage den Lesern vorführen, galt nach alter Ueberlieferung als ein Werk Rafael Santis aus Urbillo und war auf dessen Geliebte, die schöne römische Bäderstochter, die „Fornarina“ getauft. Eines der schönsten Kleinodien unter den reichen Kunstschätzen von Florenz, fesselt es noch heute die Besucher der Arnostadt durch seine wunderbare Anumth, ist aber auch merkwürdig durch einen eigentümlichen Streit der Kunstgelehrten, der sich daran knüpfte.
Es hat nämlich mit unserem Bilde eine eigene Bewandtniß. Als ein Werk Rafaels galt es schon im 16. Jahrhundert, aber es führt in den ältesten Verzeichnissen nur den einfachen Titel „una donna“, d. h. eine Dame. Erst im 18. Jahrhundert wurde dieser „Donna“ der Name der „Fornarina“ beigelegt, ohne daß sich, wie es scheint, diese bestimmte Namengebung mit zwingenden Gründen belegen ließe. Man nahm eben an, daß eine schöne von Rafael gemalte Frau niemand anders als seine Geliebte sein könne. Und neuerdings endlich haben die Kunstgelehrten gar das ganze Werk dem Rafael selbst abgesprochen und es einem Zeitgenossen und Nebenbuhler des großen Urbinaten, dem Sebastiano del Piombo, einem engen Freunde Michelangelos, zugeschrieben.
Wie dem auch sein mag, jedenfalls haben wir in unserem Bilde ein Meisterwerk aus der Blütezeit der italienischen Malerei vor uns, wohl werth der Bewunderung, die ihm gezollt wird.