Die Ahnung
Warum so trüb, gestrenger Herr?
Warum denn so allein?
Ihr schaut ja in das Abendroth,
Und nicht in’s Grab hinein! –
Mir deucht’s ein See von Blut;
Mir deucht’s ein weites Flammenmeer
In seiner dunklen Gluth.
„Und seht nur, wie es gierig sich
Und aus den Fenstern, aus den Höh’n
Mit Purpurzungen schlägt!“ –
Herr Pfalzgraf, ei! was fehlt Euch denn?
So sah ich Euch noch nie;
Erhitzte Fantasie! –
„Nicht Fantasie, mein Burgvogt, nein!
Ich fühl’s im Herzen tief,
Zur Wahrheit wird das Unglückswort
Mein edler Herr, Gott schütze Euch!
Ich kann Euch nicht verstehn;
Sprecht Ihr von böser Ahnung denn,
Habt Geister Ihr gesehn?
Und aß, wie stets, allein,
Da tönt der mitternächt’ge Schlag
Durchs Fenster dumpf herein.
Und wie der letzte Schall erstirbt,
Und eine Stimme, hohl und tief,
Ruft: „Wehe Pfalz! Weh’ dir!“[1]
„Ich hab in mancher heißen Schlacht
Den Tod schon angeschaut,
Vor seinem Ruf gegraut.
Doch dieser Stimme Grabeston
Die dreimal ich gehört,
Hat meinen Muth, hat meine Kraft,
„Es drang der Ruf aus jener Welt
Mir tief in’s Herz hinein –
Bald wird die schöne stolze Burg
Ein Scheiterhaufen seyn!“
Das Herz ward ihm zu schwer;
Das Leben war ihm öd’ und kalt,
Er lächelte nie mehr!
- ↑ „Dann wird’s mit der Pfalz bei Rhein verloren seyn! Was vor eine Menge von Truppen, was vor Lärmen und Gedränge!“ – Mit diesen Worten fuhr der kranke Kurfürst Karl eines Tages plötzlich aus dem Schlafe auf! Der bei ihm wachende Arzt erschrak darüber, aber nicht wegen des Inhalts der Worte – wie konnte er ahnen, welch traurige Weissagung sie enthielten? – Sichtbar schwanden von nun mit jedem Tage die Kräfte des Kurfürsten, und nach fünf Wochen um die Mittagszeit des 16. Mai 1685 erlosch sein abgezehrtes Leben.“
(S. J. Baader’s „Badenia,“ 1. Jahrg. S. 277.
Karls Tod – mit ihm endigte die Simmern’sche Linie des Pfälzischen Hauses – führte den Orleans’schen Krieg wegen der Pfälzischen Erbfolge herbei, der so verderblich für die Pfalz ward.