Die Alkoholvergiftung bei Kindern

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Textdaten
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Autor: C. Falkenhorst
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Titel: Die Alkoholvergiftung bei Kindern
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 186–188
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Alkoholvergiftung bei Kindern.

Ein Mahnwort an die Eltern. Von C. Falkenhorst.


Wie schade um den bedauernswerten Dr. N.! Er trinkt sich zu Grunde, er kann sein Amt nicht erfüllen, wir müssen ihn entlassen. Es ist geradezu schrecklich, daß ein gut veranlagter, hochgebildeter Mann sich so weit vergessen kann!“

So sprach eines Tages der Vorgesetzte des Mannes, der mir schon seit langer Zeit bekannt war und noch heute als ein trübes warnendes Beispiel in meiner Erinnerung fortlebt. Ich beurteilte ihn milder als die anderen Kollegen, denn ich konnte ein Geständnis nicht vergessen, das mir jener Gewohnheitstrinker einmal gemacht hatte, als ich, wie so viele andere, versuchte, ihn auf einen besseren Weg zu leiten. Es war bereits um eine späte Nachtstunde gewesen und wir saßen allein in der durch wenige Gasflammen düster erleuchteten Kneipe. Kollege N. trank weiter und lachte, als er meine Vorstellungen anhörte.

„Was willst Du denn?“ rief er zur Antwort. „Ich bin noch lange nicht betrunken. Ich trinke Dich, wenn Du willst, unter den Tisch. Und rede mir nicht von Enthaltsamkeit! Ohne mein Quantum Bier täglich kann ich nicht schlafen und ich bin wahrlich nicht schuld daran, daß es so gekommen ist. Du kennst das rauhe Waldland, aus dem ich stamme. Cognac und Malaga gelten dort als Heil- und Stärkungsmittel für kranke und schwache Kinder und so habe ich schon als Säugling in der Milch die ersten Tropfen des feurigen Spiritus gekostet. Er half mir über die böse Kindercholera hinweg. Vater und Mutter haben es mir frühzeitig gesagt, daß der Cognac mir das Leben gerettet hat. Und so oft ich später matt und schwach wurde, brachten mich einige Tropfen der großen Medizin auf die Beine. Als Knabe habe ich zur Stärkung zu Mittag mein Gläschen Bier getrunken; ich bin als Jüngling der Sitte treu geblieben und Vater und Mutter hatten nichts dagegen, daß mit den wachsenden Jahren auch das Maß und die Zahl der Gläschen größer wurden. Fürchte also nicht um mich! Ich kann schon einen tüchtigen Stoß vertragen, denn in guter Absicht bin ich zum Trinken erzogen worden!“

Kollege N. irrte sich. Das Gift war stärker als sein Körper, als er sich durch jenes Geständnis entschuldigte, war er bereits ein Trunkenbold und seine Angehörigen atmeten auf, als ihn eines Tages im Anfalle eines Säuferwahns der Tod dahinraffte. So oft ich aber an diesen verlorenen Menschen dachte, klang mir in den Ohren die schreckliche Erklärung. „Ich bin zum Trinken erzogen worden!“ Und um so schrecklicher kam sie mir vor, als ich deren Wahrheit nicht leugnen konnte und aus Erfahrung wußte, daß leider gar viele Eltern ihre Kinder aus Unwissenheit in guter Absicht zu Trinkern erziehen! Es ist ja eine wohlverbürgte Thatsache, die sich nicht wegleugnen läßt, daß in unsrer Zeit mit der Darreichung geistiger Getränke ein bedauerlicher Mißbrauch getrieben wird, daß das gewohnheitsmäßige Trinken der Kinder einen Krebsschaden bildet, der leider immer weiter um sich frißt. In dieser Hinsicht wurden in neuester Zeit von erfahrenen Aerzten geradezu betrübende Thatsachen enthüllt. Im Jahre 1891 hielt Professor Dr. Demme als Rektor der Universität Bern eine Rede „Ueber den Einfluß des Alkohols auf den Organismus der Kinder“. Als Leiter des Jennerschen Kinderhospitals konnte er diese Frage gründlich studieren; er teilte mit, daß er sieben Kinder behandeln mußte, die wegen schwerer Trunkenheit ins Hospital gebracht wurden! So leichtsinnig verfahren Eltern und Erzieher in der Verabreichung geistiger Getränke an [187] Kinder. Aehnliche Erfahrungen wurden auch in anderen Krankenhäusern gemacht. So wurde, um nur ein Beispiel zu erwähnen, in die Klinik des Professor v. Strümpell in Erlangen ein fünfjähriger Knabe wegen Lähmung beider Beine aufgenommen, ein seinem Alter entsprechend großes, normal entwickeltes Kind, allerdings von wenig gutem Ernährungszustande, geistig klug und lebhaft. Eines Tages knickte dieser Junge bei einem Spaziergange plötzlich zusammen und konnte einige Stunden lang die Beine nicht bewegen. Er erholte sich seitdem ein wenig, doch blieb ihm das Gehen unmöglich, da sich auch heftige Schmerzen in den Beinen einstellten, die bei jeder Berührung und besonders bei Bewegungsversuchen sich steigerten. Geistig aber befand sich das Kind ganz munter; es hatte auch Appetit. In der Klinik erkannte man diese Erscheinung bald als eine akute Nervenentzündung, die mit Schwund der zugehörigen Muskeln verbunden war; rätselhaft war aber die Entstehungsursache dieser Krankheit bei einem Kinde, während das Leiden bei Erwachsenen nicht selten ist.

Gleich bei der Aufnahme des Kranken war indes eine Aeußerung der Magd aufgefallen, daß der Bube vorher ganz munter gewesen, Appetit gehabt und „den ganzen Tag Bier getrunken habe!“ Nähere Nachforschungen ergaben nun, daß der Junge in der That schon seit seinem ersten Lebensjahre in der Gastwirtschaft seines Vaters nicht nur stets viel Bier, sondern auch viel Wein getrunken hatte. Der Vater selbst meinte, zwei Liter Bier hätte der Junge mindestens täglich getrunken. „Durst hatte er immer und Wasser konnten wir ihm doch nicht geben,“ entschuldigten sich die Eltern. Als äußeres Merkmal sprach für den übermäßigen Genuß geistiger Getränke die eigentümlich rote Nase des Kindes, die ganz an die bekannten roten Trinkernasen erinnerte. Es konnte somit kein Zweifel sein, daß es sich in diesem Falle um eine Nervenentzündung handelte, die durch den unerhörten Mißbrauch des Alkohols hervorgerufen wurde. Professor Tuczek aus Marburg berichtete in einem Vortrage, daß ein gleichfalls fünfjähriger Knabe, der von seinem Großvater regelmäßig mit Getreidekümmel gestärkt wurde, wegen Beinbruchs in ein Krankenhaus gebracht wurde und hier ein regelrechtes Delirium tremens oder Säuferdelirium bekam. Es giebt also unter den Kindern, noch ehe sie die Schule besuchen, schon Trunkenbolde! Sicher ist die Zahl derselben sehr gering, aber es ist beschämend, daß solche Verbrechen an Kindern überhaupt begangen werden. Ein derartiger, gewissenloser und offenkundiger Mißbrauch geistiger Getränke wird freilich überall verurteilt. Immerhin ist es aber nötig, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Vorkommen solchen Mißbrauchs zu lenken, damit die armen Opfer, die im frühesten Alter dem Moloch Alkohol preisgegeben werden, durch entschiedenes Eingreifen rechtzeitig vor Verderben gerettet werden.

In den soeben erwähnten Fällen wurden den Kindern große Mengen geistiger Getränke gegeben und die Folgen traten rasch in ihrer ganzen Abscheulichkeit zu Tage. Der Alkohol wirkt aber bei Kindern auf den ersten Lebensstufen auch dann verderblich, wenn er dauernd in geringen Mengen getrunken wird. Die Vergiftung des Körpers vollzieht sich alsdann langsam, schleichend, so daß der Schaden dem unkundigen Beobachter verborgen bleibt. Diese langsame Vergiftung unserer Kinder ist nun leider ungemein weit verbreitet; sie wird in allen Ständen von Reich und Arm, Hoch und Niedrig, wenn auch in verschiedener Form geübt. Der arme Tagelöhner, der seinem Kinde, wie er meint, kein Brot kaufen kann, stärkt es durch einen Schluck Schnaps auf den Schulweg, bei Bemittelten findet man nicht selten eine verhängnisvolle Sorglosigkeit in der Verabreichung von Wein und Bier an die kleinen Tischgenossen der Erwachsenen. Die Kinder bekommen allerdings niemals soviel, daß sie sich berauschen; es ist aber wohl die Frage zu erörtern, ob ihnen selbst geringere Mengen Alkohols bekömmlich sind.

In weitesten Kreisen wird diese Frage im bejahenden Sinn beantwortet. In Krankheiten pflegen ja die Aerzte Kindern Cognac oder Wein zu verschreiben, lassen schwache oder nach einer Krankheit genesene Kinder Bier trinken; es unterliegt also keinem Zweifel, daß der Alkohol ein Stärkungs- und Heilmittel für die Kleinen sein kann. Und darum geben die Eltern ihren Kindern diese Medizin, die überall ohne Arzt und Apotheker zu beschaffen ist; freilich wissen sie dabei nicht, daß sie nur zu oft zu unrechter Zeit und am unrechten Orte herumkurieren, und daß der Arzt nur in ganz bestimmten Krankheiten und während ganz kurzer Zeit dieses Heilmittel anwendet.

Professor Demme wies in seiner oben erwähnten Rede die Schädlichkeit der Darreichung alkoholischer Getränke auch in geringeren Mengen an Kinder aufs schlagendste nach. Was zunächst das zarte Kindesalter anbelangt, so ist hervorzuheben, daß schon ein geringer Zusatz von Alkohol zu der gewöhnlichen Nahrung die Verdauung beeinträchtigt. Gerade durch den beliebten Zusatz von einigen Tropfen Cognac zur Milch werden bei den Kleinen häufig schwer heilende Magen- und Darmkatarrhe erzeugt, welche unter Schwellung der Drüsen zu fortschreitendem Gewichtsverlust und, falls der Alkohol nicht ausgesetzt wird, zu unaufhaltsamem Verfall der Kräfte führen.

Am bedeutungsvollsten sind aber bei Kindern auch des vorgeschritteneren Alters die schweren Störungen, welche durch frühen Alkoholgenuß in den Bethätigungen des Nervensystems erzeugt werden. Wie empfindlich das kindliche Gehirn gegen die Alkoholvergiftung ist, beweisen Fälle schwerster Erkrankungen nach einem einmaligen Rausch. So hatte z. B. ein zehnjähriger Knabe bei einem Taufessen zuviel des Weines getrunken und unmittelbar auf den Rausch entwickelte sich bei ihm eine epileptische Erkrankung, die unheilbar blieb. Prof. Demme hat ferner berichtet, daß ältere Kinder, die regelmäßig kleine Mengen Wein oder Bier tranken, am Veitstanz erkrankten und erst dann gesund wurden, als man ihnen den Alkohol völlig entzog. Natürlich ist die Reizbarkeit der vermiedenen Konstitutionen eine sehr verschiedene, aber der Nachweis solcher Thatsachen legt die Vermutung nahe, daß auch leichtere nervöse Störungen, die wir gewöhnlich als Nervenschwäche oder Nervosität bezeichnen, durch frühzeitigen Alkoholgenuß erzeugt werden können. Und in der That konnte sich Demme durch ärztliche Nachfrage und Beobachtung überzeugen, daß ein großer Teil der früh nervös gewordenen Schüler zu denjenigen gehörte, die von ihrer ersten Kindheit an aus dem Alkoholgenusse nicht herausgekommen sind.

Sehr lehrreich ist ferner das Ergebnis eines Versuches, der mit mehreren Knaben im Alter von 10 bis 15 Jahren angestellt wurde. Man wollte sich dabei überzeugen, ob ein mäßiger Weingenuß die Arbeitsenergie der Knaben in der Schule und zu Hause zu steigern vermöge oder aber dieselbe herabsetze und zu rascherer Ermattung und Erschlaffung des Geistes und des Körpers führe. Die Menge des zur Mittags- und Abendmahlzeit dargereichten leichten Tischweines betrug für die jüngeren Knaben etwa 70, für die älteren 100 Kubikcentimeter. Der Wein wurde stets mit Wasser vermischt und im Verlaufe der Mahlzeit getrunken. Diese Versuche wurden gewissenhaft während anderthalb Jahren in der Weise ausgeführt, daß stets mehrere Monate des erwähnten Weingenusses mit mehreren Monaten der Enthaltung und zwar unter möglichst gleichmäßiger Berücksichtigung der Jahreszeiten wechselten. Der Erfolg war der, daß die Knaben während der Perioden des Weingenusses den Eltern matter, schläfriger, weniger zur geistigen Arbeit aufgelegt erschienen und daß namentlich ihr Schlaf unruhiger, häufiger unterbrochen und deshalb weniger ausruhend und erquickend war.

Seit dem Auftreten Prof. Demmes haben auch andere Aerzte ihre Erfahrungen über die Darreichung geistiger Getränke an Kinder ausgesprochen und immer entschiedener wurde die Ansicht laut, daß es sich dringend empfehle, namentlich nervöse Kinder in voller Enthaltung von Wein, Bier oder gar Branntwein zu erziehen. In dankenswerter Weise hat auch der „Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke“ zur Klärung dieser Frage beigetragen. Sein Vorstand hat unter Sachverständigen Umfrage gehalten und von 66 zumeist hervorragenden Aerzten und Schulmännern sehr wertvolle Antworten erhalten, die von Dr. Wilh. Bode als Flugblatt unter dem Titel „Zum Schutz unserer Kinder vor Wein, Bier und Branntwein“ (Hildesheim, Gebr. Gerstenberg) herausgegeben wurden. Fast einstimmig wird da der gewohnheitsmäßige Genuß von Bier und Wein bei Kindern mit oder zwischen den Mahlzeiten nicht nur für überflüssig, sondern für schädlich gehalten, ja vielfach wird sogar der Wunsch ausgesprochen, daß auch die Anwendung des Alkohols als Medizin bei Kindern selbst von seiten der Aerzte eine Einschränkung erhalten möchte. So bemerkt Prof. Dr. Binswanger (Jena). „Mit großer Freude hat mich Ihre freundliche Mitteilung erfüllt, daß Sie weitere Kreise unseres deutschen Volkes über die schädlichen Folgen des frühzeitigen Alkoholgenusses aufklären wollen. Ich kämpfe schon seit Jahren durch mündliche Belehrung in meinen klinischen Vorlesungen und in ärztlichen Vereinen, sowie durch meine Wirksamkeit am Krankenbett gegen die unheilvolle Unsitte, nervösen, d. h. in der Entwicklung ihres [188] Nervensystems zurückgebliebenen Kindern die mangelnde Kraft und Leistungsfähigkeit durch Alkohol ersetzen, die gesteigerte Erregbarkeit des Centralnervensystems (Schlaflosigkeit, Muskelkrämpfe, Zittern u. s. w.) auf gleichem Wege betäuben zu wollen. Es wird nur das Gegenteil erzielt. die Kinder werden widerstandsloser gegen alle psychischen und körperlichen Reize, die Ermüdbarkeit und krankhafte Erregbarkeit werden gesteigert und das Ende vom Liede ist immer, falls nicht rechtzeitig diesen verkehrten Heilbestrebungen Einhalt gethan wird, die Züchtung von Neurasthenikern, Alkoholisten, und Morphinisten. Gesunde Kinder brauchen selbstverständlich weder Bier noch Wein.“

Ein anderer hervorragender Irren- und Nervenarzt, Prof. Dr. August Forel, führt aus, nachdem er die schädlichen Wirkungen des Alkoholgenusses nach vieljährigen ärztlichen und wissenschaftlichen Erfahrungen festgestellt hat. „Das selbst beim Erwachsenen saftreiche weiche menschliche Gehirn mit seinen Millionen mikroskopisch kleiner Zellchen und Fäserchen ist beim Kinde der zarteste und feinste Organbau, den man sich vorstellen kann. Alles, was denselben in der Kindheit stört, stört aber nicht nur seinen gegenwärtigen Zustand, sondern hemmt seine Entwicklung und somit diejenige aller geistigen Fähigkeiten des Gemütes, des Willens, der Intelligenz, der Ethik und Aesthetik. Die Gewohnheit, den Kindern Wein und Bier zu geben, ist somit eine ganz verderbliche Sitte, die nicht nur dem Kinde viel schadet, es träge, reizbar, nervös u. s. w. macht, sondern auch seine ganze geistige Entwicklung beeinträchtige. So wird der Keim für spätere Trunksucht, Nervosität und Psychopathie gelegt, sowie dadurch eine allgemeine soziale Entartung hochgradig gefördert, gegen welche wir so wie so schwer genug zu kämpfen haben.“

Die Pädagogen betätigen die Erfahrungen der Aerzte. Kinder, die regelmäßig größere Mengen alkoholischer Getränke genießen, gehören sehr oft zu den schläfrigsten untüchtigsten Schülern und dabei wird auch der sittliche Charakter der Kinder durch dieses Gift verdorben. Sehr befremdliche Enthüllungen macht u. a. Wilh. Siegert, Lehrer in Berlin. „Von meinen Schülern,“ schreibt er, „bringen stets mehrere Wein zum zweiten Frühstück mit. Während der Cholerazeit im Jahre 1892 genossen einzelne, meiner Schüler Quantitäten Cognacwasser und Rot- oder Portwein, die vollauf genügt hätten, mich betrunken zu machen. Und solch ein Kerlchen, das sich regelmäßig zum zweiten Frühstück ein Räuschchen antrinkt, soll geistig frisch und körperlich widerstandsfähig sein!“

Dr. Smith, Besitzer und Leiter einer Trinkerheilanstalt, ist der Ansicht, „daß bei den meisten Menschen die Grundlage des späteren Alkoholismus schon im frühesten Kindesalter gelegt worden ist.“ So zeigt beispielsweise die Statistik seiner Anstalt bei fast allen mit Trunksucht zur Behandlung kommenden Damen, daß dieselben als Kinder, an irgend einer Krankheit leidend, meist schwere Weine wie Tokayer u. a. verordnet bekamen; was der Arzt verordnet hatte, thaten die Eltern später eigenmächtig, um dem Kinde wieder Kraft zu gebend das Kind blieb fast immer bleichsüchtig und schwach und mußte immer mehr Wein bekommen, bis im eigenen Haushalte nach der Verheiratung ohne jede Schranken getrunken wurde und weitgehende organische und psychische Störungen schließlich die Anstaltsbehandlung erforderlich machten.

Und auch diese Bedauernswerten konnten sagen. „Ich bin in guter Absicht zum Trinken erzogen worden!“

Unsere Darstellung hat gezeigt, wie die „gute Absicht“ der Eltern, die stärkende Wirkung des Alkohols ihren kleinen Lieblingen zuzuwenden, in verhängnisvollster Weise in ihr Gegenteil umschlagen kann. Es erscheint so harmlos, das Gläschen Wein oder Bier, das man bei Tisch auch schon kleinen Kindern gewährt, aber in vielen Fällen kann es doch zum Giftbecher werden! Gerade weil die anregende Wirkung dieser Getränke sie zu allgemein beliebten Genossen der festlichen Stunden gemeinsamer Erholung auch in der Familie hat werden lassen, ist die ernste Mahnung, welche aus den oben mitgeteilten ärztlichen Gutachten spricht, mit vollem Nachdruck von jedem geltend zu machen, der auf das wahre Wohl der heranwachsenden Jugend bedacht ist.