Die Altenburg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
<<< >>>
Autor: Alois Wilhelm Schreiber
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Altenburg
Untertitel: {{{SUBTITEL}}}
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 214–216
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[214]
Die Altenburg.

Anderthalb Stunden von Baden-Baden, an der Heerstraße, wo die Ebene gegen das Gebirg anzusteigen beginnt, lag vor Zeiten die Altenburg, von welcher nichts mehr vorhanden ist, als ihr Name, den jetzt ein Hofgut trägt, welches wahrscheinlich aus den ehemals zur Burg gehörigen Ländereien entstanden. Das Geschlecht der Edeln von Altenburg, die hier ihren Wohnsitz hatten, mag bald nach dem dreißigjährigen Krieg erloschen seyn. Kaspar von Altenburg, der Letzte seines Namens, verlobte sich noch als Jüngling mit einem schönen, aber armen Fräulein aus der Gegend, brach jedoch später sein ihr verpfändetes Wort und ehelichte statt ihrer eine junge vornehme und reiche Wittwe. Darüber grämte sich die arme, um [215] ihr ganzes Lebensglück Betrogene so tief, daß sie in eine schwere Krankheit fiel, von der sie zwar wieder so ziemlich genas, aber nur, um dem Grabe desto langsamer entgegen zu gehen.

Kaspar’s Ehe schien dessen ungeachtet eine glückliche: seine Frau gebar ihm vier Söhne und eine Tochter; er war mit Gütern aller Art gesegnet und die Vergangenheit störte nicht im Geringsten die Ruhe seines Gewissens. Nur eines Tages schwebte plötzlich das Bild seiner verlassenen Geliebten vor seiner Seele, ohne daß er sich zu erklären wußte, wie es in seine Gedankenreihe gekommen. Da meldete man ihm einen Franziskanermönch, der sodann mit ernster, fast trauriger Miene in das Gemach trat. „Herr Ritter!“ begann er – „ich komme als Bote von einem Sterbelager, wo ich zum letzten schweren Gang eine Jungfrau eingesegnet habe. Sie war ehemals Eure Braut und Ihr habt sie um einer reicheren Heirath willen schnöde verlassen und mit den Blüthen ihres Herzens auch die ihres Lebens geknickt. Doch ich bringe Euch die Verzeihung der Sterbenden, aber auch ihre fromme Bitte: Euch mit Eueren Gedanken von den weltlichen Dingen ab und zu Gott zu wenden, denn Eurer warten nunmehr große Trübsale und Ihr werdet der Letzte Eures Namens seyn.“

„Wohl bin ich mir bewußt,“ – erwiederte der Ritter mit zu Boden gesenkten Blicken – „unrecht an der Jungfrau gehandelt zu haben, die meiner noch so liebevoll verzeihend in ihrem letzten Stündlein gedachte, allein,“ – fuhr er, mit erzwungenem Lächeln wieder zu dem Mönche aufsehend, fort – „ihre Prophezeihung vermag mich nicht zu schrecken; blühen mir ja doch vier lebensfrohe, gesunde Knaben.“

„Die Sterbenden sehen oft helle!“ – versetzte der Mönch in feierlichem Tone und beabschiedete sich.

Der Ritter konnte sich keineswegs einer bangen Ahnung erwehren, doch er suchte sie mit dem Troste von sich zu verscheuchen: Wenn mir auch der Himmel zwei oder drei meiner Söhne hinwegnimmt, so wird er doch so gnädig seyn, mir noch Einen zu lassen, auf daß in ihm der Name der Altenburger sich forterbe. Noch hing er diesem Gedanken nach, als ein Diener mit der Schreckenspost eintrat: der jüngste Knabe sey im Schloßgarten in den Teich gefallen, da habe ihm der drittälteste Bruder [216] Hülfe leisten wollen, sey aber auch in das Wasser gestürzt und so hätten Beide ihren Tod darin gefunden.

Am Morgen darauf fand man die beiden ältern Brüder zerschmettert in ihren neben einander stehenden Betten liegen. Ein Theil der Zimmerdecke war über ihnen eingestürzt.

Jetzt erst bohrten sich die Stacheln des Gewissens tief in das Herz des schwergeprüften Vaters. Er legte sich die härtesten Bußübungen auf, theilte reichliche Almosen aus und versagte sich die unschuldigsten Freuden des Lebens. Nur Eine Hoffnung war ihm noch geblieben: sein Töchterlein, welches auch wirklich frisch und gesund heranwuchs. Sein und seiner auch bußfertig gewordenen Gattin tägliches Gebet war nun: „Gerechter Gott im Himmel! nur dieses noch einzige Kind lass’ uns!“ – Ihr Gebet schien auch erhört zu werden. Bertha – so hieß das Mädchen – überlebte sie Beide; sie war achtzehn Jahre alt, als ihre Eltern starben, aber das Schicksal ihres Hauses hatte eine solche Schwermuth in ihrem Herzens erzeugt, daß ihre Lebenskraft sich darunter allmählig verzehrte. Sie warf sich in die Arme der Religion und wählte zum Beichtvater einen Mönch aus Baden. Dieser beredete sie, ehelos zu bleiben und die Güter von Altenburg seinem Kloster zu vermachen. So geschah es auch und nach ihrem bald darauf erfolgten Tode traten die Väter der Gesellschaft Jesu in den Besitz der reichen Ländereien.

(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden“ etc.)