Die Bouquetbinderei in Erfurt

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Titel: Die Bouquetbinderei in Erfurt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 854–856
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Bouquetbinderei in Erfurt.

Es ist für das sinnige Gemüth ein großes Vergnügen, zu beobachten, wie ein erster unvollkommener Versuch, dem Bedürfnisse oder dem Luxus einen neuen Gegenstand des Verlangens zu bieten, die Mutter immer größerer Erfolge und immer höherer Ziele wird, wie dieser Gegenstand, einmal von der Speculation erfaßt und folgerichtig entwickelt, seiner Bestimmung mit jedem Tage mehr entspricht, und wie endlich der feine Geschmack die letzte Hand an ihn legt, um ihn in seiner Art zu etwas Vollkommenem zu machen. Aus den ersten schwachen Anfängen bildet sich eine neue Industrie heraus, wie der schatten- und fruchtreiche Baum aus dem winzigen Samenkorne.

Dieses Vergnügen, der allmählichen Entwickelung einer Industrie nachzugehen, ist natürlich um so größer, je näher der Beobachter ihren Ausgangspunkten gestanden. So wird derjenige Blumenfreund, der sich der ersten unbedeutenden Anfänge der Bouquetfabrikation erinnert und im September dieses Jahres in der Erfurter Ausstellung die Fülle und ästhetische Vollendung der Erzeugnisse derselben zu bewundern Gelegenheit hatte, in den zu beiden Seiten des Portals gelegenen Hallen ein doppeltes Interesse an diesem Industriezweige gewonnen haben.

Blumen bildeten wahrscheinlich den ersten und zugleich den natürlichsten Schmuck der Töchter Evas. Im Alterthume bekränzten sich die Gäste beim fröhlichen Mahle, ebenso die Opfernden; auch die Todten, die Mischkessel und die Becher bei Trinkgelagen wurden bekränzt, sowie bei besonderen Gelegenheiten Götterbilder, Häuser, Schiffe etc. In blüthenarmen Monaten wurden aus der Ferne Blumen, insbesondere Rosen, oft zu ungeheuren Preisen bezogen, und im alten Rom waren die Blumenmädchen für das Colorit des Straßenverkehrs ebenso charakteristisch, wie im modernen Paris.

Die Vergänglichkeit der Blumen führte wahrscheinlich schon früh zu dem Gedanken, dieselben bei der Bereitung von Kränzen und ähnlichen Gegenständen, denen man eine längere Dauer zu geben wünschte, durch Kunstblumen zu ersetzen, wie solche noch heute auf Damenhüten prangen. Dergleichen aus Seide, Papyrus oder aus anderen Stoffen gefertigte Blumen hat man nicht selten in Mumiensärgen aufgefunden.

Nicht minder wahrscheinlich ist es, daß schon in früheren Jahrhunderten die Aufmerksamkeit der Kranzbinder auf gewisse Blumen gelenkt wurde, die wegen der trockenen Beschaffenheit ihrer Blätter eine längere Dauer verhießen. Da aber bei der geringen Zahl von Arten der Formen- und Farbenkreis, in dem sie sich bewegen, ein sehr enger ist, so machte man von ihnen wohl nur einen beschränkten Gebrauch. Erst in neuerer Zeit kam man darauf, diesen Trockenblumen auf künstlichem Wege mannigfaltigere und lebhaftere Farben zu verleihen, und dadurch wurden sie und die aus ihnen bereiteten Kunstgebilde zum Gegenstande einer lebhaften Industrie und eines gewinnreichen Handels erhoben.

Wir geben gern zu, daß ein Strauß ausgetrockneter Blumen nichts anderes bedeuten kann, als ein Ersatzmittel für die frisch gepflückten duftigen Kinder des Frühlings. Aber jedes Surrogat, das für den von ihm vertretenen Artikel in Zeiten eintritt, in denen man diesen selbst nicht haben kann, ist zur Existenz vollberechtigt, und den Werth eingemachter Pfirsichen und getrockneter Kirschen lernt man erst in denjenigen Monaten schätzen, in denen die Natur uns frische Früchte versagt.

Als die wichtigsten unter den Materialien, mit denen die Bouquetbinderei arbeitet (wenn wir von frischen Blumen absehen), sind die Immortellen zu bezeichnen. Hierunter versteht man die schon erwähnten, der natürlichen Pflanzenfamilie der Compositen angehörigen Blumen, bei denen die Hüllkelchblätter des Blüthenköpfchens von trockenhäutiger und selbst rasseldürrer Beschaffenheit sind. Durch letztere ist ihnen, wenn sie kurze Zeit vor ihrer vollkommenen Ausbildung sammt den Stielen abgeschnitten und im Schatten getrocknet werden, eine mehr oder weniger lange Dauer gesichert; jener Name charakterisirt sie als Unverwelkliche, Unsterbliche.

Eine in unseren Gärten sehr häufig cultivirte Pflanze ist die Strohblume. Die Blumen der Stammform sind goldgelb, bei einigen ihrer Varietäten goldbraun, rosa oder purpurroth, und je intensiver diese Färbung ist, desto höher werden sie geschätzt, besonders wenn sie gefüllt, das heißt wenn mehrere Reihen der Hüllkelchblätter kräftig entwickelt sind. Durch Behandlung mit Säuren wird die Lebhaftigkeit der natürlichen Farben bedeutend erhöht. Die Blumen der weißblühenden Varietät aber werden verschiedenartig gefärbt.

In derselben Weise verfährt man mit der Papierblume, die für diesen Zweck gleich der Strohblume in vielen zum Theil dicht gefüllten Spielarten in Menge erzogen wird. Auch der ursprünglich weißen Blume der sogenannten Sand-Immortelle, einer neuholländischen Composite, versteht man die mannigfaltigsten Färbungen zu geben, wozu man sich meistens der Anilinfarben bedient; wir wollen jedoch nicht behaupten, daß diese Art von Schönfärberei immer ein angenehm in das Auge fallendes Product zu Tage fördert.

Eine andere für die Bouquetbinderei gern verwendete, jedoch nicht zu den Compositen gehörige Blume ist der Kugelamaranth. Hier ist es jedoch nicht die Blumenkrone, welche seine Schönheit ausmacht, ebenso wenig der winzige Kelch, sondern es sind die trockenhäutigen Deckschüppchen, welche den Kelch einhüllen und dem Blüthenköpfchen eine glänzend violette Farbe verleihen.

Zwei ausgezeichnet charakterisirte immortellenartige Blumen sind in Anbetracht ihres frischen Rosacolorits die nur in Haideboden gedeihende Rhodante Manglesii und das robustere Acroclinium roseum mit ihren zum Theil dicht gefüllten Formen, jene in Australien, diese in Texas einheimisch, beide aber außer einigen anderen Arten in den Blumistengärten und für die Zwecke der Bouquetbinderei häufig und in großer Menge gezogen.

Das wichtigste aber aller Materialien dieser Art ist ohne Zweifel die eigentliche Bouquet-Immortelle, welche im südlichen Frankreich, nicht fern von der Seeküste, in Massen gezogen wird und fast verwildert ist. Sie ist für die Bouquetbinderei um so werthvoller, als die Blumen kleiner und zierlicher gebaut sind, als die meisten übrigen Blumen dieser Kategorie, und deshalb ist sie zur Verwendung für Bouquets von kleineren Dimensionen wohl geeignet. Doch hat sie keine strahlenartig ausgebreiteten Kelchschuppen, wie die Strohblume. Diese Immortellenart wird jährlich in vielen Tausenden von Bunden in Deutschland eingeführt. Man bereitet sie für die Färberei vor, indem man sie mit kochendem Wasser überbrüht und sie dadurch eines Theiles ihres gelben Farbstoffes beraubt, oder man giebt ihr durch ein Chlorbad eine klare, weiße Farbe, wenn sie nicht gefärbt werden soll.

So ist nun in diesen und anderen immortellenartigen Blumen für die nöthige Mannigfaltigkeit der Farben ausreichend gesorgt, dagegen leiden sie an einer nur zu sehr in die Augen fallenden Übereinstimmung der Form, denn fast alle sind sie Compositen mit oder ohne Strahl.

Man sah sich deshalb bald genöthigt, das Material durch abweichende Blüthenformen zu vervollständigen. Es konnte dies aber nur dann geschehen, wenn es gelang, die Blumen dergestalt zu trocknen, daß allen ihren Theilen nicht nur mehr oder weniger ihr natürliches Colorit, sondern auch, zumal den Blumenblättern, die ihrem Gewebe eigenthümliche Spannung erhalten blieb.

Durch das Verfahren, nach welchem Pflanzen zur Aufbewahrung in Herbarien vorbereitet werden, war dieses Ziel nicht wohl zu erreichen, wohl aber dadurch, daß man die Blumen unter naturgemäßer Ausbreitung ihrer Theile in staubfreien Quarzsand (in einzelnen Fällen auch in Sägemehl) einschichtete und unter Glas und unter der Einwirkung der Sonnenwärme oder in einem mäßig erwärmten Raume langsam trocken werden ließ. – Nach vielen erfolglosen Versuchen fand man endlich auch die Mittel, die natürlichen Blüthenfarben zu befestigen oder unscheinbar gewordene wieder zu beleben. Aber es ist natürlich, daß das zu erzielende Product um so schöner ausfällt, je sorgfältiger die Blumen beim Trocknen, Schwefeln, Beizen etc. behandelt werden, Operationen, bei welchen, wie es scheint, jede Bouquetbinderei besondere Vortheile in Anwendung zu bringen weiß. Wir haben getrocknete Blumen gesehen, welche an Lebhaftigkeit des Colorits wie an natürlicher Haltung frisch abgeschnittenen Blumen in keiner Weise nachstanden, freilich auch andere, welche an eingeschrumpfte, mißfarbige Mumien erinnerten.

[855] Von künstlich getrockneten Blumen findet man mit Vorliebe verwendet: Pensées, Pelargonien, Rosen, Malven, Päonien, gefüllte Granaten, Rittersporn, Gartenwinden und Nelken, sodann wieder eine ganze Reihe der unvermeidlichen Compositen, wie gefüllte Zinnien, Astern, Marienblümchen, Kornblumen, Ringelblumen, Georginen, Wucherblumen, die niedliche Sanvitalia procumbens und viele andere.

Während in dem Bouquetmaterial mehrere Moosarten unserer Wälder, insbesondere das gemeine Astmoos, denen man verschiedene Nüancen zu geben versteht, die wichtige Rolle übernehmen, in den Gebilden der Bouquetbinderei an die Stelle des Laubes zu treten, Leerräume auszufüllen und die einzelnen Blumen auseinander zu halten, ist den Gräsern die nicht minder wichtige Aufgabe zugewiesen, zu lockern und die Contouren des Bouquets, des Kranzes etc. in angenehmer Weise zu unterbrechen, je lockerer aber, zierlicher und leichter ihre Aehren und Rispen gebildet sind, desto besser sind sie dieser Aufgabe gewachsen, und je geringer die Dimensionen eines solchen kleinen Kunstgebildes sind, desto luftiger muß die zur Lockerung gewählte Grasart sein. Diesem Zwecke entsprechen in ausgezeichneter Weise mehrere Straußgräser, wie Agrossis nebulosa und pulchella, deren niedliche, zu einer Rispe vereinigte, von haarfeinen Stielchen getragene Aehrchen wie leichter Nebel über der Blüthenfläche schweben, und die Rasenschmiele, deren Rispen an zierlichem Habitus und an Eleganz diesen Straußgräsern kaum nachstehen.

Diesem Material schließen sich die Blüthenrispen einiger nicht zu den Gräsern zählender Gewächse an, die der weißblühenden Hainsimse und des rispigen Gypskrautes, einer im Süden einheimischen, aber bei uns mit Erfolg cultivirten Staude.

Kaum minder elegant als die oben genannten Grasarten ist das Zittergras unserer Wiesen, dessen reizend gebildete Aehrchen gleich an Fäden ausgehängten Glöckchen durch den leichtesten Windhauch in Bewegung gesetzt werden, und das auch auf den Kalkhügeln Thüringens vorkommende Federgras, das in Ungarn Waisenhaar genannt wird und einen charakteristischen Zug der Pußtenpoesie bildet; dasselbe wird wegen der wehenden, zartfederigen, silberweißen Grannen der Blüthenspelzen für große Bouquets häufig benutzt und verleiht ihnen eine unnachahmliche Leichtigkeit und Grazie.

Dem Zittergrase in manchem Betracht ähnlich ist die Zittergras-Trespe, doch sind die rispig geordneten Aehrchen massiger und so schwer, daß sich die Rispenäste in graziösen Bogen abwärts neigen. Diese und viele andere Grasarten verschiedenen Charakters kommen entweder blos getrocknet und so, wie die Natur sie gegeben (naturell), oder gebleicht oder auch künstlich mit zarten oder lebhaften Farben ausgestattet zur Verwendung. Bisweilen werden diese Grasarten für sich, ohne Laub und Blumen, zur Ausstattung von Vasen benutzt.

Hiermit haben wir den Haupttheil des Materials zusammengestellt, aus welchem die verschiedenartigsten Kunstgebilde bereitet werden, welche Jahr für Jahr, hauptsächlich zur Herbstzeit, als wandernder Frühling in unglaublicher Menge nach allen Gauen Deutschlands, nach Oesterreich, Rußland, selbst nach Amerika an Händler versandt werden, Bouquets, Blumenkörbe, Blumenampeln, Blumentische, Tafelaufsätze, Geburtstags- und Trauerkränze, sowie Kreuze, Anker und Kronen als Symbole der Hoffnung, „die der Mensch noch am Grabe aufpflanzt“.

Wenngleich die Bouquetbinderei so wenig, wie die Anzucht und Bereitung des Materials sich auf Erfurt beschränkt, so giebt es doch keine andere Stadt Deutschlands, von welcher diese Artikel so massenhaft ausgeführt werden, wie von dieser. Dieser Industriezweig ist somit für jene Stadt in sofern von Wichtigkeit, als viele arbeitslustige Hände in ihm Beschäftigung finden beim Aufsuchen wildwachsender und beim Sammeln cultivirter Gräser, beim Schneiden und Trocknen der Blumen, beim Befestigen derselben an Draht und beim eigentlichen künstlerischen Arrangement, das schon eine mehrjährige Beschäftigung mit diesen Gegenständen, entwickelten Farbensinn und Geschmack voraussetzt.

Meistens sind es junge Mädchen, denen die verschiedenen Zweige der Bouquetbinderei anvertraut werden, und mit Recht, denn es bedingt ja die zartere Organisation des schönen Geschlechtes – und zu diesem rechnen sich ja auch wohl die Blumenmädchen – eine höhere Empfänglichkeit für sinnliche Eindrücke aus dem Gebiete des Schönen und darum ein feineres und unmittelbares Urtheil über Sachen des Geschmacks, während die meisten Männer erst auf dem Umwege der Reflexion zu einem solchen gelangen. Ueberdies ist das Gemüth des Weibes bei jenen Blumenarrangements unendlich mehr interessirt, als das des Mannes; Ballbouquet, Haarputz, Brautkranz – wie viel ahnungsvolles Herzklopfen, wie manche Paradieshoffnung, aber auch wie manche herbe Täuschung knüpft sich an diese kleinen Kunstgegenstände!

Die jungen Mädchen, welche in der Bouquetbinderei ihren Erwerb suchen, entstammen zwar fast ohne Ausnahme ärmeren Familien und entbehren daher selbstverständlich einer besonderen Bildung, dennoch eignen sie sich bald die nöthigen technischen Fertigkeiten, und die Begabteren durch mehrjährige Uebung meistens auch das an, was man feinen Geschmack nennt. Die geschmackvollsten Gegenstände dieser Art aber haben wir in der Hand von Damen mit echter Bildung entstehen sehen, von denen man annehmen durfte, daß ihr Herz noch im Vollgenusse des Jugendglückes und in poesievoller Weltanschauung schlüge. Ohne sich der Regeln der Kunst bewußt zu sein, schafft ihre Hand, gehoben durch ein sinniges Gemüth und ein fein organisirtes Auge, oft vollendet Schönes.

Der am meisten begehrte Artikel der Blumenbinderei ist ohne Zweifel das Bouquet. Man hat von demselben verschiedenartige Formen, je nachdem sie in Vasen gesteckt, in der Hand oder am Herzen getragen werden sollen. Leider aber sieht man in den Blumenläden nicht gar selten mißglückte, ja wahrhaft monströse Gebilde dieser Art. Die Kunst nimmt ihre Vorbilder aus der Natur; diese allein ist ihre erste und reinste Quelle. Es wird somit auch die Bouquetbinderei ihre Modelle in der Natur suchen müssen und findet sie in den zusammengesetzten Blüthenständen, den Cymen oder Doldensträußen, den Rispen, den wirklichen Dolden und anderen mehr oder weniger regelmäßigen Blüthenständen. Aber alle diese Blüthenstände bauen sich graziös und locker auf und lassen in ihren Zwischenräumen das Spiel des Lichtes und des Schattens zu. Betrachten wir dagegen die Bouquets, wie sie von manchen vermeinten Blumenkünstlern componirt werden, so finden wir in ihnen nichts weniger, als den Anschluß an die Natur, indem sie, abgesehen von den Contouren, eine festgeschlossene Blumenmasse darstellen, welche geradezu unschön und geschmacklos ist. Was aber die Zusammenstellung des Materials und seiner Farben anlangt, so leidet sie zu oft an Buntscheckigkeit und zu auffallender Regelmäßigkeit, die sich bisweilen sogar bis zur Darstellung concentrischer Ringe und sonstiger geometrischer Figuren, selbst bis zur Wiedergabe von Namenszügen. Wappen etc. versteigt. Letzteres allerdings auf Bestellung, wogegen sich ja selbstverständlich nichts einwenden läßt.

In neuerer Zeit verwendet man für Bouquets viele Kunstblumen und zur Anfertigung der letzteren bisweilen die heterogensten Dinge. Vor einer Reihe von Jahren waren in Paris in Folge des ungünstigen Sommers im darauf folgenden Winter Blumen selten und theuer. Zur Deckung des Bedarfes wurden unter Anderem Rüben zu Hülfe genommen, die sich unter geschickten Händen in reizende blumenartige Gebilde umwandelten. Kamellien wurden so täuschend aus dem weichen Material geschnitzt, Blättchen für Blättchen und so genau in Übereinstimmung mit der Natur, daß selbst ein im Anschauen solcher Blumenformm geübtes Auge getäuscht werden konnte. Diese Rübenblumen befestigte man an das Ende junger Zweige des Kirschlorbeers, welche in einiger Entfernung jungen Kamellienzweigen ähnlich sehen.

Welche Vollendung man aber in neuester Zeit Kunstblumen aus Seide oder ähnlichen Stoffen zu geben weiß, davon zeugten in der erwähnten Ausstellung zwei mit solchen Gebilden gefüllte Körbe, welche allgemeine Bewunderung hervorriefen.[1] – Wie hoch sich in Erfurt der Export von Erzeugnissen der Blumenbinderei beziffert, der hauptsächlich durch die Firmen N. L. Chrestensen, G. A. Schmerbitz und J. C. Schmidt repräsentirt wird, läßt sich auch nicht einmal annähernd angeben.

Die Unterhaltung eines solchen Ateliers erfordert aber nicht allein mancherlei Vorrichtungen zum Trocknen, Färben, Beizen und Schwefeln der betreffenden Pflanzentheile, sondern auch die Beschaffung der verschiedenartigsten Hülfsmittel, wie Kranzreifen, Gefäße und Gestelle für die zahlreichen Formen der Erzeugnisse der Binderei, Blumenkästchen und Körbchen aus allerlei Material, [856] Weiden-, Draht-, Stroh- und Rohrgeflecht, Porcellan, Terracotta etc., in einer reichen Auswahl von Mustern. Vor Allem wichtig aber ist die Manchette, welche, wie der Kelch die Blume, die Rückseite des Bouquets zu umfassen, während der Bouquethalter die zusammengebundenen Stiele, den Stengel des Bouquets, zu verhüllen bestimmt ist.

Wie groß aber auch bei den Manchetten die Mannigfaltigkeit der Muster und Stoffe ist, aus denen sie gefertigt werden – Papier, Gold- und Silberpapier mit oder ohne durch Farbendruck hergestellte Madaillons, Tarlatan, Blonden, Atlas etc., – immer haben sie, worauf auch ihr Name deutet, einen mehr oder weniger breiten, in der Weise der Spitzen ausgeschlagenen Rand von bald aufrechter, bald hängender Stellung.

So hat sich in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume von noch nicht zwanzig Jahren aus kaum beachteten Anfängen eine Industrie entwickelt, welche zwar dem in Erfurt bis zur Einführung des Indigo florirenden Waidbau an Großartigkeit nicht im Entferntesten zu vergleichen ist, nicht einmal dem vormals so berühmten Erfurter Weinbau, welche aber doch eine Summe von Kräften in Bewegung setzt, die nur Eingeweihten in ihrer ganzen Bedeutung erkennbar wird. Sie ist die nachgeborene Schwester des Samenhandels, der seine Fäden über den ganzen bewohnten Erdball geschlagen hat, und konnte nur hier so rasch und kräftig sich entwickeln, wo das Verständniß für die Blumen so allgemein und Gelegenheit zum Studium etwa verwendbarer Materialien so reichlich geboten ist.

  1. Aus dem Atelier von Wilhelm Boeck in Berlin.