Die Braut von Corinth (1827)
[221]
Die Braut von Corinth.
Nach Corinthus von Athen gezogen
Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Einen Bürger hofft’ er sich gewogen;
Beide Väter waren gastverwandt,
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam voraus genannt.
Aber wird er auch willkommen scheinen,
Wenn er theuer nicht die Gunst erkauft?
Und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb’ und Treu’
Wie ein böses Unkraut ausgerauft.
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht;
Sie empfängt den Gast mit bestem Willen,
Gleich in’s Prunkgemach wird er gebracht.
Wein und Essen prangt
So versorgend wünscht sie gute Nacht.
[222] Aber bei dem wohlbestellten Essen
Wird die Lust der Speise nicht erregt;
Müdigkeit läßt Speis’ und Trank vergessen,
Und er schlummert fast,
Als ein seltner Gast
Sich zur offnen Thür herein bewegt.
Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer
Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.
Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt,
Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,
Daß ich von dem Gaste nichts vernahm?
Ach, so hält man mich in meiner Klause!
Und nun überfällt mich hier die Scham.
Auf dem Lager dort,
Und ich gehe schnell, so wie ich kam.
Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,
Rafft von seinem Lager sich geschwind:
Und du bringst den Amor, liebes Kind!
Bist vor Schrecken blaß!
Liebe, komm und laß
Laß uns sehn, wie froh die Götter sind.
Ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist ach! geschehen,
Durch der guten Mutter kranken Wahn,
Die genesend schwur:
Sey dem Himmel künftig unterthan.
Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert.
Unsichtbar wird Einer nur im Himmel,
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.
Und er fragt und wäget alle Worte,
Ist es möglich, daß am stillen Orte
Die geliebte Braut hier vor mir steht?
Sey die meine nur!
Unsrer Väter Schwur
Mich erhältst du nicht, du gute Seele!
Meiner zweyten Schwester gönnt man dich.
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
Ach! in ihren Armen denk’ an mich,
Die sich liebend kränkt;
In die Erde bald verbirgt sie sich.
[224] Nein! bei dieser Flamme sey’s geschworen,
Gütig zeigt sie Hymen uns voraus;
Kommst mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen, bleibe hier!
Feyre gleich mit mir
Unerwartet unsern Hochzeitschmaus.
Golden reicht sie ihm die Kette dar,
Und er will ihr eine Schale reichen,
Silbern, künstlich, wie nicht eine war.
Die ist nicht für mich;
Eine Locke gib von deinem Haar.
Eben schlug die dumpfe Geisterstunde
Und nun schien es ihr erst wohl zu seyn.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Doch vom Weizenbrot,
Das er freundlich bot,
Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.
Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
Liebe fordert er bei’m stillen Mahle;
Ach, sein armes Herz war liebekrank.
Doch sie widersteht,
Wie er immer fleht,
[225] Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:
Ach, wie ungern seh’ ich dich gequält!
Aber, ach! berührst du meine Glider,
Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt.
Aber kalt wie Eis,
Ist das Liebchen, das du dir erwählt.
Heftig faßt er sie mit starken Armen
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Wär’st du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und Kuß!
Liebesüberfluß!
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?
Thränen mischen sich in ihre Lust;
Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,
Eins ist nur im Andern sich bewußt.
Seine Liebeswuth
Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.
Unterdessen schleichet auf dem Gange,
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Thür und horchet lange,
Klag- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut,
Und des Liebestammelns Raserey.
[226] Unbeweglich bleibt sie an der Thüre,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb’ und Schmeichelworte, mit Verdruß –
Still! der Hahn erwacht! –
Aber morgen Nacht
Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,
Oeffnet das bekannte Schloß geschwind: –
Gibt es hier im Hause solche Dirnen,
Die dem Fremden gleich zu Willen sind? –
Bei der Lampe Schein
Sieht sie – Gott! sie sieht ihr eigen Kind.
Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchens eignem Schleierflor,
Doch sie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geist’s Gewalt
Hebet die Gestalt
Lang’ und langsam sich im Bett’ empor.
So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht!
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte.
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ist’s euch nicht genug,
Daß ihr früh mich in das Grab gebracht?
[227] Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht.
Eurer Priester summende Gesänge
Salz und Wasser kühlt
Nicht, wo Jugend fühlt;
Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.
Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Mutter, habt ihr doch das Wort gebrochen,
Weil ein fremd, ein falsch Gelübd’ euch band!
Doch kein Gott erhört,
Wenn die Mutter schwört,
Aus dem Grabe werd’ ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,
Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.
Muß nach andern gehn,
Und das junge Volk erliegt der Wuth.
Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;
Du versiechest nun an diesem Ort.
Deine Locke nehm’ ich mit mir fort.
Sieh’ sie an genau!
Morgen bist du grau,
Und nur braun erscheinst du wieder dort.
Einen Scheiterhaufen schichte du;
Oeffne meine bange kleine Hütte,
Bring’ in Flammen Liebende zur Ruh!
Wenn der Funke sprüht,
Eilen wir den alten Göttern zu.