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Die Chronik des Thietmar von Merseburg/Drittes Buch

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Drittes Buch
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[61]
Drittes Buch.




Otto, der zweite des Namens, der dritte der sächsischen Herrscher,
Werde geschildert anjetzt, und nehme, nach Würden gepriesen,
Ein den Stuhl des gewaltigen Vaters. Er lebe fortwährend
(Mög’ es also gelingen!) in dankbarer Menschen Gedächtniß.
Denn er half zu jeglicher Zeit liebreich den Bedrängten.
Freude verklärete ihm die ersten Jahre, doch Trauer
Nahete ihm am Ende, mit bitteren Schmerzen es trübend.
Groß ja war die Schuld, die trug die sündige Menschheit!
Damals büßten die Kinder der Welt die Verschmähung der Wahrheit.
Ach, wie vieles verlor das Reich durch das rächende Schwert nicht!
Forschest du aber dem Anlaß nach: man kennt ihn nicht völlig;
Doch den Kundigen allen ward klar, seit Merseburg weinend
Litt, den schweren Verlust, da wich der heilige Friede
Fernhin aus Deutschlands Gauen und überall herrschten die Feinde.
Wer ist im Stande, zu schildern, wie schrecklich die blutigen Würger
Hauseten, selbst den Tempel des Herrn nicht schonend, voll Wuthgier!
Viele der Unsrigen auch unterlagen im Kampf Sarazenen.
Wahrlich beglückt sind die, die Christus unwandelbar liebend,
Ruhigen Friedens ersehntes Glück genießen, nicht wissend

[62]

Irgend von Furcht und Angst, die erfüllet die klopfenden Herzen;
Angst, die länger als drei Jahrzehnte die Väter bedrängte,
Und die auch in unserer Zeit die Schaaren der Feinde
Wappnete, daß als Räuber sie fielen in unsere Lande.
Darum bete zu dem, der Himmel und Erde verbunden,
Jeglicher Gläubige doch, daß er ende die schrecklichen Strafen.

1. Der dritte Beherrscher unseres Reiches aus sächsischem Stamme, Otto II, sei der Gegenstand dieses Buches. Derselbe zeichnete sich als Jüngling durch ungewöhnliche Körperkraft aus, allein er zeigte anfangs auch einen großen Hang zum Muthwillen, und stets verschwenderisch beschenkt von der Liebe seiner Eltern, vergaß er alle Mäßigung und hörte nicht auf den Rath erfahrener Männer. Dann aber brachten scharfe Zurechtweisungen, die er von manchen hören mußte, ihn dahin, daß er seinen Leidenschaften den Zügel preiswürdiger Tugend anlegte, und nun war sein Betragen musterhaft, wie ich das im Folgenden auseinander setzen werde.

Auf Antrieb seiner frommen Mutter, deren Leitung ihm Kraft verlieh, erwarb er Miminlevo [Memleben], wo sein Vater gestorben war, nebst den Zehnten, die zu Heresfeld [Hersfeld][1] gehörten, durch einen rechtmäßigen Austausch. Darauf versammelte er daselbst Mönche und stiftete eine freie Abtei, die er mit dem Nöthigen versah und durch einen päpstlichen Freibrief bestätigen ließ.

Ferner verlieh er zu Magadaburg in Gegenwart des Erzbischofs Aethelbert durch eine kaiserliche Verordnung den geistlichen Brüdern daselbst das Recht, sich in Zukunft selbst einen Erzbischof wählen zu können[2], und bestätigte diese Verleihung durch das Geschenk eines Buchs, in welchem sein und der Kaiserin Theophanu [63] Bild aus Gold geformt sich befindet. Dieses ist daselbst noch heutzutage zu sehen. Dieses kostbare Buch zeigte mit Erlaubniß und in Gegenwart des Kaisers der Erzbischof, nachdem er, zur Messe angethan, wie es Gewohnheit ist, nach Verlesung des Evangeliums vortrefflich gepredigt hatte, indem er die kaiserliche Verordnung, welche die Wahlfreiheit gewährte, öffentlich ablas, vor, und belegte den Frechen, der je dieses Gebot anzutasten wagen würde, mit einem furchtbaren Bannfluch, dem alle: „Amen, so sei es, so sei es!“ rufend, beipflichteten.

Das damals noch arme Bisthum Merseburg bedachte derselbe Kaiser mit freigebiger Liebe, und schenkte dessen Vorsteher Gisiler, dem er sehr wohl wollte, zuerst die Abtei zu Palithi [Pölde][3], dann die Burg Zuencua [Zwenkau] mit allem Zubehör, zum Dienste Johannes des Täufers. Ferner überließ er ihm alles von der Stadtmauer umschlossene Gebiet nebst dem Zolle der Juden und der Kaufleute, sammt der Münze; und dem Forste zwischen der Sale und Milda [Mulde] und den Gauen Siusuli und Plisni [Pleißen]; endlich die Oerter Chorin [Kohren], Nieriechua [Nercha], Bucithi [Pötsche], Cothug [Gautsch oder Kadau], Borintizi [Brandeis] und Gunthorp [Gundorf][4]. Alle diese Schenkungen übertrug er ihm in eigenhändig vollzogenen Urkunden.


2. Indeß starb Gero, der treffliche Erzbischof von Köln. 975. Weil ich aber nur weniges vorläufig von ihm berichtet habe, will ich jetzt in kurzem vorbringen, was ich mir bisher vorbehalten hatte. Er ließ sich das Crucifix, welches jetzt mitten auf seinem Grabe steht, sorgfältig aus Holz verfertigen. Da er an demselben eine Spalte am Haupte des Gekreuzigten bemerkte, so beseitigte er diese, indem er auf seine eigene Kraft ganz verzichtete, allein durch die helfende und Heil spendende Hand dessen, der über alle Künstler erhaben ist, in folgender Weise. Er verband eine Hostie, den alleinigen Trost in jeglicher Noth, und ein Stück vom wirklichen [64] Kreuze des Erlösers mit einander, legte diese beiden Theile in die Spalte, und warf sich dann hin und betete weinend zum Herrn; als er aufstand und demüthig den Segen sprach, erlangte er die Wiederherstellung des schadhaften Theiles.

Derselbe Gero sah einstmals am hellen Tage, als er in seine Kapelle trat, den heiligen Victor mit dem Teufel kämpfen und siegen, wie er dies nachher seinen Getreuen anvertraute.

Seinen Tod verkündete der Teufel, der Neider aller Tugendhaften, einer Aebtissin Gerberga, welche Gero wegen ihres reinen Sinnes und Wandels sehr hochschätzte und oft um sich hatte, (wie der Böse das schon früher bei andern zu thun pflegte), mit folgenden Worten: „Ich wollte dir wohl ein Geheimniß, daß ich besitze, mittheilen, wenn ich nicht wüßte, daß du bisher alles dir Anvertraute nie bewahrt hast. Versprichst du mir indeß, dies treulich zu halten, so sage ich es dir unter der Bedingung, daß ich dir sicher das Leben nehme, wofern du es Einem offenbaren solltest. Gero, dein Freund, wird in diesem Jahre in eine solche Krankheit verfallen, daß man ihn drei Tage lang für todt halten wird; wird er aber von jemand während dieser Zeit bewacht, so kann er dieser Gefahr wohlbehalten entrinnen.“ Bestürzt über das Vernommene, versprach die Magd Christi, dies vor jedermann getreulich zu verschweigen. So wie sie ihn aber verschwinden sah, machte sie sich sogleich auf den Weg und erzählte dem Erzbischof alles. Als das der Teufel hörte, züchtigte er sie so hart, daß sie nach wenigen Tagen dieses irdische Leben mit dem ewigen vertauschte. Am Tage ihres Begräbnisses aber hielt der Erzbischof selbst die Messe, und setzte den Anwesenden die Verdienste der Verstorbenen auseinander, indem er die Versammelten um Vergebung und Nachsicht für sie bat, und ihr dieselbe selbst angedeihen ließ.

Als er darnach von der erwähnten Krankheit befallen wurde, vertrauete er sich einen gewissen Evurger zur Bewachung an. Der aber ließ ihn, als er von heftigen Schmerzen in eine tiefe Ohnmacht versenkt war, wie einen Todten waschen, auf die Bahre [65] legen und in die Kirche tragen, und ihn am folgenden Tage begraben. 974. Er aber erwachte, wie die Leute erzählen, in der dritten Nacht wie aus einem langen Schlafe, hörte die Glocke läuten, und bat, dreimal rufend, ihm doch schnell das Grab zu öffnen. Voll Bestürzung drang einer, der das hörte, in den Evurger, den Hüter der Kirche, er möge dem Erzbischof in seiner Noth zu Hülfe eilen. Der aber behauptete, das alles sei nur eine Lüge, und schlug nach ihm mit seinem langen Stabe. So starb der Erzbischof frommen Andenkens, am 29. Juni. Gleich nachher aber erschien er dem Abte Liudulf und sprach: „Singt mir das Requiem!“ und verschwand vor seinen Augen. An seine Stelle ward sofort durch die Wahl und die Gnade des Kaisers Warin gesetzt und gesalbt.


3. Im zweiten Jahre Otto’s des Mittleren, ward Heinrich, Herzog der Baiern verhaftet und nach Gilhiem [Ingelheim] geführt, wo er sorgfältig bewacht wurde.

In diesem Jahre war der Winter lange strenge und trocken, und es fiel viel Schnee herunter.

975 setzte der Kaiser an die Stelle des verstorbenen 975. Erzbischofs Robert von Mainz seinen Kanzler Willigis, obwohl manche wegen der niederen Abkunft desselben dagegen waren. Denn Otto wußte, daß Gott die Person nicht ansieht, wie Petrus bezeugt [Apostelgesch. 10, 34], sondern daß er alle, die ihn von Herzen lieben, vorzieht, ihnen über alle Begriffe mit Ehre lohnend. Wie aber den Willigis die göttliche Liebe als künftigen Seelenhirten bezeichnet hat, darf nicht verschwiegen werden. Seine Mutter, eine sehr arme, aber, wie aus dem Folgenden erhellen wird, tugendsame Frau, sah, als sie ihn unter ihrem Herzen trug, im Traume, wie eine Sonne, aus ihrem Schooße hervorstrahlend, die ganze Erde mit ihrem Glanze erfüllte. Und in derselben Nacht, in der sie diesen Sohn gebar, kam der ganze Viehstand, den sie im Hause hatte, dadurch, daß alle Mutterthiere auch Junge männlichen Geschlechtes warfen, gleichwie glückwünschend mit der Hausfrau [66] überein[5]. Er aber, der damals geboren ward, war die Sonne, weil er mit den Strahlen seiner frommen Beredtsamkeit die Herzen vieler, die gegen die Liebe Christi gleichgültig waren, erleuchtete. Und darum kam bei seiner Geburt eine wundersame Menge männlicher Geschöpfe zur Welt, weil der Mann Gottes nach der Vorausbestimmung des Höchsten geboren ward, um zum Heile seines ganzen Vaterlandes geistliches Regiment zu führen. Wie glücklich war doch die Mutter, an welcher sich des Herrn Güte vor ihren Zeitgenossen so außerordentlich offenbarte, daß sie einen Sohn gebar, der sich mit den Edelsten im Lande messen konnte, ja gar manche derselben übertraf, und daß sie also die Hoffnung, welche das ihr gewordene Traumgesicht in ihr erregt hatte, mit ihren eigenen Augen und durch die That bestätigt fand. Doch davon ein ander Mal.


974. 4. In dem ersten Feldzuge, den der Kaiser machte, eroberte er die Burg Buschuth[6]. Im zweiten eilte er, die Dänen aufsuchend, die sich gegen ihn empört hatten, nach Sleswic [Schleswig]. Dort sah er, daß die Feinde bereits den zum Schutze des Vaterlandes angelegten Grenzgraben [das Danevirk] und das Thor, welches Wieglesdor genannt wird, wohlgerüstet besetzt hatten: allein nach dem Rathe des Herzogs Bernhard [von Sachsen] und des Grafen Heinrich [von Stade], meines Großvaters, nahm er alle diese festen Werke mannhaft ein.

Auf dieser Fahrt ward zuerst ein garstiges Schimpfwort zur Verhöhnung der Geistlichen ausgerufen, welches böse Menschen noch heutzutage im Munde führen. Es ist gar kläglich, daß wenn rechtschaffene Menschen etwas erfunden haben, das irgendwie brauchbar ist, dies sogleich von der großen Mehrzahl, als wäre es etwas ganz abscheuliches, verworfen wird. Was dagegen Gott [67] mißfällt und die Menschen recht eigentlich der Strafe ihrer Schuld 974. entgegenführt, das lernen sie und lassen es einwurzeln durch unaufhörliche Wiederholung. Obwohl nun manche es mit solchen Spottreden nicht ernstlich meinen, so begehen sie damit immer etwas sündhaftes.

In diesem Lande erbaute der Kaiser eine Burg, die er mit einer Besatzung versah.

Der oben erwähnte Bischof Brun von Verden starb am 9. März, und Erp, Propst von Bremen, ward durch Verwendung 975. des Erzbischofs Aetheldag [von Hamburg] sein Nachfolger.

Zur selbigen Zeit, am 25. Juli, ward ich geboren[7].


5. Im Jahre des Herrn 976 entfloh Heinrich, Herzog der 976. Baiern, der abgesetzt und excommunizirt war, nach Böhmen. Dort suchte ihn, wie er sich beim Herzog Bolizlav aufhielt, der Kaiser mit einem starken Heere auf, richtete aber gegen diese beiden nichts aus, sondern verlor vielmehr noch eine Schaar von Baiern, die ihm zu Hülfe kamen, und bei der Stadt Pilisini [Pilsen] ein Lager geschlagen hatten, durch folgende List eines Kriegers des Bolizlav. Eines Abends badeten sich die Baiern: sie hatten keine Wachen ausgestellt; da rückte plötzlich der Feind in voller Rüstung heran und erschlug die Entkleideten, wie sie in den Zelten oder auf dem grünen Anger ihm entgegen eilten, und kehrte dann mit der ganzen Beute erfreut und wohlbehalten heim. Der Kaiser aber zog, als er die Niederlage so vieler Männer vernommen hatte, und weil ihm kein Weg zum Rückzuge offen stand, gerades Wegs nach seiner Stadt Camma[8]; den Herzog bezwang er erst im folgenden Jahre, als derselbe in Passau Zuflucht suchte. Das 977. Jahr darauf wurden Herzog Heinrich, Graf Ekbert und Bischof 978. Heinrich [von Augsburg] beim Kaiser verklagt, zu Magadaburg verhaftet und zu langer Verbannung verurtheilt.


[68] 978. 6. Damals aber rüstete sich der Kaiser mit allem Eifer zu seinem Zuge gegen den Karelingerkönig Luthar[9], der zu Aachen den königlichen Sitz und Palast, der immer zur deutschen Herrschaft gehört hatte, mit Heeresmacht anzugreifen und durch Umwendung des Adlers als sein Eigenthum zu bezeichnen sich erkühnt hatte. Dieser Adler befindet sich nämlich auf der östlichen Seite des Palastes, und es war Gebrauch, daß alle, die diesen Ort in Besitz hatten, ihn immer ihrem Reiche zuwandten. Als nun der Kaiser herankam, zog Luthar sogleich davon; allein Otto setzte ihm nach, alles plündernd und verheerend, bis nach seiner Hauptstadt Paris. Auf diesem Zuge, auf dem viele schwer erkrankten, starb Brun, Graf von Harneburg[10], ein durchaus preiswürdiger Ritter, am 30. November. Von dieser Unternehmung im Triumphe heimgekehrt, hatte der Kaiser die Feinde so in Schrecken gesetzt, daß sie so etwas nachher nie wieder zu beginnen wagten. So wurde ihnen alle Schmach vergolten, die sie sonst über die Unsern gebracht hatten. Indeß empfing Bischof Othelrich von Augsburg, ein wahres Kleinod unter den Geistlichen, im 50sten Jahre seines Amtes aus diesem Leben scheidend, aus Christi Hand den Lohn für seine treue Arbeit, am 4. Juli[11]. Heinrich aber, der auf ihn folgte, war nur kurze Zeit im Amte, wie ich späterhin weiter berichten werde.


979. 7. Graf Gero[12], von Waldo beim Kaiser verklagt, ward an einem Orte Namens Sumeringe [13] auf Anhalten des Erzbischofs Aethelbert [von Magadaburg] und des Markgrafen Thiedrich verhaftet und meinem Vater und Oheim zur Bewachung übergeben. Darauf wurden sämmtliche Fürsten des Reichs nach Magadaburg berufen, und jene beiden trafen vor denselben auf einer Insel zum Gottesgerichte im Zweikampfe zusammen. In demselben wurde Waldo zweimal im Nacken verwundet; er drang [69] indeß nur um so heftiger auf seinen Feind ein und streckte ihn,979. indem er ihm mit einem gewaltigen Streiche das Haupt traf, zu Boden. Darauf war Gero auf die Frage, die er an ihn richtete, ob er weiter kämpfen könne, genöthigt zu bekennen, daß ihm die Kräfte fehlten. Nun verließ Waldo die Schranken, aber kaum hatte er die Waffen abgelegt und sich mit Wasser erfrischt, so stürzte er rücklings todt nieder. Darauf ward Gero nach dem Spruche der Richter und auf Befehl des Kaisers von Henkershand enthauptet, am 13. August. Dieser Zweikampf gefiel niemandem, als nur dem Erzbischof Aethelbert und dem Markgrafen Thiedrich, und Otto, Herzog von Baiern, Liudulfs Sohn, der an demselben Tage ankam, sowie Graf Bertold machten dem Kaiser bittre Vorwürfe, daß ein solcher Mann, wie Gero, um eines so unbedeutenden Grundes willen verurtheilt worden sei. Hier darf ich die Verdienste des Abtes Liudulf von Corvei nicht unerwähnt lassen, der ob seiner häufigen Uebung im Wachen und Fasten von Gott mancher Offenbarung gewürdigt wurde. Als dieser am Tage des Kampfes in der Abenddämmerung demüthig und andächtig, wie gewöhnlich, Messe las, sah er über dem Altare das Haupt des Grafen Gero, und sang nach Beendigung dieser Messe sogleich eine zweite, eine Todtenmesse. Darauf legte er sein Priestergewand ab und verließ schweigend die Kirche, versammelte aber dann die Brüder, und zeigte ihnen Gero’s Tod an, indem er sie inständig bat, mit ihm zusammen für die Seele des Verstorbenen zu beten. Die Enthauptung Gero’s aber fand gerade um Sonnenuntergang Statt. Zu seinem Gedächtniß erbauten seine Schwester Tetta und seine Gemahlin Aethela ein Kloster an einem Orte, genannt Elslevo [Alsleben][14], wo er selbst ruht, und brachten Gott und dem heiligen Vorgänger Christi den zehnten[15] Theil ihres Erbgutes dar, indem sie für dasselbe vom Kaiser die Bestätigung und das Vorrecht in der Weise erwirkten, daß eine daselbst gestiftete reichsfreie Abtei nur unter des Kaisers und seiner Nachfolger Hoheit [70] und Schutz stehen sollte. Uebrigens ward des Grafen Körper noch nach drei Jahren, als der seiner Gemahlin hinzu gelegt ward, sowie die Kleidung vollständig erhalten vorgefunden.

Im 7ten Regierungsjahre Otto’s II. kam König Luthar 980. nebst seinem Sohne mit prächtigen Geschenken zu ihm, leistete Abbitte und erwarb nun des Kaisers dauernde Freundschaft.

In diesem Jahre ging der Kaiser nach Italien und sah leider unsere Gegenden niemals wieder.


981. 8. Darnach verschied der obengenannte Erzbischof Aethelbert von Magadaburg, die Seinen lehrend und im Glauben befestigend, im 13ten Jahre seiner Einsetzung, als der Kaiser bereits in Rom war. Er hielt, indem er den Sprengel Gisilers, welcher beim Kaiser war, besichtigend durchreiste, zu Merseburg am 19. Juni das Hochamt, und brachte die folgende Nacht bei einem ehrenwerthen Laien, Hemuzo, zu Chruvati wohl zu. Am andern Morgen aber stand er unwohl auf, und klagte über starkes Kopfweh; brach jedoch auf. Als er aber, wie er nach Frekenlevo[16] wollte, beim Dorfe Cirmini vorbei gekommen war, begann er vom Pferde zu sinken, und wäre zu Boden gefallen, wenn ihn seine Begleiter nicht aufgefangen hätten. Man legte ihn auf einen Teppich, und nachdem die Priester die vorschriftsmäßigen Gebete vollständig gesprochen hatten, ging er gläubig hinüber zu Christus, am 20. Juni. Seine Leiche wurde nach Ivikansten[17] gebracht, dort mit dem erzbischöflichen Amtsgewande bekleidet und von da zu Schiffe nach Magadaburg geführt. Dort empfingen ihn trauernd die geistlichen Brüder und besonders die Mönche, und der Bischof von Halberstadt, Hilliward, übergab ihn, unterstützt vom ehrwürdigen Abte Harding, der Gruft inmitten der Kirche vor dem Altar der Apostel Philippus und Jacobus.

Mit welchem Herzenseifer aber der Verstorbene über die ihm anvertraute Heerde wachte, das vernimm, mein Leser! Oftmals [71] kam er in der Stille der Nacht, nur von zwei Gefährten981. begleitet, in das Kloster St. Johannes des Täufers und St. Mauricius, und sah unangemeldet zu, wie die Mönche zur Frühmesse sich versammelten, und ob auch welche im Schlafsaal zurückgeblieben waren; war nun alles in Ordnung’, so dankte er Gott; wo nicht, so strafte er die Schuldigen, wie sie es verdienten.

Die Geistlichkeit aber und die Gemeinde, tief betrübt über den Tod eines solchen Vaters, wählten den geistlichen Bruder Ohtrich, welcher damals bei dem Kaiser zu treuer Dienstleistung sich aufhielt, einstimmig zu ihrem Vorgesetzten und Erzbischofe, obwohl Aethelbert, so lange er lebte und gesund war, vielen von ihnen unverhohlen vorausgesagt hatte, daß das nicht angehen würde. Denn der Erzbischof und Ohtrich kamen, weil sie ganz verschiedene Charaktere hatten, nie mit einander überein, und Ohtrich wollte deshalb, nachdem er eine große Anzahl von geistlichen Brüdern und Fremden, denn er war der Schulvorsteher, vortrefflich ausgebildet hatte, lieber das Kloster verlassen, als darin bleiben. Indeß hatte der Kaiser nur mit Mühe vom Erzbischofe die Erlaubniß für Ohtrich erwirkt ihm zu dienen. Dies geschah am Tage der heiligen Auferstehung. An demselben aber ereignete es sich, daß der Erzbischof, wie er zur Messe angethan war, das heilige Kreuz, welches ihm, wie üblich, der Subdiaconus darbot, mit beiden Händen umfaßte und unter einem Strome von Thränen Gott bat, Ohtrich und Ico möchten doch nie seinen Sitz einnehmen. Und als darauf das heilige Amt völlig beendigt war und Aethelbert zu Tische saß, kündigte er allen Anwesenden öffentlich an, daß die Genannten ihm nie nachfolgen würden. Wie ihm das aber offenbar war, sagte er nicht, und dasselbe konnte mir auch nie jemand nachweisen. Auch nach seinem Tode noch bestätigte er alles, was er bei seinen Lebzeiten in dieser Beziehung verkündet hatte, seinem lieben Waltherd, der auch Dodico hieß, im Traume auf folgende Weise, wie mir derselbe selbst als eine wahrhafte Begebenheit erzählt hat. Als er nämlich im Bette lag, sah er in einer Verzückung des Geistes den Erzbischof an der südlichen [72] 981. Kirchthüre, die am Kirchhofe liegt, stehen, und vernahm von ihm, indem er selbst sich vorkam, als wolle er, mit seinem Reisestabe versehen, gen Rom wandern, die Worte des Vorwurfs: „Mein Dodico, wie? jetzt willst du meine einstige Würde dem anderen geben?“ – Darauf antwortete er: „Mußt du nicht, theuerster Herr, berücksichtigen, daß in meiner traurigen Lage nicht mein Wille, sondern allein der Gehorsam mich leiten muß?“ – Da fuhr der Erzbischof fort: „Darauf verlasse dich, daß Ohtrich nie meinen Stuhl einnehmen wird!“ Die gesammte Geistlichkeit und Gemeinde aber sandte, nachdem die Wahl vollzogen war, Ekkihard, den Rothen mit Beinamen, mit einer Schaar anderer geistlicher Brüder und Ritter hin, um sie dem Kaiser anzuzeigen und ihn an sein Versprechen zu erinnern. Als diese nach Italien kamen, wo sich Otto II. damals aufhielt, vertrauten sie zuerst dem Bischof Gisiler [von Merseburg], der damals sehr viel beim Kaiser vermochte, das Geheimniß ihrer Sendung an, und baten ihn um seine Unterstützung. Gisiler nun gelobte, sich treulich für für sie verwenden zu wollen, aber bei der nächsten Gelegenheit erwies er sich selbst in jeder Beziehung das größte Wohlwollen[18]. Er brachte nämlich das Vernommene dem Kaiser heimlich bei, und bat, indem er sich demselben zu Füßen warf, nunmehr um das Erzbisthum als um den lange verheißenen und ersehnten Lohn für seine lange Arbeit und Anstrengung, und Gottes Fügung wollte, daß er es auf der Stelle erhielt. Wie er nun aus dem kaiserlichen Gemache herauskam, fragten ihn die Abgeordneten und besonders Ohtrich, der sich seiner Redlichkeit ganz anvertraut hatte, ob er in der ihm anheim gegebenen Angelegenheit etwas ausgerichtet habe? worauf er antwortete: er könne seinen Wünschen hierin kaum entsprechen. Darnach bestach er alle Großen und ins [73] besondere die römischen geistlichen Richter, denen durchaus alles 981. feil ist, und sann zuerst insgeheim darauf, wie er auf irgend eine Weise zur erzbischöflichen Würde gelangen könnte. Dann aber bat er öffentlich den Papst, Herrn Benedikt, nach der Zahl seiner Vorgänger desselben Namens der siebente genannt, mit großer Eindringlichkeit um seinen Beistand, den ihm derselbe auch, wenn der gesammte geistliche Rath damit einverstanden wäre, seinerseits zusagte. Darauf ward zu Rom eine Kirchenversammlung angestellt; die Weisesten kamen zusammen, aber es ward erfüllt jene Prophezeiung Jeremia’s: „Wie ist das Gold so gar verdunkelt und das feine Gold so häßlich worden?“ u. s. w. (Klag. 4, 1). Als nämlich die Richter vom apostolischen Stuhle befragt wurden, ob man den Gisiler zur erzbischöflichen Würde befördern dürfe, weil er jetzt ohne ein bestimmtes Amt sei, da er, wie er beständig klage, sein Bisthum, daß er vordem besessen, nicht mehr habe, weil er desselben ungerechter Weise von Hildiward beraubt sei, so bestätigten sie mit Worten und Beispielen, daß er nach kanonischem Rechte geziemend und gebührend diese Würde bekommen könne, indem sie dabei Davids Mahnung übertraten: „Richtet, was recht ist, ihr Menschenkinder“ (Ps. 58, 2) und so jenes Sprichwort wahr machten:

Nimmer vermag ein bestochener Richter das Recht zu erkennen.

Und jetzt glaube mir, Leser, daß es mir von Herzen widerstrebt und leid thut, daß ich, der ich soweit unter ihnen stehe, nun kund thun muß, was sie ohne sich zu schämen, ohne das Urtheil der Nachwelt zu scheuen, zu thun sich nicht entblödeten. Das Bisthum Merseburg, welches damals frei und selbständig dastand, wurde darnach, indem der bischöfliche Sitz aufgehoben ward, der Kirche zu Halberstadt unterthan, und Gisiler, nicht der Hirte, sondern der Miethling derselben, erreichte, immer nach Höherem strebend, am 10. Sept. seinen Wunsch, uneingedenk des Sprichworts: Wer hoch steigt, fällt hoch. Gewiß, er hätte, wenn er in dem ihm anvertrauten Amte hätte verbleiben wollen, mit Hülfe des Kaisers jeden Anstoß, der ihm irgend im Wege lag, völlig [74] 981. forträumen und sich und seinen Nachfolgern eine völlig gesicherte Stellung und großen Ueberfluß an allen Gütern erwerben können. Doch weil Gottes Rathschlüsse den Menschen verborgen, nie aber ungerecht sind, so schreibe ich das nicht jenem allein zu, sondern auch unsern gemeinsamen Sünden, denen jegliches Mißgeschick, daß die Gläubigen trifft, mit Recht beigemessen wird.

Ohtrich aber ging nach Benevent, wo er erkrankte. Da erschien nun (wie mir einer meiner geistlichen Brüder, Namens Husward, erzählt hat) Aethelleke, der vordem unser Propst gewesen, damals aber bereits verstorben war, und reichte ihm aus der Ferne die Pfründe des heiligen Mauritius dar. Erschrocken über dies Gesicht sagte Ohtrich: „Bruder, siehst du etwas?“ und indem er ihm dann alles erzählte, sagte er: „Wehe mir armen, sündigen Menschen, daß ich jemals mein Kloster und den Pfad des Gehorsams aus Ehrgeiz verlassen habe! Wenn mir Gottes Gnade nur wieder einige Gesundheit schenkt, so will ich heimgehen nach meinem Kloster und flehen, daß man mich dort wieder aufnehmen möge, und will dasselbe dann nie mehr verlassen.“ - Nachdem er so gesprochen, verschlimmerte sich sein Zustand und er starb wenige Tage nachher, am 7. October, in der genannten Stadt, wo er auch begraben ward. Er war ein Mann, der an Weisheit und Beredtsamkeit seines Gleichen nicht hatte.


9. Gisiler aber kam mit Genehmigung des Kaisers am 30. November nach Magdeburg, begleitet vom Bischofe Thiedrich von Metz. Dieser, ein Freund des Kaisers, der sehr viel auf ihn hielt, war einer von denen, die Gisiler bestochen hatte; er hatte nämlich für die Verhehlung der Wahrheit 1000 Pfund in Gold und Silber vom Erzbischofe bekommen. Ihm sagte einer, der auf des Kaisers Befehl ihm scherzweise einen Spruch zum Gruße beim Frühmahl zurief: „Dich sättige Gott in jener Welt, da wir es hier allesammt nicht können, – mit Gold!“

Darauf ward alles, was vorher unserer Kirche gehört hatte, auf eine klägliche Weise veräußert, ganz so wie eine Familie von [75] Slaven, die angeklagt nach Richters Spruch verkauft und zerstreut983. wird. Der Theil unsers Bisthums, der zwischen der Saale und Elster und Milda [Mulde] und zwischen den Gauen Plisni[19], Vedu[20] und Tuchurini[21] liegt, mit den Dörfern Passini[22] [Possenhain] und Piscini[23] [Pissen], ward dem Bischofe Fritherich von Zeiz verliehen. Dem Bischof Wolcold von Meißen aber ward der Theil übergeben, in dem die Dörfer Wissepuig [Wiesenburg] und Lostatawa [Lostau] sich befinden, und welcher zum östlichen Gutuzi[24] gehört und von den Flüssen Caminici [Chemnitz] und Elbe begrenzt wird. Für sich aber behielt Gisiler neun Burgen, nämlich: Scudici[25] [Schkeuditz], Cotug [Gautzsch], Vurcin [Wurzen], Bigni [Püchen], Hilburg [Eilenburg], Dibni [Düben], Pauc [Pauch], Liubanici [Löbnitz] und Gezerisca [Gerichshain]. Die Urkunden, welche königliche oder kaiserliche Schenkungen enthielten, verbrannte er entweder, oder ließ sie mit veränderten Namen seiner Kirche zuschreiben. Die Zinsleute und alles, was Merseburg pflichtig und verbunden war, ließ er vorsätzlich zerstreuen, damit eine Wiedervereinigung unmöglich würde. Er stiftete daselbst eine Abtei, über welche er Ohtrad, einen ehrwürdigen Mönch von St. Johannes, und nach ihm den Heimo aus demselben Kloster setzte.

Jetzt aber merk auf, mein Leser, welche Ereignisse auf diese Vernichtung der Kirche Merseburgs folgten.


10. Die fremden Völker, welche nach Annahme des Christenthums unsern Königen und Kaisern zinspflichtig und unterthan waren, griffen, bedrückt von Herzog Thiedrichs Uebermuth, in einmüthigem [76] 983. Beschlusse zu den Waffen. Dies wurde meinem Vater, dem Grafen Siegfried in folgender Weise zum voraus offenbart. Er sah im Traume den ganzen Himmel mit einer dichten Wolke überzogen, und als er staunend forschte, was das wäre, hörte er eine Stimme, welche also sprach: „Jetzt soll erfüllet werden die Weissagung: Der Herr lässet regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Matth. 4, 45.) – Die Frevelthaten der Empörer begannen am 29. Juni, indem die Besatzung in Havelberg niedergehauen und der Bischofsitz daselbst zerstört wurde. Nach Verlauf von drei Tagen aber überfiel die vereinte Macht der Slaven das Bisthum Brandenburg, welches 30 Jahre vor dem Erzbisthum Magadaburg begründet war. Dies geschah um die Zeit, wo zur ersten Messe geläutet wurde. Vorher war der Bischof Wolcmer, der dritte seit der Gründung des Bisthums, entflohen, und der Vertheidiger der Stadt, Thiedrich, sammt den Kriegern, entkam nur mit genauer Noth noch am Tage des Kampfes. Die Geistlichkeit daselbst ward von den Slaven gefangen genommen, und Dodilo, der zweite der brandenburgischen Bischöfe, der von den Seinen erdrosselt war und nun schon drei Jahren im Grabe gelegen hatte, wurde aus dem Sarge gerissen und seines Priesterschmucks, der, so wie der Körper, noch ganz unversehrt war, von den gierigen Hunden beraubt und dann ohne weiteres wieder hineingeworfen; der ganze Schatz der Kirche ward verschleudert und viel Blut auf klägliche Weise vergossen. Statt Christus und seines Fischers, des ehrwürdigen Petrus, wurden wieder mancherlei Götzen voll teuflischer Ketzerei angebetet, und diese beweinenswerthe Veränderung nicht allein von den Heiden, sondern auch von Christen gepriesen.


11. Um diese Zeit ward die Kirche zu Zeiz von einem Böhmenheere unter Führung des Grafen Dedi [von Wettin] eingenommen und geplündert, und Hugo, der erste Bischof dort, vertrieben. Darnach leerten sie das Kloster des heiligen Laurentius in der Stadt Calwo [Calbe] aus, und setzten den Unseren wie [77] flüchtigen Hirschen nach; denn unsere Missethaten erzeugten in uns 983. Furcht und Schrecken, in ihnen Muth und Kraft. Mistui[26], Herzog der Abdriten [Obotriten], verbrannte und plünderte Hômanburg [Hamburg], wo einst ein Bischofsitz war. Was für Wunderzeichen aber Christus daselbst vom Himmel herabgesandt, das merke voll Andacht die gesammte Christenheit. Aus der Höhe herab kam eine goldene Hand, senkte sich mit ausgestreckten Fingern mitten in die Feuersbrunst, und schwebte angefüllt wieder zurück in die Wolken. Dies sah staunend das Heer, dies voll Schreckens Mistuwoi. Mir wurde es von Avico erzählt, der damals sein Capellan, nachher mein geistlicher Bruder war. Ich aber bin mit ihm zu der Ansicht gelangt, daß die Reliquien der Heiligen in dieser Weise von der Hand des Herrn erfaßt zum Himmel emporgeschwebt sind und die Feinde geschreckt und verjagt haben. Mistuwoi aber ward darauf wahnsinnig, so daß er in Ketten gelegt werden mußte, und als man ihn mit Weihwasser besprengte, schrie er: „St. Laurentius verbrennt mich!“ Er verschied elendiglich, ohne seiner Bande wieder frei zu werden. Als aber damals bereits alle Städte und Dörfer bis an ein Wasser, Namens Tongera[27] mit Brand und Plünderung heimgesucht waren, kamen von den Slaven mehr als 30 Heerschaaren zu Fuß und zu Roß zusammen, und trugen keine Scheu, unter dem Panier ihrer Götter und dem Schalle der vorangetragenen Posaunen alles was noch übrig war, zu vernichten. Zwar kamen sie zuerst wohlbehalten davon, allein das Geschehene blieb den Unseren nicht verborgen, und zusammen kamen Erzbischof Gisiler [von Magdeburg] und Bischof Hilliward [von Halberstadt], dazu Markgraf Thiedrich und die übrigen Grafen, Ricdag [Markgraf zu Meißen], Hodo, Pinizo, Frithrich, Dudo und mein Vater, Siegfried [von Walbeck], nebst vielen anderen. Diese hörten, so wie der Sonntag anbrach, zuerst die heilige Messe, rüsteten Seele und Leib mit dem himmlischen Sacramente, und brachen dann voll sicheren Muthes [78] 983. in die ihnen entgegen kommenden Feinde ein, die sie auch zu Boden streckten, so daß nur wenige auf eine nahe Anhöhe entkamen. Die Sieger aber lobten Gott, der so wunderbar ist in all seinen Werken, und hier erwies sich die Wahrheit des Wortes Pauli[28], welcher lehrt: „Es hilft keine Weisheit, kein Verstand, kein Rath wider den Herrn.“

Verlassen sahen sich jetzt die vorher Gott zu verschmähen sich erfrecht und in ihrer Thorheit Bilder, das eitle Werk ihrer Hände, ihrem Schöpfer vorgezogen hatten. Mit Anbruch der Nacht aber, während die Unsern etwas weiterhin ein Lager aufschlugen, entkam leider der oben erwähnte Ueberrest des Feindes heimlich. Alle Unsrigen aber zogen, drei ausgenommen, am anderen Tage heim, indem alle, denen sie unterwegs begegneten oder die sie in der Heimat sahen, ihnen freudig Beifall spendeten.


12. Unterdeß übte der Kaiser die römische Herrschaft so, daß er alles behauptete, was vordem seinem Vater gehört hatte, und den Sarazenen, die seine Lande angriffen, mannhaft widerstand und sie aus seinem Gebiete weithin verjagte. Als er aber erfuhr,982. daß Calabrien häufig von Einfällen der Griechen und Plünderungen der Sarazenen zu leiden habe, berief er die Baiern und die kampfgeübten Alemannen zur Ergänzung seines Heeres, und eilte selbst, begleitet von Herzog Otto, dem Sohne seines Bruders Liudulf, nach der Stadt Tarent, welche die Danaer [die Griechen] eingenommen und mit einer Besatzung versehen hatten. Er zwang sie in kurzer Zeit tapfer kämpfend zur Uebergabe. Indem er dann die Sarazenen, die mit großer Heeresmacht seine Lande heimsuchten, zu überwinden beabsichtigte, sandte er gewandte Späher dahin, die ihm von den Feinden genaue Kundschaft bringen mußten. Zuerst suchte er sie in einer Stadt auf, überwand sie und zwang sie zur Flucht; darnach griff er sie voll Tapferkeit auf offenem Felde an, wie sie in Schlachtordnung dastanden und erlegte eine unzählige Menge von ihnen, so daß er sie für gänzlich besiegt hielt. Sie aber [79] sammelten sich unerwarteter Weise wieder und griffen die Unseren 982. mit vereinter Gewalt an, die nun nach geringem Widerstande wichen. Da fielen, – o der schmerzlichen Erinnerung! – am 13. Juli Richari, der Lanzenträger des Kaisers, ferner Herzog Udo, der Oheim meiner Mutter, und die Grafen Thietmar, Bezelin, Gevehard, Günther [Markgraf zu Meißen), Ezelin und dessen Bruder Bezelin, nebst Burchard und Dedi und Konrad und unzähligen anderen, deren Namen nur Gott weiß. Der Kaiser aber entkam mit seinem Neffen Otto fliehend ans Meer, und wie er in der Ferne ein Schiff, eine sogenannte Salandria, erblickte, schwamm er auf dem Rosse des Juden Calonymos darauf zu; das Schiff aber fuhr vorüber, ohne ihn aufnehmen zu wollen. Als er dann wieder nach den Schutzwerken am Ufer zurückkehrte, fand er den Juden noch daselbst stehen, indem er voll Angst abwartete, wie es seinem geliebten Herrn ergehen möchte. Als nun der Kaiser die Feinde herankommen sah, fragte er den Juden traurig, was nun wohl aus ihm werden sollte? Dann warf er sich, als er auf einer anderen Salandria, die der ersten nachfolgte, einen ihm wohlgesinnten Mann bemerkte, von dem er Hülfe erwarten konnte, aufs neue mit dem Rosse ins Meer, erreichte das Schiff und ward, indem ihn nur jener eine, der sein Dienstmann war, Namens Heinrich, auf Slavisch Zolunta genannt, erkannte, von demselben ins Fahrzeug gelassen und auf das Bett des Schiffsherrn gebracht. Zuletzt erkannte ihn aber auch der und fragte, ob er der Kaiser wäre? – Er nun gestand, nachdem er es lange zu verhehlen gesucht, es endlich ein und sagte: „Ich bin es, ich bin zur Strafe meiner Sünden in solches Elend gerathen. Aber nun vernehmt, wie wir jetzt gemeinsam handeln müssen. Die Besten meines Reichs habe ich Unglücklicher jetzt verloren, und von diesem Schmerze gestachelt, kann und will ich weder diese Lande betreten, noch die Freunde der Gefallenen je wieder sehen. Laßt uns nur in Rossano[29] landen, wo meine Gemahlin meiner Ankunft harrt, und dann wollen wir mit ihr und allem Gelde, [80] 982. welches ich dort in großer Menge habe, zu eurem Kaiser, meinem Schwager, uns begeben, der, wie ich hoffe, mir in meiner Noth ein treuer Freund sein wird.“ Der Führer des Schiffes gab voll Wohlgefallens diesen süßen Worten nach und ließ Tag und Nacht angestrengt arbeiten, um den besagten Ort zu erreichen. Als sie sich demselben näherten, ward auf Geheiß des Kaisers jener Kriegsmann mit dem doppelten Namen vorausgeschickt, um die Kaiserin und den obengenannten Bischof Thiedrich [von Metz], der bei ihr war, nebst einer großen Anzahl von Saumthieren, welche scheinbar zum Geldtragen bestimmt waren, zu holen. So wie nun die Griechen die Kaiserin mit so bedeutenden Geschenken aus der Stadt kommen sahen, warfen sie sogleich Anker, und ließen zunächst den Bischof mit einigen Begleitern ins Schiff. Der Kaiser aber, der auf Anrathen des Bischofs die schlechte Kleidung ablegte, und bessere anzog, sprang, indem er auf dem Vordertheile des Schiffes sich befand, auf seine Körperkraft und Schwimmkunst vertrauend, schnell in’s Meer. Einer von den umstehenden Griechen jedoch suchte ihn festzuhalten, indem er ihn am Gewande ergriff; allein vom Schwerte des Liuppo, eines trefflichen Ritters durchbohrt, sank er rücklings nieder. Die Schiffsmannschaft floh darauf an die andere Seite des Schiffes, die Unsern aber fuhren in den Böten, in denen sie gekommen waren, unangefochten zum Kaiser hin, der sie nunmehr am Ufer in Sicherheit erwartete. Obwohl er nun den versprochenen Lohn in reichen Gaben zu spenden entschlossen war, so fuhren doch jene ganz bestürzt und seinen Versprechungen mißtrauend davon und steuerten heim; und so sahen sie, die an List beständig alle andren Nationen übertroffen hatten, sich nun selbst durch einen ähnlichen Kunstgriff getäuscht. Mit wie großer Freude aber der Kaiser von den Anwesenden und denen, die noch hinzu kamen, begrüßt wurde, vermag ich gar nicht mit Worten zu beschreiben.


13. Damit aber du, geliebter Leser, von allem genau unterrichtet werdest, so will ich in kurzem beschreiben, was eine [81] Salandria ist und warum dergleichen Schiffe nach jenen Küsten 982. hinkamen. Eine Salandria nämlich ist ein Schiff von außerordentlicher Länge und Beweglichkeit, welches an beiden Seiten zwei Reihen Ruderbänke und 150 Matrosen hat. Von dieser Gattung waren zwei Fahrzeuge, welche auf Befehl des Kaisers Nikaphor nach Calabrien kamen, um daselbst den Tribut einzusammeln. Diese Landschaft erlegt nämlich, obwohl sie eigentlich dem römischen Kaiser unterthan ist, doch, um nicht von den Griechen belästigt zu werden, denselben auch freiwillig alljährlich eine Summe Goldes. Diese Schiffe nun, welche ein nur mit Essig zu löschendes Feuer[30] am Bord hatten, hatte Otto mit seiner Kriegsmacht verbunden und in seine Dienste genommen, indem er sie beordert hatte, auf die hohe See hinaus zu fahren und die Schiffe der Sarazenen in Brand zu stecken. Das eine derselben aber hatte sich nun geweigert, ihn, den besiegten, aufzunehmen, entweder weil man ihn nicht kannte, oder aus Furcht vor dem nachsetzenden Feinde; das andere aber, welches ihn auf Heinrich Zolunta’s Betrieb aufnahm, gab ihn, wie gesagt, nur wider Willen heraus.


14. Nachdem ich nun ein wenig vom Wege abgewichen war, will ich jetzt die angefangene Schilderung zu Ende führen. war, Alle unsre Fürsten kamen, als sie die so klägliche Kunde vernahmen, schmerzlich bewegt zusammen, und baten schriftlich einmüthig, es möge ihnen doch vergönnt sein, den Kaiser bald bei sich zu sehen. Als dieser ihre Botschaft vernahm, willigte er von Herzen gern in ihr Gesuch. Es ward ein Reichstag zu Berna [Verona] angesetzt, zu dem alle Großen berufen wurden,983. um daselbst vieles nöthige zu verhandeln. Alle kamen, nur Herzog Bernhard [von Sachsen] kehrte mitten auf dem Wege wieder um, denn eine von seinen Burgen[31], welche der Kaiser gegen die Dänen mit Festungswerken und Besatzung versehen hatte, war [82] 983. von denselben mit List genommen und, nachdem die Vertheidiger niedergemacht waren, in Brand gesteckt. Im Jahre 983 hielt also der Kaiser zu Verona eine Reichsversammlung. Dort ward Heinrich der Jüngere der Acht entlassen und zum Herzoge von Baiern erhoben.

In diesem Jahre widerstanden die Slaven mit vereinter Kraft dem Kaiser und dem Markgrafen Thiedrich. In demselben wurde auch der Sohn Otto’s von allen Fürsten zum Könige erwählt.


15. Nach wenig Tagen brachen die Fürsten auf. Sie hatten dem Kaiser das letzte Lebewohl gesagt. Denn als er, nachdem er seine ehrwürdige Mutter in Pavia verlassen hatte, nach Rom kam, erkrankte er heftig. Als er nun sein Ende nahe fühlte, theilte er seine ganze Baarschaft in vier Theile, von denen er einen den Kirchen, einen anderen den Armen, einen dritten seiner geliebten Schwester Mathilde, welche, als eine andächtige Magd Christi, Aebtissin zu Quedlinburg war, und einen vierten endlich seinen trauernden Dienst- und Kriegsleuten schenkte. Nachdem er darauf vor dem Papste und andern Mitbischöfen und Priestern in lateinischer Sprache gebeichtet und von ihnen die ersehnte Absolution erlangt hatte, verschied er am 7. December, und ward bestattet, wo der östliche Eingang zur Vorhalle der Kirche St. Peters allen Gläubigen offen steht, und wo unser Herr Christus in dem trefflichen Standbilde dargestellt ist, welches alle Vorbeikommenden segnet.

Nun aber flehe ich, eingedenk des menschlichen Looses, und der Nachsicht selbst im höchsten Grade bedürftig, auf meinen Knieen zu Gott, dem Herrn des Himmels und der Erde, daß er gnädig verzeihen möge, was der Verstorbene an meiner Kirche gesündigt hat, für die Wohlthaten aber, die er verrichtet hat, ihm das Hundertfache verleihen, und ich löse ihn, kraft meines mir unverdient übertragenen Amtes von der verwirkten Strafe, indem ich auch dich, mein Nachfolger, inständig bitte, daß du diese Verzeihung [83] die niemandem auf dem Todtbette verweigert werden darf, 983. ihm stets von Herzen gewähren mögest.


16. Sein erhabener Sohn, der ihm [im Jahre 980] in einem Walde Namens Ketil[32] geboren war, wurde am Weihnachtsfeste des nächsten Jahres von den Erzbischöfen Johannes von Ravenna und Willigis von Mainz zu Aachen zum Könige gesalbt. Gleich nach Vollendung dieses heiligen Amtes kam ein Gesandter mit der Trauerbotschaft an und störte die große Freude. Manches Herz ward von unaussprechlichem Schmerze bewegt, denn erst wenn die Tugend der Erde entrückt ist, vermissen wir Menschen sie, obwohl wir sie in unserer Gebrechlichkeit und in unserem Zweifelmuthe gar häufig verfolgen, so lange sie noch unter uns weilt [33].

Zweimal fünf Sonnenjahre regierte der Sohn nach dem Tode des Vaters; er, ein Schützer des Reiches und der Herrschaft, allen Feinden furchtbar, den ihm anvertrauten Heerden eine unerschütterliche Mauer. Aengstlich zwar schwankte in der so wichtigen Angelegenheit des Volkes Sinn, aber bald festigte ihn voll Erbarmens die Majestät des Herrn.

Herzog Heinrich [von Baiern] ward seiner Haft zu Utrecht entlassen, und empfing aus der Hand des Erzbischofs Warin von Köln, dessen zuverlässiger Treue der Kaiser seinen Sohn anvertraut hatte, das königliche Knäblein, um es groß zu ziehen, oder vielmehr seiner Würde zu entsetzen [34].

Jetzt will ich mein drittes Buch mit dem trauervollen Tode unseres[35] dritten Kaisers beschließen, und freudigen Herzens versuchen, die Gewißheit der Liebe unseres Gottes, welche jeglichen Zweifel zurückweist, in der folgenden Schilderung darzulegen.

  1. Altes Kloster und Stadt bei Fulda.
  2. Diese Urkunde ist zu Walbeck am 19. November 979 ausgestellt.
  3. Pölde war der Lieblingsaufenthalt der Ottonen bei Osterode am Harz.
  4. Orte in der Nähe von Leipzig.
  5. Thietmar will sagen, die Thiere brachten gleichsam glückwünschend ihre Jungen der Wöchnerin dar; dazu hatten sie sie nach Gottes Willen in derselben Nacht werfen müssen.
  6. Bossut an der Hahne im Hennegau; Otto II. kämpfte damals gegen Reginar und Lambert, die Söhne des geächteten Grafen Reginar.
  7. Aus dieser Angabe geht nicht mit Sicherheit 975 als das Geburtsjahr Thietmars hervor; vielmehr scheint es, daß er das Jahr seiner Geburt nicht genau kannte, was auch aus andern Stellen seiner Chronik hervorgeht, vgl. VIII, 8.
  8. Chamb ober Kam, Stadt am Regen.
  9. König Lothar von Frankreich.
  10. Arneburg an der Elbe.
  11. Der Bischof Othelrich (Ulrich) von Augsburg starb 973.
  12. Graf in Nordthüringen. Er war der Untreue gegen den Kaiser beschuldigt.
  13. Sumeringe (Sömmeringen) an den Quellen der Unstrut, das heutige Sömmerda.
  14. Im Mansfelder-Seekreise, bei Eisleben gelegen.
  15. Die Zahl ist im Text ausgefallen; sie steht aber beim Sächsischen Annalisten.
  16. Freckleben, im Fürst. Anhalt-Dessau.
  17. Giebichenstein in der Nähe von Halle, auf dem linken Ufer der Saale.
  18. Der lateinische Ausdruck: completurque sibi cunctis proxima in omnibus benevolentia, ist von zweifelhafter Bedeutung. Da jedoch Thietmar oft nach mittelalterlicher Weise sibi für ei ober eis setzt, glaube ich, daß er sagen wollte: Gisiler erwies ihnen in allen Stücken sein Wohlwollen, welches allen nahe, d. h. für alle besorgt war. Es ist damit theils seine geschäftige Fürsorge bezeichnet, theils ironisch die Treulosigkeit angedeutet, zu welchem das folgende namque den Uebergang bildet.       W.
  19. Gau zwischen Elster und Pleiße.
  20. Gau zwischen Saale und Elster.
  21. Gau auf der linken Seite der Elster mit dem Hauptort Tauchern.
  22. Passini auf der rechten Seite der Elster zwischen Elster und Mulde.
  23. Zwischen Saale und Elster, kurz vor deren Mündung in die Saale gelegen.
  24. Es ist der Gau Gutuzi zwischen Saale und Mulde gemeint; Lostatawa liegt an der Mulde oberhalb des Einflusses der Caminici.
  25. Scudici auf der rechten Seite der Elster, kurz vor deren Mündung in die Saale. Cotug liegt etwas östlich davon. Vurcin liegt etwas östlicher davon auf der rechten Seite der Mulde, während Bigni gegenüber auf der linken Seite liegt. Hilburg, Dibni, Liubanici, Pauc liegen der Reihenfolge nach von Süden nach Norden an der Mulde.
  26. Derselbe Name wird gleich nachher Mistuwoi und Mystuwoi geschrieben.
  27. Tongera, die heutige Tanger, kleiner Nebenfluß der Elbe auf deren linker Seite unterhalb Magdeburg.
  28. Das ist kein Ausspruch des h. Paulus, sondern Salamos in den Sprichwörtern XXI, 30.
  29. In Unteritalien, nordöstlich von Cosenza.
  30. Sonst griechisches Feuer genannt.
  31. An dieser Stelle ist im lateinischen Text eine Lücke anstatt des Namens.
  32. Im Cleveschen bei Gennep, wo das Pfarrdorf Kessel liegt.
  33. Nach Horaz, III, 24, 31.
  34. Ironische Ausdrucksweise, erklärt durch die gleich im Anfange des folgenden Buchs berichteten Bestrebungen Heinrichs, die Kaiserkrone zu erlangen.
  35. d. h. sächsischen.

Anmerkungen (Wikisource)