Die Dienstboten vor dreihundert Jahren

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Autor: G. S.
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Titel: Die Dienstboten vor dreihundert Jahren
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 751
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Dienstboten vor dreihundert Jahren.

Endlos sind die Klagen unserer Hausfrauen über die Dienstboten. Gewiß gebe es fleißige, treue und zuverlässige, aber diese schienen doch die Minderheit zu bilden! Namentlich in den Großstädten sei mit den Dienstmädchen nicht mehr auszukommen! Da sei es doch besser gewesen in der guten alten Zeit, als noch patriarchalische Zustände herrschten, es keine Fabriken gab und Freizügigkeit unbekannt war. Damals gingen die jungen Mädchen gern und willig in den Dienst und verstanden etwas von der Hausarbeit: sie hatten Achtung vor der Herrschaft und hielten oft in einer Stelle bis ins Alter aus. Wie anders ist das alles jetzt geworden! Wo bist du hin, du schöne gute alte Zeit!

Also denkt die Hausfrau unserer Tage, beneidet ihre Urahne, und der Aerger mit dem Dienstmädchen, der ja keiner erspart bleibt, wird von ihr doppelt schwer empfunden. Vielleicht wird sie sich getröstet fühlen, wenn sie erfährt, daß dieser Uebelstand kein Erzeugnis der Gegenwart ist, sondern schon in alter und wohl auch ältester Zeit bekannt war.

Es liegen uns zwei Zeugnisse aus dem sechzehnten Jahrhundert vor, aus denen wir Belehrung schöpfen können, wie die Dienstboten vor mehr als dreihundert Jahren beschaffen waren. Das eine sind die Wirtschaftsbücher des Nürnberger Ratsherrn Paul Behaim, die im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt werden. Mit peinlicher Sorgfalt von dem Ratsherrn selbst geführt und nach dessen Tode von dessen Gattin Magdalena, einer geborenen Römer, fortgesetzt, gewähren sie einen Einblick in das Hauswesen und die Bedürfnisse einer wohlhabenden bürgerlichen Familie jener Zeit. Sie enthalten auch lehrreiche Aufzeichnungen über die Dienstboten des Behaimschen Hauses.

Die zweite Schrift besteht in einem dicken in Schweinsleder gebundenen Folianten, der durch Peter Schmid im Jahre 1587 zu Frankfurt a. M. gedruckt wurde und den Titel „Theatrum diabolorum“ führt. Es werden darin menschliche Laster und Schwächen gegeißelt und als Ausfluß teuflischer Verführung dargestellt. Verschiedene Schriftgelehrte haben an diesem „Teufelstheater“ geschrieben und in vierundzwanzig Traktaten sich gegen allerlei Teufel gewendet. Dementsprechend lauten die Ueberschriften der Hauptabschnitte: „Der Hoffartsteuffel“, „Der Neidteuffel“, „Der Schmeichelteuffel“, „Der Eheteuffel“, „Der Spielteuffel“, „Der Kleyderteuffel“, „Der Hosenteuffel“, „Der spekulationische Teuffel“ etc. Uns interessiert hier besonders der Abschnitt vom „Gesindteuffel“, der von M. Peter Glaser, Prediger zu Dresden, verfaßt wurde.

„Der Teuffel hats jetzt darhin gebracht,“ klagt der Prediger, „daß vom Gesind kein gut Wort gefellt; gönnen den Herren nicht das Maul, daß sie fragten, darumb zu fragen war; werden sie gefraget, so wissen sie nicht, ob sie antworten sollen; man darf sie wol einmal oder drey fragen, ehe man ein Wort auß jnen bringt. Und ob sie gleich antworten, so sagen sie Mum Mum, daß einer nicht weyß, obs gehauen oder gestochen ist, wenden das Maul von Herrn und Frauwen, kehren ihnen den Rucken zu und gönnen jnen nicht das Angesicht oder antworten mit schnorrenden, porrenden, hönischen und schnüppischen Worten ….

Es ist auch das Gesinde jetzt so klug und Nasenweiß worden, daß sie alles besser wissen und können wölln, denn Herren und Frauwen, und wölln immer was anders thun an deß statt, das jnen befohlen wirt, oder aber thun das befohlene nicht so bald als mans haben wil, sondern thun zuvor was anders, das ist ein sehr verdrießlich Ding.“

Diesen Verdruß hat die Hausfrau auch heute nur zu oft. Wenn sie aber glaubt, daß die Dienstboten in alten Zeiten sich leichter zurechtweisen und belehren ließen, dann irrt sie; denn Peter Glaser klagt:

„Item, wenn das Gesinde gestrafft wird, schmollen und zürnen sie einen Tag oder etliche; wölln kein Wort reden, hangen das Maul oder werffens auf, schlagen nach sich die Thüre mit Gewalt zu, werfen Krüge und Kannen, Töpfchen, Tiegel und Pfannen, Schüssel und Teller und alles über ein hauffen; und will man Friede im Hause haben und grössern Schaden meiden, so muß man stillschweigen.“

Gerade wie bei uns begann die Not mit den Dienstboten vor Jahrhunderten schon vor dem Antritt des Dienstes; denn der Dresdner Prediger belehrt uns:

„Nachdem die Mägde sich zu Dienst versprochen, stoßen jnen bisweilen, wie sie meynen, bessere Dienste für, und finden sich Leute, die schlagen jnen andere bessere und leichtere Dienste für, entweder bey sich selbst oder bey andern. Und wirt also das Gesinde offt dahin gebracht, daß es den Dienst auffsagen oder auffkündigen lässet, schicken den Herren und Frauwen das Gelt wider, welches sie darauf genommen, ziehen entweder an frembde und andere Oerter, oder so mans nicht nachgeben will, stellen sie sich kranck und bleiben eine zeitlang daheym oder anderßwo, bis die Herren andere gemieten, darnach werden sie bald wieder frisch und dienen anderen.“

Und wie war es wohl in der alten Zeit mit dem Einhalten des vereinbarten Dienstjahres bestellt? Hören wir einmal, wie der „Teufel“ in dieser Hinsicht das Gesinde beeinflußte:

„Wenn das Gesinde angezogen ist, und sie sehen, daß sie nicht bessere Gelegenheit haben, denn zuvor, und so gute Tage, wie sie jnen haben träumen lassen, da dencken sie, wie sie mögen loß werden, lauffen entweder darvon oder machens und erzeigen sich also, Laß man sie solle oder auch wol muß ziehen lassen, will man anderß großes Schadens, mancherley Verdrießlichkeit und Beschwerung überhoben sein. Und wenn die Arbeit am nötigsten ist, da man sie am wenigsten und übelsten entrathen oder entbehren kann, sind sie am aller mutwilligsten, thun und lassen, was sie wöllen, und so es die Herren nicht leiden wöllen, setzen jnen bald den Stul vor die Thür und sprechen: ,Diene ich euch nicht, so gebet mir meinen Lohn und schaffet euch ander Gesinde!‘ Gehen darauf darvon, verklagen die Herren. Und man findet auch Oberkeit, welche dazu hilfft, daß man solchem losen Gesind das Lohn geben und nicht furhalten soll, damit denn die Bosheit deß Gesindes gestärcket werde …. Etliche auch damit sie vom Dienste, der jnen nicht gefellet, mögen loß werden, gebrauchen sie Tück und List, stellen sich kranck, damit die Herren verursachet werden, jnen zu erlauben heimzuziehen.“

Ueber die naschhaften Dienstboten erfahren wir:

„Wie die gantze Welt darüber klaget, findet man jetzt wenig treuw Gesinde. Und darff fast niemands dem Gesinde die Schlüssel vertrauwen, ja sie machen jnen wol selbst Schlüssel. Benaschen erstlich alles was in Töpffen, Schüsseln oder anderswo ist, und verderben offt das andere, was sie lassen bleiben, wie denn manche Kost und Speise dadurch verderbet wird, wenn man mit Fingern drein tauchet und darauß naschet. Etliche stelen sonst allerley, was zu essen dienet, als Eyer, Butter, Milch, Käß, Speck, Fleisch, Mehl, Obst und dergleichen, und lassen sich bedüncken, dieweil es solch Ding ist, das zu essen dienet, so sey es keine Sünde.“

Doch genug der Beispiele aus dem „Theatrum diabolorum“! Blättern wir jetzt ein wenig in den Wirtschaftsbüchern des Ratsherrn Paul Behaim! In knapperen und dürren Worten geben sie uns fast dasselbe Bild. Wir erfahren zunächst, daß man die Köchin Susanne, welche nur ein Vierteljahr, von Lichtmeß bis Walburgis (2. Februar bis 1. Mai) 1556, im Dienste des Hauses stand, „fahren ließ, umb das sie so gar faul und langksam gewest ist“.

Die Köchin Klara „ist gar faul, frech und entwicht (nichtsnutzig) gewest“; sie wurde nach kaum vier Monaten am 10. Febr. 1561 „geurlaubt“, während die Untermagd Endlein, die Lichtmeß 1562 in den Dienst getreten, bereits zu Laurenzi wieder entlassen werden mußte, „umb wegen, daß sie so gar kindisch unachtsam gewest ist, und ir nichts zu vertrauen großer Ungeschicklichkeit halber“. – Die Köchin Els wurde Lichtmeß 1562 angenommen „und nach dem ir mutter gestorben ist, hat sie vil ursachen furgewendt (vorgebracht), nit zu pleiben, also hat sie mein weib am 20. marcio (März) 1563 faren lassen“. – Die Untermaid Juliana mußte nach einjähriger Dienstzeit am 29. Juli 1563 „geurlaubt werden, da sie sich mit der kindsmaid nit hat konnen betragen“. – Eva wurde Allerheiligen 1562 als Kindsmaid angenommen, „hat mein weib itzt liechtmeß 1563 wider geurlaupt, umb sie so gar pos und heftig ward“. – Nicht viel besser war eine andere Kindsmaid, die Magdalena. Nachdem sie Laurenzi 1564 gedingt worden, wurde sie Laurenzi 1565 „geurlaupt, von wegen, daß sie unter mein kindern allein einem kind, dem Friedrich, ist obgelegen, und ir die andern zu vil sind gewest, der ihrer zu warten“. – Die Köchin Ketterle diente von Laurenzi 1563 bis eben dahin 1565; sie mußte entlassen werden, „umb sie als bos gegen andern maiden gewest ist und sonst nichts kenth (verstanden) hat“. – Die Untermaid Werble aus Bamberg trat ihren Dienst zu Laurenzi 1563 an und ist nach Verlauf eines Jahres „geurlaupt worden von wegen, daß sie sich mit der kochin nit hat können vertragen“. Bald darauf mußte auch ihre Nachfolgerin die Untermaid Berblein den Dienst aufgeben, „umb sie gar faul und nit arbeitsam gewest“. – Die Kindsmaid Margrett, von Laurenzi 1565 bis Lichtmeß 1566 im Dienst, „hat mein weib faren lassen, umb sie ein gar grober püssel gewest ist“. –

Zum bessern Verständnis dieser Mitteilungen sei noch hinzugefügt, daß, wie wir aus andern zeitgenössischen Berichten wissen, in Nürnberg ehedem die Dienstboten meist auf ein Jahr gemietet wurden, daß aber diese Zeit von beiden Teilen selten innegehalten wurde. Feststehende Mietstermine waren Mariae Lichtmeß, Walpurgi, Laurenzi und Allerheiligen. Der Lohn war den damaligen Verhältnissen durchaus angemessen. Die Untermaid erhielt auf das Jahr 4, die Köchin 6, die Kindsmaid sogar 7 fl.

Aus einigen Bemerkungen Behaims erfahren wir, daß es damals, wie jetzt, auch gute und treue Dienstboten gegeben hat. Nur wurde ihr Lob nicht so laut verkündet. Um gerecht zu sein, muß man schließlich des Sprüchleins gedenken „Wie der Herr, so der Diener“; oft ist das Gesinde schlecht, weil die Herrschaft nicht viel taugt, und wo die Hausfrau sich um die Wirtschaft nicht bekümmert, kann es keine gute Magd geben.

Darum ist auch zu beklagen, daß nicht aus jener alten Zeit auch eine Kunde von Beschwerden der Dienstboten über ihre Herrschaft, an denen es sicherlich nicht gefehlt haben wird, auf uns gekommen ist. Dem Zeitbilde, das auch ohne sie interessant genug ist, würde dann nichts mehr an seiner Vollständigkeit fehlen. G. S.