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In der Porzellanfabrik

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Autor: F. Luthmer
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Titel: In der Porzellanfabrik
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 752-756
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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In der Porzellanfabrik.

Von F. Luthmer. Mit Illustrationen von C. H. Kuechler.

Auch die Erfindungen spiegeln ihre Zeit wider. Die großen Erfolge der heutigen Naturwissenschaft, welche uns lehrten, durch Dampf und Elektricität Raum und Zeit zu besiegen – wie weltumgestaltend wirken sie, verglichen mit der Erfindung, welche in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die Augen der Welt auf sich zog. Und doch begrüßte man in der Erfindung des Hartporzellans, die um 1730 dem sächsischen „Alchimisten“ Böttger gelungen war, eine wichtige Förderung des Nationalwohlstandes. Galt es doch als sicher, daß die für jene Zeit beträchtlichen Summen, die für das vielbegehrte Töpfergut bisher nach Ostasien gewandert waren, nunmehr dem Vaterlande zu gute kommen würden; Grund genug, daß kunstsinnige Fürsten und erwerbseifrige Industriegesellschaften allerorten Fabriken bauten, um die neue Erfindung auszubeuten.

Nicht unbestritten ist dem Deutschen Böttger der Ruhm seiner Erfindung geblieben. Man hat sich bemüht, nachzuweisen, daß lange vor ihm schon in Europa Porzellan erzeugt worden sei. Einige Verwirrung hat in diese Untersuchungen die in alten fürstlichen Inventarien schon seit dem 14. Jahrhundert vorkommende Erwähnung gewisser „Vasa porcellanea“ gebracht. Jetzt dürfte ziemlich feststehen, daß sich diese Bezeichnung auf die in Silber und Gold gefaßten Prunkgefäße aus der Schale der porcella, einer Seemuschel, beziehen, vielleicht auch auf einzelne wirkliche Gefäße aus Hartporzellan, die auf dem Handelswege von China ins Abendland verschlagen waren und die man hier nach der Aehnlichkeit ihres Stoffes mit demjenigen der erwähnten Muschel auf den Namen derselben taufte. An Versuchen, derartige chinesische Originalgefäße nachzubilden, hat es im Abendlande schon früher nicht gefehlt. Doch stellen sich die sogenannten Medici-Porzellane, welche um 1580 in Florenz hergestellt wurden, sowie derjenige Stoff, welcher gegen Ende des 17. Jahrhunderts in St. Cloud erzeugt wurde, als eine wesentlich andere, bei niedrigerer Temperatur schmelzbare Masse, als sogenanntes Weich- oder Frittenporzellan dar. Um den grundsätzlichen Unterschied derselben von dem eigentlichen Hartporzellan, der Erfindung Böttgers, zu verstehen, ist es notwendig, auf die Natur der letzteren einen kurzen Blick zu werfen, dem sich eine Schilderung des heutigen Ganges der Porzellanfabrikation anschließen möge.

In der Massenmühle.

Der unterscheidende Bestandteil des Hartporzellans ist das Kaolin, ein Thon, der aus der Verwitterung thonerdehaltiger Silikate entsteht und in Deutschland an verschiedenen Stellen in den Ablagerungsebenen am Fuß der Urgebirge vorkommt. Neben diesem an sich unschmelzbaren Bestandteil enthält das Porzellan einen zweiten, das Flußmittel, meist im Verhältnis von 70 zu 30. Als Flußmittel, welches für sich unbildsam ist, verwendet man meist Feldspat, auch Kiesel, Feuerstein, Porzellanscherben u. ähnl. Die Flußmittel schmelzen mit dem Kaolin zu einer glasartigen, aber undurchsichtigen Masse zusammen; indem sie die Thonteilchen beim Schmelzen umhüllen und miteinander verbinden, machen sie das Schmelzprodukt kompakt, klingend, glashart und bis zu einem gewissen Grade durchscheinend.

Wenn wir eine Porzellanfabrik besuchen, um uns an der Hand eines kundigen Führers in die Herstellung dieses einst so teuer geschätzten, heute so alltäglichen Gebrauchsmaterials einweihen zu lassen, so werden wir zunächst in diejenige Abteilung geführt, in welcher die Zubereitung der Materialien vor sich geht. Wir erstaunen über die Sorgfalt, mit welcher dieselbe vorgenommen wird. Der Thon, der entweder an Ort und Stelle gegraben oder von auswärts bezogen wird, muß, um von allen fremden Beimengungen befreit und absolut gleichmäßig zu werden, dem Prozeß des „Schlemmens“ unterzogen werden. Man löst die feingemahlene Erde in reichlichem Wasser auf, füllt den milchartigen Brei in offene Fässer oder Bottiche und läßt die fremden Bestandteile zu Boden sinken, worauf man die gereinigte Masse durch Hähne, die in verschiedener Höhe angebracht sind, abläßt. Neben dieser älteren Methode wendet man in größeren Betrieben zu demselben Zweck die Schlemmgruben an, eine Reihe flacher Bassins in verschiedener Höhenlage, in deren oberstes die unreine Flüssigkeit eingefüllt wird, um nach Senkung der fremden Stoffe in das nächstfolgende Bassin abgelassen zu werden, bis dem untersten die reine, zum Verarbeiten geeignete Thonerde entnommen werden kann.

Das Flußmittel, das in Form von Steinbrocken zur Verfügung steht, wird zunächst durch Rösten brüchig gemacht, alsdann in einem Stampfwerk zu Pulver zerkleinert. Ist nun Thon und Fluß in dem oben angegebenen Verhältnis gemengt, so läßt man die Masse, mit Regenwasser angefeuchtet, einige Wochen liegen, damit sie verwittert. Es tritt eine Art Gärung ein, welche die Masse so fein werden läßt, daß sie sich wie Seife anfühlt. In früherer Zeit wendete man zur Verfeinerung der Masse das Sieben an. Ein an seinem unteren Rande mit Taffet oder feinem Leinen bezogenes Sieb wurde auf zwei Lattenstücken über die oberste Oeffnung eines aufrechtstehenden Fasses gestellt. Mit einem Handkübel füllte man [753] die von der Mühle gekommene Masse, welche durch Zusatz von Wasser die Dichte einer etwas dicken Milch erhielt, in das Sieb; durch Anschlagen mit den Händen von beiden Seiten wurde die Masse nach und nach durch letzteres durchgetrieben und floß in der gewünschten Feinheit in das Faß ab. Unsere Illustration S. 752 führt uns in die Massenmühle. In einem Bottich wird durch ein von der Maschine bewegtes Rührwerk ein inniges Gemenge der einzelnen Bestandteile der Masse herbeigeführt; eine Arbeiterin wartet auf das Anfüllen ihrer Kufe aus dem Bottich, um die fertige Masse in die Arbeitsräume zu tragen.

In der Dichte, welche die Masse in der Mühle erlangt hat und die einem zum Gießen angemachten Gipsbrei entspricht, wird dieselbe nur zum Ausziehen der Formen gebraucht, womit wir auf dem Bilde S. 754 rechts einen Arbeiter beschäftigt sehen. Wir werden später noch einer anderen Verarbeitung der Masse begegnen, wollen uns jedoch zunächst mit den Gußformen beschäftigen, zu welchem Zwecke uns unser Führer das Atelier der Modelleure öffnet. Denn nicht nur zu Ziergefäßen und zu dem täglichen Geräte unseres Tisches wird das Porzellan verwendet, es hat Besitz von der Kunst ergriffen und schon ein halbes Menschenalter nach seiner Erfindung ein wichtiges Gebiet der Kleinplastik erobert. Dieselbe Rolle, welche bei den Griechen die so hochgeschätzten Thonfiguren aus Tanagra, der Stolz unserer Museen, spielten, wurde den Porzellanfiguren und -gruppen zugewiesen, die bald die begehrtesten Erzeugnisse der Fabriken von Berlin, Meißen, Höchst, Frankenthal, Ludwigsburg etc. wurden. Betrachtet man die geradezu fabelhaften Preise, welche auf heutigen Auktionen für wohlerhaltene Exemplare dieser zierlichen Kunstwerke gezahlt werden, so könnte man auf den Schluß kommen, daß ihre Herstellung heute verlorengegangen wäre. Und doch blüht dieselbe mehr als je zuvor; nicht allein daß man, wie in Meißen und Berlin, die alten Formen noch heute benutzt – namhafte Künstler sind vielmehr damit beschäftigt, teils im Sinne der alten, teils in durchaus moderner Auffassung, wie in Berlin, Werke der Kleinplastik zu schaffen, die bei Liebhabern und Sammlern begeisterte Abnahme finden.

In das Atelier dieser Künstler führt unser obenstehendes Bild. Im vollen Licht der hellen Atelierfenster modelliert der eine, der rechts steht, eine Genrefigur, ein anderer eine kleine Büste. Der Mittelste läßt unter seinem Modellierholz eine weibliche Gestalt in schwungvoller Pose entstehen, die vielleicht zur Dekoration einer großen Ziervase bestimmt ist. Die in Modellierthon bossierten Figuren werden in Gips in sogenannten Stückformen abgeformt; der vierte Modelleur scheint im Begriff zu sein, eine solche Form zu „putzen“. Ganz wie beim Gipsgießen werden dann die einzelnen Stücke der Form zusammengesetzt und die flüssige Porzellanmasse hineingegossen. Der poröse Gips zieht bald das Wasser aus dem Gießbrei an sich, so daß nach kurzer Zeit die Form geöffnet und die Figur zu weiterem Trocknen herausgenommen werden kann. Besonders losgelöste Teile wie Arme und Beine werden für sich geformt und mit Massebrei an die Körper angeklebt. Dies Ansetzen, sowie das „Uebergehen“ der fertigen Figur mit dem Modellierholz, um die Nähte und sonstigen kleinen Fehler zu entfernen, fordert besonders geschickte Arbeiter; auf der Illustration S. 756 sehen wir sie am Mitteltisch bei der Arbeit.

Das Gußverfahren in Hohlformen wird aber nicht nur bei der Herstellung der Figuren, sondern auch bei den meisten Gefäßen angewendet, besonders wenn dieselben Reliefverzierungen haben. Nur bei größeren Gefäßen ist die Arbeit auf der Drehscheibe in Uebung. Die Masse, welche hierfür eine Dichte wie plastischer [754] Thon haben muß, wird aus dem dünnflüssigen Brei durch Auspressen des Wassers gewonnen, zu welchem Zwecke man sie in die „Massenpresse“ (s. S. 752 rechts) bringt. Hierauf wird sie auf der gewöhnlichen Töpferscheibe mit der Hand und hölzernen Instrumenten „aufgedreht“, bis sie annähernd die gewünschte Form hat. Man läßt sie ein wenig antrocknen und bringt sie dann in eine auf der Drehscheibe stehende Hohlform von Gips, in welche sie eingedreht wird, um gewünschten Falles die in der Form vertieft vorgesehenen Reliefverzierungen zu erhalten. Man unterwirft sie hierauf einem weiteren Trocknungsprozeß, bis sie „lederhart“ ist, und dreht sie auf der Scheibe nochmals ab, wobei namentlich den Wandungen die überflüssige Dicke genommen wird. In der linken Ecke unserer Illustration S. 756 sehen wir den Dreher bei der Arbeit. – Der lederharte Zustand des Gefäßes ist auch derjenige, in welchem bei durchbrochener Arbeit, Gitterwerk u. dergl., die durchbrochenen Stellen mit feinen Messern ausgestochen werden. Freies Modellieren in der plastischen Masse kommt nur bei der Blumenarbeit vor, bei welcher einzelne Blättchen von besonders darauf eingeübten Arbeiterinnen mit den Fingern geknetet und zusammengesetzt werden. Mehr noch als diese zum Teil sehr kunstvolle Blumenarbeit pflegt von Laien die bei Porzellanfiguren häufig angewendete Dekoration mit Tüll und Spitzen bewundert zu werden. Und doch ist dieses zuerst von der Berliner Manufaktur aufgebrachte Kunststück sehr einfach: der Tüll wird in dünnflüssige Masse eingetaucht, bis sich die Fäden damit vollgesogen haben, und um die Finger drapiert. Im Ofen verbrennt der Tüllfaden und das feine Gewebe bleibt als Porzellan zurück.

Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0754.jpg

Modell- und Formengießen.

Soweit die Formerei! – Um aus dem „lufttrocken“ gewordenen Gegenstand das blanke Porzellanstück herzustellen, muß dasselbe glasiert und gebrannt werden. Vorher jedoch bringt man ihn in den „Rauch- oder Verglühofen“, in welchem ihm durch schwachen Brand größere Festigkeit gegeben wird (S. 755 unten). Dieser Ofen hat im Prinzip Aehnlichkeit mit einem Backofen. Wir sehen den Schmelzer, nachdem er die Thür des auf Weißglühhitze gebrachten Ofens geöffnet hat, die zu verglühenden Gegenstände auf einem Blechuntersatz hineinschieben. Aus diesem Ofen geht das Porzellan als weiße, poröse Masse hervor. Diese kommt in die Hand des Malers, wenn die farbige Dekoration mit „Unterglasurfarben“ vorgenommen werden soll. Zu diesen gehört z. B. das Blau des bekannten Meißner Zwiebelmusters. Unterglasurfarben kann auch der Laie beim fertigen Stück leicht erkennen, wenn er mit dem Finger über die Malerei fährt: er wird bei denselben keinerlei Erhöhung fühlen, bei Punkten und Tupfen vielmehr eine kleine Vertiefung, während die auf die Glasur aufgetragenen Farben sich dem Gefühl immer als schwache Erhöhung bemerklich machen. Die meisten Fabrikmarken werden unter Glasur aufgetragen.

Die Glasur ist ein milchartiger Brei, dessen Bestandteile, im wesentlichen Kiesel, Porzellanscherben und Gips, auf der Glasurmühle zerkleinert worden sind. Der Auftrag der Glasur geschieht durch Eintauchen. Nur diejenigen Gegenstände, welche in sogenanntem Biskuitporzellan ausgeführt werden sollen, werden ohne Glasur in den Ofen gebracht.

Um die zu brennenden Gegenstände vor jeder Verunreinigung oder Beschädigung zu schützen, werden sie in geschlossene Kapseln oder Muffeln aus feuerfestem Thon gestellt und mit diesen in den Ofen gebracht. Mit dieser Thätigkeit sehen wir die Arbeiter auf unserem größeren Bilde (S. 757) beschäftigt. Der Brenner trägt sie in den Glattofen, einen großen, cylindrischen Bau, welcher oben mit einer Kuppel geschlossen und dessen Inneres aus feuerfesten Ziegeln gebildet ist. Die Feuerzüge, welche unterirdisch angelegt sind, gestatten, das ganze Innere in Glut zu versetzen. Im Innern dieses Kuppelraumes baut nun der Brenner die gefüllten Muffeln kunstvoll auf, so daß das Feuer zwischen den Lücken derselben hindurchschlagen kann.

Ist der Ofen bis zur Kuppel gefüllt, so wird die Eingangsthür mit feuerfesten Steinen vermauert; kleine Schaulöcher, mit Marienglas verschlossen, gestatten, das Innere während des Brandes zu kontrollieren. Die Temperatur des „Glattofens“ schwankt je nach der Zusammensetzung der Masse zwischen 2400 und 3000 Grad Celsius. Ist der Brand beendet, so wird nach langsamem Erkalten die fertige Ware sortiert, wobei sich verhältnismäßig wenig ganz fehlerfreies Porzellan ergiebt.

Die letzte Arbeit ist das Bemalen und Vergolden oder „Staffieren“ auf der Glasur. Waren zum Malen unter Glasur nur wenige Farben geeignet, so ist die Palette des eigentlichen Porzellanmalers beinahe unbeschränkt und enthält Farben von besonderer Schönheit und Leuchtkraft. Die Arbeit der Maler sehen wir auf dem obern Teil des Bildes auf S. 755 dargestellt. Das Einbrennen der Farben erfolgt wieder in Muffeln, jedoch bei schwächerem Feuer. Das Gold, sofern nicht das billige „Blankgold“ angewendet wird, kommt als braungelbe Farbe aus dem Brand und erhält erst durch Polieren seinen Metallglanz.

Die Arbeit des Porzellanmalers erfordert natürlich je nach den gestellten Aufgaben ein sehr verschiedenes Maß von Künstlerschaft. Während wir in den kleineren thüringischen Fabriken barfüßige Bauernmädchen finden, die um bescheidenen Taglohn jene bekannten Streublümchen malen, die meist zur Verdeckung kleiner Glasurfehler dienen, kommen wir in den großen Manufakturen Berlin, Meißen, Sèvres, Kopenhagen etc. in [755] Künstlerateliers, in welchen hochbezahlte Meister farbenprächtige Blumenstücke, stimmungsvolle Landschaften oder Kopien berühmter Gemälde auf dem Porzellan darstellen.

Werfen wir nach dieser Darlegung des technischen Verfahrens bei der Porzellanbereitung noch einen kurzen Blick auf die Geschichte dieser Fabrikation in Deutschland. Der Erfinder des Porzellans, Johann Friedrich Böttger, der als Alchimist in kursächsischen Diensten stand, gelangte nur auf Umwegen zu der Herstellung des weißen Hartporzellans. Im Jahre 1711 trat er zuerst mit Gefäßen an die Oeffentlichkeit, welche, aus rotbraunem oder schwärzlichem glasharten Steingut verfertigt, sich als Nachahmungen der unter dem Namen Bukhara-Theekannen bekannten ostasiatischen Erzeugnisse darstellten. Erst 1730 bezog er zum erstenmal die Leipziger Messe mit Gefäßen aus weißem Hartporzellan. Der große pekuniäre Erfolg der neuen Fabrikation, von deren Schwierigkeiten man außerhalb der eingeweihten Kreise keine Ahnung hatte, ließ bald nach Böttgers Erfindung eine Menge Fabriken entstehen, welche als Leiter entlaufene Dresdener „Acranisten“ (von arcanum, Geheimnis, also Eingeweihte) mit schwerem Gelde zu gewinnen suchten und sich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit derselben meist betrogen sahen. So entstand 1718 die Fabrik zu Wien, unter dem aus Meißen gekommenen Samuel Stenzel. Mit manchen Mißerfolgen kämpfend, fristete sie sich bis 1744 hin, in welchem Jahre sie von Maria Theresia zur Staatsmanufaktur erhoben und größerer Blüte entgegengeführt wurde. 1744 wurde in Braunschweig die Fürstenberger Fabrik gegründet, zwei Jahre später diejenige zu Höchst a. M., der zuerst der Meißner Löwenfink vorstand. Auch diese Fabrik, über deren Schicksale wir durch eine ausgezeichnete Monographie von E. Zais unterrichtet sind, hatte Jahre schweren Ringens mit Mißerfolg und Geldmangel durchzumachen, bis das Kurfürstentum Mainz sich derselben annahm. Die Periode größten Ruhmes der Höchster Fabrik war diejenige, in welcher der bedeutende Bildhauer Melchior die Modelle für die daselbst erzeugten Figuren machte, die noch heute im Kunsthandel sich der höchsten Wertschätzung erfreuen.

Die Berliner Fabrik wurde 1751 als Privatunternehmung des Kaufmanns Wegeli gegründet; 1763 wurde sie für 225000 Thaler von Friedrich dem Großen, der sich schon als Kronprinz für dieselbe interessiert hatte, in ein Staatsinstitut umgewandelt, als welches sie nach mannigfachen Schicksalen noch heute in erhöhtem Glanz besteht. Da der „Scherben“ der Berliner Manufaktur stets als der vorzüglichste galt, so hatte sie zu allen Zeiten ihres Bestehens das unbestrittene Uebergewicht für alle Gefäße zu chemischen und andern technischen Zwecken. In ihrer künstlerischen Entwicklung machte sie alle Stilwandlungen durch, bis ihr in neuester Zeit durch eine Anzahl jüngerer Künstler ein Aufschwung in ganz modernem Sinne beschieden war, der seinen höchsten Triumph auf der Ausstellung zu Chicago feierte.

Ein Jahr nach der Berliner Fabrik, 1751, wurde die zu Frankenthal in Rheinbayern gegründet. Der erste Meister dieser Fabrik war der aus Straßburg stammende Kunsttöpfer Hannong; ihr Hauptförderer der als Schutzherr der Kunst bekannte Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz.

Eine große Zahl anderer Fabriken entstand noch in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, wie Ludwigsburg, Nymphenburg, Kassel, Fulda, Rudolstadt, Gotha, Gera – ihre Geschichte bietet fast überall das gleiche, wenig erfreuliche Bild: Streitigkeiten mit den „Arcanisten“, welche ihre Versprechungen nicht zu halten vermochten, unzulängliche Einrichtungen, in deren Folge zahlreiche Fehlbrände den Betrieb unrentabel machen; endlich letzte Hilfe vor dem Bankerott durch das Eingreifen des Landesherrn.

Für die stilistische Entwicklung des deutschen Porzellans ist die Meißner Fabrik am meisten maßgebend, deren erste Periode unter Böttger wir oben bereits verfolgt haben. Nach Böttgers Tode 1720 kam ein tüchtiger Maler Namens Herold an die Spitze der Fabrik; während seiner Thätigkeit sind zwei stilistische Richtungen zu unterscheiden: eine ältere, welche versuchte, die chinesischen und japanischen Vorbilder täuschend nachzuahmen, und eine jüngere, die sich von diesem Geschmack ziemlich befreite und den Uebergang zum Barockstil bildete. Dieser charakterisiert sich durch seine Vorliebe für das Derbe und Schwülstige, wodurch freilich die schlichte Grazie der älteren Formen verloren ging, aber auch oft eine wundervoll malerische und kraftvolle Wirkung erzielt wurde.

Das Jahr 1740 brachte durch einen Maler Keltner den Rokokostil zur Geltung, der zwar keine neuen konstruktiven Elemente kannte, sondern seine Gefäßformen vielfach den von dieser Formengruppe beherrschten Silbergefäßen entlehnte; die Hauptrolle spielte bei ihm eine willkürliche aber äußerst anmutige Ornamentik. Die Bemalung hielt sich in hellen, gebrochenen Farben und nahm auch chinesische Motive in ihr System auf. Später jedoch begann man, die Gefäße mit plastischen Ornamenten zu belegen. Und von da [756] an war es nur ein Schritt, um das Porzellan in den Dienst der Plastik zu stellen. Dieser Schritt wurde bald gemacht: man fabrizierte nicht mehr nur Gefäße, sondern auch Figuren der mannigfaltigsten Art, bis zu den kompliziertesten Gruppen, von welchen der berühmte „Parnaß“ eines der bezeichnendsten Beispiele ist.

Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0756.jpg

Dreher, Gießer und Former.

In der Malerei verschwanden jetzt die chinesischen und japanischen Elemente vollständig: Jagd- und Schlachtscenen traten an ihre Stelle; bald verlangte man hier eine Symbolik, und nicht selten auf Kosten der Kunst. Diese und andere Umstände mußten zum Niedergang der gesamten Porzellanindustrie führen. Beschleunigt wurde dieselbe durch die Napoleonischen Kriege, nachdem von 1765 bis 1780 unter dem Grafen Marcolini ein Uebergangsstil, gekennzeichnet durch Einfachheit in den Gefäßformen, und gegen Ende des Jahrhunderts eine Periode steifer Klassicität eingetreten war. Glücklicherweise ist seit jenen Tagen wieder ein bedeutender Aufschwung in dieser Industrie erfolgt, und gegenwärtig befindet sie sich, dank hauptsächlich der Rückkehr zu den Mustern des Rokoko, wieder in erfreulicher Blüte.