Die Ehrlichkeit der Montenegriner

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Ehrlichkeit der Montenegriner
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 197-198
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[197] Die Ehrlichkeit der Montenegriner. „Man hatte mich,“ erzählte ein Reisender im Böhmischen Museum, „vielfach gewarnt vor der Grausamkeit und Raubsucht der Montenegriner, die durchgehens als Räuber geschildert wurden. Ich machte mich indeß getrost auf den Weg und da habe ich denn gefunden, daß es in den montenegrinischen Bergen zu jeder Tageszeit sichrer ist, als in unseren hochcivilisirten Städten, wo man sich, sei es auf der Straße, in der Kirche oder sonst wo, nicht genug in Acht nehmen kann, daß eine unbefugte Hand Einem nicht in die Tasche fährt, die Uhr herauszieht oder des seidenen Taschentuches wegen den Rockschoß abschneidet. Ich habe aus glaubwürdiger Leute Mund vernommen, daß in Montenegro und den angrenzenden österreichischen Ländern der Diebstahl eine der größten Seltenheiten und dieses Laster als daselbst gar nicht vorhanden zu betrachten ist. Um nur ein Beispiel von der Ehrlichkeit der Tschernogorzen anzuführen, will ich erzählen, was mir mit meinem Begleiter Sawo begegnet ist, mit dessen Wachsamkeit und Dienstleistungen ich vollkommen zufrieden war. Als ich von dem Lohne sprach, den ich ihm zu geben beabsichtigte, sagte er: „Herr, ich habe mich an dich nicht verdingt, deshalb verlange ich auch nichts.“ – „Nun, so nimm wenigstens die Paar Zwanziger, die ich dir hier anbiete, wenn auch keine Uebereinkunft zwischen uns getroffen worden ist,“ erwiederte ich. Mit Selbstgefühl, doch ohne den Beleidigten zu spielen, antwortete mir darauf Sawo: „Ich bin Penjanik des Wladika und erfülle lediglich, was mir vom Hospodar befohlen worden ist. Dafür nehme ich kein Geld, habe dich aber deshalb doch lieb.“ „Nun, wenn du mich wirklich liebst,“ entgegnete ich, „so nimm wenigstens die Hand voll Kleingeld da, ich werde dich beim Wladika schon entschuldigen und ihm sagen, du hättest es nur auf mein dringendes Zureden gethan.“ Sawo bedachte sich einen Augenblick, blickte auf das dargereichte Geld und [198] sagte dann: „Nein, so viel darf ich nicht nehmen, warte, ich will dir’s sagen, wie viel ich davon nach Recht und Gewissen behalten darf.“ Und er zählte das Geld, behielt sich den dritten Theil und gab den Rest mit dem Bemerken zurück, ihm komme eigentlich gar nichts zu, und was er nehme, geschehe unter meiner Verantwortung. – Ist das nicht ein Zug von seltener Ehrlichkeit, und trifft man dergleichen wohl in unsern civilisirten Ländern? – Und diese Leute sollten Räuber sein? – Es ist lächerlich, so etwas nur zu denken.