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Die Entstehung der Kontinente und Ozeane/Fünftes Kapitel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Viertes Kapitel Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)
von Alfred Wegener
Sechstes Kapitel
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Fünftes Kapitel.


Geologische Argumente.


     Für unsere Auffassung, daß der Atlantik eine ungeheuer erweiterte Spalte darstellt, deren Ränder früher unmittelbar oder doch so gut wie unmittelbar zusammengehangen haben, ergibt sich eine scharfe Kontrolle durch einen Vergleich des geologischen Baues der beiden Seiten. Denn man wird erwarten dürfen, daß manche Faltungen und andere Strukturen, die vor dem Abriß entstanden sind, von der einen Seite zur anderen hinüberführen, und zwar müssen ihre Enden beiderseits des Ozeans gerade so gelegen sein, daß sie in der Rekonstruktion als unmittelbare Verlängerungen erscheinen. Da die Rekonstruktion selber infolge der markanten| Linienführung der Schollenränder eine durchaus zwangsläufige ist und keinen Spielraum für eine Anpassung an diese Forderung zuläßt, haben wir es hier mit einem ganz unabhängigen Kriterium zu tun, das für die Beurteilung der Richtigkeit der Verschiebungstheorie von größter Bedeutung ist.

     Die atlantische Spalte ist am breitesten im Süden, wo sie zuerst aufriß. Ihre Breite beträgt hier 6220 km. Zwischen Kap San Roque und Kamerun liegen nur noch 4880, zwischen der Neufundlandsbank und dem britischen Schelf nur noch 2410, zwischen Scoresbysund und Hammerfest 1300, und zwischen den Schelfrändern von Nordostgrönland und Spitzbergen wohl nur noch etwa 200 bis 300 km. Hier scheint der Abriß erst in allerjüngster Zeit erfolgt zu sein.

     Beginnen wir mit der Vergleichung im Süden. Ganz im Süden Afrikas findet sich ein von Ost nach West streichendes permisches Faltengebirge (die Zwarten Berge). In der Rekonstruktion trifft die Verlängerung dieser Kette nach Westen auf die nach der Karte zunächst durch nichts hervorgehobene Partie südlich von Buenos Aires. Es ist nun hochinteressant, daß Keidel [72, 73] in den hier befindlichen Sierren, namentlich der stärker gefalteten südlichen, alte Faltungen erkannt hat, die nach ihrem Bau, der Gesteinsfolge und dem Fossilinhalt nicht allein der nordwestlich davon sich der Andenfaltung anschmiegenden Vorkordillere der Provinzen San Juan und Mendoza, sondern vor allem auch dem südafrikanischen Kapgebirge völlig gleichen. „In den Sierren der Provinz Buenos Aires, besonders in dem südlichen Zuge, finden wir eine Schichtenfolge, die der in den Kapgebirgen Südafrikas sehr ähnlich ist. Große Übereinstimmung scheint wenigstens bei drei Gliedern vorhanden zu sein: bei dem unteren Sandstein der unterdevonischen Transgression, den fossilführenden Schiefern, die den Höhepunkt ihrer Ausbreitung bezeichnen, und bei einem jüngeren, sehr kennzeichnenden Gebilde, dem glazialen Konglomerat des oberen Paläozoikums… Sowohl die Sedimente der devonischen Transgression als auch das glaziale Konglomerat sind, wie in den Kapgebirgen, stark gefaltet; und die Bewegung ist hier wie dort in der Hauptsache gegen Norden gerichtet.“ Damit ist der Nachweis geführt, daß hier eine langgestreckte alte Faltung vorhanden ist, welche die Südspitze Afrikas durchzieht und sodann Südamerika südlich von Buenos Aires durchquert, um schließlich, nach Norden abbiegend, sich dem Verlauf der Anden anzugliedern. Heute sind die Bruchstücke dieser Faltung durch eine Tiefsee von mehr als 6000 km Breite voneinander getrennt.| In unserer Rekonstruktion, die doch gerade hier kein Zurechtschieben zuläßt, werden die Teilstücke gerade zur Berührung aneinandergefügt; ihre Abstände von Kap San Roque bzw. Kamerun sind gleich. Dieser Beweis für die Richtigkeit unserer Zusammensetzung ist sehr auffallend und erinnert an die durchgerissene Visitenkarte als Erkennungszeichen. Es beeinträchtigt diese Übereinstimmung nur wenig, daß sich von dem südafrikanischen Zuge bei Erreichung der Küste die Kette der Cedarberge nach Norden abzweigt. Denn dieser bald erlöschende Zweig trägt den Charakter einer lokalen Ablenkung, die durch irgend eine Diskontinuität an der späteren Spaltungsstelle verursacht sein mag. Solche Abzweigungen sehen wir in noch viel größerem Maße bei den europäischen Faltengebirgen, sowohl bei den karbonischen, als bei den tertiären, und sie hindern uns auch hier nicht, diese Faltungen zu einem System zusammenzufassen und auf einheitliche Ursachen zurückzuführen. Auch wenn, wie es nach neueren Untersuchungen scheint, die afrikanische Faltung noch in jüngeren Zeiten fortgedauert hat, so läßt sich doch hieraus kein Altersunterschied konstruieren, denn bei Keidel lesen wir: „In den Sierren ist, als die jüngste Bildung, das glaziale Konglomerat gefaltet worden; in den Kapgebirgen zeigen die Eccaschichten an der Basis der Gondwanaserie (Karrooschichten) noch Spuren der Bewegungen… In beiden Gebieten können also die hauptsächlichen Bewegungen in dem Zeitabschnitt vom Perm bis zur unteren Kreide vor sich gegangen sein.“

     Aber diese Bestätigung unserer Ansichten durch das Kapgebirge und seine Verlängerung in den Sierren von Buenos Aires steht keineswegs allein da, vielmehr finden wir noch zahlreiche weitere Belege dafür längs den Küsten des Atlantik. Schon in großen Zügen zeigt die ungeheure, seit langen Zeiten nicht mehr gefaltete Gneistafel Afrikas eine auffallende Ähnlichkeit mit derjenigen Brasiliens. Und daß diese Ähnlichkeit sich nicht nur auf Allgemeinheiten beschränkt, zeigt einmal die Übereinstimmung der Eruptivgesteine und Sedimente und andererseits die der alten Faltungsrichtungen hüben und drüben.

     Die Eruptivgesteine hat H. A. Brouwer verglichen [74]. Er findet nicht weniger als fünf Parallelen, nämlich 1. den älteren Granit, 2. den jüngeren Granit, 3. alkalireiche Gesteine, 4. vulkanische jurassische Gesteine und intrusiven Dolerit, 5. Kimberlit, Alnoit usw.

     Der ältere Granit ist in Brasilien enthalten in dem sogenannten „Brasilianischen Komplex“, in Afrika in dem „Fundamentalkomplex“| von Südwestafrika, ferner auch dem „Malmesburysystem“ der südlichen Kapkolonie und dem „Swazilandsystem“ von Transvaal und Rhodesia. „Sowohl die Ostküste von Brasilien in der Serra do Mar wie die gegenüberliegende Westküste von Süd- und Mittelafrika bestehen zum größten Teil aus diesen Gesteinen, und sie verleihen in beiden Kontinenten der Landschaft vielfach einen gleichartigen topographischen Charakter.“

     Der jüngere Granit ist in Brasilien intrusiv in der „Minasserie“ in den Provinzen Minas Geraes und Goyaz, wo er goldführende Gänge bildet, sowie in der Provinz Sao Paulo. In Afrika entspricht ihm der Erongogranit im Hereroland und der Brandberggranit im nordwestlichen Teil von Damaraland, sowie auch die Granite des „Bushveld Igneous Complex“ in Transvaal.

     Die alkalireichen Gesteine ferner finden sich gerade an den korrespondierenden Küstenstrecken: auf brasilianischer Seite an verschiedenen Stellen der Serra do Mar (Itatiaya, Serra do Gericino bei Rio de Janeiro, Serra de Tingua, Cabo Frio), auf afrikanischer Seite an der Küste von Lüderitzland, bei Kap Cross nördlich von Svakopmund, aber auch noch in Angola. In weiterer Entfernung von der Küste gehören hierher auch die beiden etwa 30 km Durchmesser haltenden Eruptivgebiete von Pogos de Caldas im Süden der Provinz Minas Geraes und von Pilandsberg im Rustenburgdistrikt in Transvaal. Gerade diese alkalireichen Gesteine sind in ihrer völlig gleichen Ausbildung des Tiefengesteins, des Ganggesteins und des Effusivgesteins sehr auffallend.

     Mit Bezug auf die vierte Gruppe von Gesteinen (jurassische vulkanische Gesteine und intrusiver Dolerit) sagt Brouwer: „Ebenso wie in Südafrika kommt im untersten Horizont des ungefähr mit dem südafrikanischen Karroosystem übereinstimmenden Santa Catharina-Systems eine mächtige Serie vulkanischer Gesteine vor, die als jurassisch betrachtet werden kann und große Flächen in den Provinzen Rio Grande do Sul, Santa Catharina, Parana, Sao Paulo und Matto Grosso und sogar noch von Argentinien, Uruguay und Paraguay bedecken.“ In Afrika gehört hierher namentlich die Kaokoformation zwischen 18 und 21° Südbreite, welcher gleichartige Gesteine in den südbrasilianischen Provinzen Santa Catharina und Rio Grande do Sul entsprechen.

     Am bekanntesten endlich ist die letzte Gesteinsgruppe (Kimberlit, Alnoit usw.), weil sie in Brasilien wie Südafrika die Lagerstellen der bekannten Diamantenfunde abgibt. In beiden Gebieten kommt| die eigenartige Lagerungsform der „Pfeifen“ vor. Weiße Diamanten gibt es in Brasilien in der Provinz Minas Geraes und in Südafrika nur nördlich des Oranje. Aber deutlicher als in diesen immerhin seltenen Diamantvorkommen zeigt sich die Übereinstimmung in der Ausbreitung des kimberlitischen Muttergesteins. Dies ist in Gängen auch in der Provinz Rio de Janeiro festgestellt. „Ebenso wie die kimberlitischen Gesteine nahe der Westküste von Südafrika gehören auch die bekannten brasilianischen Gesteine beinahe alle zu den glimmerarmen basaltischen Varietäten[1].“

     Brouwer hebt aber hervor, daß auch die Sedimente eine große Übereinstimmung hüben und drüben zeigen: „Die Gleichheit zwischen einigen Gruppen von Sedimentgesteinen beiderseits des Atlantischen Ozeans ist ebenfalls auffallend. Wir nennen nur das südafrikanische Karroosystem und das brasilianische Santa Catharina-System. Das Orleanskonglomerat in Santa Catharina und Rio Grande do Sul stimmt überein mit dem Dwykakonglomerat von Südafrika, und in beiden Kontinenten werden die obersten Abschnitte durch die schon genannte mächtige Serie vulkanischer Gesteine gebildet, wie die vom Drakenberg in der Kapkolonie und die von der Serra Geral in Rio Grande do Sul.“

     Du Toit [75] vermutete sogar, daß das erratische permokarbonische Material in Südamerika teilweise aus Afrika stammt: „Der südbrasilianische Tillit stammt nach Coleman von einer Eiskappe, die wahrscheinlich ihr Zentrum im Südosten[2], außerhalb der heutigen Küstenlinie, hatte. Sowohl er wie Woodworth erwähnen gewisse erratische Geschiebe aus einem eigentümlichen Quarzit oder Sandstein mit Kieseln aus gebändertem Jaspis, der nach ihrer Beschreibung genau demjenigen gleicht, der vom Transvaaleise von den Bergketten der „Matsap beds“ in Westgriqualand aufgenommen und mindestens bis zum 18. Meridian nach Westen transportiert ist. Könnte er, wenn wir an die Hypothese der Kontinentverschiebungen denken, nicht möglicherweise noch viel weiter nach Westen geschafft worden sein?“ Aber neuerdings hat| L. C. Ferraz (erwähnt in [78]) dies Gestein südlich der Fundstelle bei Blumenau in Santa Catharina, am Nordufer des Itajahýflusses, anstehend gefunden, wodurch die von du Toit vorgeschlagene Deutung ihre Beweiskraft einbüßt. Andererseits ist aber das gleichartige Vorkommen des anstehenden Gesteins in Brasilien und Südafrika wiederum ein sehr beachtenswertes Glied in der langen Kette auffallender Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Kontinenten.

Abb. 16.

Streichrichtungen in Afrika, nach Lemoine.

     Weitere Übereinstimmung finden wir in den Richtungen der uralten Faltungen, welche diese großen Gneistafeln überall durchziehen. Für Afrika verweisen wir auf die in Abb. 16 dargestellte, von Lemoine [76] entworfene Karte. Sie ist für andere Zwecke hergestellt und zeigt daher das, was wir brauchen, nicht sehr deutlich, aber sie zeigt es doch. In dem Gneismassiv des afrikanischen Kontinents kommen hauptsächlich zwei etwas verschieden alte Streichrichtungen vor. Im Sudan herrscht die ältere nordöstliche Streichrichtung vor, welche sich schon in dem geradlinigen gleichgerichteten Oberlauf des Niger zeigt und noch bis Kamerun beobachtet wird. Sie schneidet die Küste unter einem Winkel von etwa 45°. Südlich von Kamerun dagegen - auf der Karte gerade noch erkennbar - tritt die andere, jüngere Streichrichtung| in den Vordergrund, welche etwa von Norden nach Süden weist und der Küste mit ihren Krümmungen parallel verläuft.

     In Brasilien finden wir dieselbe Erscheinung. Schon E. Suess schreibt: „Die Karte des östlichen Guayana… zeigt mehr oder minder ostwestliches Streichen der alten Felsarten, aus welchen dieses Gebiet besteht. Auch die eingelagerten paläozoischen Schichten, welche den nördlichen Teil der Mulde des Amazonas ausmachen, verfolgen diese Richtung, und der Verlauf der Küste von Cayenne gegen die Mündung des Amazonas ist daher quer auf das Streichen… Soweit der Bau Brasiliens heute bekannt ist, muß angenommen werden, daß auch bis Kap San Roque der Umriß des Festlandes das Streichen des Gebirges quert, aber von diesem Vorgebirge an wird allerdings bis nach Uruguay hinab die Lage der Küste durch das Gebirge vorgezeichnet.“ Auch hier folgen die Flußläufe (Amazonas einerseits, Rio San Francisco und Parana andererseits) in großen Zügen der Streichrichtung. Allerdings haben die neueren Forschungen, wie die von Keidel (a. a. O.) hauptsächlich nach J. W. Evans gegebene, in Abb. 17 reproduzierte tektonische Karte von Südamerika zeigt, die Existenz noch einer dritten, der Nordostküste parallelen Streichrichtung nachgewiesen, wodurch sich die Verhältnisse etwas komplizierter gestalten. Allein die anderen beiden Streichrichtungen treten auch in dieser Karte, wenngleich teilweise etwas von der Küste abgedrängt, sehr deutlich hervor. Bei der beträchtlichen Drehung, welche Südamerika bei der Rekonstruktion erfahren muß, wird die Richtung des Amazonas gerade parallel zum Oberlauf des Niger, so daß die beiden Streichrichtungen mit den afrikanischen zusammenfallen. Hierin dürfen wie eine weitere Bestätigung eines ehemaligen unmittelbaren Zusammenhangs sehen.

     In neuerer Zeit ist der gleichartige Bau Brasiliens und Südafrikas immer stärker betont worden. So stellt Maack [77] fest: „Wer Südafrika kennt, für den ist der geologische Bau dieser (brasilianischen) Landschaft überraschend. Auf Schritt und Tritt wurde ich an Landschaftsformen des Namalandes und Transvaals erinnert. Die Schichtfolge mit all ihren Besonderheiten entspricht vollkommen dem Aufbau des südafrikanischen Sockels.“ Maack fand auf dieser Reise fünf Kimberlitpfeifen bei Patos (etwa 181/2° Süd, 461/2° West). Er kommt zu dem Schluß: „Es liegt auf der Hand, daß man bei der heutigen Entfernung der korrespondierenden Formationen das Absinken von Landbrücken in der Breite des Atlantischen Ozeans ablehnen muß. Man kommt auf eine Kontinentverschiebung im| Sinne A. Wegeners, eine Auffassung, die ihre Stützen in der Beobachtung findet, daß seit ältesten geologischen Zeiten, mit Ausnahme des Permokarbons, im westlichen Südafrika ein Trockenklima geherrscht hat und andererseits die triassischen Ablagerungen in Minas einem trockenen Binnenlandklima entsprechen.“

     Besonders eingehende vergleichende Studien hat der bekannte südafrikanische Geologe du Toit auf einer zu diesem Zwecke ausgeführten Forschungsreise in Südamerika durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung, bei der auch die Literatur sehr vollständig berücksichtigt ist, sind 1927 in einem 157 Seiten starken Buch als Publikation Nr. 381 der Carnegie Institution of Washington unter dem Titel „A geological Comparison of South America with South Africa“ [78] veröffentlicht. Das ganze Buch ist eine einzige geologische Beweisführung für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie auf diesem Teile der Erde. Wollten wir alle Einzelheiten anführen, die sich in ihm zugunsten dieser Theorie ergeben, so müßten wir es von Anfang bis zu Ende übersetzen. Recht häufig finden sich Äußerungen wie die folgende: „In der Tat hatte ich auch bei genauer Untersuchung große Schwierigkeiten, mir vorzustellen, daß ich mich hier auf einem anderen Kontinent befand und nicht in einem Teile des südlichen Kaplands“ (S. 26). Auf S. 97 sagt der Verfasser: „Als ich diesen Überblick vorbereitete, habe ich zuerst versucht, den historischen Bericht zu schreiben ohne Rücksicht auf irgend eine Hypothese über die Art und Weise eines solchen ehemaligen Zusammenhangs oder über die Art der schließlichen Trennung der Landmassen; aber als die Daten gesammelt waren, zeigte sich klar, daß sie sehr bestimmt in Richtung der Verschiebungstheorie weisen.“ Übereinstimmungen beiderseits des Ozeans seien jetzt in so großer Zahl bekannt, daß der Zufall dafür nicht mehr in Betracht komme, zumal sie sich auf enorme Landstrecken und Zeiten vom Vordevon bis zum Tertiär erstrecken. „Außerdem sind diese sogenannten Koinzidenzen sowohl von stratigraphischer als lithologischer, paläontologischer, tektonischer, vulkanischer und klimatischer Natur.“

     Wir können hier nicht einmal die kurzgefaßte Aufzählung der Übereinstimmungen wiedergeben, die in Kapitel VII (Bearing on the displacement hypothesis) 7 Seiten füllt. Dagegen sei im folgenden die auf S. 15 bis 16 zusammengestellte Vergleichung der geologischen Hauptzüge mitgeteilt:

     „Wir wollen nun die beiden Strecken, nämlich die von Sierra Leone bis zum Kap auf der einen und die von Pará bis Bahia Bianca|

Abb. 17.

Schematische tektonische Karte von Südamerika, nach Kreidel und J. W. Evans.

| auf der anderen Seite, miteinander vergleichen, indem wir uns auf je einen 45° langen und 10° breiten Streifen beschränken. In jedem der Festländer zeigt sich folgendes:

     1. Die Unterlage besteht aus kristallinen Gesteinen von präkambrischem Alter und einigen Streifen prädevonischer Ablagerungen verschiedenen, meist unbestimmten Alters, aber im allgemeinen übereinstimmenden lithologischen Charakters.

     2. Im äußersten Norden liegen marine silurische und devonische Lager, nur leicht gestört, unkonform auf diesem Komplex, eine breite Synklinale einnehmend, die schräg zur Küstenlinie zieht, nämlich zwischen Sierra Leone und der Goldküste und unter dem Ästuarium des Amazonas.

     3. Weiter südlich ziehen sich nahezu parallel zur Küste Gürtel von proterozoischen und frühpaläozoischen Schichten, vorwiegend Quarzite, Schiefer und Kalksteine, leicht gebogen im Norden und stärker gestört im Süden, wo sie von granitischen Massen durchdrungen werden, z. B. im Gebiet zwischen Lüderitz und Kapstadt und zwischen Rio São Francisco und Rio La Plata.

     4. Dem nahezu flachliegenden Devon von Clanwilliam entspricht sein fast identisches Gegenstück in Paraná und Matto Grosso.

     5. Weiter im Süden entspricht dem Devon-Karbon vom südlichen Kapland die Gegend gleich nördlich von Bahia Bianca, durch den konformen Übergang in glaziale karbonische und in permische Ablagerungen; beide Schichtreihen sind intensiv gefaltet in permotriassischen und kretazischen Bewegungen, die ähnliche Richtungen zeigen.

     6. Nordwärts verfolgt werden die Tillite in beiden Fällen horizontal und transgredieren über das Devon, wobei sie auf einer glazialen Fast-Ebene ruhen, die durch diese und ältere Gesteine gebildet wird; weiter im Norden fehlen sie.

     7. Überlagert wird das Glazial in beiden Fällen von kontinentalen permischen und triassischen Schichten mit der Glossopterisflora, die gewaltige Räume füllt, gefolgt von ausgedehnten Ausbrüchen von Basalten und Doleriten, vermutlich von Liasalter.

     8. Diese Gondwanaschichten erstrecken sich nordwärts von der südlichen Karroo bis zum Kaokofeld und von Uruguay bis Minas Geraes.

     9. Weitere große abgetrennte Räume dieser Art finden sich in beiden Fällen eine Strecke landeinwärts weiter im Norden, im Angola-Kongo und im Piauhý-Maranhãogebiet.

|      10. Eine Intraformationsunterbrechung ist weit verbreitet, nämlich zwischen den Ablagerungen der späten Trias und des Perms, obwohl gewöhnlich keine Winkelunkonformität besteht. In einigen Gebieten aber lagern die ersteren mit deutlicher Diskordanz auf permischen der vorpermischen Formationen.

     11. Gekippte Kreidelager kommen an der Küste nur in der Gegend von Benguella—Unterer Kongo und Bahia—Sergipe vor.

     12. Horizontale Kreide und Tertiär, sowohl marine als kontinentale, bedecken große Strecken zwischen Kamerun und Togo und in Ceará, Maranhão und südlicher, während die ausgedehnten Ablagerungen in der Kalahari annähernd verglichen werden können mit der neogenen und quartären Pampasformation Argentiniens.

     13. In dieser verallgemeinerten Übersicht darf das wichtige Bindeglied nicht übersehen werden, das die Falklandsinseln bilden. Ihre devono-karbonische Schichtenfolge ist kaum von jener des Kaplands zu unterscheiden, während das Lafonian eng dem Karroosystem parallel geht. Stratigraphisch und strukturell haben die Falklandsinseln ihren Platz beim südwestlichen Kapland und nicht bei Patagonien.

     14. Vom paläontologischen Gesichtspunkt muß die Aufmerksamkeit besonders gerichtet werden auf: a) die „australe Fazies“ des Devons von Kapland, Falklandsinseln, Argentinien, Bolivien und Südbrasilien, im Gegensatz zur „borealen Fazies“ von Nordbrasilien und der zentralen Sahara; b) das Reptiliengeschlecht Mesosaurus aus den Dwykaschiefern vom Kap und Iratyschiefern von Brasilien, Uruguay und Paraguay; c) die Gangamopteris-Glossopterisflora, mit geringer Beimischung von nordischen Formen, in den Gondwanalagern im Süden beider Länder; d) die Thinnfeldiaflora des oberen Gondwana am Kap und in Argentinien; e) die Neocom- (Uitenhage-) Fauna im Süden des Kaplands und Nordwesten von Neuquén in Argentinien; f) die nordische oder mediterrane Fazies der Kreide- und Tertiärfaunen nördlich vom Wendekreis des Steinbocks und g) die südatlantisch-antarktische Fazies des Eozäns (San Jorge-formation) von Patagonien.

     Endlich sind 15. die geographischen Umrisse von Afrika und Südamerika erstaunlich ähnlich, nicht nur im allgemeinen, sondern sogar in den Einzelheiten; überdies ist, außer im Norden, der Saum von Tertiärablagerungen von geringer Breite und die Anwesenheit dieser Lager deshalb wenig wichtig.“ —

|      Von besonderem Interesse ist ein ganz neues Moment in den geologischen Beziehungen der beiden Kontinente, auf welches du Toit zum ersten Male aufmerksam macht. Auf S. 109 sagt er:

     „Von allergrößter Wichtigkeit ist aber der Beweis, den das Studium der Faziesunterschiede innerhalb der einzelnen Formationen liefert, wenn diese innerhalb der Kontinente untersucht werden.

     Betrachten wir zur Erläuterung den Fall von zwei äquivalenten Formationen, deren eine in Südamerika an oder nahe bei der atlantischen Küste bei A beginnt und nach Westen bis A' reicht, während die andere in Afrika ähnlich nahe der Küste bei B beginnt und nach Osten bis B' reicht. Dann läßt sich in mehr als einem solchen Falle nachweisen, daß die Faziesänderung zwischen A und A' oder zwischen B und B' größer ist als die zwischen A und B, obwohl die ganze Breite des Atlantik zwischen A und B liegt. Mit anderen Worten, diese einzelnen Formationen haben an den gegenüberliegenden Küsten die Tendenz, gleichartiger zu sein als innerhalb einer oder auch ihrer beiden heutigen sichtbaren Erstreckungen in den betreffenden Kontinenten. Mit der Vervielfältigung solcher Beispiele, die sich aus mehr als einer geologischen Epoche anführen lassen, kann eine solche eigentümliche Beziehung nicht mehr als rein zufällig betrachtet werden, und folglich muß eine bestimmte Erklärung dafür gesucht werden. Eine genauere Untersuchung zeigt ferner, daß diese unerwartete Tendenz gleich stark hervortritt, ob nun die betreffenden Formationen marine, Delta-, kontinentale, glaziale, äolische oder vulkanische sind.“

     Du Toit gibt in seinem Buche die in Abb. 18 wiedergegebene Karte, welche die gegenseitige Lage der beiden Kontinente vor der Trennung zeigt. Du Toit hebt hervor, daß man bei der Rekonstruktion immerhin einen Zwischenraum von mindestens 400 bis 800 km zwischen den heutigen Küsten lassen müsse, wenn man den an ihnen zu beobachtenden Faziesunterschieden Rechnung tragen will. Ich kann ihm in diesem Punkte nur völlig zustimmen. Denn zwischen beiden Küsten muß ja nicht nur Platz für den vorgelagerten Schelf, sondern außerdem vielleicht auch noch für das Material der mittelatlantischen Bodenschwelle bleiben. Eine genauere Angabe der gegenseitigen Lage der Schollen wird vielleicht möglich werden, wenn die zahlreichen Echolotungen der „Meteor“-Expedition ausgewertet und bearbeitet sein werden. Ich vermute, daß sich auf solchem Wege ein ähnliches Bild ergeben wird, wie das von du Toit auf Grund der geologischen Vergleichung gefundene.

|      Daß die Falklandsinseln, obwohl sie sich vom patagonischen Küstenschelf erheben, keine geologische Verwandtschaft mit Patagonien, wohl aber mit Südafrika zeigen, betrachtet du Toit mit Recht als eine besondere Stütze der Verschiebungstheorie[3].

Abb. 18.

Frühere relative Lage Südamerikas und Afrikas nach du Toit.

     Ich muß gestehen, daß die Lektüre von du Toits Buch einen außerordentlichen Eindruck auf mich gemacht hat, da ich eine so| vollkommene geologische Übereinstimmung der beiden Kontinente bisher kaum zu erwarten gewagt hatte.

     Wie schon früher gezeigt wurde, muß aus paläontologischen und biologischen Gründen geschlossen werden, daß der Formenaustausch zwischen den Landgebieten Südamerikas und Afrikas in der unteren bis mittleren Kreide erlosch. Damit steht nicht im Widerspruch, wenn Passarge [79] annimmt, daß die Randbrüche von Südafrika schon im Jura gebildet wurden, denn die Spalte öffnete sich nur allmählich von Süden her, und vor allem ging ihr wohl die Bildung von Grabenbrüchen längere Zeit voraus.

     In Patagonien hatte der Abriß eine eigentümliche Schollenbewegung zur Folge, die A. Windhausen [80] folgendermaßen beschreibt: „Die neue Umwälzung begann mit regionalen Bewegungen größten Ausmaßes um die Mitte der Kreide“, und zwar indem sich die patagonische Landoberfläche „aus einem Gebiet mit ausgesprochener Abdachung zu einem allgemeinen Senkungsfeld umwandelte, das unter dem Einfluß arider oder semiarider Bedingungen stand und von Kieswüsten und Sandebenen bedeckt war.“

     Gehen wir in der Vergleichung der gegenüberliegenden Küsten des Atlantik nach Norden weiter, so findet das am Nordrand des afrikanischen Kontinents gelegene Atlasgebirge, dessen Faltung hauptsächlich ins Oligozän fällt, aber schon in der Kreide begann, auf amerikanischer Seite keine Fortsetzung[4]. Dies stimmt mit unserer, in den Rekonstruktionen dargestellten Annahme überein, daß die atlantische Spalte in diesem Teile schon länger offen war. Es ist zwar möglich, daß sie auch hier irgend einmal ganz geschlossen gewesen ist, aber die Öffnung muß hier wohl schon vor dem Karbon erfolgt sein. Auch die große Meerestiefe im westlichen Teile des Nordatlantik läßt sich vielleicht dahin deuten, daß hier der Meeresboden bereits älter ist. Zu beachten ist auch die Gegensätzlichkeit der spanischen Halbinsel mit der gegenüberliegenden amerikanischen Küste, die einen ehemaligen unmittelbaren Zusammenschluß der Küsten sehr unwahrscheinlich macht. Aber ein solcher darf auch nach der Verschiebungstheorie nicht angenommen werden. Denn| zwischen Spanien und Amerika liegt das breite untermeerische Massiv der Azoren. Wie ich aus dem ersten transatlantischen Echolotprofil abzuleiten versuchte [37], stellt dies Massiv wahrscheinlich einen niedergebrochenen Trümmerstreifen aus kontinentalem Material dar, dessen ursprüngliche Breite möglicherweise auf über 1000 km geschätzt werden darf.

     Daß diese Inseln, ebenso wie die übrigen atlantischen Inseln, in der Tat als Kontinentalbrocken aufzufassen sind, entspricht völlig ihrem geologischen Bau. (Fraglich bleibt allerdings, ob sich nicht ein großer Teil ihres Unterbaus und überhaupt der mittelatlantischen Bodenschwelle aus Basalt aufbaut.)

     So kommt auch Gagel [81] für die Kanarien und Madeira zu dem Schluß, „daß diese Inseln abgesprengte Reste des europäischafrikanischen Kontinents sind, von dem sie erst in verhältnismäßig junger Zeit getrennt wurden“.

     Im Gebiet der Großen Antillen ist Matley vor kurzem bei der geologischen Untersuchung der Caymaninseln [105] zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die dortigen Verhältnisse am besten auf Grund der Verschiebungstheorie erklären lassen: „Erstens haben alle Großen Antillen, obwohl sie manchmal durch beträchtliche Entfernungen und ozeanische Tiefen getrennt sind, eine bemerkenswert enge Familienähnlichkeit in ihrem Charakter, ihrer Fazies und den Beziehungen ihrer geologischen Formationen und der Folge ihrer vulkanischen Gesteine. Ihre geologische Geschichte ist, soweit sie bekannt ist, gleichfalls sehr ähnlich. Diese Faktoren sind nicht nur nicht ungünstig, sondern im Gegenteil eine Stütze für die Anschauung, daß diese Inseln früher näher beieinander gelegen haben, als sie es heute tun. Und weiter sind die großen submarinen Senkungen des Karibischen Meeres, wie z. B. die Bartlettrinne (zwischen Jamaika und Kuba), welche schon Taber als einen Grabenbruch angesprochen hat, so tief, daß es schwierig zu verstehen ist, wie abgesunkene Teile der Antillenlandmasse so tief in die Erdkruste einsinken sollten.“ Gewiß nur ein unbedeutendes Detail. Aber aus solchen Mosaiksteinchen setzt sich schließlich das großartige Bild der ganzen Erdoberfläche zusammen.

     Weiter im Norden finden wir in unmittelbarer Folge drei alte Faltungszonen, welche sich von der einen Seite des Atlantik auf die andere hinüberziehen und wieder sehr auffallende Bestätigungen für die Annahme eines einstigen unmittelbaren Zusammenhangs liefern.

|      Am meisten in die Augen fallend sind die karbonischen Faltungen, welche E. Suess das armorikanische Gebirge nennt, und welche die Kohlenlager Nordamerikas als die unmittelbare Fortsetzung der europäischen erscheinen lassen. Dieses heute stark eingeebnete Gebirge zieht sich in Europa, aus dem Innern des Kontinents kommend, in bogenförmigem Verlauf zuerst gegen WNW, dann gegen W, um in Südwestirland und der Bretagne eine wild zerrissene Küste (sogenannte Riasküste) zu bilden. Die südlichsten, Frankreich durchsetzenden Faltenzüge dieses Systems scheinen in dem vorgelagerten Schelf ganz nach Süden umzubiegen und jenseits der buchförmig sich öffnenden Tiefseespalte der Biscaya auf der spanischen Halbinsel ihre Fortsetzung zu finden. Suess nannte diese Abzweigung den „asturischen Wirbel“. Die Hauptketten aber setzen offenbar durch die nördlicheren Teile des Schelfes nach Westen fort, wenngleich durch die Abrasion der Brandungswoge abgehobelt, und weisen hier, eine Fortsetzung heischend, in den Atlantischen Ozean hinaus[5].      Diese Fortsetzung auf amerikanischer Seite bilden, wie Bertrand zuerst 1887 entdeckte, die Ausläufer der Appalachen auf Neuschottland und dem südöstlichen Neufundland. Hier endigt gleichfalls ein karbonisches Faltengebirge, ebenso wie das europäische nach Norden gefaltet, indem es eine Riasküste erzeugt und davor wohl noch den Schelf der Neufundlandbank durchzieht. Seine Richtung, sonst nordöstlich, geht nahe der Abrißstelle in die rein östliche über. Schon nach den bisherigen Vorstellungen nahm man an, daß es sich um ein einziges großes Faltensystem handele, wofür E. Suess die Bezeichnung „transatlantische Altaiden“ gebrauchte. Die Verschiebungstheorie bringt hier schon dadurch eine große Vereinfachung, daß die beiden Teilstücke in der Rekonstruktion fast zur gegenseitigen Berührung gebracht werden, während man bisher ein versunkenes Mittelstück annehmen mußte, das länger als die uns bekannten Enden wäre, was Penck schon als Schwierigkeit empfand. Auf der Verbindungslinie der Abrißstellen liegen einige vereinzelte Erhöhungen des Meeresbodens, die man bisher als Gipfel der versunkenen Kette betrachtet hat. Nach unseren Vorstellungen sind| es Brocken vom Rande der sich trennenden Schollen, deren Loslösung gerade in solchen tektonischen Störungszonen leicht verständlich ist.

     In Europa folgen weiter, unmittelbar nördlich sich anschließend, die Faltenzüge eines noch älteren, zwischen Silur und Devon aufgeworfenen Gebirges, welches sich durch Norwegen und Nordengland hindurchzieht. E. Suess nennt es das kaledonische Gebirge. Mit der Frage der Fortsetzung dieser Gebirgsfaltung in den „Kanadischen Kaledoniden“ (Termier), nämlich den schon kaledonisch gefalteten kanadischen Appalachen, haben sich Andrée [83] und Tilmann [84] beschäftigt. Es beeinträchtigt natürlich nicht die Übereinstimmung, daß diese kaledonische Faltung in Amerika von der soeben besprochenen armorikanischen Faltung noch einmal überarbeitet wurde, was hüben nur im mittleren Europa (Hohes Venn und Ardennen), aber nicht im nördlichen Europa der Fall war. Die Berührungsstücke dieser kaledonischen Faltungen dürften in den schottischen Hochlanden und Nordirland einerseits und Neufundland andererseits zu suchen sein.

     Wiederum dicht nördlich der kaledonischen Faltung liegt in Europa das noch ältere (algonkische) Gneisgebirge der Hebriden und Nordschottlands. Diesem entsprechen auf amerikanischer Seite die gleichaltrigen Gneisgebirge von Labrador, welche bis an die Belle-Islestraße nach Süden reichen und sich weit nach Kanada hineinziehen. Die Streichrichtung ist in Europa Nordost-Südwest, in Amerika wechselnd von derselben Richtung bis Ost-West. Dacqué [22] bemerkt hierzu: „Daraus kann man folgern, daß die Kette über den Nordatlantischen Ozean hinüberreichte.“ Das angeblich versunkene Verbindungsglied müßte allerdings nach den bisherigen Vorstellungen eine Länge von 3000 km gehabt haben, auch weist die gerade Verlängerung des europäischen Teiles bei der jetzigen Lage der Kontinente mehrere tausend Kilometer an dem amerikanischen vorbei nach Südamerika. Nach der Verschiebungstheorie erfährt auch hier wieder das amerikanische Stück gerade eine solche Querversetzung und zugleich Drehung, daß es unmittelbar an das europäische anschließt und als seine Verlängerung erscheint.

     In das soeben betrachtete Gebiet fallen weiter auch die Endmoränen der großen diluvialen Inlandeiskappen Nordamerikas und Europas. Ihre Ablagerung fällt in eine Zeit, zu der Neufundland bereits von Europa abgerissen war, während im Norden bei Grönland die Schollen noch verbunden waren. Jedenfalls muß Nordamerika| damals noch wesentlich näher an Europa gelegen haben als heute. Trägt man die Moränen in unsere für die Zeit vor der Trennung gültige Rekonstruktion ein, so fügen sie sich, wie Abb. 19 zeigt, ohne Lücke oder Knick zusammen, was doch sehr unwahrscheinlich wäre, wenn die Küsten zur Zeit der Ablagerung schon ihren heutigen Abstand von 2500 km gehabt hätten, zumal das amerikanische Ende heute 41/2 Breitengrade südlicher liegt als das europäische.

Abb. 19.

Grenzen des quartären Inlandeises, eingetragen in die Rekonstruktion für die Zeit vor dem Abriß Nordamerikas.

     Die bisher angeführten Übereinstimmungen der atlantischen Küsten, nämlich die Faltung des Kapgebirges und der Sierren von Buenos Aires, ferner die Übereinstimmung der Eruptivgesteine, Sedimente, Streichrichtungen und zahlloser anderer Einzelheiten in den großen Gneistafeln von Brasilien und Afrika, die armorikanische,| kaledonische und algonkische Faltung und die diluviale Endmoräne bilden, wenn auch die Auffassung in gewissen Einzelfragen noch unsicher sein mag, in ihrer Gesamtheit einen schwer zu erschütternden Beweis für die Richtigkeit unserer Auffassung, daß der Atlantik als eine erweiterte Spalte zu betrachten ist. Von entscheidender Bedeutung dabei ist der Umstand, daß, obwohl die Zusammenfügung der Schollen auf Grund anderer Erscheinungen, nämlich ihrer Konturen, vorgenommen werden muß, dennoch durch diese Zusammenfügung die jenseitige Fortsetzung einer jeden Struktur gerade mit dem diesseitigen Ende zur Berührung gebracht wird. Es ist so, als wenn wir die Stücke einer zerrissenen Zeitung nach ihren Konturen zusammensetzen und dann die Probe machen, ob die Druckzeilen glatt hinüberlaufen. Tun sie dieses, so bleibt offenbar nichts weiter übrig, als anzunehmen, daß die Stücke einst wirklich in dieser Weise zusammenhingen. Wenn nur eine einzige Zeile eine solche Kontrolle ermöglichte, so hätten wir schon eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Zusammensetzung. Haben wir aber n Zeilen, so potenziert sich diese Wahrscheinlichkeit noch mit n. Es ist gewiß nicht unnütz, sich klar zu machen, was dies bedeutet. Nehmen wir an, daß wir allein auf Grund unserer ersten „Zeile“, der Faltung des Kapgebirges und der Sierren von Buenos Aires, zehn gegen eins wetten können, daß die Verschiebungstheorie richtig ist. Dann können wir, da im ganzen mindestens sechs solche unabhängigen Kontrollen vorliegen, in Kenntnis dieser letzteren bereits 106, d. i. eine Million gegen eins wetten, daß unsere Annahmen zutreffen. Diese Zahlen mag man gern für übertrieben halten. Sie sollen nur dazu dienen, zu zeigen, was es zu bedeuten hat, wenn sich die unabhängigen Kontrollen mehren.      Nördlich des bisher betrachteten Gebietes gabelt sich die atlantische Spalte beiderseits von Grönland und wird zunehmend schmaler. Die beiderseitigen Übereinstimmungen verlieren dadurch an Beweiskraft, weil ihre Entstehung auch bei der jetzigen Lage der Schollen immer leichter erklärbar wird. Dennoch ist es nicht ohne Interesse, die Vergleichung bis zu Ende durchzuführen. Wir finden die Bruchstücke einer ausgedehnten Basaltdecke am Nordrande von Irland und Schottland, auf den Hebriden und auf den Färöern; sodann wechselt sie über Island hinüber zur grönländischen Seite, wo sie namentlich die große, den Scoresbysund im Süden begrenzende Halbinsel zusammensetzt und sich weiter bis 75° Nord die Küste entlangzieht. Auch an der westgrönländischen Küste finden sich| ausgedehnte Basaltdecken. An allen diesen Orten kommen in gleicher Weise Landpflanzen führende Kohlen zwischen zwei basaltischen Lavadecken vor, woraus man auf ehemaligen Landzusammenhang geschlossen hat. Der gleiche Schluß ergibt sich aus der Verteilung der terrestrischen devonischen „Old Red“-Ablagerungen in Amerika von Neufundland bis New York, in England, Südnorwegen und dem Baltikum, in Grönland und Spitzbergen. Diese Funde geben in ihrer Gesamtheit das Bild eines zur Entstehungszeit zusammenhängenden, einheitlichen Verbreitungsgebietes, welches heute zerstückelt ist,

Abb. 20.

Geologische Karte von Nordwestgrönland, nach Lauge-Koch.

— nach den bisherigen Vorstellungen durch Versinken der Zwischenglieder, nach der Verschiebungstheorie durch Zerbrechen und Auseinandertreiben.

     Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch das gleichartige Vorkommen ungefalteter karbonischer Ablagerungen einerseits in Nordostgrönland auf 81° Nordbreite und andererseits gegenüber auf Spitzbergen.

      Auch zwischen Grönland und Nordamerika herrscht die zu erwartende Übereinstimmung im Bau. Bei Kap Farvel und nordwestlich davon treten nach der „Geologie Map of North America“ der U. S. Geol. Survey vielfach präkambrische Intrusivgesteine im Gneis auf, welche man amerikanischerseits gerade an der entsprechenden Stelle, nämlich auf der Nordseite der Belle-Islestraße, wiederfindet. Beim Smithsund und Robesonkanal im Nordwesten Grönlands besteht die Verschiebung nicht in einem Auseinanderziehen der Spaltenränder, sondern in einer horizontalen Verwerfung von großen Dimensionen, einer sogenannten Blattverschiebung. Grinnell-Land gleitet an Grönland entlang, wodurch wohl auch die auffallend geradlinige Begrenzung der beiden Schollen erzeugt wird. Diese Verschiebung läßt sich in dem in Abb. 20 dargestellten Ausschnitt aus der geologischen| Karte von Nordwestgrönland von Lauge-Koch [85] erkennen, wenn man die Grenze zwischen Devon und Silur sucht, welche in Grinnell-Land auf 80° 10', in Grönland auf 81° 30' liegt. Auch die von diesem Autor entdeckte kaledonische Faltung, die sich von Grönland nach Grinnell-Land hinüberzieht, läßt dieselbe Verschiebung erkennen.

     In aller Kürze seien hier noch einige Andeutungen gemacht, in welcher Weise bei der Rekonstruktion der präatlantischen Kontinentalverbindungen vorgegangen wurde. Eine ausführlichere Besprechung der hierbei berücksichtigten Erscheinungen, wie Plastizität der Sialschollen, Schmelzung von unten u. a., wird zwar später noch gegeben werden. Allein es ist auch schon bei der geologischen Vergleichung der Spaltenränder notwendig, einiges hiervon zu erwähnen, um Mißverständnissen vorzubeugen.

     In Nordamerika zeigt unsere Rekonstruktion eine Abweichung von der heutigen Karte insofern, als Labrador stark nach Nordwesten gedrückt erscheint. Es wurde angenommen, daß der starke Zug, der schließlich zum Abreißen Neufundlands von Irland führte, vor dem Abriß eine Dehnung und oberflächliche Zerreißung der beiderseitigen Schollenteile bewirkte. Auf der amerikanischen Seite wurde nicht nur die neufundländische Scholle (einschließlich der Neufundlandbank) herausgebrochen und um etwa 30° gedreht, sondern ganz Labrador sackte bei dieser Gelegenheit nach Südosten, so daß der vorher geradlinige Grabenbruch St. Lorenzstrom—Belle-Islestraße seine jetzige S-förmige Biegung erhielt. Auch die Flachmeere der Hudsonbai und der Nordsee dürften bei dieser Zerrung entstanden oder vergrößert sein. Der Neufundlandschelf erfährt also eine zweifache Korrektion der Lage, nämlich eine Drehung und eine Verschiebung nach Nordwest, und paßt sich dadurch der Schelflinie bei Neu-Schottland besser an, über die er gegenwärtig weit hinausragt.

     Island wird zwischen einer Doppelspalte gelegen angenommen, worauf die heutige Tiefenkarte seiner Umgebung hinzudeuten scheint. Vielleicht entstand hier zuerst zwischen dem grönländischen und dem norwegischen Gneismassiv eine Spalte (Grabenbruch), die sich dann teilweise mit geschmolzenen Sialmassen von der Unterseite der Schollen anfüllte. Da die Spalte aber im übrigen, wie heute das Rote Meer, mit Sima gefüllt war, so konnte eine erneute Zusammenpressung der Schollen die Wirkung haben, daß diese Simafüllung| unten von ihrer Verbindung mit den tieferen Regionen abgeschnitten und nach oben heraufgepreßt wurde und so die großen Basaltüberschwemmungen schuf. Daß dies gerade im Tertiär stattfand, erscheint besonders plausibel; denn durch die tertiäre Westwanderung Südamerikas mußte auch auf Nordamerika ein Drehungsmoment übertragen werden, welches sich, solange die Verankerung durch die von Irland nach Neufundland hinüberreichenden Ketten hielt, nördlich davon in einer Zusammenpressung äußern mußte.

     Es sei in diesem Zusammenhang auch ganz kurz der mittelatlantischen Bodenschwelle gedacht[6]. Die Auffassung von Haug, welcher den ganzen Atlantik als eine riesige „Geosynklinale“ und die mittelatlantische Schwelle als den Beginn der Faltung dieser Geosynklinale betrachten will, ist heute wohl allgemein als unzureichend erkannt. Wir verweisen hier nur auf Andrées Kritik [16]. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich bei dieser Schwelle jedenfalls um Abfallprodukte bei der Trennung der Schollen. Man kann hierbei annehmen, daß statt einer einheitlichen Spalte ein netzartiges Geflecht von Spalten entstand, also ein Trümmerstreifen, dessen Teile, weil ihre Unterlage sich auszog und verflachte, größtenteils unter den Meeresspiegel versanken. Da, wo die heutigen Ränder nicht mehr gut zueinander passen, mag diese Zertrümmerungszone von beträchtlicher Breite gewesen sein.

     So wurde oben erwähnt, daß das Gebiet der Azoren einem Zertrümmerungsstreifen entspricht, der ursprünglich schätzungsweise über 1000 km breit gewesen sein mag. Dies ist freilich ein Ausnahmefall, an den meisten Stellen ist die mittelatlantische Schwelle viel schmaler. Aus der von du Toit gegebenen Abb. 18 würde man, bei Berücksichtigung der heutigen Randschelfe, nur auf einen Zertrümmerungsstreifen von einigen hundert Kilometern schließen, stellenweise mag er noch schmaler gewesen sein; damit stimmt der Umstand, daß die Schollenränder hier noch heute auffallend kongruent sind, wenn man von einigen Störungen, wie die Abrolhosbank oder den Vorsprung an der Nigermündung, absieht. Unsere Rekonstruktionskarten Abb. 4 und 5 sind insofern schematisch, als sie auf diesen schwer abzuschätzenden Zertrümmerungsstreifen vielleicht nicht genügend Rücksicht nehmen. Aber ob es jemals gelingen wird, die Rekonstruktion in solchen Details exakt durchzuführen, muß wohl einstweilen| dahingestellt bleiben; denn wenn man auch das Profil des atlantischen Meeresbodens völlig genau kennte, so bliebe doch unklar, ein wie großer Teil dieser Massen aus Basalt besteht und ursprünglich unter den beiden heutigen Kontinentalschollen ihren Platz gehabt hat und erst beim Trennungsprozeß durch „Ziehen“ des Materials unter diesen herausgezerrt wurde oder herausgeflossen ist. Dieser Teil dürfte aber bei der Rekonstruktion nicht berücksichtigt werden.

     Weniger als über die atlantische Spalte ist in geologischer Hinsicht über die anderen von uns angenommenen Kontinentalzusammenhänge zu sagen.

     Madagaskar besteht wie das benachbarte Afrika aus einer Tafel gefalteten Gneises mit nordöstlicher Streichrichtung. An der Abrißlinie sind beiderseits identische marine Sedimente abgelagert, welche andeuten, daß seit der Trias beide Länder durch einen überschwemmten Grabenbruch getrennt waren, was auch die madagassische Landfauna verlangt. Aber noch in der Mitte der Tertiärzeit, als Indien bereits abgerückt war, sind nach Lemoine [87] zwei Tiere, der Potamochoerus und der Hippopotamus, von Afrika eingewandert, die, wie Lemoine meint, höchstens einen Meeresarm von 30 km Breite durchschwimmen konnten, während jetzt der Kanal von Mozambique gut 400 km breit ist. Erst nach dieser Zeit kann sich also die madagassische Scholle auch untermeerisch von Afrika losgerissen haben, wodurch sich der weite Vorsprung erklärt, den Vorderindien in der Verschiebung nach Nordosten gegenüber Madagaskar bekommen hat.

     Ein nicht unwesentliches Moment im Bau von Afrika sind die meist nordsüdlich verlaufenden und besonders in Ostafrika ausgebildeten Brüche. Evans hat in einer interessanten Untersuchung über Erdgebiete mit Zug [107] unter manchem anderen, was für die Verschiebungstheorie spricht, besonders diesen Punkt betont: „Vieles von der Struktur des afrikanischen Kontinents muß noch bestimmt werden; aber soweit sie bekannt ist, scheint sie die Ansicht zu stützen, daß überall das Vorwalten eines Zuges zu erkennen ist, der vom Zentrum nach außen gerichtet ist. Dies ist in Übereinstimmung mit Wegeners Auffassung, daß es zu Beginn der mesozoischen Zeit einen großen ,Urkontinent’ gab, dessen Zentrum Afrika war, und daß er seitdem aufgebrochen ist durch eine relative Bewegung Südamerikas nach Westen, Westantarktikas nach Südwest, Indiens| nach Nordost, Australiens nach Ost und Ostantarktikas nach Südost[7].

     Auch Vorderindien ist eine flache Tafel aus gefaltetem Gneis. Die Faltung wirkt noch heute formengebend in dem uralten Arvalligebirge im äußersten Nordwesten (am Rande der Wüste Tharr) und in den gleichfalls sehr alten Koranabergen. Nach Suess weist sie im ersteren nach N 36° O, in letzteren nach Nordost. Beide Richtungen stimmen also hinreichend mit der afrikanischen und madagassischen Streichrichtung überein, zumal nach der geringen, bei der Rekonstruktion nötigen Drehung Indiens. Übrigens tritt auch hier daneben eine etwas jüngere, aber immer noch alte Faltung in den Ghats von Nellore oder dem Vellakondagebirge auf, welche von Nord nach Süd streicht und wohl mit der gleichfalls jüngeren nordsüdlichen Streichrichtung in Afrika gleichzusetzen ist. Die Diamantvorkommen in Indien schließen sich an die von Südafrika an. In unseren Rekonstruktionen ist angenommen, daß die indische Westküste mit der Ostküste Madagaskars zusammengehangen hat. Beide Küsten bestehen aus einem auffällig geradlinigen Abbruch eines Gneisplateaus, der den Gedanken nahelegt, sie könnten nach der Spaltenbildung aneinander entlang geglitten sein, ähnlich wie Grinnell-Land und Grönland. Am nördlichen Ende dieses an beiden Küsten etwa 10 Breitengrade langen Abbruches treten beiderseits Basalte auf. In Indien ist es die bei 16° Nordbreite beginnende Basaltdecke des Dekans, die aus dem Beginn des Tertiärs stammt und deshalb vielleicht in ursächlichen Zusammenhang mit der Ablösung gebracht werden darf. Und auf Madagaskar ist der nördlichste Teil der Insel ganz aus zwei verschieden alten Basalten aufgebaut, deren Entstehungszeit anscheinend noch nicht ermittelt ist.

     Die riesigen, wesentlich im Tertiär gebildeten Falten des Himalajagebirges bedeuten den Zusammenschub eines erheblichen Stückes der Erdrinde, durch dessen Rekonstruktion die Umrisse des asiatischen Kontinents ganz andere werden. Wahrscheinlich nahm das ganze östliche Asien über Tibet und die Mongolei hinweg bis zum Baikalsee und vielleicht sogar bis zur Beringstraße an dem Zusammenschub teil. Die neueren Untersuchungen haben gezeigt, daß die jungen Faltungsvorgänge keineswegs nur auf den Himalaja selbst beschränkt sind, sondern z. B. noch im Gebirge Peters des| Großen eozäne Schichten bis 5600 m Seehöhe emporgefaltet und im Tienschansystem große Überschiebungen erzeugt haben [88]. Aber auch da, wo solche Faltungserscheinungen fehlen, steht die junge Erhebung ungefalteten Landes gleichfalls in enger Verbindung mit diesem Faltungsprozeß. Die gewaltigen Massen sialischen Materials, welche bei der Faltung in die Tiefe gesenkt werden, müssen dort

Abb. 21.

Der lemurische Zusammenschub.

schmelzen und sich ausbreitend die angrenzenden Schollenteile unterlagern, wodurch diese gehoben werden müssen. Beschränken wir uns in unserer Betrachtung auf die höchste, im Mittel etwa 4000 m über dem Meere liegende Region der asiatischen Scholle, die in der Schubrichtung 1000 km mißt, und nehmen wir (trotz der größeren Höhe!) nur eine gleiche Verkürzung wie bei den Alpen, nämlich auf den vierten Teil ihrer ursprünglichen Erstreckung an, so erhalten wir eine Verschiebung Vorderindiens um 3000 km, so| daß es vor dem Zusammenschub neben Madagaskar gelegen haben muß. Für eine versunkene Lemuria im alten Sinne bleibt kein Platz.

     Die Spuren dieses riesigen Zusammenschubs sind auch rechts und links von der ziemlich schmalen Schubzone noch zu erkennen. Die Loslösung Madagaskars von Afrika, das ganze System junger Grabenbrüche in Ostafrika, zu dem auch das Rote Meer und das Jordantal gehört, bilden Teilerscheinungen in diesem Bilde. Die Somalihalbinsel dürfte etwas nach Norden herumgeschleppt sein und die Aufpressung des abessinischen Gebirges hiermit zusammenhängen; die hier nach unten über die Schmelzisotherme hinaus versenkten Sialmassen flössen unter der Scholle nach Nordosten, um hier im Winkel zwischen Abessinien und der Somalihalbinsel herauszuquellen. Auch Arabien spürte noch den Zug nach Nordosten und hat die Ausläufer des Akdargebirges wie einen Sporn in die persischen Gebirgsketten hineingedrängt. Die fächerförmige Scharung der Bergketten des Hindukusch- und Soleimangebirges deutet an, daß hier die westliche Grenze des Zusammenschubs erreicht ist; ihr getreues Spiegelbild tritt auch am Ostrand desselben auf, wo die Bergketten von Burma aus der durch Annam, Malakka und Sumatra vorgezeichneten Richtung heraus bis zur Nordsüdrichtung herumgeschleppt werden. Das ganze östliche Asien ist wohl noch von diesem Zusammenschub betroffen worden, der seine westliche Begrenzung in dem gestaffelten Faltensystem zwischen Hindukusch und Baikalsee und dessen Fortsetzung bis zur Beringstraße findet, während die Ostgrenze durch die bauchigen Küstenformen mit den Inselgirlanden Ostasiens gebildet wird.

Abb. 22.

Meridianschnitt durch den lemurischen Zusammenschub, nach Argand.
1 = Lemurien (Indien); 2 = Asien.

     Auf den ersten Blick könnten diese Ansichten vielleicht phantastisch erscheinen, aber sie werden durch die neueren Untersuchungen der Gebirgstektoniker durchaus bestätigt. Insbesondere gilt dies| für die 1924 erschienene großzügige Untersuchung Argands über die Tektonik Asiens [20].

     Wir geben in Abb. 22 eine seiner Darstellungen wieder, welche seine Auffassung von dem großartigen Zusammenschub Hochasiens erläutert. Sie stellt einen Meridionalschnitt von Indien bis zum Tien-schan dar, gedacht für den Schluß der Tertiärzeit; schraffiert bedeutet das tragende Sima, weiß die Sialschollen, punktiert die aus der Tethys hervorgegangenen Produkte. Die vom Sial mitgerissenen basischen (Sima-) Gesteine sind angedeutet. Die Pfeile geben die relative Bewegung. In der Hauptsache hätten wir es also hier mit einer riesigen Überschiebung zu tun, bei welcher die Sialscholle Lemuriens unter die asiatische Scholle hinuntergeschoben ist.

Abb. 23.

Tektonische Karte des Gondwanalandes, nach Argand.
1 = vorherrschend Sima; 2 = Gebiete, in denen die antiklinale Grundhaltung überwiegt; I, II,III = die drei Zweige der inneren Virgation der Gondwanascholle; 3 = Kulminationsachsen der Grundfalten; 4 = Senkungsachsen der Grundfalten; 5 = Verbindungen, a, b, c = afrikanisches, arabisches, indisches Vorgebirge des Gondwanalandes.

|      Von den weiteren Darstellungen, die sich in dem wichtigen Werke befinden, geben wir nur noch Abb. 23 wieder, welche anschaulich zeigt, wie vollständig die Ergebnisse dieses hervorragenden Tektonikers mit denen der Verschiebungstheorie übereinstimmen. Argand macht u. a. auf folgende Eigentümlichkeit aufmerksam. Betrachtet man die drei Züge der Grundfaltengebiete I, II, III, die Argand als eine große Virgation auffaßt, so zeigen die einzelnen Züge eine den Anden Südamerikas ähnliche, aber nach Osten abnehmende Krümmung. Argand schließt (S. 317 bis 318): „Ein plastischer Stoß, der von Westen kam und sich dem ganzen Hauptgefüge von Gondwanaland mitteilte, hat sich quer durch die Kontinentalmasse bemerkbar gemacht, und seine Wirkung auf die Linienführung ist langsam nach Osten abgeklungen.“ Wie bei allen Grundfalten, habe man auch hier für die Erklärung die Reibung am unten liegenden Sima und die innere Deformation des Sials zu berücksichtigen; dazu kam hier, „vor der atlantischen Spaltung, der Widerstand des pazifischen Simas vor dem nach Westen treibenden Gondwana, d. i. an der Vorderseite dessen, was jetzt Südamerika ist… Vergeblich würde man versuchen, ohne solchen Kräftezusammenhang zwischen den Anden und dieser Virgation alle diese Homologien zu erklären… Die Existenz andiner Bewegungen nördlich vom Tanganikagebiet, die durch die Diskordanz der mittleren Kreide über Juraschichten bezeugt wird, zeigt, daß dieser Kräftezusammenhang, weit davon, illusorisch zu sein, mindestens die ganze Breite der noch miteinander zusammenhängenden Schollen von Südamerika und Afrika umfaßte.“      Noch auf ein anderes Ergebnis Argands muß hier hingewiesen werden. Er hat für die Hauptfaltungszonen den Faltungsbetrag der Grundfalten bestimmt; auf die Methode einzugehen, ist hier nicht der Ort. Das Ergebnis drückt er in Tonnage pro Längeneinheit aus. Er unterscheidet ferner die Tonnage der Grundfalten (im Sial) und die der „neuen Ketten“, die für Energiebetrachtungen von geringerer Bedeutung sind. So findet er auf statistischem Wege, daß im mediterranen Faltenzug (Alpen—Himalaja) die „Tonnage“ stark schwankt, im Gegensatz zum zirkumpazifischen Faltenzug. Insbesondere hat der enorme zentralasiatische Zusammenschub keine Parallele am pazifischen Ufer. Weiter ist die „Tonnage“ an der nordamerikanischen Westküste sehr viel größer als an der Ostküste Asiens. Und drittens ist die Tonnage der neuen Ketten in Ostasien absolut und relativ größer als in Nordamerika, wo sie fast| ganz fehlt, wodurch die Unterlegenheit Ostasiens hinsichtlich des Faltungsbetrages noch unterstrichen wird.

     Das erste Resultat, die große Variabilität im Ausmaß der Faltung in der mediterranen Faltungszone, erklärt Argand durch die Heterogenität der Sialschollen, die sich hier begegnen. „Umgekehrt zeugen die schwachen Schwankungen der Tonnage im zirkumpazifischen Gebiet von der Anwesenheit oder dem Vorherrschen eines homogeneren und nachgiebigeren Materials unter dem Stillen Ozean, als es die stark heterogenen und stets sehr widerstandsfähigen Kontinentalblöcke sind.“… „Die Verschiebungstheorie trägt ohne Schwierigkeit den Tatsachen der Verteilung der Tonnage und deren unmittelbaren Deutungen Rechnung. Für sie ist das relativ homogene und nachgiebige Material des Pazifik das Sima… Die Verschiebungstheorie erklärt leicht die zweite und dritte Gruppe von Tatsachen, in denen sich die energetische Unterlegenheit Ostasiens gegenüber Amerika äußert. Sie läßt Vorgänge der Vorderseite zu, welche das Sial unter gewissen Bedingungen gegen das Sima pressen und falten, und Vorgänge der Rückseite, die aus einem Rückzug des Sials bestehen, wodurch eine mehr oder minder vollständige Unterbrechung der Faltenbildung bedingt wird, mit den Wirkungen des Zuges: gezerrte Brüche, knopflochähnliche Zerreißungen, die Randmeere bilden, Zurücklassung von Gebirgszügen, die von da ab in der Spur des Kontinents nachschleppen als mehr oder weniger abgelöste Girlanden, während das Sima, gezwungen, sich neuen Bedingungen anzupassen, hinter der Scholle aufsteigt. Durch die Verspätung, mit der sich dieses Aufsteigen vollzieht, entstehen die tiefen Furchen, aus denen die klassische Auffassung Vortiefen macht. Da die Verschiebungstheorie verlangt, daß die Vorgänge der Vorderseite überwiegend am Westrand von Amerika und die der Rückseite lange Zeit in Ostasien stattgefunden haben, so erklärt sich das Übergewicht des ersteren über das letztere an Tonnage von selbst.“

     „Die Eleganz, mit der die Verschiebungstheorie diese bedeutsamen Tatsachen erklärt, die zur Zeit ihrer Aufstellung nicht bekannt waren, ist gewiß ein starkes Zeugnis zu ihren Gunsten. Strenggenommen beweist zwar keine dieser Tatsachen die Verschiebungstheorie oder auch nur das Vorhandensein des Simas, aber sie alle stimmen vorzüglich zu beiden, bis zu einem Grade, der sie sehr wahrscheinlich macht.“

|      Soweit Argand, der, wie man sieht, in dieser Arbeit über die Tektonik Asiens auch die Hauptzüge des ganzen Erdantlitzes in Betracht zieht.

     Eine genaue geologische Vergleichung würde sich auch für die Ostküste Vorderindiens und die Westküste Australiens verlohnen, denn diese Küsten oder besser Schelfränder haben nach unserer Annahme bis etwa zur Jurazeit unmittelbar zusammengehangen. Aber bisher ist ein solcher Vergleich von geologischer Seite anscheinend noch nicht durchgeführt worden. Die Ostküste Vorderindiens stellt einen jähen Abbruch des Gneisplateaus dar. Eine Unterbrechung erfährt dies nur durch das grabenartig schmale Kohlengebiet des Godavari, welches aus den unteren Gondwanaschichten besteht. Die oberen Gondwanaschichten liegen, der Küste folgend, diskordant quer über seinem Ende. Auch Westaustralien bildet eine ähnliche Gneistafel mit welliger Oberfläche wie Vorderindien und Afrika. Sie fällt längs der Küste mit einem langen Steilrande, der „Darling Range“ und ihrer nördlichen Fortsetzung zum Meere ab. Vor dem Steilrand liegt ein abgesunkener Streifen flachen Landes, der aus paläozoischen und mesozoischen Schichten aufgebaut und an wenigen Stellen von Basalten durchbrochen ist, und vor diesem wieder ein schmaler, bisweilen ganz verschwindender Gneiszug an der Küste. Die genannten Sedimente enthalten am Irvinflusse auch ein Kohlengebiet. Die Streichrichtung der Gneisfaltung ist in Australien überall meridional gerichtet und würde also bei Angliederung an Vorderindien in Nordost-Südwest verwandelt und somit parallel zur dortigen Hauptrichtung werden.

     Im Osten Australiens verlaufen die wesentlich im Karbon gefalteten australischen Kordilleren längs der Küste von Süden nach Norden, um hier in einem staffelförmig nach Westen zurückweichenden Faltensystem, dessen einzelne Falten immer genau nordsüdlich verlaufen, zu endigen. Ebenso wie bei den staffelförmigen Falten zwischen Hindukusch und Baikalsee zeigt dies die seitliche Grenze des Zusammenschubs an; die riesenhafte Andenfaltung, welche in Alaska beginnend durch vier Erdteile hindurchstreicht, erreicht hier ihr Ende. Die westlichsten Ketten der australischen Kordilleren sind die ältesten, die östlichsten die jüngsten. Tasmanien bildet eine Fortsetzung dieses Faltensystems. Interessant ist im Bau des Gebirges die spiegelbildliche Ähnlichkeit mit den südamerikanischen Anden, wo wegen der Lage jenseits des Poles die östlichsten Ketten die ältesten sind. Indessen fehlen in Australien die jüngsten Ketten.| Suess findet sie in Neuseeland wieder [12]. Die Faltung reicht freilich auch hier nicht bis ins Tertiär: „Nach Ansicht der meisten neuseeländischen Geologen fällt die Hauptfaltung der maorischen Gebirgskette in die Zeit zwischen Jura und Kreide.“ Vorher war fast alles vom Meere bedeckt, erst die Faltung „verwandelte die neuseeländische Region in eine Landmasse“. Oberkreide und Tertiär liegen meist randlich und ungefaltet. Und zwar gibt es Kreideablagerungen auf der Südinsel nur an ihrer Ostküste, nicht an der Westküste. Im Tertiär erfolgte der „Abbruch der Westküste“, „denn die tertiären Meeresablagerungen finden sich auch an dieser“. Im Jungtertiär endlich entstanden noch weitere, freilich geringere Faltungen, Verwerfungen und Überschiebungen, die dem Gebirge seine heutigen Formen gaben (Wilckens [89]).

Abb. 24.

Sprengung der Inselketten durch Neuguinea, schematisch.

Nach der Verschiebungstheorie erklärt sich dies alles dadurch, daß Neuseeland früher den Ostrand der australischen Scholle bildete, so daß seine Hauptfaltung sich an die australischen Kordilleren anschließt. Als die neuseeländischen Ketten sich aber als Girlande ablösten, erlosch auch der Faltungsvorgang. Die jungtertiäre Störung kann wohl mit dem Vorbeiziehen und Abwandern der australischen Scholle im Zusammenhang stehen.

     Von diesen letzten Bewegungen Australiens erzählt uns namentlich die Tiefenkarte der Umgebung von Neuguinea mancherlei Einzelheiten. Die große australische Scholle drängt sich, wie Abb. 24 schematisch erläutert, mit ihrem amboßartig verdickten vorderen Ende, dem zu einem hohen jugendlichen Gebirge aufgefalteten Neuguinea nebst Schelf, von Südosten kommend, zwischen die Ketten der südlichsten Sunda-Inseln und des Bismarck-Archipels. Betrachten wir auf der Tiefenkarte Abb. 25[8] die beiden südlichsten Reihen der Sunda-Inseln; die westöstlich streichende Kette Java—Wetter biegt sich am Ende spiralig über die Banda-Inseln zur Siboga-Bank nach Nordost, Nord, Nordwest, West, Südwest. Die| ihr vorgelagerte Timorkette bezeugt schon durch ihre gestörte, wechselnde Richtung die Kollision mit dem australischen Schelf, für die H. A. Brouwer auch die geologische Beweisführung im einzelnen gegeben hat [90]. Diese Kette wird weiterhin in einer ähnlichen energischen Spirale bis Buru zurückgebogen. Eine interessante Einzelheit, der Brouwer eine Sonderpublikation widmet [112], sei hier angeführt: Die innere Kette ist im allgemeinen mit noch heute tätigen Vulkanen besetzt; nur auf der Strecke zwischen den beiden Inseln Pantar und Dammer (exklusive) ist der früher auch hier tätige Vulkanismus jetzt erloschen. Das ist aber gerade die Partie, gegen welche die äußere Kette am Nordrand von Timor durch den australischen Schelf gepreßt wird, so daß hier der sonst überall wohl noch weitergehende Biegungsvorgang aufgehoben wird. Diese Verhältnisse passen ausgezeichnet zu der Vorstellung einer Kollision mit der australischen Scholle und sind zugleich sehr lehrreich für die Frage nach der Entstehung des Vulkanismus durch den bei der Biegung der Ketten auftretenden Druck.

Abb. 25.

Tiefenkarte der Umgebung von Neuguinea.

     Eine sehr interessante Ergänzung zu diesem Kollisionsvorgang sieht man auf der Ostseite Neuguineas: Von Südosten kommend, hat dies die Inseln des Bismarck-Archipels gestreift, dabei die Insel Neupommern an ihrem früheren Südostende erfaßt und mit sich| geschleppt, die lange Insel um mehr als 90° herumdrehend und halbkreisförmig biegend. Eine tiefe Rinne blieb hinter ihr zurück und bezeugt die Gewaltsamkeit dieses Vorganges, da das Sima sie noch nicht wieder auszufüllen vermocht hat.

     Es wird manchem kühn erscheinen, solche Schlüsse allein aus der Tiefenkarte zu ziehen. Aber diese erweist sich fast überall als zuverlässiger Wegweiser für die Schollenbewegungen namentlich der letzten Zeiten.

     Auch im Sunda-Archipel weisen zahlreiche Einzelergebnisse auf die Richtigkeit unserer Anschauungen hin. So erklärte z. B. Wanner [96] die tektonisch unerwartete Tiefsee zwischen Buru und Sula Besi dadurch, daß ersteres sich um 10 km horizontal verschoben habe, was sich gut in unsere Vorstellungen einfügen läßt. G. A. F. Molengraaff [97] gibt eine Karte der Sunda-Inseln, in welcher das Gebiet mit um mehr als 5 m gehobenen Korallenriffen eingetragen ist. Dies Gebiet deckt sich überraschend mit dem, in welchem nach der Verschiebungstheorie die Sialmassen durch Zusammenschub sich verdicken müssen, es ist nämlich, abgesehen von der Südwestküste Sumatras und Javas, das ganze vor der australischen Scholle liegende Gebiet bis Celebes einschließlich, sowie die Nord- und Nordwestküste von Neuguinea. Nach Gagel [98] gibt es in Neuguinea am Kap König Wilhelm und nach Sapper [99] auch auf Neu-Pommern ganz junge Terrassen, die 1000, 1250, ja vielleicht fast 1700 m gehoben sind. Diese sehr auffallende Erscheinung deutet jedenfalls auch darauf hin, daß hier in jüngster Zeit ganz gewaltige Kräfte zur Äußerung kamen, und paßt somit gut zu unserer Vorstellung von der Kollision dieser Teile.

     Da gerade bei den Sunda-Inseln die Folgerungen aus der Verschiebungstheorie auf den ersten Blick so phantastisch anmuten, ist es gewiß beachtenswert, daß die holländischen Geologen, die im Sunda-Archipel arbeiten, mit die ersten waren, die sich auf den Boden der Verschiebungstheorie gestellt haben, allen voran Molengraaff, der schon 1916 für sie eintrat [91], später auch van Vuuren [92], Wing Easton [93], Escher [95] und neuerdings ganz besonders Smit Sibinga [94], der eine vollständige Darstellung der geologischen Entwicklung des Sunda-Archipels vom Standpunkt der Verschiebungstheorie aus gegeben hat, wobei er auch zu einer Lösung der alten Frage nach der Entstehung der eigenartigen Formen von Celebes und Halmahera gelangt. Er kommt zu dem Schluß: „Die kleinen Sunda-Inseln, Celebes und die Molukken| stellen ursprünglich vom Sunda-Land abgetrennte Randketten dar, die zuerst eine normale doppelte Randkette bildeten und danach infolge eines Zusammenstoßes mit dem australischen Kontinent ihre heutige Form erhielten.“ Wir geben hier den Schlußabschnitt seiner Untersuchung in der Übersetzung wieder:

     „In einem letzten Abschnitt wollen wir punktweise auf einige geologische Tatsachen und Eigentümlichkeiten im Molukken-Archipel hinweisen, welche erklärt oder besser erklärt werden können durch die oben entwickelte, auf Taylors und Wegeners Grundgedanken basierte Arbeitshypothese als auf andere Weise.“

     „1. Sie erheischt nicht das Absinken früherer Landmassen zu ozeanischen Tiefen, um das heutige Relief, den Prozeß der Gebirgsbildung und das Verschwinden früherer Landverbindungen zu erklären, mit anderen Worten, sie ist in Übereinstimmung mit der Isostasielehre.“

     „2. Sie erklärt die heutige Konfiguration auf eindeutige und mechanisch logische Weise durch den Zusammenstoß einer ursprünglichen doppelten Molukkenkette mit dem australischen Kontinent.“

     „3. Sie gibt eine Erklärung für die eigenartige, für eine Geantiklinale sehr ungewöhnliche und unerklärliche S-Form des Nordarmes von Celebes. Auch diese wird durch den vom australischen Kontinent ausgehenden Druck verursacht, der die Timor-Ceramkette bis nach Celebes herübergeschoben hat, wobei die Kette zwischen Buru und den Sula-Inseln zerbrochen (eingedrückt) wurde.“

     „4. Sie gibt eine ungezwungene Lösung für die merkwürdige Form der das Bandabecken kreisförmig umschließenden Inselketten als „eingedrückte Kette“. Wir setzten oben schon ausführlich die unhaltbaren Folgerungen auseinander, zu denen die Kontraktionstheorie hier führt.“

     „5. Sie erklärt die Divergenz der Transversalbrüche in der Timor-Ceramkette von dem Bandabecken aus als Folge davon, daß diese Kette in den Angriff des australischen Kontinents einbezogen wurde, eine Erscheinung, die vom Standpunkt der Kontraktionstheorie aus unerklärlich ist.“

     „6. Sie macht die abnormen tertiären Streichrichtungen in der Außenkette begreiflich, weil sie entstanden, als die Kette noch ihre ursprüngliche Form hatte, also vor ihrer Eindrückung.“

     „7. Sie läßt die gebirgsbildende Kraft vom australischen[9] Kontinent ausgehen und erklärt dadurch, warum gerade die Außenkette,| welche mit diesem Kontinent in unmittelbare Berührung kam, so viel intensiver gefaltet und überfaltet wurde als die Innenkette, Celebes und die Halmaheragruppe. Die Innenkette kam eben niemals in Berührung mit Australien; nach Celebes wurden diese gebirgsbildenden Kräfte erst über die Außenkette als Mittelglied übertragen und mußten demgemäß an Intensität einbüßen; die Halmaheragruppe erreichte noch fast den gleichen innigen Kontakt, der zwischen Australien und der Außenkette bestanden hat. Nimmt man dagegen einen aus dem Bandabecken hervorgehenden Tangentialdruck an, so sollte man die intensivste Gebirgsbildung in der Innenkette und auf Ost-Celebes erwarten.“

     „8. Bei der Erklärung der Gebirgsbildung vermeidet sie die Konstruktion eines Vorlandes mit geologisch wie zoologisch heterogenen Elementen.“

     „9. In dem Zerreißen der Außenkette zwischen den Tukang Besi- und Banggai-Inseln und der dadurch verursachten Aufhebung der Spannung läßt sich eine Erklärung finden für die Unterbrechung der Gebirgsbildung im Unterpliozän, die dann aufs neue, wenn auch weniger intensiv, einsetzte, als im Oberpliozän der Kontakt mit Celebes erreicht wurde.“

     „10. Sie gibt eine annehmbare Erklärung für den auffallenden geologischen Unterschied zwischen Celebes westlich und Celebes östlich der Boni-Posso-Depression. Das Erlöschen des aktiven Vulkanismus in Zentral-Celebes und sein Wiedereinsetzen in dessen Nordarm lassen sich auf die gleiche Weise erklären wie die Unterbrechung des aktiven Vulkanismus zwischen Panter und Dammer (Brouwer), nämlich durch Hineindrängen der Außenkette (Ostcelebes) in die Innenkette (Westcelebes).“

     „11. Das stratigraphische Bild des östlichen Teiles des ostindischen Archipels wird eindeutiger und übersichtlicher. Seit dem jüngsten Paläozoikum dringt eine intermittierende Transgression bis zu neogenen Zeiten immer weiter in das Sundaland hinein, in naher Verbindung mit einer gleichzeitigen Bildung und Abscheidung von Randketten. Aus einem Geosynklinalstreifen, der vor dem Rande des mesozoischen Sundalandes lag, entwickelte sich die Außenkette, aus einem anderen Streifen, der vor dem Rande des tertiären Sundalandes lag, entstand weiter im Frühmiozän die Innenkette, wobei die Randketten, die aus der in der Hauptsache neogenen Geosynklinale aufgefaltet waren, noch mit dem Sundaland vereinigt blieben.“

|      „12. Sie ermöglicht eine mehr befriedigende Erklärung der Verbreitung der Fauna in den Molukken. Sie fordert an früheren Landverbindungen eine Brücke zwischen Philippinen, Molukken und Java und eine Verbindung zwischen der Halmaheragruppe und Nordcelebes, welche gerade auch von den Zoogeographen angenommen werden.“

     Wie man sieht, ist die Verschiebungstheorie auf diesem sehr schwierigen Gebiet der Erde bereits vollkommen zum Handwerkszeug des Fachgeologen geworden.

     Zwei unterseeische Rücken verbinden Neuguinea und Nordostaustralien mit den beiden neuseeländischen Inseln und scheinen den Weg der Verschiebung zu weisen, vielleicht als durch Ziehen verflachte und darum abgesunkene ehemalige Landgebiete, teilweise wohl auch als geschmolzene, zurückgebliebene Massen von der Unterseite der Scholle.

     Über die Verbindung Australiens mit Antarktika läßt sich wegen unserer Unkenntnis des letzteren Kontinents nur wenig sagen. Ein breiter Streifen tertiärer Sedimente begleitet die ganze Südkante Australiens und zieht sich durch die Baßstraße hindurch, findet sich aber dann erst auf Neuseeland wieder, während die Ostküste Australiens frei von ihnen ist. Vielleicht hat also im Tertiär schon ein überschwemmter Grabenbruch Australien von Antarktika getrennt, vielleicht auch schon, mit Ausnahme des tasmanischen Ankers, Tiefsee. Allgemein wird angenommen, daß sich der tasmanische Bau nach dem antarktischen Viktorialand fortsetzt. Andererseits schreibt Wilckens [89]: „Der südwestliche Bogen des neuseeländischen Faltengebirges (der sogenannte Otagosattel) erscheint an der Ostküste der Südinsel jäh abgeschnitten. Dies Ende ist nicht natürlich, sondern beruht wohl zweifellos auf einem Abbruch. Die Fortsetzung des Gebirges kann nur in einer Richtung gesucht werden, in der auf die Kordillere des Grahamlandes, die ,Antarktanden’.“

     Erwähnt sei noch, daß in ähnlicher Weise auch das Ostende des Kapgebirges in Südafrika einen Abbruch darstellt. Nach unserer freilich unsicheren Rekonstruktion der Lage von Antarktika hätten wir die Fortsetzung des Gebirges hier zwischen Gaußberg und Coatsland zu suchen, wo die Küste aber noch ganz unbekannt ist.

     Die schon früher erwähnte Verbindung der Westantarktis mit Feuerland bietet in geologischer Hinsicht ein Musterbeispiel zur Veranschaulichung der Verschiebungstheorie (Abb. 26). Noch im Pliozän| dürfte nach den paläontologischen Beziehungen wenigstens ein beschränkter Formenaustausch zwischen Feuerland und Grahamland geherrscht haben, was nur möglich war, wenn beide Landspitzen noch in der Nähe des Inselbogens der Süd-Sandwichinseln lagen. Seitdem sind sie von da aus nach Westen weitergewandert, ihre schmale Verbindung aber ist im Sima stecken geblieben. In der Tiefenkarte[10] erkennt man deutlich, wie die gestaffelten Ketten eine

Abb. 26.

Tiefenkarte der Drakestraße, nach Groll.

nach der anderen von den vorrückenden Schollen abgestreift und zurückgelassen werden. Die gerade mitten in der Abrißstelle gelegene Gruppe der Süd-Sandwichinseln ist durch diese Bewegungsvorgänge am stärksten gebogen worden; dabei wurden die Simaeinschlüsse ausgepreßt. Die Inseln sind basaltisch und eine davon (die Insel Zawadowski) noch heute tätig. Im übrigen fehlen nach F. Kühn [100]| auf der ganzen Kette des „Südantillenbogens“ die jungtertiären Andenfaltungen, während die älteren Faltungen auf Südgeorgien, Südorkney usw. bekannt sind. Gerade diese Eigentümlichkeit wird durch die Verschiebungstheorie erklärt, denn wenn wirklich die Faltung in Südamerika und Grahamland durch die Westwanderung der Schollen erzeugt wurde, so mußte sie auf dem Südantillenbogen in dem Zeitpunkt aufhören, als dieser stecken blieb.

     In diesem Zusammenhang könnten auch noch die permokarbonen Glazialerscheinungen zur Begründung der Verschiebungstheorie genannt, werden, welche überall auf den Südkontinenten gefunden werden, denn sie bilden — ähnlich wie das Old Red auf der nördlichen Halbkugel — die Bruchstücke eines einheitlichen Landgebietes, welche sich bei ihren großen heutigen Entfernungen viel leichter durch die Verschiebungstheorie als durch versunkene Zwischenländer erklären lassen. Indessen soll diese Erscheinung erst im übernächsten Kapitel ausführlicher besprochen werden, weil sie in erster Linie von klimatischem Interesse ist.

     Überblickt man die Ergebnisse dieses Kapitels, so wird man sich des Eindrucks nicht erwehren können, daß die Verschiebungstheorie auch in ihren Einzelaussagen in geologischer Hinsicht heute bereits als gut fundiert betrachtet werden kann. Freilich gibt es gerade unter den Geologen heute noch manche Gegner der Theorie, und von verschiedenen Seiten sind Einwände vorgebracht worden, so von Soergel [35], Diener [108], Jaworski [109], W. Penck [111], A. Penck [110], Ampferer [68], Washington [113], Mölke [114] und manchen anderen. Aber allgemein kann man sagen, soweit diese Einwände - was namentlich für die von Diener zutrifft - nicht einfach auf Mißverständnissen beruhen, so beziehen sie sich meist nur auf nebensächliche Fragen, deren Beantwortung für die Grundgedanken der Verschiebungstheorie nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Es sei gestattet, auch hierfür das Zeugnis von Argand [20] anzurufen, der uns versichert:

     „Seit 1915 und besonders seit 1918 habe ich lange den Grad der Glaubwürdigkeit der Verschiebungstheorie geprüft, indem ich den ganzen Atlas tektonischer Formen heranzog, über den ich verfügte, und alle Widerspiele von Bewegungen, die ich sehen kann. So daß, wenn mir heute die Zeit fehlt, um einige meiner Schlußfolgerungen zu begründen, man sie doch nicht ohne Übertreibung für übereilt oder unbegründet wird ansehen können.“

|      Argand schreibt über diese Einwände:

     „Die Gesundheit einer Theorie ist nichts anderes als ihre Eignung, die Gesamtheit der Tatsachen darzustellen, die zurzeit bekannt sind. In dieser Hinsicht ist die Theorie der großen Kontinentverschiebungen von einer blühenden Gesundheit. In ihren Anfängen hat sie ins Unbekannte gezielt (ell’a visé à l’absolu); in der Folge hat sie sehr an Kraft und Hilfsmitteln gewonnen, ohne irgend etwas von ihrem logischen Rüstzeug zu opfern, im Gegenteil bereichert und in immer besserer Harmonie mit den Ideen, welche die Allgemeinheit leiten. Diese Arbeit der Reinigung und Verfeinerung ist sehr fühlbar in der Reihe der Veröffentlichungen von Wegener. Stark begründet in den Kreuzungspunkten von Geophysik, Geologie, Biogeographie und Paläoklimatologie, ist sie nicht widerlegt worden. Man muß selbst lange nach Einwürfen gesucht und besonders auch einige gefunden haben, um eine gewisse Unangreifbarkeit nach ihrem Werte schätzen zu können, die sie auszeichnet und die von einer großen Biegsamkeit in Verbindung mit einem großen Reichtum an Verteidigungsmöglichkeiten herrührt. Man glaubt einen entscheidenden Einwurf in der Hand zu haben; noch ein Schlag, und alles muß zusammenbrechen. Aber nichts bricht zusammen; man hat nur einen oder mehrere Punkte vergessen gehabt. Das ist die proteusartige Widerstandskraft eines plastischen Universums.“

     „Gewiß, die Einwürfe mehren sich, aber fast alle sind sie von der Art, wie ich eben sagte. Von denen, die man veröffentlicht hat oder an die man denken kann, ist nur der kleinste Teil stichhaltig, er bezieht sich dabei nur auf einige Nebensachen und niemals, bis jetzt, auf die lebenswichtigen Teile.“



  1. H.S. Washington [113] gibt diese Übereinstimmungen der vulkanischen Gesteine zwar gleichfalls zu, meint aber trotzdem — hauptsächlich wohl infolge zu hoch gespannter Forderungen —, daß ein Vergleich nicht zugunsten der Verschiebungstheorie spreche. Seine schlecht begründete Ablehnung ist leider für die Haltung vieler amerikanischer Geologen ausschlaggebend geworden.
  2. Im Original steht (wie die folgenden Worte zeigen, offenbar durch Versehen): south-west.
  3. Ich gestehe, daß mir die von du Toit in Abb. 18 angenommene Position der Falklandsinseln in der Rekonstruktion mit Hinblick auf ihre heutige Lage und die Tiefenkarte des Südatlantik doch bedenklich erscheint. Ich würde sie in der Rekonstruktion eher südlich als westlich vom Kap der Guten Hoffnung setzen; doch ist dies eine Nebenfrage, die gewiß einmal durch die weitere Forschung geklärt werden wird.
  4. Gentil (neuerdings auch Staub in [214]) möchte zwar in den gleichaltrigen mittelamerikanischen Gebirgen, speziell den Antillen, eine solche Fortsetzung sehen, doch hat Jaworski dem entgegengehalten, daß dies mit der allgemein angenommenen Auffassung von E. Suess unvereinbar ist, welcher den östlichen Kordillerenbogen Südamerikas in die Kleinen Antillen übergehen und also wieder nach Westen umbiegen läßt, ohne daß dabei Ausläufer nach Osten entsendet werden.
  5. Die von E. Suess abweichende Ansicht Kossmats [82], daß sämtliche europäischen Falten im ozeanischen Gebiet herumbiegen und nach der spanischen Halbinsel zurückkehren, dürfte schwer aufrechtzuhalten sein, da sich ein so großer Faltenbogen nicht mehr im Schelf unterbringen läßt.
  6. Vgl. die Karte des Atlantischen Ozeans in Schott, Geographie des Atlantischen Ozeans. 2. Aufl. Hamburg 1926.
  7. Zur Zeit des Beginns dieser Bewegungen waren die Himmelsrichtungen wegen der geänderten Pollage teilweise wesentlich andere.
  8. Am anschaulichsten wirkt die vorzügliche Karte der Sunda-Inseln in G. A. Molengraaff, Modern Deep-Sea Research in the East Indian Archipelago, The Geograph. Journal, Febr. 1921, S. 95—121, welche Landhöhen und Meerestiefen in gleichen Intervallen gibt.
  9. Im Original steht, wohl durch Druckfehler: asiatischen.
  10. Eine gute Tiefenkarte der Drakestraße ist von H. Heyde entworfen und von F. Kühn reproduziert [100]. Indessen sind die Abweichungen von unserer Abbildung noch nicht von Belang.


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