Die Entstehung der Kontinente und Ozeane/Siebentes Kapitel

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Sechstes Kapitel Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)
von Alfred Wegener
Achtes Kapitel
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Siebentes Kapitel.


Paläoklimatische Argumente.


     Seit der letzten Auflage dieses Buches ist das Problem der Klimate der geologischen Vorzeit von W. Köppen und mir [151] einer systematischen Untersuchung unterzogen worden, eine Arbeit, die an Umfang der vorliegenden kaum nachstand. Obwohl es sich hierbei im wesentlichen um die Sammlung geologischen und paläontologischen Materials handelte, wobei der Klimatologe und Geophysiker natürlich Schwierigkeiten und Irrtümern ausgesetzt ist, die der Fachmann vermeiden kann, hielten wir uns für einen solchen Versuch für berechtigt, denn die Paläoklimatologie kann nur als Vereinigung dieser Wissenschaften gedeihen, und aus ihrer bisherigen Literatur geht nur allzu deutlich hervor, daß die von ihr bisher verwendeten meteorologischen und klimatologischen Grundlagen unzulänglich sind. Im vorliegenden Kapitel wird weitgehend auf diese ausführliche Darstellung Bezug genommen werden.

     Doch handelt es sich hier nicht um ein Referat über den Gesamtinhalt unseres Buches. Die Aufgabe des letzteren war die Entwirrung der geologischen Klimate; die Kontinentverschiebungen bilden hierbei nur eine unter mehreren Ursachen für Klimaänderungen, und für die jüngeren Zeiten nicht einmal die wichtigste. Hier haben wir dagegen nur die Frage zu behandeln, wieweit die Vorzeitklimate Kriterien für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie liefern, und nur so weit brauchen wir also die fossilen Klimazeugnisse heranzuziehen. Damit scheidet z. B. die Frage nach den Ursachen der quartären Vergletscherung so gut wie völlig aus; denn im Quartär war die Lage der Kontinente zueinander der heutigen bereits so ähnlich, daß sich aus dieser Zeit nur wenig paläoklimatische Kriterien für die Verschiebungstheorie mehr ergeben.

     Um so mehr ist dies aber für die älteren geologischen Zeiten der Fall, ja hier finden sich gerade ganz außerordentlich schlagende Beweise für die Unabweisbarkeit der Verschiebungstheorie, und die Zahl derjenigen Autoren, die sich gerade aus diesen Gründen der Theorie angeschlossen haben, ist nicht gering.

     Zur Bildung eines richtigen Urteils sind hier zwei Dinge nötig: eine Kenntnis des heutigen Klimasystems und seiner Auswirkung auf die anorganische und organische Welt, und eine Kenntnis und| richtige Deutung der fossilen Klimazeugnisse. Beide Forschungszweige stehen noch in ihren Anfängen und lassen zahlreiche Fragen heute noch offen. Um so wichtiger ist aber die Beachtung des bisher in ihnen Erreichten.

Abb. 32.

Heutige Hauptisothermen (im Meeresniveau) und Trockengebiete.

     Das heutige Klimasystem ist bekanntlich von Köppen bearbeitet und in einer Karte der Klimate der Erde dargestellt [156]. Diese Karte, für viele andere Zwecke noch nicht detailliert genug, ist doch für unsere Zwecke schon allzu inhaltsreich, da die fossilen Klimazeugen nur eine sehr ungefähre Schätzung des Klimas zulassen. Wir haben sie daher in unserem Buche durch die vereinfachte, in Abb. 32 wiedergegebene Karte der heutigen Hauptisothermen und Trockengebiete ersetzt, die alles für unsere Zwecke Wesentliche enthält. Wir erkennen eine äquatoriale Regenzone mit Gewitterregen, die die ganze Erde lückenlos umspannt; anschließend daran in den Hochdruckgürteln der Roßbreiten mit absteigender Luft die Trockengebiete, die regelmäßig am Ostrand der Kontinente durch die Monsunregengebiete unterbrochen sind, dagegen an den Westküsten weit aufs Meer hinausreichen und im Innern großer Kontinente polwärts vorstoßen. Darauf folgen die nördliche und südliche Regenzone der gemäßigten Breiten mit Zyklonenregen, und jenseits dieser| die mehr oder minder vereisten Polarkappen. Die Zone warmen Meereswassers ist ganz zwischen den beiden Breitenparallelen von etwa 28 oder 30° N und S eingeschlossen. Alle Isothermen zeigen das Vorherrschen einer zonalen Anordnung der Klimate, doch bestehen charakteristische, durch die Verteilung von Land und Wasser erzeugte Abweichungen: Die 10°-Isotherme des wärmsten Monats, die bekanntlich mit der Baumgrenze erstaunlich eng zusammenfällt, liegt auf Landgebieten in höherer Breite als auf dem Meere, weil das Land größere Jahresschwankung besitzt als letzteres. Die Jahresmitteltemperatur von -2°, die ungefähr der Grenze ewig gefrorenen Bodens entspricht, hat einen anderen Verlauf. Wo sie in höherer Breite liegt als die Baumgrenze, repräsentiert sie zugleich das Klima, welches Inlandeis erzeugt (Grönland, Antarktika); wo sie in niedrigerer Breite liegt, wie in Sibirien, haben wir Wald auf gefrorenem Boden. Alles Inlandeis ist auf Breiten von mehr als 60° beschränkt.

Abb. 33.

Heutige Höhe der Schneegrenze in den verschiedenen Breiten.

     Als Ergänzung geben wir noch in Abb. 33 eine Darstellung der Höhenlage der Schneegrenze in den verschiedenen Breiten nach Paschinger [157] und Köppen [158]. Sie erreicht ihre größte Höhe von über 5000 m in den Roßbreiten. Die Darstellung gilt für Einzelberge oder Bergketten. Bei ausgedehnten Hochländern liegt die Schneegrenze erheblich höher.

     Die geologischen und biologischen Wirkungen dieses Klimasystems sind sehr mannigfaltige. Wir wollen sie gleich zusammen mit den bisher verfügbaren fossilen Klimazeugnissen besprechen.

     Vielleicht die wichtigsten Klimazeugnisse, wenn auch etwas gefährlicher Art, sind die Spuren, welche frühere Inlandeisdecken| zurückgelassen haben. Weil zur Entwicklung von Inlandeis niedrige Sommertemperaturen das entscheidende Erfordernis sind, die im Innern großer Kontinente wegen der dort großen Jahresschwankung der Temperatur fehlen, braucht sich das Polarklima nicht immer durch Inlandeisspuren zu erkennen zu geben. Umgekehrt haben wir es aber, wo wir solche Spuren finden, zweifellos mit Produkten des Polarklimas zu tun. Am häufigsten findet man die Blocklehme, mit deren Namen treffend das unsortierte Durcheinander von feinstem und gröbstem Material gekennzeichnet wird, das die Moränen auszeichnet. Die Blocklehme der älteren Zeiten sind meist zu festen Gesteinen, Tilliten, verhärtet. Man kennt oder glaubt solche zu kennen aus dem Algonkium, Kambrium, Devon, Karbon, Perm, Miozän, Pliozän und Quartär. Leider sind gerade diesen häufigsten Spuren ehemaliger Inlandeisdecken andere „pseudoglaziale“ Konglomerate bisweilen zum Verwechseln ähnlich, die auf gewöhnlicher Schuttbildung beruhen. In letzteren kommen sogar auch Gesteinsglättungen und Schrammen vor, welche gekritztes Geschiebe vortäuschen, in Wirklichkeit aber auf Gleitharnische zurückzuführen sind. Im allgemeinen pflegt man erst dann die glaziale Natur als ganz einwandfrei erwiesen zu betrachten, wenn es gelungen ist, unter dem Blocklehm der Grundmoräne noch die polierte Oberfläche des anstehenden Gesteins nachzuweisen.      Eine andere wichtige Gruppe von Klimazeugnissen bilden die Kohlen, die als fossile Torfschichten aufzufassen sind. Damit ein Wasserbecken vermooren kann, muß es jedenfalls mit Süßwasser gefüllt sein, und dies kann nur in den Regenzonen der Erde, nicht in den Trockengebieten geschehen. Kohle bezeugt also Regenklima, wobei es sich sowohl um die äquatoriale Regenzone als auch um die Regenzone der gemäßigten Breiten, wie auch um das subtropische Regenklima der Monsungebiete an den Osträndern der Kontinente handeln kann. So bildet sich heute Torf in zahlreichen Mooren am Äquator, aber auch in den Subtropen, wo diese feucht sind, und ebenso in den gemäßigten Breiten, wo unter anderem die quartären und postquartären Torfmoore Nordeuropas am längsten bekannt sind. Über die Temperatur erhält man also aus der bloßen Anwesenheit von Kohlenschichten keinen Anhaltspunkt; dazu muß vielmehr der Charakter der Flora herangezogen werden, deren Reste sich in den Kohlenschichten und ihren Nachbarschichten finden. Einen kleinen Fingerzeig, dessen Wert man aber nicht überschätzen darf, gibt auch die Mächtigkeit der Kohlenschichten insofern, als| der üppigere und unterbrechungslose Pflanzenwuchs der Tropen ceteris paribus Torfschichten von größerer Mächtigkeit erzeugen kann als der langsamere in den gemäßigten Breiten.

     Eine besonders wichtige Gruppe von Klimazeugnissen bilden die Produkte der Trockengebiete, insbesondere Salz, Gips und Wüstensandsteine. Steinsalz entsteht durch Verdunsten von Seewasser. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um größere Überschwemmungen (Transgressionen) des Festlandes, die durch Bodenbewegungen ganz oder doch in ausreichendem Maße vom offenen Meere abgesperrt werden. In den Regenklimaten werden sie zunehmend ausgesüßt, wie die Ostsee. Im Trockenklima aber, wo die Verdunstung gegenüber dem Niederschlag überwiegt, wird bei völliger Absperrung zunächst das Areal der Überschwemmung durch Austrocknung immer kleiner und die Salzlösung immer konzentrierter, bis schließlich die Ausscheidung des Salzes vor sich geht: zuerst wird Gips ausgefällt, dann Kochsalz (Steinsalz) und ganz zuletzt auch die leicht zerfließenden Kalisalze. Die Gipsablagerungen nehmen daher in der Regel den größten Raum ein; eingestreut in ihnen finden sich Steinsalzlagen und nur selten auf beschränktem Raume Kalisalze. Noch weit gewaltigere Räume werden von den zu Sandstein verhärteten Wanderdünen der ehemaligen Wüsten bedeckt, die durch Mangel an Vegetation und Tierleben ausgezeichnet sind. Ihr Zeugnis für Trockenklima ist aber kein so sicheres wie das von Salz und Gips, da Sande und Dünen, wenn auch in geringerer Ausdehnung, auch in regenreichen Klimaten als Strandbildungen auftreten, wie heute in Norddeutschland, und sogar vor dem Rande des Inlandeises, wie die Sandr auf Island. Einen, wenn auch schwachen, Anhalt über die Temperaturverhältnisse liefert die Farbe dieser Sandsteine, weil in den Tropen und Subtropen bei der Bodenbildung die rote Farbe, in den gemäßigten und hohen Breiten braune und gelbe Farbe vorherrscht. Strandsande sind freilich auch in den Tropen weiß.

Für die Ablagerungen des Meeres gilt das Gesetz, daß mächtige Kalkschichten nur in den warmen Gewässern der Tropen und Subtropen abgesetzt werden können. Die Ursache ist, wenn auch Bakterientätigkeit eine Rolle dabei zu spielen scheint, sehr wahrscheinlich einfach die Tatsache, daß das kalte Polarwasser viel größere Kalkmengen lösen kann und daher ungesättigt ist, während das warme Wasser der Tropen, das viel weniger Kalk in Lösung haben kann, gesättigt oder übersättigt ist (vgl. die Ausscheidung| von Kesselstein). Damit hängt offenbar auch die in den Tropen allgemein viel größere Kalkausscheidung der Organismen zusammen, vor allem der Korallen und Kalkalgen, aber auch der Muscheln und Schnecken. Im Polarklima scheint die Ablagerung von massiven Kalkschichten überhaupt unmöglich zu sein, ebenso wie der Kalk auch bei den eigentlichen Tiefseesedimenten wegen der niedrigen Temperatur des Tiefenwassers verschwindet.

     Zu diesen anorganischen Klimazeugnissen kommen nun noch diejenigen der Pflanzen- und Tierwelt, bei denen allerdings größere Vorsicht nötig ist, weil die Organismen über große Anpassungsfähigkeit verfügen. Aus einem Einzelfund läßt sich deshalb nur selten ein Schluß ziehen, dagegen erhält man stets brauchbare Ergebnisse, wenn man die gesamte geographische Verbreitung der Pflanzen- bzw. Tierwelt einer bestimmten Periode ins Auge faßt. Durch Vergleichung gleichzeitiger Floren aus verschiedenen Erdteilen kann man meist mit großer Sicherheit entscheiden, welche von beiden die wärmere und welche die kühlere war, wenn auch der Absolutwert der Temperatur sich nur in den jüngeren geologischen Formationen, wo die Pflanzen schon den heutigen ähnlich sind, abschätzen läßt, während er bei den älteren Floren meist unbestimmt bleibt. Fehlen von Jahresringen in Holzgewächsen deutet auf tropisches, starkes Hervortreten derselben auf gemäßigtes Klima hin, trotz der Ausnahmen, die von dieser Regel gar nicht selten vorkommen. Wo hochstämmige Bäume wuchsen, dürfen wir auch wohl für die Vorzeit eine Temperatur des wärmsten Monats von mehr als 10° C voraussetzen.

     Auch die Tierwelt liefert zahlreiche Klimakriterien. Reptilien, die keine Eigenwärme produzieren, verfallen in winterkalten Klimaten der Winterstarre, die sie wehrlos macht. Sie können daher in solchen Klimaten nur leben, wenn sie, wie unsere Eidechsen und Ringelnattern, klein genug sind, um sich leicht verbergen zu können. Fehlt, wie im Polargebiet, auch noch die Sommerwärme, so können auch ihre Eier nicht mehr von der Sonne ausgebrütet werden, so daß sie hier überhaupt keine erträglichen Lebensbedingungen finden. Wo also dieser Stamm in besonders großen Vertretern reich entwickelt ist, kann man auf tropisches oder wenigstens subtropisches Klima schließen. Allgemein liefern Pflanzenfresser ein Kriterium über die Vegetation und damit über die Regenmenge; Schnellläufer, wie Pferde, Antilopen, Laufvögel, zeugen von Steppenklima, da ihr Körperbau auf Beherrschung großer Räume eingerichtet| ist. Kletterer, wie Affe oder Faultier, sind im Walde zu Hause.

     Es ist hier nicht möglich, auf alle derartigen Klimazeugnisse einzugehen; das Gesagte wird aber genügen, um ein ungefähres Bild davon zu geben, auf welche Weise man überhaupt zu Schlüssen über das vorzeitliche Klima gelangt.

     Die ungeheure Menge von Tatsachen, die sich in dieser Weise als fossile Klimazeugen verwerten lassen, zeigt nun überraschenderweise, daß in den meisten Gegenden der Erde in der Vorzeit ein ganz anderes Klima geherrscht hat als heute. So ist bekannt, daß Europa den größten Teil der Erdgeschichte hindurch subtropisches bis tropisches Klima gehabt hat. Noch zu Beginn der Tertiärperiode hatte Mitteleuropa das Klima der äquatorialen Regenzone; dann folgt in der Mitte dieser Periode die Bildung großer Salzlager, also Trockenklima, sodann gegen Ende der Tertiärperiode ein etwa dem heutigen Klima entsprechendes, und darauf folgt dann die quartäre Inlandeisüberschwemmung, also Polarklima wenigstens für Nordeuropa.

     Ein besonders in die Augen fallendes Beispiel für große Klimaänderungen bilden auch die Nordpolargebiete, namentlich das am besten bekannte Spitzbergen, das nur durch ein Flachseegebiet von Europa getrennt ist und also einen Teil der großen eurasiatischen Kontinentalscholle bildet. Heute liegt Spitzbergen bei strengem Polarklima unter Inlandeis; aber im Frühtertiär (als Mitteleuropa in der äquatorialen Regenzone lag) standen dort Wälder von größerem Artenreichtum, als er heute in Mitteleuropa gefunden wird. Nicht nur Kiefern, Fichten und Eiben fanden sich dort, sondern auch Linden, Buchen, Pappeln, Ulmen, Eichen, Ahorn, Efeu, Schlehe, Hasel, Weißdorn, Schneeball, Esche, ja sogar so wärmeliebende Gewächse wie Wasserlilien, Walnuß, Sumpfzypresse (Taxodium), gewaltige Sequoien, Platanen, Kastanien, Ginkgo, Magnolie, die Weinrebe! Es muß damals offenbar auf Spitzbergen ein Klima geherrscht haben wie heute etwa in Frankreich, d. h. die Jahresmitteltemperatur muß etwa 20° höher gewesen sein als heute. Und gehen wir noch weiter in der Erdgeschichte zurück, so finden wir Anzeichen für noch größere Wärme: im Jura und der älteren Kreide wuchsen dort Sagopalmen, die heute nur in den Tropen vorkommen, Ginkgo (heute in einer einzigen Art in China und Südjapan), Baumfarne und anderes. Und auch schon im Karbon finden wir auf Spitzbergen teils mächtige Gipslager, die von subtropischem Trockenklima| zeugen, teils eine Flora, die gleichfalls subtropischen Charakter hat.

     Dieser enorme Klimawechsel — in Europa vom tropischen zum Klima der gemäßigten Breiten, in Spitzbergen vom subtropischen zum Polarklima — legt sofort den Gedanken einer Verschiebung der Pole und des Äquators und damit des ganzen zonalen Systems der Klimate nahe. Und diese Annahme findet eine unabweisbare Bestätigung darin, daß Südafrika — 80° südlich von Europa, 110° südlich von Spitzbergen — in demselben Zeitraum eine ebenso gewaltige, aber gerade umgekehrte Klimaänderung erlitt: Im Karbon unter Inlandeis begraben, also im Polarklima, heute in subtropischem Klima!

     Diese völlig sichergestellten Tatsachen lassen keine andere Erklärung zu als die durch Polwanderungen[1]. Wir können hierauf auch noch eine Probe machen. Wenn der Meridian Spitzbergen—Südafrika die größte Klimaänderung durchgemacht hat, so muß die gleichzeitige Klimaänderung in den zwei Meridianen, die 90° östlich und westlich davon liegen, Null oder jedenfalls sehr unbedeutend gewesen sein. Und dies ist in der Tat der Fall; denn der Sundaarchipel, 90° östlich von Afrika, hatte mit Bestimmtheit schon im Frühtertiär das gleiche tropische Klima wie heute, wie sich schon in der unveränderten Erhaltung zahlreicher altertümlicher Pflanzen und Tiere, wie z. B. der Sagopalme oder des Tapirs, zeigt, und neuerdings hat man dort auch Karbonpflanzen von der gleichen Art gefunden, wie sie aus Europa bekannt sind und von den besten Kennern für tropisch gehalten werden. Und in ähnlicher Lage war auch der nördliche Teil von Südamerika, wo unter anderem gleichfalls der Tapir erhalten blieb, während er in Nordamerika, Europa und Asien nur fossil, in Afrika gar nicht zu finden ist. Allerdings erweist sich für das nördliche Südamerika die Klimakonstanz als nicht so vollkommen wie für die Sundainseln; dies ist, wie wir sehen werden, eine Folge der Verschiebung der Kontinente; Südamerika lag eben früher nicht 90° westlich vom Meridian Spitzbergen—Südafrika, sondern diesem viel näher.

     Es ist nach dem Gesagten nicht zu verwundern, daß man bei den Versuchen, das System der vorzeitlichen Klimaänderungen zu ergründen, schon frühzeitig und immer wieder auf Polwanderungen zurückgegriffen hat. Bereits Herder hat in seinen Ideen zur Philosophie| der Geschichte der Menschheit auf eine solche Erklärung der Vorzeitklimate hingewiesen. Sodann wurde sie mehr oder weniger ausführlich von zahlreichen Autoren vertreten, nämlich Evans (1876), Taylor (1885), Löffelholz von Colberg (1886), Oldham (1886), Neumayr (1887), Nathorst (1888), Hansen (1890), Semper (1896), Davis (1896), Reibisch (1901), Kreichgauer (1902), Golfier (1903), Simroth (1907), Walther (1908), Yokoyama (1911), Dacqué (1915), E. Kayser (1918), Eckardt (1921), Kossmat (1921), Stephan Richarz (1926) und vielen anderen. Arldt [159] hat diese Literatur bis 1918 zusammengestellt, aber seitdem ist die Zahl der Autoren, die für Polwanderungen eingetreten sind, immer schneller angewachsen.

     Früher stieß diese Lehre innerhalb des engeren geologischen Fachkreises auf recht allgemeinen Widerspruch, und bis zu den Arbeiten von Neumayr und Nathorst hat die große Mehrzahl der Geologen Polwanderungen ganz abgelehnt. Nach den genannten Arbeiten ändert sich das Bild, indem nun unter den Geologen die Anhänger der Polwanderungen, wenn auch langsam, zahlreicher wurden, und heute steht wohl die weit überwiegende Mehrzahl der Geologen auf dem in E. Kaysers Lehrbuch der Geologie formulierten Standpunkt, daß jedenfalls die Annahme einer großen tertiären Polverschiebung „schwer zu umgehen“ ist, wenn auch einige Gegner sich noch vor wenigen Jahren mit schwer verständlicher Schärfe gegen diese Vorstellungen gewendet haben.

     So zwingend indessen die Gründe für Polwanderungen in der Erdgeschichte sind, so ist es doch andererseits unleugbar, daß alle früheren Versuche, die Lage der Pole und des Äquators kontinuierlich durch die ganze Zeitenfolge zu bestimmen, stets auf Ungereimtheiten geführt haben, und zwar von so grotesker Art, daß es gar nicht zu verwundern ist, wenn hieraus der Verdacht entstand, man befinde sich mit der Annahme von Polwanderungen überhaupt auf einem Irrwege. Solche systematischen Versuche, die meist nur von Außenseitern unternommen wurden, sind daher auch nie zur Anerkennung durchgedrungen. Es stammen solche von Löffelholz von Colberg [4], Reibisch [161] und Simroth [162], Kreichgauer [5] und Jacobitti [164]. Von ihnen hat Reibisch leider seine von der Kreide ab ganz zutreffenden Vorstellungen in die wunderliche Zwangsjacke einer strengen „Pendulation“ der Pole auf einem „Schwingungskreis“ eingekleidet, die als physikalisches Kreiselgesetz wahrscheinlich falsch, jedenfalls unbegründet ist und obendrein| zu zahlreichen Widersprüchen mit den Beobachtungen führt. Simroth hat, um die Pendulationstheorie zu beweisen, ein umfangreiches biologisches Tatsachenmaterial gesammelt, welches zwar gute Belege für Polwanderungen enthält, aber von der behaupteten strengen Gesetzmäßigkeit des Hin- und Herpendelns nicht überzeugen kann. Richtiger natürlich ist der rein induktive Weg, nämlich ohne vorgefaßte Meinung über das Ergebnis die Lage der Pole aus den fossilen Klimazeugen einfach abzuleiten. Diesen Weg ist namentlich Kreichgauer in seinem klar geschriebenen Buche gegangen, wenn er sich auch neben den eigentlichen Klimazeugen noch auf ein unzureichend begründetes Dogma über die Anordnung der Gebirge stützt. Fast alle diese Versuche ergeben für die jüngeren Zeiten ungefähr das gleiche Resultat, zu dem auch Köppen und der Verfasser gekommen sind, nämlich eine Lage des Nordpols zu Beginn des Tertiärs in der Nachbarschaft der Aleuten und von da eine Wanderung nach Grönland, wo er zu Beginn des Quartärs anzutreffen ist[2]. Für diese Zeiten ergeben sich auch keine größeren inneren Unstimmigkeiten. Anders wird es jedoch für die Zeiten vor der Kreide. Hier gehen nicht nur die Ansichten der genannten Autoren weit auseinander, sondern es führen alle diese Rekonstruktionen, weil sie die Unveränderlichkeit der Lage der Kontinente zueinander als selbstverständlich voraussetzen, auf hoffnungslose Widersprüche, und zwar charakteristischerweise auf Widersprüche solcher Art, daß sie für jede überhaupt denkbare Pollage ein absolutes Hindernis bilden.      Legt man dagegen die Verschiebungstheorie zugrunde, trägt man also die fossilen Klimazeugnisse in eine nach dieser Theorie entworfene Kartengrundlage für die betreffende Zeit ein, so verschwinden diese Widersprüche vollständig, und alle Klimazeugnisse ordnen sich von selbst zu dem uns aus der Gegenwart vertrauten Bilde der Klimazonen: zwei Trockenstreifen, zwischen denen ein feuchter Streifen längs eines Großkreises die Erdkugel umzieht und die mit letzterem zusammen alle Zeugnisse für tropische Wärme| enthalten; nach außen beiderseits anschließend wieder zwei feuchte Gürtel; und wo sich Zeugnisse von Polarklima finden, liegt ihre Mitte 90 Großkreisgrade vom mittelsten feuchten Streifen und etwa 60 Großkreisgrade vom nächsten trockenen entfernt.

     Betrachten wir zunächst die Karbonzeit als die älteste, für welche bisher Erdkarten nach der Verschiebungstheorie gezeichnet sind. Hier begegnen wir gleich der größten Schwierigkeit der bisherigen Paläoklimatologie, nämlich in Gestalt der permokarbonischen Eisspuren.

     Alle heutigen Südkontinente (und Dekan) trugen am Ende der Karbon- und am Anfang der Permzeit Inlandeis; dagegen ist, von Dekan abgesehen, kein Kontinent der heutigen Nordhalbkugel in dieser Zeit vereist gewesen.

     Am genauesten sind diese Inlandeisspuren in Südafrika studiert, wo Molengraaff 1898 zuerst unter der alten Moräne den vom Eise geglätteten Felsboden auffand und damit die letzten Zweifel an der Moränennatur des dortigen „Dwykakonglomerats“ beseitigte [165]. Die späteren Untersuchungen, von denen besonders diejenigen von du Toit hervorzuheben sind [166], geben ein sehr eingehendes Bild von dieser Eisbedeckung. An vielen Stellen kann man aus den Schrammen auf dem geglätteten Felsen die Bewegungsrichtung des Eises ablesen; man kann so eine Reihe von Vereisungszentren feststellen, von denen das Eis ausstrahlte, und man wird auch schon aufmerksam auf geringfügige Zeitdifferenzen in der Haupttätigkeit dieser Zentren, die im ganzen einer Verlagerung der größten Eismächtigkeit vom (heutigen) Westen nach Osten entsprechen. Vom 33. Breitengrad südwärts liegt in Südafrika der Blocklehm konkordant auf Meeresablagerungen und erscheint als deren unmittelbare Fortsetzung; man kann dies nur so deuten, daß das Inlandeis hier als schwimmende „Barriere“ geendet hat wie heute in der Antarktis, wobei die am Unterrand ausschmelzende Grundmoräne als natürliche Fortsetzung der früheren Meeressedimentation sich auf diese legte. Die Schneegrenze muß hier also im Meeresniveau gelegen haben. Auch schon die Ausdehnung dieser südafrikanischen Vereisung, die fast der heutigen von Grönland gleichkommt, beweist, daß es sich um echtes Inlandeis und nicht etwa um eine bloße Gebirgsvergletscherung handelt.

     Aber ganz dieselben Moränenablagerungen finden sich auch auf den Falklandsinseln, in Argentinien und Südbrasilien, in Vorderindien und in West-, Mittel- und Ostaustralien. In allen diesen| Gebieten ist durch die völlige Gleichartigkeit der ganzen Schichtenfolge auch die glaziale Deutung der dortigen verhärteten Blocklehme völlig gesichert. Sie alle lagen, wie Südafrika, unter Inlandeis. In Südamerika und Australien hat man — ganz entsprechend den quartären Eis- und Interglazialzeiten Nordeuropas — mehrere übereinanderliegende Blocklehmschichten mit eingeschalteten interglazialen Ablagerungen gefunden. So gibt es im mittleren Teil Ostaustraliens (Neusüdwales) zwei Moränen, getrennt durch kohlenführende Interglazialschichten; das Land wurde hier also zweimal vom Inlandeis überschwemmt, in der Zwischenzeit aber gab es auf der Moränenlandschaft Süßwasserseen, die vermoorten. Südlich davon, in Victoria, hat man aber nur einen Glazialhorizont und nördlich davon, in Queensland, gar keinen. Der südlichste Teil Ostaustraliens war also in diesem Zeitraum ständig unter Eis begraben, über den mittleren stieß das Eis nur zweimal vor, und der nördliche blieb ganz frei. So beginnt sich hier ganz das gleiche Bild zu enthüllen, wie wir es seit langem für das quartäre Eiszeitalter Europas und Nordamerikas kennen. Bei letzterem kann die Wechselfolge von Eiszeiten und Interglazialzeiten auf periodische Änderungen der Erdbewegung und damit des Strahlungsempfangs zurückgeführt werden; daß solche Schwankungen die ganze Erdgeschichte hindurch stattgefunden haben, muß als sicher angenommen werden. Auffallende Erscheinungen konnten sie aber nur hinterlassen zu Zeiten, in denen Inlandeis in den Polarkappen lag. — Alle diese Einzelheiten zeigen klar, daß es sich bei der permokarbonischen Vereisung der Südkontinente um echtes Inlandeis handelt.

     Aber diese Spuren des permokarbonischen Eiszeitalters sind heute weit voneinander getrennt und nehmen fast die Hälfte der ganzen Erdoberfläche ein!

     Betrachten wir Abb. 34. Selbst wenn wir den Südpol an die denkbar günstigste Stelle in die Mitte dieser Spuren legen, das ist auf etwa 50° südlicher Breite und 45° östlicher Länge, so bekommen, wie der zu dieser Pollage gehörige Äquator ausweist, die polfernsten Inlandeisspuren in Brasilien, Vorderindien und Ostaustralien eine geographische Breite von nicht ganz 10°, es hätte also Polarklima bis fast zum Äquator geherrscht. Und von der anderen Erdhälfte hätten wir, wie wir vorwegnehmen, nur Spuren tropischer und subtropischer Hitze bis nach Spitzbergen hinauf. Daß dies Ergebnis sinnlos ist, braucht nicht gesagt zu werden. Der Versuch,| diese Eisspuren klimatisch zu erklären, wurde schon 1907, als die südamerikanischen Funde noch für unsicher gehalten werden durften, von Koken [167] praktisch ad absurdum geführt; denn sein Schluß, daß anscheinend nichts übrigbleibe als die Annahme, alle diese Eisspuren seien in großer Seehöhe gebildet, kommt aus dem Grunde nicht in Betracht, weil auch Hochländer dieser Ausdehnung kein Inlandeis in den Tropen erzeugen, und zudem die Beobachtungen gerade umgekehrt beweisen, daß die Schneegrenze hier bis zum Meeresspiegel herabgesenkt war. Und in der Tat ist seitdem auch kein Versuch einer klimatischen Erklärung der Erscheinungen mehr unternommen worden.

Abb. 34.

Die permokarbonen Inlandeisspuren auf den heutigen Kontinenten. Das Kreuz bezeichnet die für die Erklärung günstigste Lage des Südpols; die stark ausgezogene Kurve ist der zugehörige Äquator.

     So bilden diese Eisspuren eine eklatante Widerlegung der Hypothese der Immobilität der Kontinente. Was würden wir zu der Verschiebungstheorie sagen, wenn sie an irgend einer Stelle des großen, von ihr zusammengefaßten Materials auf einen solchen Widersinn führte? Die Unveränderlichkeit der Lage der Kontinentalschollen ist bisher wie eine aprioristische Wahrheit behandelt worden, die keines Beweises bedarf. Aber sie ist doch in Wirklichkeit auch nur eine Hypothese, die an den Beobachtungen geprüft werden muß. Und ich zweifle stark, ob die Geologie imstande ist, für irgend eines ihrer Ergebnisse je einen strengeren Beweis zu erbringen als den für die Unrichtigkeit der Immobilitätshypothese auf Grund der permokarbonen Glazialspuren.

|      Wir verzichten hier darauf, das Gesagte durch Zitate aus der Literatur zu belegen. Was jeder sehen kann, bedarf keiner Stützung durch fremde Meinungen; und wer nicht sehen will, dem ist ohnehin auf keine Weise zu helfen.

     Für uns lautet die Frage jetzt nicht mehr: Haben sich die Kontinentalschollen verschoben? — denn daran ist ein Zweifel nicht möglich —, sondern: Haben sie sich so verschoben, wie es die spezielle Formulierung der Verschiebungstheorie annimmt?

     Dabei darf zunächst nicht übergangen werden, daß noch an einer Reihe anderer Stellen in den permokarbonen Ablagerungen Konglomerate gefunden sind, die von geologischer Seite bisher gleichfalls als glazial betrachtet werden und ihrer Lage nach weniger gut und teilweise geradezu schlecht zu den speziellen Annahmen der Verschiebungstheorie passen.

     So wird z. B. aus Mittelafrika von solchen permokarbonen (und weiter auch triassischen) Konglomeraten berichtet [216], die bisher mit dem südafrikanischen Dwykakonglomerat identifiziert und als Grundmoräne eines Inlandeises gedeutet werden. Permokarbonische Eisspuren im Kongogebiet würden sich zur Not noch mit den Annahmen der Verschiebungstheorie vereinigen lassen (triassische nur noch sehr schlecht), machen aber meines Erachtens doch schon klimatologisch unwahrscheinliche Annahmen nötig. Aber wie steht es hier mit der Sicherheit der glazialen Deutung? Es war schon oben darauf hingewiesen, daß täuschend ähnliche „pseudoglaziale“ Konglomerate mit angeschliffenen Stücken auch in ganz anderen Klimaten (insbesondere im Trockenklima) entstehen können und nachweislich entstanden sind. Der geglättete Fels unter der angeblichen Moräne ist im Kongogebiet bisher nirgends gefunden, man hat also bisher nur solche Kennzeichen, die auch für das Pseudoglazial typisch sind. Außerdem ist die Schichtenfolge dort erst in kleinen Bruchstücken bekannt — selbst die Einordnung in das Permokarbon ist noch unsicher —, so daß man auch nicht sagen kann, daß die glaziale Deutung durch die Identität der ganzen Schichtenfolge gestützt wird. Das wenige, was wir von diesen Schichten wissen, scheint im Gegenteil auf eine bereits wesentlich andere Ausbildung und also auf Entstehung unter anderem Klima hinzudeuten. Keinesfalls kann also die glaziale Deutung hier schon als gesichert gelten. Und dazu kommt der direkte Einwand, daß man in Südafrika die Nordgrenze des Inlandeises bestimmen zu können glaubt. Es ist schwer glaublich, daß eine andere, getrennte| Eiskappe gleichzeitig in Zentralafrika lag. Es ist deshalb berechtigt, die Konglomerate von Zentralafrika einstweilen als Klimazeugnisse außer acht zu lassen. Ich halte es für wahrscheinlich, daß sich später ihre pseudoglaziale Natur herausstellen wird.

     Noch wahrscheinlicher ist dies bei den von Koert in Togo gefundenen permokarbonen Konglomeraten, die nach der bisherigen, noch wenig eingehenden Untersuchung gleichfalls als glazial angesprochen wurden, aber meines Erachtens höchst wahrscheinlich im Trockenklima gebildet sind.

     Durchaus unvereinbar mit dem sonst so folgerichtigen Gesamtbild, das sich aus der Verschiebungstheorie ergibt, ist aber eine andere Reihe als glazial angesprochener Konglomerate in Nordamerika und Europa. So glaubte Hobson Spuren von Eis im Karbon des Ruhrbeckens, Tschernischew solche im Oberkarbon des Ural zu sehen.

     Ebenso fand W. Dawson 1872 angebliche Glazialspuren auf Nova Scotia, die noch 1925 von A. P. Coleman bestätigt wurden; S. Weidman (1923) solche in den Gebirgen von Arbuckle und Wichita in Oklahoma; J. B. Woodworth (1921) in den „Caney Shales“ von Oklahoma; Udden im Perm von Westtexas; Süssmilch und David erwähnen auch die „Fountain“-Konglomerate von Colorado. Diese Fälle werden heute bereits von der überwiegenden Mehrzahl der Geologen für pseudoglazial gehalten, sicherlich mit Recht, denn die glaziale Deutung würde allen übrigen, so zahlreichen Klimazeugen gerade aus diesen Gebieten widersprechen. Van Waterschoot van der Gracht [210] schreibt über sie:

     „Wir müssen sehr vorsichtig mit ‚Tilliten’ sein. Ich halte es nicht für nachgewiesen, daß irgend eines der permokarbonen Konglomerate von Texas, Kansas, Oklahoma und namentlich Colorado als glazialen Ursprungs betrachtet werden kann. Wer mit Wolkenbrüchen, namentlich solchen, die in Wüsten oder am Rande arider Zonen vorkommen, vertraut ist, für den hat es nichts Überraschendes, daß unsortiertes, meist klastisches und teilweise kantiges Material in großer Mächtigkeit durch die Fluten abgelagert wird, die durch solche Regengüsse erzeugt werden. Diese Fluten sind äußerst heftig, obwohl von kurzer Dauer. Die Ströme bestehen meist mehr aus Schlamm als aus Wasser, und die Mischung hat ein so großes spezifisches Gewicht, daß sie nicht nur unglaublich große Blöcke transportieren kann, sondern auch jede Sichtung des Materials verhindert. Man benötigt kein Eis, um das zu erklären.| Wir sehen die gleichen Vorgänge gegenwärtig in allen Wüsten, auch in denen des amerikanischen Westens.“

     „Vereinzelte große Blöcke in sonst feinen marinen Ablagerungen brauchen nicht durch schwimmendes Eis transportiert zu sein. Große Bäume können das gleiche verursachen, wenn sie große Steine, die von ihren Wurzeln umfaßt werden, mit auf die See hinausführen.“

     „Selbst angeschliffene und gekritzte Steine brauchen nicht glazial zu sein, außer wenn die Schrammen sehr häufig sind und die Steine aus sehr dichtem und hartem Felsen bestehen. Solche Steine, die glazialen Blöcken und Erratikum in erstaunlicher Weise gleichen, aus den permischen Konglomeraten von Nordwesteuropa, mit klaren Anzeichen von ‚glazialem‘ Charakter, werden jetzt als bloße durch Rutschung geschrammte Fragmente betrachtet. 1909 habe ich selber einmal den Irrtum begangen, eines dieser europäischen Konglomerate als einen Tillit zu beschreiben.“

     Zu den oben angeführten Fällen kommt aber als besonders auffallende Erscheinung noch ein bei Boston in Nordamerika entdecktes permokarbones Konglomerat, das den Namen „Squantum Tillit“ erhalten hat und bisher von allen Besuchern, insbesondere von Sayles [168], der die genaueste Beschreibung geliefert hat, als verhärtete Moräne gedeutet wurde. Diese Ablagerungen bedecken etwa ein Areal fast so groß wie der Vatna-Jökull auf Island. Das Konglomerat enthält geglättete Steine, die als vom Eise gekritzte Geschiebe angesehen werden, und in der Umgebung dieses Gebiets werden verhärtete Tonschichten gefunden, die den von de Geer studierten quartären und postquartären Warven in Schweden ähnlich sind. Doch sind alles dies Erscheinungen, die auch pseudoglazial sein können. Der geschliffene Felsen unter dieser angeblichen Moräne ist bisher nirgends gefunden worden.

     Gegen die glaziale Deutung dieses Squantum-Tillits bestehen, wie von mir kürzlich hervorgehoben wurde [217], die schwersten Bedenken vom klimatologischen Standpunkt aus, und zwar ganz unabhängig von der Verschiebungstheorie. Alle übrigen Klimazeugen von Nordamerika aus permokarboner Zeit, die ungemein zahlreich sind, beweisen in völlig eindeutiger Weise, daß das Gebiet der Vereinigten Staaten im Westen während dieser ganzen Zeit das Klima der heißen Wüste hatte, während der Osten im Karbon noch in der äquatorialen Regenzone, im Perm aber gleichfalls im Gebiet der heißen Wüste lag. Einzelheiten über diese Klimazeugen, unter denen Salz- und Gipsablagerungen und Korallenriffe eine Hauptrolle| spielen, werden weiter unten genannt werden. Nun geht aber aus unserer Abb. 33 hervor, daß in den Klimaten, die solche Ablagerungen erzeugen, die Schneegrenze gerade ihre höchste Lage auf der ganzen Erde hat. Sie wird auch damals im Gebiet der Vereinigten Staaten über 5000 m hoch gelegen haben. Da erscheint es völlig ausgeschlossen, daß inmitten dieser Ablagerungen eine Eismasse von der Größe des Vatna-Jökull gelegen haben kann oder gar, wie manche annehmen, in demselben Meere, in dem sich die Korallenriffe bildeten, Eisberge schwammen. Dies ist physikalisch unmöglich, denn das Klima kann nicht gleichzeitig heiß und kalt gewesen sein. Auch mit der Annahme, daß diese Glazialbildungen in großer Höhe entstanden wären, kommt man auf keine Weise aus. Ich halte es deshalb für sehr wahrscheinlich, daß sich auch der Squantum-Tillit als pseudoglazial herausstellen wird, wie bereits so manche andere Konglomerate.

     Zu beachten ist dabei, daß diese klimatologischen Bedenken gegen die glaziale Natur des Squantum-Tillits auf den zeitlich und räumlich benachbarten Ablagerungen der nordamerikanischen Scholle selbst beruhen, also überhaupt nichts mit der Verschiebungstheorie zu tun haben und ohne Rücksicht auf sie eine Klärung erheischen.

     Aus diesem Grunde ist es unlogisch, in dem Squantum-Tillit einen Einwand zu sehen. Denn wie es sich auch mit dem Squantum-Tillit verhalten möge, es ist ja selbstverständlich, daß wir der großen Zahl sicherer und untereinander übereinstimmender Zeugnisse folgen müssen und nicht dem einen abweichenden, das sich schon in so vielen Fällen als trügerisch erwiesen hat.

     Ich bin auf die pseudoglazialen Erscheinungen des Permokarbons hier etwas näher eingegangen, weil ich bisher mit meinem Protest gegen die glaziale Deutung des Squantum-Tillits noch allein zu stehen scheine[3] und ihn deshalb eingehender begründen mußte. Gehen wir nun zu der Prüfung über, wie sich die verläßlichen Klimazeugen aus dem Karbon und Perm bei Annahme der Verschiebungstheorie ordnen!

     Die wichtigsten von ihnen sind in die beiden Karten der Abb. 35 und 36 eingetragen. Die echten Eisspuren sind durch den Buchstaben E bezeichnet. Wie man sieht, haben sich jetzt alle damals vereisten Gebiete um Südafrika zusammengeschlossen und nehmen| eine Kappe von etwa 30° Radius auf der Erdoberfläche ein. Die gleichzeitigen Zeugnisse für Polarklima sind also jetzt auf das gleiche Areal beschränkt wie im heutigen Klimasystem. Das ist eine Bestätigung unserer Annahmen, wie sie besser nicht gewünscht werden kann[4].

     Wie kommt es nun, daß den vielen Zeugnissen vom Inlandeis am Südpol keine solchen aus der nördlichen Polarkappe gegenüberstehen? Die Erklärung liegt darin, daß der Nordpol im Stillen Ozean lag an einer Stelle, die von allen Kontinenten weit entfernt war.

Abb. 35.

Eis, Morre und Wüsten im Karbon.
E = Eisspuren; K = Kohlen; S = Salz; G = Gips; W = Wüstensandstein; schraffiert = Trockengebiete. Nach Köppen-Wegener.

     Von der Mitte des Vereisungsgebietes aus als Südpol ist in den Abbildungen auch der zugehörige Äquator, die Breitenparallele von 30 und 60° nördlicher und südlicher Breite und der Nordpol eingetragen. Diese Kurven erscheinen natürlich in der Projektion der Abbildung außerordentlich verzerrt; der Äquator, in Wirklichkeit ein Großkreis auf der Kugel, ist durch die gebogene, etwas stärkere Linie dargestellt. Wie liegen nun hierzu die übrigen Klimazeugnisse?

|      Der große karbonische Steinkohlengürtel, der sich durch Nordamerika, Europa, Kleinasien und China hindurchzieht, bildet in unserer Rekonstruktion (nicht auf der heutigen Erde!) einen Großkreis und zwar denjenigen, dessen Pol mitten im Vereisungsgebiet liegt; er fällt mit unserem Äquator zusammen.

     Kohlen bedeuten, wie erwähnt, Regenklima. Ein Regengürtel, der wie hier die Erde in Gestalt eines Großkreises umgibt, kann natürlich durchaus nur der äquatoriale sein. Läßt sich dann obendrein feststellen, wie hier, daß er 90° von der Mitte eines großen Inlandeisgebietes entfernt ist, so sind wir um so mehr berechtigt, auf seine äquatoriale Lage zu schließen.

Abb. 36.

Eis, Moore und Wüsten im Perm.
E = Eisspuren; K = Kohlen; S = Salz; G = Gips; W = Wüstensandstein; schraffiert = Trockengebiete. Nach Köppen-Wegener.

     Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß dieser Schluß durchaus unvermeidlich ist, gleichgültig, ob wir dabei von der Verschiebungstheorie ausgehen oder nicht. Die europäischen Kohlenfelder des Karbons liegen heute genau 80° nördlich der so eingehend untersuchten, sicheren Inlandeisspuren aus gleicher Zeit in Südafrika, wo wir Belege dafür haben, daß die Schneegrenze, wie heute nur in der Antarktis, den Meeresspiegel erreichte. Wegen des alpinen Zusammenschubes im Tertiär wird der Abstand zur Karbonzeit 10 bis 15° größer gewesen sein als heute, im übrigen aber kann die Lage Europas zu Südafrika keine wesentlichen Veränderungen durchgemacht haben. Es kann daher nicht der leiseste Zweifel daran herrschen, daß die europäischen Karbonkohlen zur Zeit ihrer| Bildung gerade um einen Erdquadranten von der Mitte eines großen Inlandeisgebiets entfernt waren, gleichgültig, welche Annahmen man über die Lage der anderen Kontinente zur damaligen Zeit macht. In 90° Abstand vom Pol kann man sich aber durchaus nur auf dem Äquator befinden. Auch Spitzbergen liegt noch auf der europäischen Kontinentalscholle und muß also auch im Karbon wesentlich die gleiche Lage zu Europa gehabt haben wie heute. Seine großen karbonischen Gipslager bezeugen subtropisches Trockenklima und zeigen also an, daß die nördliche Zone subtropischen Klimas damals noch 30° nördlich der europäischen Kohlenlager lag.

     Der Schluß, daß die europäischen Karbonkohlen in der äquatorialen Regenzone entstanden sind, ist demnach unausweichlich, und zwar ist er das bereits ohne Rücksicht auf die Verschiebungstheorie.

     Dieser Beweis ist so zwingend, daß daneben alle anderen Kriterien weit in den Hintergrund treten müssen. Dennoch ist natürlich die Frage berechtigt, ob der Charakter der Pflanzenreste, die sich in den europäischen Karbonkohlenlagern und den ihnen benachbarten Schichten finden, mit diesem Resultat übereinstimmt. Nach dem Urteil des besten Kenners der europäischen Karbonflora, H. Potonié, ist dies in der Tat der Fall. Seine Untersuchung hierüber [169] ist auch heute noch die eingehendste und beste; er kam darin, rein aus botanischen Gründen, zu dem Schluß, daß die europäischen Kohlenlager des Karbons fossile Torfmoore vom Charakter tropischer Flachmoore seien.

     Die Gründe, die Potonié für diese Auffassung vorbringt, sind natürlich nicht von zwingender Natur; denn es ist sehr schwer, den Klimacharakter einer so alten Flora zu beurteilen. Diese Unsicherheit ist von seinen Gegnern, deren es unter den heutigen Phytopaläontologen nicht wenige gibt, sehr betont worden; aber es ist doch auffallend, daß diese — soweit mir bekannt — nicht in der Lage sind, Potoniés Gründe dadurch zu entkräften, daß sie für die von ihm angeführten Charakterzüge der Flora eine wahrscheinlichere, andere klimatische Deutung gefunden hätten, oder daß sie andere Charakterzüge dieser Flora nennen könnten, die Potonié nicht anführt, und die dabei auf ein anderes Klima hinwiesen. Es sind vielmehr stets Einwände allgemeiner Art, die von Potoniés Gegnern vorgebracht werden. Gerade aus diesem Grunde, weil Potoniés botanische Beweisführung, wie es scheint, noch immer ganz unangetastet dasteht, ist es nicht ganz ohne Interesse, sie| kennenzulernen. Er gibt hauptsächlich sechs Charakterzüge der Flora an, die für tropischen Ursprung sprechen:

     1. Soweit die Fruchtorgane der fossilen Farne ein Urteil zuließen, ergab sich ihre Verwandtschaft mit Familien, die heute in den Tropen zu Hause sind. Unter anderem ist die Verwandtschaft vieler karbonischer Farne mit den heutigen Marattiaceen erwähnenswert.

     2. In der Karbonflora treten stark in den Vordergrund Baumfarne und kletternde bzw. windende Farne. Überhaupt überwiegen baumförmige Gewächse auch in Gruppen, die heute meist krautig sind.

     3. Manche karbonischen Farne, z. B. das Baumfarn Pecopteris, haben Aphlebien, d. h. unregelmäßig zerschlitzte Fiedern an den Ansatzstellen der Nebenspindeln, die sich von der übrigen regelmäßigen Fiederung der Wedel auffallend unterscheiden. Sie sind schon ausgewachsen, wenn die jungen Normalfiedern noch eingerollt sind. Solche Aphlebien werden heute nur an tropischen Farnen beobachtet.

     4. Eine bedeutende Zahl von Karbonfarnen hat so große Wedel, wie sie nur in den Tropen vorkommen. Es gibt Wedel, die mehrere Quadratmeter groß sind.

     5. Zuwachszonen (Jahresringe) fehlen vollständig in den Stämmen der europäischen Karbonbäume. Das Wachstum ist also wohl weder durch periodische Trockenzeiten noch durch periodische Kälte unterbrochen worden. Wir können jetzt hinzufügen: Dagegen hat man sowohl auf den Falklandsinseln wie in Australien — die beide, wie Abb. 35 und 36 zeigen, in hoher Südbreite lagen — permokarbone Hölzer mit deutlichen Jahresringen gefunden.

     6. Man hat Stammbürtigkeit der Blüten (Cauliflorie) festgestellt „bei Calamariaceen und Lepidophyten, und zwar bei diesen letzteren bei gewissen Lepidodendraceen (der ‚Gattung‘ Ulodendron, die sich sogar ausschließlich auf jene großen Male an den Stammresten gründet, welche stammbürtigen Blüten entsprechen) und Sigillariaceen… Heutzutage sind Gehölze, deren Blüten aus altem Holze (aus Stämmen und Zweigen) seitlich hervorbrechen, fast ganz auf den tropischen Regenwald beschränkt… Es ist vielleicht der durch die dichte, tropische Vegetationsdecke bedingte mächtige Kampf ums Licht, der sich darin ausspricht, daß die lichtbedürftigen| Laubblätter oft ganz ausschließlich den Gipfel einnehmen, während die Fortpflanzungsorgane an den Teilen der Pflanzen auftreten, die dem Lichte weniger zugänglich sind, wo sie jedenfalls die ausgiebige Lebensverrichtung der Laubblätter in keiner Weise behindern.“

     Mag man solche botanischen Schlüsse, wie erwähnt, für unsicher halten, zweierlei kann man mit Bestimmtheit aussagen: Diese Flora hat weder im kalten Polarklima noch in dem gemäßigten Klima, das heute an ihren Fundorten herrscht, gelebt, sondern es kann sich nur um tropisches oder subtropisches Klima bei ihr handeln. Und zweitens passen alle Anzeichen vorzüglich zu unserem auf ganz anderem und viel sichererem Wege gefundenen Ergebnis, daß diese Kohlenlager in der äquatorialen Regenzone entstanden sind.

     Die Gegner von Potonié vertreten meist den Standpunkt, es handele sich nicht um tropisches, sondern subtropisches Klima. Als Grund hierfür führte man früher (ich weiß nicht, ob es heute noch jemand tut) die Behauptung ins Feld, daß es in der heutigen äquatorialen Regenzone keine Torfmoore geben solle und auch nicht könne, da sich oberhalb einer bestimmten Temperaturgrenze wegen der in der Wärme schnelleren Zersetzung der Pflanzenteile Torf angeblich nicht mehr bilde. Dieser Gedankengang läßt sich am einfachsten dadurch widerlegen, daß man in neuerer Zeit fast überall in der heutigen äquatorialen Regenzone Torfmoore gefunden hat, insbesondere auf Sumatra, Ceylon, am Tanganjikasee und in Britisch-Guayana. Viele andere sind wohl noch in den Sumpfgebieten des Kongo und Amazonas vorhanden, die man noch nicht kennt, deren Existenz aber durch die teefarbenen „Schwarzwässer“ vieler der dortigen Flüsse sehr wahrscheinlich wird. Es handelt sich also bei diesem Einwand um weiter nichts als einen Irrtum, verursacht durch die Unzugänglichkeit der tropischen Sümpfe und unseren daraus entspringenden bisherigen Mangel an ihrer Kenntnis. Am Karbonäquator wurde freilich die Bildung von Torfmooren besonders begünstigt durch die gleichzeitig einsetzenden Bodenbewegungen der großen karbonischen Faltungen, durch die der natürliche Wasserablauf gestört und Sümpfe in besonders großer Ausdehnung geschaffen wurden.

     Als weiteren Grund für die Annahme subtropischen Klimas hat man angeführt, daß Baumfarne, wie sie in den Karbonkohlen häufig sind, heute weniger in den Tropen als in den Subtropen,| und zwar hier an feuchten Berghängen, vorkommen. Aber einerseits ist dies kein zwingender Grund, denn Baumfarne kommen tatsächlich auch heute, wenn auch relativ selten, in den Torfmooren der äquatorialen Regenzone vor, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie hier heute nur durch besser angepaßte neuere Formen teilweise verdrängt sind, die es im Karbon noch nicht gab, und die ihnen daher den Rang nicht streitig machen konnten. Und andererseits paßt der Vergleich mit den heutigen Subtropen insofern schlecht, als diese bis auf die Monsunregengebiete am Ostrand der Kontinente trocken sind, so daß sich ein so langgestreckter Moorgürtel, wie er den karbonischen Hauptkohlen entspricht, in den Subtropen klimatisch nicht unterbringen läßt. Kohlengürtel können eben nur äquatorialem oder kühlgemäßigtem Klima entsprechen. In letzterem sind aber Baumfarne ausgeschlossen.

     Wenn endlich von manchen Autoren Potoniés Deutung aus dem Grunde in Zweifel gezogen wird, weil dieser auch bei der klimatischen Deutung der tertiären Braunkohlen geirrt habe[5], so dürfen wir hierüber wohl hinweggehen, denn der Schluß, daß, wer einmal irrt, darum stets irren muß, ist ganz gewiß noch unsicherer als Potoniés Beweisführung für die Tropennatur der europäischen Karbonkohlen.

     Dieser ganze Streit um die tropische oder subtropische Natur dieser Kohlen wird mit Gründen geführt, die nicht von zwingendem Charakter sind, was ja bei einer so alten Flora nicht zu verwundern ist. Ich wiederhole aber, daß die Lage dieser Kohlen im Abstand eines Erdquadranten von der Mitte eines zweifellos polaren Inlandeisgebietes ein durchaus zwingender Grund für ihre Entstehung im äquatorialen Regenklima ist, und zwar, wie hervorgehoben, ganz unabhängig vom Problem der Kontinentenverschiebung.

|      Die Verschiebungstheorie vervollständigt diesen Beweis nur noch durch Hinzuziehung der außereuropäischen Glieder dieses großen Kohlengürtels, deren heutige Lage ohne Berücksichtigung der Kontinentverschiebungen zu Widersprüchen führt.

     Die Gleichheit der Flora und damit auch der klimatischen Entstehungsbedingungen ist heute für die großen Karbonkohlenlager von Nordamerika, Europa, Kleinasien und China allgemein anerkannt. Da die europäischen notwendigerweise in der äquatorialen Regenzone entstanden sein müssen, so muß also das gleiche auch für die anderen Glieder dieses Gürtels gelten. Ihre heutige Anordnung liefert nun einen direkten Beweis für die Verschiebungstheorie, denn sie entspricht heute nicht der Forderung, daß alle diese Lager auf einem Großkreis liegen müssen. Zur Erläuterung geben wir in Abb. 37 die von Kreichgauer [5] gezeichnete Erdkarte für das Karbon mit dem von ihm angenommenen Äquator; wir sehen hier das Bild, zu dem man ohne die Verschiebungstheorie kommen würde: Für Europa, Afrika und Asien stimmt es mit dem unserigen ungefähr überein. Aber der Äquator geht auf ihm nicht durch den Osten der Vereinigten Staaten, wohin er nach den Klimazeugnissen gehört, sondern durch Südamerika, wo er nicht gelegen haben kann, da hier, kaum 10° von ihm entfernt, das Inlandeis sich ausbreitete. Natürlich ist auch wieder die Unverträglichkeit der Lage Vorderindiens und Australiens mit ihren Inlandeisspuren hier besonders in die Augen fallend.

     Auch die große Mächtigkeit der Kohlenschichten im Hauptkohlengürtel des Karbons, die sie so wertvoll macht, paßt ausgezeichnet zu ihrer Entstehung in der äquatorialen Regenzone. Viel weniger mächtig sind die Kohlenschichten, die sich auf den Südkontinenten im Perm allenthalben auf den Grundmoränen des abgeschmolzenen Inlandeises bildeten (vgl. Abb. 36). Die zugehörige Flora, die nach dem Krautfarn Glossopteris benannt wird, war eine kühle. Hier handelt es sich um Moore der südlichen subpolaren Regenzone ganz gleicher Entstehung wie die der quartären und postquartären Torfmoore Nordeuropas und Nordamerikas. Auch diese Kohlenformation und die Glossopterisflora erfordern einen Zusammenschluß dieser Gebiete, die heute einen für ihr damaliges Klima viel zu großen Raum einnehmen.

     Auch die übrigen Klimazeugen aus dem Karbon und Perm bestätigen unsere in Abb. 35 und 36 dargestellten Ergebnisse, wobei|

Abb. 37.

Karbonische Äquatorlage und Faltungen, nach Kreichgauer.

| die zonale Anordnung nur dann verwirklicht ist, wenn die Lage der Kontinente nach der Verschiebungstheorie angenommen wird.

     Von den beiden subtropischen Klimagürteln, die die Trockengebiete enthalten, läßt sich besonders gut der nördliche im Karbon und Perm verfolgen, und zwar nicht nur seine Existenz, sondern auch sein Vorrücken nach Süden im Perm, wodurch die äquatoriale Regenzone aus Nordamerika und Europa herausgedrängt und durch Trockenklima ersetzt wurde: Im Karbon fanden auf Spitzbergen und im westlichen Nordamerika große Gipsablagerungen statt (G in Abb. 35), und in letzterem Gebiet zeugen die mächtigen permokarbonischen Red Beds allenthalben von Wüstenklima. Nur im Osten von Nordamerika lag die äquatoriale Regenzone. Im Perm aber sind ganz Nordamerika und Europa wüstenhaft: Im obersten Karbon auf Neufundland tritt über den letzten Kohlenschichten bereits Salz auf (S in Abb. 35 und 36), im Perm bilden sich die großen Gipslager in Iowa, Texas, Kansas, in letzterem Staate auch Salzlager. Und in Europa, das im Karbon von der äquatorialen Regenzone durchzogen war, bilden sich im Perm die großen Salzlager von Deutschland, den Südalpen, Südrußland und Ostrußland. Für Deutschland allein führt Arldt [11] neun permische Salzlager auf, darunter das berühmte von Staßfurt. Dieses Südwärtsrücken der Klimazonen in Europa und ihre gleichzeitige Verlagerung nach Südosten in Nordamerika, zusammen mit der Verlagerung des Inlandeises von Südafrika nach Australien beweist eine, wenn auch mäßig große, Polwanderung vom Karbon zum Perm.

     Die südliche Trockenzone hat, soweit die bisherigen Beobachtungen einen Schluß zulassen, in der Karbonzeit hauptsächlich im Bereich der Sahara Spuren hinterlassen, wo zahlreiche große Salzlager entstanden, sowie in den Wüstensandsteinen von Ägypten. Freilich sind diese Ablagerungen, namentlich was die genauere Zeitsetzung anbelangt, bei weitem nicht so eingehend untersucht wie diejenigen in Europa.

     Endlich ordnen sich auch die karbonischen Korallenriffe in Europa (Irland bis Spanien) und Nordamerika (Michigansee bis zum Golf von Mexiko), sowie im Perm die kalkriffbildenden Richthofeniden in den Alpen und Sizilien sowie in Ostasien zwanglos in das Bild der Klimazonen ein.

     Aus dem Vorangehenden ist ersichtlich, daß sich nicht nur die permokarbonischen Eisspuren, sondern auch die Gesamtheit der damaligen Klimazeugnisse bei Anwendung der Verschiebungstheorie| in ein System ordnen, das vollkommen dem heutigen Klimasystem entspricht, wenn man den Südpol in die Gegend von Südafrika verlegt. Bei der heutigen Lage der Kontinente dagegen ist es überhaupt unmöglich, sie zu einem verständlichen Klimasystem zusammenzufassen. Dadurch werden diese Beobachtungen zu einem der stärksten Beweise für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie.

     Der paläoklimatische Beweis für die Verschiebungstheorie wäre allerdings unvollständig, wenn er nur für die Karbon- und Permzeit zu führen wäre und für die folgenden Zeiten versagte. (Für die vorangehenden ist er einstweilen nicht zu führen, weil für diese Zeiten gegenwärtig noch die Kartengrundlage fehlt.) Dies ist aber keineswegs der Fall. Ich habe in dem gemeinsam mit Köppen verfaßten Buche [151] der Reihe nach alle folgenden geologischen Zeiten in der gleichen Weise behandelt, wie es hier — gekürzt — für das Karbon und Perm geschehen ist. Der beschränkte Raum verbietet es, diese Ausführungen hier zu wiederholen, und wir müssen den Leser deshalb auf unser Buch verweisen. Das Ergebnis ist aber stets das gleiche: Benutzt man als Kartengrundlage die Rekonstruktion nach der Verschiebungstheorie, so ordnen sich die Klimazeugnisse stets zu einem dem heutigen grundsätzlich gleichen System, während bei der heutigen Lage der Kontinente Widersprüche auftreten. Je mehr wir uns der Gegenwart nähern, desto geringer werden natürlich diese Widersprüche, weil eben auch die Lage der Kontinente sich der heutigen immer mehr nähert, und um so schwächer wird daher die Beweiskraft dieser Zeugnisse für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie.

     Im übrigen sei bemerkt, daß bei der Deutung der Vorzeitklimate die Polwanderungen, zumal in den späteren Zeiten, die wichtigste Rolle spielen. Polwanderungen und Kontinentverschiebungen bilden hier, sich gegenseitig ergänzend, das ordnende Prinzip, bei dessen Anwendung sich das bisherige Durcheinander von ungeordneten, ja sich scheinbar widersprechenden Einzeltatsachen zu einem Bilde von immer wieder überraschender Einfachheit gliedert, das durch seine völlige Analogie mit dem jetzigen Klimasystem von ungemein überzeugender Wirkung ist. Zu danken ist dies aber erst der Verschiebungstheorie, denn ohne diese vermag die Theorie der Polwanderungen höchstens für die jüngsten Zeiten eine leidlich befriedigende Lösung zu geben.



  1. Über den Begriff der Polwanderungen siehe Kap. 8.
  2. Diese Pollage im Frühquartär hat erst neuerdings wieder durch eine Reihe biologischer Tatsachen, die v. Ihering [122] aus Südamerika beigebracht hat, eine auffallende Bestätigung erfahren, worauf Köppen [127] hingewiesen hat. v. Ihering selbst will diese Tatsachen freilich durch Wechsel der Meeresströmungen bei der heutigen Pollage erklären, meines Erachtens in unzulässiger Weise, worauf indessen hier nicht eingegangen werden kann, da die Frage außerhalb unseres Themas liegt.
  3. Nur van Waterschoot van der Gracht [210] scheint sich meinen Zweifeln anzuschließen.
  4. Mit Unrecht wird eingewendet: Da die Vereisungen der Südkontinente nicht ganz gleichzeitig waren, käme man auch mit der heutigen Lage der Kontinente aus, wenn man nur eine (allerdings sehr große und rasche!) Polwanderung dazunimmt. Aber die erste Vereisung Australiens fand schon im Karbon, gleichzeitig mit der von Südamerika und Südafrika, statt, und bei der Riesenwanderung des Südpols müßte der Nordpol Mexiko gequert haben, wo doch heißes Wüstenklima herrschte. Und alle übrigen, über die Erdoberfläche verteilten Klimazeugen widersprechen so starken Polwanderungen auf das bestimmteste.
  5. Ohne mich in den Streit der Phytopaläontologen einzumischen, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, darauf hinzuweisen, daß Mitteleuropa nach der Gesamtheit der Klimazeugen im Frühtertiär zweifellos noch in der äquatorialen Regenzone, im Mitteltertiär im subtropischen (teilweise Trocken-) Klima und im Spättertiär etwa im heutigen Klima gelegen hat. Die tertiären Kohlen Mitteleuropas müssen also je nach ihrem Alter unter sehr verschiedenem Klima gebildet sein. Man sollte auch hier beachten, daß sich das Klima unvergleichlich sicherer durch die Gesamtheit der fossilen Klimazeugen aus dem damaligen Europa bestimmen läßt als durch die eine Gruppe von Zeugnissen, die die Kohlenflora liefert.


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