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Die Erbsenprobe (1843)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Die Erbsenprobe
Untertitel:
aus: Kinder- und Hausmärchen. Große Ausgabe. Band 2.
S. 433-435
Herausgeber:
Auflage: Fünfte, stark vermehrte und verbesserte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung
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Erscheinungsort: Göttingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: nur 1843: KHM 182
Siehe auch die Anmerkungen von Johannes Bolte und Jiří Polívka zu KHM 182a Commons (1918)
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Bild
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[433]
182.
Die Erbsenprobe.

Es war einmal ein König, der hatte einen einzigen Sohn, der wollte sich gern vermählen, und bat seinen Vater um eine Frau. „Dein Wunsch soll erfüllt werden, mein Sohn,“ sagte der König, „aber es will sich nicht schicken daß du eine andere nimmst als eine Prinzessin, und es ist gerade in der Nähe eine zu haben. Indessen will ich es bekannt machen lassen, vielleicht meldet sich eine aus der Ferne.“ Es ging also ein offenes Schreiben aus, und es dauerte nicht lange, so meldeten sich Prinzessinnen genug. Fast jeden Tag kam eine, wenn aber nach ihrer Geburt und Abstammung gefragt wurde, so ergab sichs daß es keine Prinzessin war, und sie mußte unverrichteter Sache wieder abziehen. „Wenn das so fortgeht,“ sagte der Prinz, „so bekomm ich am Ende gar keine Frau.“ „Beruhige dich, mein Söhnchen,“ sagte die Königin, „eh du dichs versiehst, so ist eine da; das Glück steht oft vor der Thüre, man braucht sie nur aufzumachen.“ Es war wirklich so, wie die Königin gesagt hatte.

Bald hernach, an einem stürmischen Abend, als Wind und Regen ans Fenster schlugen, ward heftig an das Thor des königlichen Palastes geklopft. Die Diener öffneten, und ein wunderschönes Mädchen trat herein, das verlangte [434] gleich vor den König geführt zu werden. Der König wunderte sich über den späten Besuch, und fragte sie woher sie käme, wer sie wäre und was sie begehre. „Ich komme aus weiter Ferne,“ antwortete sie, „und bin die Tochter eines mächtigen Königs. Als eure Bekanntmachung mit dem Bildnis eures Sohnes in meines Vaters Reich gelangte, habe ich heftige Liebe zu ihm empfunden und mich gleich auf den Weg gemacht, in der Absicht seine Gemahlin zu werden.“ „Das kommt mir ein wenig bedenklich vor,“ sagte der König, „auch siehst du mir gar nicht aus wie eine Prinzessin. Seit wann reist eine Prinzessin allein ohne alles Gefolge und in so schlechten Kleidern?“ „Das Gefolge hätte mich nur aufgehalten,“ erwiderte sie, „die Farbe an meinen Kleidern ist in der Sonne verschossen, und der Regen hat sie vollends herausgewaschen. Glaubt ihr nicht daß ich eine Prinzessin bin, so sendet nur eine Botschaft an meinen Vater.“ „Das ist mir zu weitläuftig,“ sagte der König, „eine Gesandtschaft kann nicht so schnell reisen, wie du. Die Leute müssen die nöthige Zeit dazu haben; es würden Jahre vergehen, ehe sie wieder zurück kämen. Kannst du nicht auf andere Art beweisen, daß du eine Prinzessin bist, so blüht hier dein Waizen nicht, und du thust besser je eher je lieber dich wieder auf den Heimweg zu machen.“ „Laß sie nur bleiben,“ sagte die Königin, „ich will sie auf die Probe stellen, und will bald wissen ob sie eine Prinzessin ist.“

Die Königin stieg selbst den Thurm hinauf, und ließ in einem prächtigen Gemach ein Bett zurecht machen. Als die Matratze herbeigebracht war, legte sie drei Erbsen darauf, eine oben hin, eine in die Mitte und eine unten [435] hin, dann wurden noch sechs weiche Matratzen darüber gebreitet, Linnentücher und eine Decke von Eiderdunen. Wie alles fertig war, führte sie das Mädchen hinauf in die Schlafkammer. „Nach dem weiten Weg wirst du müde sein, mein Kind,“ sagte sie, „schlaf dich aus: Morgen wollen wir weiter sprechen.“

Kaum war der Tag angebrochen, so stieg die Königin schon den Thurm hinauf in die Kammer. Sie dachte das Mädchen noch in tiefem Schlaf zu finden, aber es war wach. „Wie hast du geschlafen, mein Töchterchen?“ fragte sie. „Erbärmlich,“ antwortete die Prinzessin, „ich habe die ganze Nacht kein Auge zugethan.“ „Warum? mein Kind, war das Bett nicht gut?“ „In einem solchen Bett hab ich mein Lebtag noch nicht gelegen, hart vom Kopf bis zu den Füßen; es war als wenn ich auf lauter Erbsen läge.“ „Ich sehe wohl,“ sagte die Königin, „du bist eine echte Prinzessin. Ich will dir königliche Kleider schicken, Perlen und Edelsteine: schmücke dich wie eine Braut. Wir wollen noch heute die Hochzeit feiern.“