Die Faber’sche Bleistiftfabrik in Stein
Nr. 2. Die Faber’sche Bleistiftfabrik in Stein.
Eine Stunde von der altberühmten Handelsstadt Nürnberg entfernt liegt an der Rednitz das freundliche und schmucke Dorf Stein. An beiden Seiten des Flüßchens erheben sich weitläufige Gebäude mit hellen Fensterreihen, dampfenden Schloten,
weiten Arbeitsräumen. Wir haben ein ausgedehntes Fabriketablissement vor uns. Inmitten zweier großer Parks mit geschmackvollen Anlagen, Gewächshäusern und Wintergarten, einem herrlichen See, prächtigen Baumgruppen zeigen sich zwei elegante Wohnhäuser, von denen namentlich das eine durch die Höhe seiner Lage und die Eigenthümlichkeit seiner Bauart sich auszeichnet, ein wirklich fürstlicher Wohnsitz. Ueberall begegnen dem Auge Wohlstand, Behaglichkeit und ein geschäftiges Treiben.
Auf dieses Dorf Stein weisen die ersten Spuren deutscher Bleistift-Fabrikation hin; schon im Jahre 1726 erwähnen die dortigen Kirchenbücher bei Gelegenheit der Verehelichungen der „Bleistiftmacher“. Ebendaselbst kommen später „Bleiweißschneider“ und „Bleiweißschneiderinnen“ vor. Hier siedelte sich auch vor nunmehr fast hundert Jahren Caspar Faber an und begann das Jahr darauf ebenfalls die Fabrikation von Bleistiften. Ein schlichter, einfacher Mann, hatte er mit dem Drucke der äußeren Verhältnisse zu kämpfen; sein ganzer Besitz bestand damals in einem kleinen an der Rednitz gelegenen Hause, das von einem Gärtchen umgeben war. Ein noch in der Familie aufbewahrtes gerichtliches Inventar vom Jahre 1786 führt den kleinen Besitzstand der Familie getreulich auf und schließt mit einem Baarvermögen von „neunundfünfzig Gulden“.
Der Umfang seines Geschäfts war ein gar bescheidener, der Absatz der gewonnenen Produkte sehr gering und nur local, da der kaufmännische Geist und Betrieb ihm nicht fördernd zur Seite standen. Nach Nürnberg und Fürth wurden die während der Woche gefertigten Bleistifte an jedem Sonnabend in einem Korbe getragen, doch dient der Umstand, daß sie gut bezahlt wurden, zum Beweis für ihre schon damals anerkannte Güte. Das Verhältniß zwischen dem Producenten und dem consumirenden Publicum war zu jener Zeit wenig geregelt; denn um die Fabrikanten in völliger Abhängigkeit zu erhalten, gestatteten ihnen die Kaufleute nicht, ihre besseren Producte mit ihren Namen zu zeichnen, sondern schrieben ihnen fremde Namen und nichtssagende Zeichen, wie Harfe, Sternchen und dergleichen, vor.
Der Handel Nürnbergs, von dem, wie gesagt, die Bleistift-Fabrikation [749] Fabrikation ganz und gar abhing, stand aber längst nicht mehr auf seiner früheren Höhe. Die kunstsinnigen, brauchbaren Erzeugnisse waren verschwunden und hatten Waaren Platz gemacht, deren Ruhm nur darin bestand, beispiellos billig zu sein. Das Bestreben, ohne Rücksicht auf Brauchbarkeit und Güte nur wohlfeil zu fabriciren, war zum Erbübel geworden, das vom Ahnen auf kommende Generationen in üppiger Weise fortwucherte. Die edlere Bedeutung der Bezeichnung „Nürnberger Gut“ war in die stehende und höhnende verwandelt: „Nürnberger Waare“, ja es war dahin gekommen, daß man in der ganzen Geschäftswelt annahm, in Nürnberg könne gar nichts Gutes gearbeitet werden.
Unter solchen Verhältnissen verkümmerte natürlich auch die Bleistiftfabrikation. Es geschah nicht selten, daß Fabrikate in die Welt hinausgeschickt wurden, welche das äußere Ansehen von Bleistiften hatten, indem das Holz an den beiden Endflächen mit Graphit getupft war, gleich als befände sich eine Bleieinlage darinnen, während man doch blos ein unbrauchbares Stück Holz vor sich hatte. Solche Pioniere, von der Nürnberger Fabrikation in das Ausland hinausgeschickt, mußten freilich deren gänzlichen Verfall herbeiführen, denn es ist schwer, das einmal verscherzte Vertrauen und die einmal verlorene Achtung wieder zu gewinnen.
So tief war die Nürnberger Industrie herabgesunken, als vor noch nicht dreißig Jahren der gegenwärtige Besitzer des oben erwähnten Etablissements, Johann Lothar Faber, geb. am 12. Juni 1817, ein Mann von vorzüglicher Bildung und rastloser Thätigkeit, als Mensch gleich ausgezeichnet wie als Geschäftsmann, die väterliche Fabrik zu Stein übernahm und aus ihr bald ein Etablissement schuf, welches nicht nur als die bedeutendste Bleistiftmanufactur dasteht, die überhaupt existirt, sondern dessen Fabrikat auch allgemein als das vorzüglichste anerkannt ist und in die ganze civilisirte Welt geht.
Als neunzehnjähriger Jüngling war er zu seiner ferneren kaufmännischen Ausbildung nach Paris gegangen. Hier, wo sich im größeren Gesichtskreise sein industrieller Blick weitete und allerhand Projecte reiften, durch die er das väterliche Geschäft umgestalten und heben wollte, traf ihn nach einem dreijährigen Aufenthalte mitten in seinen Plänen und Ideen plötzlich und unerwartet die Nachricht von dem Tode seines Vaters. Rasch unternahm er noch eine vorher schon zur Bereicherung seiner Kenntnisse und Erfahrungen projectirte Reise nach London und kehrte im August 1839 in die Heimath zurück. Nun galt es, alle über das Wesen der Industrie gewonnenen Ideen zu verwerthen und zu verwirklichen.
Der Zustand der väterlichen Fabrik war ein höchst unbefriedigender; sie beschäftigte kaum noch einige zwanzig Arbeiter und ihr jährlicher Umsatz betrug etwa zwölftausend Gulden. Sollte für die Fabrik jene glänzende Zukunft, wie Faber sie in Paris im Geiste sich ausgemalt hatte, wirklich eintreten, so galt es einen Kampf – und der war nicht leicht – mit den alten, verkehrten Grundsätzen zu bestehen, mit dem schleppenden Gang der früheren Zeit zu brechen und nach dem Verfall der Nürnberger Industrie, die sich vom Weltmarkte zurückgedrängt sah, den Grundstein einer neuen zu legen, die allein im Stande wäre, Nürnberg seinen alten Ruhm wieder zu erobern.
Bis jetzt waren die Bleistifte nur in verhältnißmäßig wenigen und billigen Sorten fabricirt worden. Faber sah sich alsbald veranlaßt, auch feinere Sorten mit entsprechenden Preisen einzuführen. Allein wie erging es ihm! Als er sein neues verbessertes Fabrikat den Nürnberger und Fürther Kaufleuten das Groß (zwölf Dutzend) zu fünf Gulden anbot, fanden sie diesen Preis zu theuer und einer derselben richtete sogar die Frage an ihn: „Ob er wohl Silber in die Bleistifte hineinmache, da die theuersten Bleistifte in Nürnberg nicht mehr als drei Gulden kosteten?“ Heute verkauft Faber seine feinsten und besten Bleistifte zu sechszehn, ja selbst bis zu fünfundzwanzig Gulden, und dieser Preis stuft sich ab bis zu dem billigsten, welcher zweiundvierzig Kreuzer für das Groß beträgt, so [750] daß durch diese reiche Auswahl jedes Bedürfniß befriedigt und jeder Concurrenz begegnet wird.
Der mißliche Anfang schreckte Faber nicht ab; er arbeitete unermüdlich fort, seine Bleistifte auf eine immer höhere Stufe der Vollkommenheit zu bringen, auch zeichnete er seine verbesserten Fabrikate und namentlich seine neuen sogenannten Polygrades-Bleistifte, die sich besonders in der Künstlerwelt den größten Ruf erworben haben, alle mit der Firma der Fabrik. Da dieselben jedoch durch die erhöhten Preise, welche die mehr und mehr verbesserten Qualitäten zur Folge haben mußten, bei den Nürnberger Kaufleuten nur wenig Abnahme fanden, so bereiste er selbst ganz Deutschland, Rußland, Oesterreich, Belgien, Holland, Frankreich, England, Italien und die Schweiz und knüpfte mit allen bedeutenden Städten des In- und Auslandes directe Handelsbeziehungen an, die bei der fortwährenden Verbesserung seines Fabrikates ihm bald eine befriedigende Abnahme und eine immer steigende Nachfrage verschafften, bedeutend genug, um sich über die beschränkte Sphäre localer Interessen zu erheben.
Die beinahe zahllosen Beschäftigungsarten, welche den Bleistift in Anspruch nehmen, machten nach und nach ein großartiges Assortiment nothwendig, von dem langen Staffelei-Bleistift bis zum kleinsten Etui-Stift. Die Aufgabe der Fabrikation hatte sich, da man vielfach mit dem Ausland in Verbindung getreten war, schon bedeutend höher gestellt, und der verschiedene Geschmack, selbst die verschiedenen Sitten der consumirenden Bevölkerungen wollten in Betracht gezogen sein. Faber that dies Alles, und so ist der Ruf seiner Fabrikate in alle Welttheile gedrungen, und nicht nur der weitverbreitete Gebrauch derselben ist es, der ihre Güte gewährleistet, sondern insbesondere die Stimme der Männer, welche die höchsten Anforderungen an das Fabrikat stellen. Die Architekten und Ingenieure bedienen sich nicht leicht eines anderen als des A. W. Faber-Stiftes; auch die gesammte Künstlerwelt hat längst den A. W. Faber’schen Bleistift für den besten Zeichenstift erklärt. Männer wie Cornelius, Kaulbach, Bendemann, Lessing, Horace Vernet haben sich in diesem Sinne ausgesprochen.
Ebenso wurden dem Faber’schen Fabrikate auf allen großen Gewerbausstellungen der neuesten Zeit der Preis vor sämmtlichen ähnlichen Erzeugnissen, die besten aus Wien, Frankreich und England nicht ausgenommen, zuerkannt. Dank den Bemühungen Faber’s behauptet jetzt Nürnberg vor allen Ländern in der Bleistiftfabrikation den unbestrittenen Vorrang. Wie bedeutend aber dieselbe ist, geht daraus hervor, daß nach der Angabe des Professors Flegler gegenwärtig in Nürnberg gegen zwanzig Bleistiftfabriken in Thätigkeit sind, welche mit viertausendfünfhundert bis viertausendachthundert Arbeitern jährlich gegen zweihundertundsechszehn Millionen Bleistifte im Werthe von etwa drei Millionen Gulden erzeugen. Die umfangreichste und größte darunter aber ist die Fabrik in Stein, welche den bedeutendsten Umsatz hat und allein fünfhundert Arbeiter beschäftigt. – Auch in Amerika hatten sich Faber’s Bleistifte einen großen Markt zu eröffnen gewußt. Dies veranlaßte Faber ein Haus in New-York zu gründen und dessen Leitung seinem jüngsten Bruder zu übertragen, während ein anderer Bruder seit dem Jahre 1840 am Nürnberger Hause mit betheiligt ist.
Wie in der amerikanischen Handelsmetropole, so wurde auch in Paris ein Haus gegründet, und zwar nicht nur um den bedeutenden Verkehr mit Frankreich und den Nebenländern zu leiten, sondern auch um den feinen Geschmack und die ansprechende Eleganz der Franzosen, welche jedem an sich guten Producte noch zum besonderen Vortheil gereichen, zu vermitteln. Ebenso ward auch den Bedürfnissen Englands, Indiens und Australiens durch Errichtung einer Agentur in London Rechnung getragen. Mit der Verbreitung der Fabrikate nach außen hält die innere Entwicklung des Etablissements Schritt. Ebenda, wo einst das kleine Häuschen der Voreltern stand, erheben sich jetzt die Fabrikgebäude diesseits und jenseits der Rednitz. Da die Wasserkraft dieses Flusses theils unzureichend, theils zu unbeständig war, mußte der Dampf zu Hülfe genommen und eine große Maschine aufgestellt werden. Fast jedes Jahr erforderte einen Neubau. Dabei wurde vorzüglich darauf Rücksicht genommen, die Gebäude geräumig und hell herzustellen und der Gesundheit der Arbeiter Rechnung zu tragen. Auf diese Weise erfuhren nach und nach alle Räumlichkeiten mit Rücksicht theils auf die immer zunehmende Production, theils auf die Anforderungen, welche die Gesundheit des Arbeiters und der Schönheitssinn überhaupt stellen, bedeutende Erweiterungen und Umwandlungen im Grundbau, so daß selbst der Charakter der ganzen Ortschaft ein wesentlich anderer geworden ist. Das früher verwahrloste Dorf hat ein neues Ansehen gewonnen; der Dampf der Kamine verkündet weithin ein reges industrielles Leben, und das frühere Bild der Dürftigkeit hat einer gewissen Wohlhabenheit Platz gemacht.
Besonders verdient hierbei hervorgehoben zu werden, daß auch die sittlichen Verhältnisse der Arbeiter ein Gegenstand unablässiger Sorge Faber’s sind. Im Interesse derselben wurden vor Allem Fabrikstatuten verfaßt, welche dem vorzüglich tüchtigen oder im Lebensalter vorangeschrittenen Arbeiter Gelegenheit boten, sein Einkommen zu vergrößern, indem ihm unter bestimmten Voraussetzungen eine Lohnerhöhung zugesichert ist. Nicht minder errichtete er eine Arbeiter-Sparcasse, die schon sehr viel Gutes gestiftet hat, und gründete daneben eine Bibliothek, welche, dem Arbeiter und seiner Familie zugänglich, sich einer sehr fleißigen Benützung erfreut.
Ferner wurde ein großes Gebäude in schönen äußeren Verhältnissen zu Arbeiterwohnungen erbaut und andere Gebäude in Arbeiterwohnhäuser verwandelt. Die Häuser selbst enthalten einzelne, für sich abgeschlossene Wohnungen, die den Familien um eine geringe Miethe einen weit angenehmeren Aufenthalt als die meisten Wohnungen in den Städten gewähren. Dabei findet indeß keinerlei Zwang statt, die Häuser stehen Jedem offen und die im Interesse der Gemeinschaft eingeführte Hausordnung ist von der Art, daß ihr Jeder mit Freude nachkommt.
Machen wir jetzt einen Gang durch die Fabrik und sehen wir uns die Art und Weise der Fabrikation des Bleistiftes an. Unsere Wanderung führt uns zunächst in den Raum, wo die Rohmaterialien, Graphit und Thon, geschlemmt werden, die alsdann zum Trocknen in Pfannen kommen. Von da wird das Material auf die Mühlen gebracht, welche Tag und Nacht im Gange sind und auf denen die aus Graphit, Thon etc. zusammengesetzte Masse in nassem Zustande feingemahlen wird. Nach dem Mahlen wird die Masse in eigens dazu bestimmten Oefen getrocknet. Jetzt beginnt die Bearbeitung des Bleies selbst. Wir betreten einen großen, hellen Saal; ein Theil der Arbeiter macht, wie wir sehen, aus der trockenen Masse durch Anfeuchtung mit Wasser einen Teig, welcher in feuchtem Zustande in den Cylinder der Presse kommt, wo er durch ein am Boden des Cylinders befindliches Kupferplättchen, das in der Mitte eine Oeffnung von beliebiger Form und Stärke hat, gepreßt wird. Das durch den Cylinder gepreßte Blei legt sich ringförmig auf und wird von anderen Arbeitern auf Breter in gerade Richtung gelegt und an einem mäßig warmen Orte getrocknet. Noch ehe das Blei indeß vollkommen ausgetrocknet ist, wird es in Stäbchen von der Länge der zu verfertigenden Bleistifte geschnitten. Nach dem Trocknen erfolgt das Ausglühen in eigens dazu construirten Oefen; es geschieht in luftdicht verschlossenen Kästchen von Thon oder Eisen, in welche die Bleistäbchen wagrecht eingelegt werden.
Der nächste Saal, in den man uns geleitet, ist von dem Brausen und Schwirren des Maschinenwerkes erfüllt. Hier wird das Holz geschnitten, gesägt und gehobelt. Ein Block Florida-Cederholz – von acht bis vierundzwanzig Zoll im Durchmesser und von zehn bis fünfzehn Fuß Länge – wird zunächst durch eine Gattersäge in Stücke von der Bleistiftlänge quer zertheilt, die einzelnen Stücke werden vermittelst kleiner Circularsägen zu Bretchen zerschnitten und diese auf besonderen Maschinen glattgehobelt. Hinter den Hobelmaschinen befinden sich die Nuthenmaschinen, auf denen durch kleine Circularsägen aus den glattgehobelten Bretchen die Nuthen und Deckel gemacht werden. Hierauf beginnt das Einleimen der Bleistäbchen in das Holz. An jedem Leimtische sitzen drei Arbeiter, von denen der eine die Nuthen und Deckel mit Leim bestreicht, der andere die Bleistäbchen in die Nuthen einlegt und der dritte, nachdem die Deckel aufgelegt sind, die Bleistifte ordnet. Sodann werden diese in eine Presse gebracht und dicht nebeneinander durch Schrauben fest eingepreßt.
Die soweit fertigen Bleistifte sind alle viereckig und kommen nun in den Arbeitersaal der Hobler. Hier werden sie zu gleicher Länge vermittest feiner Circularsägen gebracht und durch die Hobelmaschinen, welche sie in viereckiger Form aufnehmen, rund oder auch sechseckig, viereckig, dreieckig und oval gehobelt.
Die weiteren Arbeiten verichten Mädchen. In dem einen Saale geschieht das Poliren, worauf jeder Bleistift vermittelst einer [751] Hebelpresse mit dem Fabrikzeichen gestempelt wird; dann kommen die Bleistifte in den Saal, wo sie gebunden und verpackt werden. Sie werden zu Dutzenden zusammengebunden, mit Etiquetten versehen und dutzend- oder großweise eingepackt.
So bringen uns diese acht Säle, die wir durchschreiten, die Bleistiftfabrikation in ihren hauptsächlichsten Momenten zur Anschauung. Durch vollständige Beherrschung des Materials gelang es Faber, so viele Härtegrade zu erzeugen und ein so bedeutendes Assortiment herzustellen, daß jedes Bedürfniß bei der großen Auswahl der Fabrikate seine Befriedigung findet. Die feinsten Sorten insbesondere übertreffen nach dem Urtheile der Sachverständigen selbst die besten englischen Cumberlandstifte durch ihre stets gleichbleibenden Härtegrade, durch ihre größere Festigkeit und Haltbarkeit, sowie durch die größere Reinheit des Bleies. Sie besitzen überdies einen solchen Grad von Milde und Zartheit, mit der sich das Blei auf dem Papier aufträgt, daß sie auch in dieser Beziehung jeden Vergleich mit den Cumberlandstiften aushalten. Ueberdies wurden neben vielen anderen Verbesserungen, welche sich auf das Aeußere beziehen, die schönsten und zweckmäßigsten Formen für die Bleistifte feinerer Gattung ersonnen und eingeführt, und in neuester Zeit auch die sogenannten Künstlerstifte erfunden, welche sich rasch die allgemeinste Anerkennung erwarben und die übrigen Fabrikanten bald zur Nachahmung veranlaßten.
So weit war die Fabrik gediehen, ihre Erzeugnisse entsprachen den höchsten Anforderungen, ihr Ruf war festgegründet, da eröffnete sich unerwartet eine neue günstige Aussicht. Es war gefunden, wonach die Engländer so lange gesucht hatten und was eine vollendete Fabrikation immer noch bedurfte, um noch mehr zu leisten, als bisher möglich war: eine neue Graphitgrube war entdeckt: Alibert, Kaufmann erster Gilde von Tabasthus in Sibirien, hatte nach langen Nachforschungen in einem Zweige der Gebirgskette von Saian auf der Höhe des Felsengebirges Batougol vierhundert Werst westlich von der Stadt Irkutsk, nahe an den Grenzen von China, ein primitives Lager von Graphit aufgefunden. Die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, welcher Alibert Proben seines Graphits zur Analyse vorlegte, erklärte, daß derselbe ganz die nämlichen Bestandtheile und die nämlichen Eigenschaften besitze, d. i. ganz von derselben Natur sei, wie der Cumberlandgraphit. Alibert ging nun nach England. Er besuchte die versiechende Graphitgrube von Cumberland und überzeugte sich mit eigenen Augen von der Erschöpfung und dem Verfall derselben. Dann ließ er Proben seines Graphits von den bedeutendsten englischen Bleistiftfabrikanten untersuchen und erhielt von diesen einstimmig das Urtheil der Petersburger Akademie bestätigt, indem sie die Qualität dieses sibirischen Graphits ausgezeichnet und in keiner Weise der des Cumberlandbleies nachstehend erklärten.
Achtjährige Arbeit und ein Capital von einer Million Franken hatte es Alibert gekostet, bis er sein Unternehmen mit diesem allerdings unerwarteten Erfolge gekrönt sah. Er dachte nun daran, das neuentdeckte Material der Bleistiftfabrikation nutzbar zu machen. Nach der gewonnenen Ueberzeugung, daß die Faber’sche Fabrik die größte jetzt existirende sei und die meiste feine Waare in die civilisirte Welt versende, wandte er sich an diese mit dem Vorschlag zu einem Vertrag, in dessen Folge er seinen Graphit zur Fabrikation von Bleistiften nur an sie allein abgeben werde. Faber überzeugte sich, daß der neuentdeckte Graphit dem echten und besten Cumberlandgraphit an Güte gleichkomme, und ging auf den Vorschlag Alibert’s bereitwillig ein, nach welchem aller Graphit, der aus den siibirischen Minen kommt, zum Zwecke der Bleistiftfabrikation jetzt und für alle Zukunft einzig und allein nur an die Faber’sche Fabrik geliefert werden darf. So kommt denn in Folge des von der russischen Regierung 1856 bestätigten Vertrages jetzt der Graphit, welchen die Fabrik verarbeitet, aus dem fernen Sibirien; sorgfältig in Holzkisten verpackt, wandern die Graphitblöcke auf dem Rücken der Rennthiere eine ungeheure Gebietsstrecke, auf der keine Spur von einer Straße zu finden ist, bis zum nächsten Hafen, um von dort den weiten Seeweg nach Europa zu machen, oder sie werden lediglich auf dem Landwege zur Fabrik geschafft.
Auf der letzten internationalen Ausstellung zu London fand sich dieser sibirische Graphit in der russischen Abtheilung in großen Blöcken – bis zu achtzig Pfund Schwere – und modellirt in Büsten unter dem Namen „Graphit Alibert“ und zog als etwas Neues die größte Aufmerksamkeit auf sich.
Im September 1861 feierte die Fabrik ihr hundertjähriges Jubelfest, und wohl durfte ihr Besitzer mit einer inneren Genugthuung auf den Anfang und das nun Gewonnene zurückblicken. Wie den noch rüstigen Mann seine Familie in inniger Liebe umgiebt, so zeigte sich bei jenem Feste auch die Anhänglichkeit und Dankbarkeit, mit der ihm seine Arbeiter ergeben sind, in schlichter, aber rührender Weise. Daß dem Chef eines so großartigen Etablissements bei solcher Gelegenheit auch die äußeren Ehrenbezeigungen vom König seines Landes und von der Stadt Nürnberg nicht ausblieben, braucht unsern Lesern nicht umständlich erzählt zu werden. Freilich müssen wir beklagen, daß er nicht den Muth und das Selbstgefühl des freien Bürgers besaß, den ihm von seinem Monarchen ertheilten Adel abzulehnen, denn der strahlendste Orden, die glänzendste Auszeichnung, welche der thätige Mann empfangen konnte, wiegt unsers Erachtens leicht gegen das erhebende Bewußtsein, so viel Gutes geschaffen und so große Erfolge errungen zu haben – Erfolge, welche seine kühnsten Jugendhoffnungen weit überflügeln dürften.