Die Faschingszeit

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Titel: Die Faschingszeit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 84
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[84] Die Faschingszeit ist wieder erschienen und mit ihr treten Maskenscherz und Mummenschanz in ihre alten Rechte. Da darf denn auch der bekannte Possenreißer nicht fehlen, der in früheren Zeiten unter dem Namen Hanswurst die Bühne beherrschte, seit seiner Vertreibung von den weltbedeutenden Brettern aber auf Maskenbällen und bei karnevalistischen Aufzügen sein Wesen treibt – freilich mehr unter der aus dem Französischen stammenden Bezeichnung Harlekin. Der volksthümliche Narr Hans Wurst, der einst in keinem deutschen Theaterstücke fehlte so wenig wie noch heut zu Tage auf Marionettenbühnen der urwüchsige Lustigmacher Kaspar, war für das deutsche Volkstheater dasselbe was Jean Potage für die französische, Pickelhäring fur die holländische, Jack Pudding fur die englische und Maccaroni für die italienische Schaubühne waren und der Umstand, daß überall der Name des Lieblingsgerichtes der verschiedenen Nationen dieser grotesk komischen Figur beigelegt wurde, deutet an, daß man mit solchen an sich schon drollig wirkenden Bezeichnungen auch noch diesem wunderlichen Kauz die Eigenschaft der Gefräßigkeit andichten wollte. In Sebastian Brant’s klassischer Satire: „Das Narrenschiff“ kommt in der Ausgabe von 1519 das Wort Hanswurst zuerst vor und nach ihm wendet Luther 1541 in seiner Streitschrift: „Wider Hans Worst“, die bekanntlich gegen den Herzog von Brannschweig gerichtet war, diese Bezeichnung an. Auf die Bühne gelangte diese Gestalt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und hielt sich dort länger als zwei Jahrhunderte, zuletzt freilich nur noch ein kärgliches Dasein bei den herumziehenden kleinen Schauspielertruppen fristend.

Nach einem im Archive zu Stolberg am Harze befindlichen Schriftstück soll der Name von einer bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts in dem Dorfe Görsbach bei Nordhausen lebenden Bauernfamilie „Worst“ herrühren, deren Glieder stattliche Höfe besaßen. Graf Heinrich v. Stolberg verkaufte seinen Schafhof an „seinen lieben Getreuen ehrsamen Hans Worst“, Erbangesessenen zu Görsbach, wo derselbe auch das Amt eines Schultheißen bekleidete. Nichtsdestoweniger war die Familie wegen ihrer Grobheit, Großsprecherei und Rauflust in der ganzen Gegend berüchtigt, der vorgenannte Hans Worst aber noch außerdem wegen seiner scharfen Satire und seines beißenden Witzes gefürchtet. Alle diese Eigenschaften finden sich bei dem gleichnamigen Possenreißer der Schaubühne wieder und es ist daher sehr wahrscheinlich, daß der Ahnherr dieser Gestalt kein anderer als dieser Görsbacher Bauer ist.

Mit der Verfeinerung des Geschmackes, mit der angestrebten Veredelung der dramatischen Kunst begann auch der Feldzug gegen diese Bühnengestalt, aber es war nicht leicht, sie vom Platze zu verdrängen; denn noch immer stand sie hoch in der Volksgunst und selbst Lessing trat zum Schatze für sie ein und vertheidigte ihre Existenzberechtigung. Dennoch mußte sie, nicht zum Nachtheile der deutschen Bühne, endlich weichen und in den Cirkus oder zu Seiltänzern flüchten, wo der Hanswurst auch seinen ehrlichen deutschen Namen ablegte und mit dem englischen „Clown“ vertauschte. Die wichtigste Domäne, aus welcher er wohl niemals vertrieben werden wird, ist aber für den Hanswurst der Maskenball, und die lustige Karnevalszeit kann den ausgelassenen, stets zu tollen Späßen aufgelegten volksthümlichen Burschen nicht entbehren.