Die Gartenlaube (1858)/Heft 18

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1858
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 18. 1858.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Iffland.
Biographische Novelle von A. v. Sternberg.
(Schluß.)

„Ohne Ihre Schuld, Kind – gänzlich ohne Ihre Schuld – beruhigen Sie sich.“

„Halten Sie mich nicht, Beste; lassen Sie mich eilen –“

„Ohne mich keinen Schritt auf die Straße! Die Bösewichter, die Sie hierher gelockt, könnten noch in der Nähe sein. Ich selbst bringe Sie zur Präsidentin, und von dort, wenn es sein muß, in’s Schauspielhaus, obgleich ich einen heiligen Eid geschworen, nie die Schwelle eines Theaters zu überschreiten, auch nicht als Zuschauerin! Ja, mein Kind, diesen Schwur hab’ ich gethan; allein hier findet natürlich eine Ausnahme statt. Wollen wir uns bereit machen, zu gehen.“

„Wirklich, liebe Frau, es ist keine Minute zu verlieren.“

„Nennen Sie mich nicht Frau; ich bin unverheirathet. Ach, ich war einst jung und schön, wie Sie! Nicht so schön, nein, nicht so schön. Da können Sie mein Bild betrachten –“

„Ach – lassen Sie uns eilen. Der Boden brennt unter meinen Füßen.“

„Sie haben Recht, liebes Mädchen! Alles Andere hat Zeit, vor allen Dingen müssen wir in’s Schauspielhaus!“

Und Fräulein Erland legte ein altes Umschlagetuch um, ertheilte in der Eile dem kleinen Mädchen, das sich unterdessen eingefunden, einige häusliche Verhaltungsbefehle, und machte sich dann mit ihrem Schützling auf den Weg. Auf der Straße angelangt, sah sie sich überall um, ob keine Lauscher und Verfolger zu entdecken, als sie Niemand Verdächtiges gewahrte, bog sie mit Sophien rasch in ein Seitengäßchen. Das junge Mädchen war noch wie betäubt, und bei jedem starken Geräusch zusammenfahrend, mußte sie häufig den hülfreich dargebotenen Arm ihrer Begleiterin erfassen. Beide langten im Hause der Präsidentin an und erfuhren, daß die Frau des Hauses so wie die Dienerschaft in der größten Unruhe über das Verschwinden Sophien’s sich hierhin und dorthin vertheilt habe, um sie zu suchen. Sofort setzte man den Weg zum Schauspielhause fort. Unterwegs kam den Beiden die Präsidentin im Wagen entgegen. Schon von Weitem bog sich die freudig überraschte Frau aus dem Fenster hinaus und befahl, zu halten. Die Begrüßung war herzlich, nur wenige Worte wurden in der Eile gewechselt, Fräulein Erland wurde gebeten, mit im Wagen Platz zu nehmen, und rasch fuhr man zum Theater. Das Stück hatte schon begonnen, nachdem Iffland so lange als nur irgend möglich den Beginn hinausgeschoben hatte. Eine Schauspielerin, die die Friederike öfters schon gespielt, war an die Stelle der Vermißten getreten.

Ehe wir jedoch die drei Frauen in das Garderobezimmer Iffland’s einführen, müssen wir dem Leser die Lage des vergeblich Wartenden schildern, der in einer namenlosen Aufregung sich befand, und doch gezwungen war, mit einer solchen Centnerlast auf dem Herzen, seine Rolle vor dem zahlreich versammelten Publicum zu spielen, eine Rolle, die er sich als Festgenuß ausgedacht, und die ihm jetzt zu einer wahren Höllenmarter wurde. Schon zur Mittagstunde hatte die Präsidentin hinübergeschickt und fragen lassen, ob Sophie bei ihm sei; Iffland hatte dies verneint, zugleich aber bitten lassen, das junge Mädchen möchte rasch kommen. Sie kam nicht. Die Zeit war da, um sich in’s Costüm zu werfen – sie kam nicht. Boten auf Boten wurden ausgesendet, sie brachten die Nachricht, man wüßte nicht, wo sie sei. Die Stunde des Beginnes der Vorstellung rückte heran; die Lampen wurden angezündet, Iffland saß in peinlicher Angst und ließ sich pudern und frisiren. Jetzt kam Laura – ihr auf dem Fuße Anton. Iffland mußte gegenüber diesen Beiden, die außer sich waren, den Ruhigen, den Besonnenen spielen. Er zog die Uhr hervor, und sagte begütigend:

„Sie wird sich bei der Putzmacherin verspätet haben; es ist halb sechs Uhr, um sechs muß sie hier sein. In den ersten Scenen hat sie nicht zu spielen; es ist demnach noch Zeit, wenn sie um sechs hier ist. Freilich hatte ich sie gebeten, schon um vier Uhr bei mir zu sein.“ – Anton wirft sich leichenblaß auf einen Sessel. „Was ist Dir, mein Junge?“ fragt Iffland und versucht, sich insoweit von den Lockeneisen des Friseurs frei zu machen, daß er den Kopf wenden und zu dem jungen Soldaten hinüberschauen kann. „Was ist Dir?“

Er will mit der Sprache nicht heraus, aber ein nervöses Zittern hat ihn überfallen. Die Präsidentin verläßt das Zimmer, sie will zurück nach Hause, um dort von Neuem Nachforschungen anzustellen; kaum ist sie fort, so wirft sich Anton an die Brust seines väterlichen Freundes, und während heiße Thränen die geschminkten Wangen des Oberförsters netzen, stammelt er:

„Sophie ist entführt! Sie ist auf immer verloren. Ein Camerad hat gestern etwas erlauscht, er war Ordonnanz bei dem General Xavier; er hörte flüstern, ein verdächtiger Mensch sprach den Namen Sophie Seelfeld – ich wollte Alles nicht glauben. Ach August – August – wenn es wahr wäre!“

„Sei ruhig, Anton! Es ist, es kann nicht wahr sein!“

„Du sagst es, aber woher weißt Du es? Kann es nicht eben so gut wahr sein?“

[242] Iffland bog den Kopf des schönen Jünglings zu sich hinan, blickte in die dunklen, von Thränen blitzenden Augen, und sagte dann mit einer Ruhe und Würde, wie ein Hoherpriester:

„Ich sage, es ist nicht, es darf nicht sein! Und nun ruhig.“

„Ich werde eilen, den Cameraden aufzusuchen, aber die Caserne ist so weit!“

„Geh’ an die Luft, das heiße Zimmer paßt nicht für Dich! Stelle Dich an den Ausgang, wo die Wagen der Schauspielerinnen halten, da muß sie kommen!“

„Ach, sie kommt zu Fuße!“

„Gut, so kommt sie zu Fuße – geh – geh! Ich muß meine Uniform anziehen!“

„August, Du siehst mich entweder mit ihr wieder, oder nie. Dieser Abend entscheidet über Tod und Leben.“

„Nun, nun!“ murmelte Iffland, „junges Blut, tolles Blut!“

Er drängte ihn sanft zur Thüre hinaus. Als er allein war, gab er sich dem Eindrucke hin, den jene Andeutungen auf ihn gemacht; sie hatten seine Ruhe völlig zerstört und ihn in Angst und Schrecken gesetzt. Er kannte den General Xavier, er wußte, wessen dieser dreiste und freche Verführer fähig war, und so wenig er vor dem unglücklichen Jünglinge von diesen schrecklichen Befürchtungen kund werden ließ, um so offener gestand er sich jetzt selbst, daß jene dunkeln Gerüchte, die dem Geliebten zu Ohren gekommen, leider nur zu wohl begründet sein könnten.

Die Stunde schlug, wo das Stück beginnen sollte. In welchem Tumult, in welchem Aufruhr befand sich die Seele dessen, dem die Ehre und der Ruhm dieses Tages galt, und der sich Angesichts der Gefahren, in denen sich seine theuren Schützlinge befanden, völlig außer Stande fühlte, sich vor dem Publicum zu zeigen. Anton’s bleiches Gesicht, seine Thränen, der bange Kuß, den er wie zum ewigen Lebewohl ihm gegeben, es schnitt in seine Seele, und der sonst so sichere und feste Mann war dem Umsinken nahe, so heftig hatte sich der Schrecken seines Gemüthes bemeistert. Er trat, gepudert und geschminkt, vor das kleine Fenster und sah in die Nacht hinaus. Ein klarer Sternenhimmel hatte sich über die Erde gebreitet. Unwillkürlich faltete er seine Hände:

„Herr des Himmels!“ hauchte er leise, „hier steht ein alter Komödiant, ein Possenreißer, eines deiner unnützesten und entbehrlichsten Kinder, aber er bittet Dich, geh’ nicht mit ihm in’s Gericht. Raube ihm nicht, was er Liebes auf Erden hat, nimm ihm nicht das klare Auge, die frische Wange seines Lieblings, entziehe ihm nicht das schöne, gefühlvolle Mädchen, dessen Glück zu machen der alte Komödiant eben auf dem Wege ist. Sieh, lieber Gott, nur dieses eine Mal auf diesen alten Tempel der Musen herab, auf dieses Häuflein geschminkter Herzen und Wangen, auf diese kleine Rotte Thoren und Kinder, und erbarme dich des Elendesten unter all diesem Volke, erbarme dich deines Knechtes, des Theaterdirectors, und gib ihm nur heute Abend keines deiner bittern Trauerspiele zu kosten, die du zur Prüfung von uns armen Seelen so trefflich zu dichten und in Scene zu setzen verstehst!“

Das Glöcklein des Soufleurs läutete.

„Ich komme schon!“ stöhnte Iffland. „Ich komme schon. Ach, reißt mich nur nicht bei den Haaren herbei!“

Er hielt inne, und lauschte auf die Straße hinab, ob unter dem Geräusch der heranrollenden Wagen nicht vielleicht einer sei, der seitwärts zur Garderobenthüre abzöge. Aber es bog kein Wagen ab.

Das Glöcklein des Soufleurs läutete nochmals.

Iffland nickte still mit dem Kopfe. Sein Diener stürzte herbei: „Herr Director – Herr Director! Die Leute fangen schon an zu trommeln und zu scharren.“

„Ich komme schon!“ flüsterte Iffland so leise, als ginge der Wind unter Blumenblättern.

Friederike trat ein – ach, nicht die Friederike, auf die jetzt drei Herzen so stürmisch warteten – die Surrogat-Friederike. Sie kam, um sich gleichgültig ihren künftigen Schwiegervater anzusehen. „Herr Director,“ sagte sie, „man will, daß angefangen werde.“

„So laßt denn den Vorhang aufziehen!“ stöhnte Iffland.

Er hielt sich, einer Ohnmacht nahe, an die Lehne des Stuhles, auf dem die falsche Friederike saß und eine Bandschleife, die sich gelöst hatte, wieder am Mieder befestigte. Ach – auf sie, auf diese falsche Friederike wartete Niemand; Niemand hatte die Absicht, sie zu entführen, und um ihretwillen ging kein junger Soldat dicht am Ufer der Spree, um eine Stelle zu finden, wo er unbemerkt und sicher sich den Tod holen konnte. Die falsche Friederike lebte ihre Tage in großer Ruhe dahin.

Der Vorhang war aufgerollt. Man hörte aus der Entfernung Rudolph und Mathes sprechen, dann die Stimme Anton’s. Es folgte der dritte Auftritt, wo Rudolph und Anton zu sprechen hatten, dann der vierte Auftritt mit der Oberförsterin und nun – mußte der Oberförster heraus. Iffland ermannte sich, und überschritt festen Trittes die Schwelle des Garderobezimmers. In seinem Antlitz war ein Trotz gegen das Schicksal bemerkbar. Er ging still und groß in seinem Schmerze dahin. Wie die Lampen ihm entgegenblitzten, fühlte er, daß der Schauspieler in ihm erwachte. Alles Andere schwand auf einen Moment so, als wäre es gar nicht da. Es war die Macht der Kunst, die ihn über das Mißgeschick des Lebens erhob. Sie erhob ihn, allein sie vermochte nicht, ihn auf die Länge zu halten; mitten in seinen Reden auf der Bühne ertappte er sich, auch auf die Worte hinter der Bühne gelauscht zu haben, und zum ersten Mal während seiner Kunstlaufbahn fehlte ihm der richtige Ausdruck, die passende Gebehrde. Zum Glück für ihn war die Schauspielerin, die die Oberförsterin gab, eine treffliche, sichere und gewandte Künstlerin, sie brachte durch das Feuer und die Wahrheit, mit der sie die gutmüthige und polternde Alte gab, ihren Mitspieler immer wieder in das Geleise zurück, aus dem er sich entfernt hatte. Einmal sogar schaltete sie aus freien Stücken ein „Wie ist Dir, Väterchen, Du hörst mich so zerstreut an?“ sehr passend in die Rede ein. Die Scene mit dem Schulzen schleppte sich nur eben hin, und schon fing im Publicum ein bedenkliches Murren an, sich laut zu machen. Iffland war entschlossen, den Vorhang fallen und sich als unwohl entschuldigen zu lassen, da erscheint im achten Auftritt die Oberförsterin und mit den Worten: „da bringe ich Dir Dein Riekchen! Dein Goldmädchen!“ führte sie die wirkliche Friederike dem einen lauten Freudenruf Ausstoßenden in die Arme.

Nie war wohl ein Wiedersehen auf der Bühne so täuschend gegeben worden, und der Ausruf Ifflands: „Mädchen!“ und die darauf folgende innige Umarmung war so voll des glühendsten und wahrsten Lebens, daß das ganze Theater in einen Beifallsruf zusammenrauschte. Iffland’s gar nicht im Texte befindliche Frage: „Mein Gott, welch einen Kummer hast Du uns verursacht? Wo – wo warst Du? Laura hat Dich überall gesucht!“ wurde vom Publicum überhört, und schnell besonnen setzte die Oberförsterin ihr „Gewachsen, einen ganzen Kopf gewachsen!“ hinzu. Iffland lächelte und sagte nun in seiner Rolle: „Hast Du denn Deinen Alten wohl nicht vergessen?“ und Friederike antwortete ebenfalls aus voller Seele mit den Worten ihrer Rolle: „O Gott, können Sie mich das fragen?“

Alles war jetzt in Ordnung und ging seinen regelmäßigen Gang fort. Iffland spielte vortrefflich. Seine Freunde, die ihn in seinen besten und interessantesten Rollen gesehen, gestanden sich, daß sie noch nie solches Feuer, solche Wahrheit in seinem Spiele gefunden. Das machte, er spielte mit voller, glücklicher Seele. In den Zwischenacten hatte die Präsidentin ihm Alles erklärt, ihn von dem kleinsten Umstände der Rettung Sophiens in Kenntniß gesetzt. Er bestand darauf, Florinen zu sehen; sie hatte sich aber entfernt und es war auch jetzt keine Zeit, nach ihr zu schicken. Anton stürmte heran; auch er mußte fern gehalten werden, wenn Friederike ihre Rolle bis zu Ende spielen sollte. Mit welchem Haß, mit welcher Wuth sah der junge Soldat, hinter den Coulissen stehend, seinen Stellvertreter, den Pseudo-Anton, an, der die Geliebte in die Arme schließen durfte, von ihren Lippen das Bekenntniß der Liebe nahm, sie vor all’ dem versammelten Volke die Seine nennen durfte. Iffland zähmte das Feuer des Jünglings, indem er ihm lächelnd zuflüsterte:

„Warte nur, was der ihr da vor Aller Augen und beim Scheine von tausend Lampen sagt, wirst Du ihr weit besser in der Stille der Nacht, im verschlossenen Kämmerlein sagen. Sei jetzt Zuschauer, um später desto besser Schauspieler zu sein! Und wer zuletzt lacht, lacht am besten!“

Laura zog ihren Freund bei Seite und machte ihm scherzend Vorwürfe, daß er ihren Namen unnütz in das Spiel gemischt, und Iffland erwiderte, indem er an ihr rundes Kinn faßte:

„Seid nur still, Frau Oberförsterin! Wenn Ihr mir den Kopf warm macht, so bringe ich Euch, gute Frau, selbst auf’s Theater, Ihr mögt wollen oder nicht.“

Das Stück erreichte sein Ende. Noch ehe der Vorhang ganz [243] gefallen, ertönte Iffland’s Name, aber zugleich ein so durchdringendes Pfeifen, ein so auffälliges Poltern und Pochen, daß das sämmtliche Personal der Schauspieler, die sich auf der Bühne versammelt hatten, entsetzt zusammenfuhr.

Wem galt dieses tumultuarische Zeichen? Nicht dem Stücke, denn das war öfters und mit Beifall gegeben worden; also dem Benefizianten, dem Helden dieses Abends, dem bewunderten und hochstehenden Künstler.

Iffland stand und horchte. Wieder ertönte sein Name und wieder Zischen und Pfeifen! Keinem Zweifel unterlag es weiter, daß es dem Benefizianten galt. Eine große, vielleicht überwiegende Partei war da, die ihn demüthigen, ihn vernichten wollte. Und das gerade an diesem Abende! Welche schneidende Contraste! Niedergeschmettert stand er da, Anton in einem, Sophie im andern Arme haltend – plötzlich riß er sich aber los. Eine Leichenblässe verbreitete sich über sein Antlitz, seine Muskeln spannten sich in Stolz und Wuth, sein Auge rollte.

Mir das!“ rief er heimlich und wildglühend in sich hinein. „Also heute Abend sollte der langverhüllte und langgenährte Groll gegen mich ausbrechen! Heute, wo ich meinen Ehren- und Festtag halte! Heute will man mich vernichten, auf immer zu Boden schmettern! Gut, sie sollen es haben; ich betrete diese Breter nie wieder. Doch ehe ich scheide, will ich ein männlich schneidend Wort zu diesen Unwürdigen sprechen.“

Das Getobe hinter dem Vorhange dauerte fort. Jetzt riefen dicht hinter den Lampen laut eine Menge Stimmen: „Iffland!“ Er befahl, den Vorhang aufzuziehen; Alles flüchtete von der Bühne fort, er stand allein. Kaum hob sich der Vorhang und er stand dem Publicum gegenüber, das sich von seinen Sitzen erhoben hatte, so bemerkte sein scharfes Auge sogleich das Wehen eines Taschentuches von einer der vorderen Logen und sogleich tönten wieder Zischen und Pfeifen. Da bog sich aus der königlichen Loge eine schöne Frau mit dem huldvollen Lächeln der Ueberraschung und Freude weit über die Brüstung herüber und aus ihrer Hand flog ein Blumenkranz auf die Bühne. Jetzt schwiegen, wie mit einem Zauberschlage gedämpft, die Zischlaute und das ganze Haus tönte von Beifall wieder. Iffland eilte freudig an die Lampen heran, nahm den Kranz, drückte ihn ehrfurchtsvoll an seine Lippen und verbeugte sich, die Hände über die Brust gefaltet, gegen die Loge. Sein Sieg war entschieden, der Triumph des Abends laut ausgesprochen! Berlin jauchzte seinem großen Künstler zu. Die Hyder des Neides und der Bosheit war zu Boden geworfen.

Auf den Treppenstufen stand ein Mann, der trotz der milden Nacht in einen Pelz gehüllt war. Iffland, der die Seinigen vorausgeschickt hatte, bemerkte ihn kaum, da rief eine bekannte Stimme:

„Theurer August, laufen Sie gefälligst nicht so toll dahin, grüßen Sie gefälligst Ihre Freunde, die sich Ihretwegen in bitterer Kälte einen Rheumatismus holen.“

„Ach – Roland!“ rief Iffland, „Du hier! Also hat die Furcht vor der Zugluft Dich nicht abgehalten? Habe Dank, alter Freund! Komm mit mir in den Wagen.“

„Nein,“ sagte der Collaborator, „ich kann noch nicht fort von hier; ich habe ein Rendez-vous. Ich bitte Dich, störe mich nicht.“

„Du ein Rendez-vous!?“ lachte Iffland. „Du!“

„Wo mir recht ist. lauscht meine Dame bereits dort hinter dem Möbelwagen.“

„Warum kommt sie denn nicht hervor?“

„Einfältige Frage: weil sie sieht, daß ich nicht allein bin. Ach – gerade heute muß mich der Kuckuck plagen, Schuhe und Strümpfe anzuziehen, aber es ist Alles Deinetwegen geschehen, nur an Deinem Ehrentage. Und dann, es wäre doch auch möglich gewesen, daß Ihre Majestät, die Königin, mich in der Menge bemerkt hätte; alsdann hätte es nicht gepaßt, mich Ihr in Stiefeln zu präsentiren. Du weißt, man hat stets gesagt, ich hätte ein schönes Bein. Doch das bei Seite; ich glaube, die Königin hatte diesen Abend nur Augen für Dich! O, Du Beneidenswerther.“

„Das bin ich auch!“ sagte Iffland stolz. „Aber wer ist denn Deine Dame?“

„Du wirst sie schon sehen, wenn sie erst hinter den, Möbelwagen hervorkommen wird. Ich fand sie hier am Eingange des Hauses. Als alle Welt hineinging, ging sie heraus, und der Zufall wollte, daß wir beim Scheine einer Laterne fast Gesicht an Gesicht stießen. Obgleich sie mich auf mein Hühnerauge trat, so kann ich Dir zuschwören, daß mir der Schmerz verging, als ich das alte, liebe Gesicht sah. Herr Gott! rief ich. – Herr Jes! rief sie. Ich wollte ihre Hand erhaschen, da fuhr eine Droschke dazwischen und die Peitsche des Flegels von Kutscher trieb uns auseinander. Sie flog an diese Säule, ich an jene. Nur so viel Zeit blieb mir, ihr zuzurufen: „Wo sehe ich Sie wieder?“ „Wenn es aus ist, hier an dieser Stelle!“ flüsterte sie. Und wieder eine Droschke, und wieder ein Peitschenknall. Als der Tumult sich legte, war der Platz leer und meine Dame fort.“

„Das ist seltsam.“

„Jawohl ist das seltsam. Ich habe dabei ein Kampherstöpselchen aus dem Ohre verloren. Aber was verliert man nicht willig, wenn man so viel findet?“

„Aber wen, wen hast Du gefunden?“

„Ich bitte Dich, jetzt gehe! Ich sehe dort einen Schatten auf uns zukommen! Der kleine zerdrückte weiße Hut mit der einen geknickten Feder, der blaßgelbe Shawl! Sie ist es. O, wie unvorsichtig ist dieses thörichte Mädchen, so leicht bekleidet in diesem Klima sich hinauszuwagen.“

„Nimm sie unter Deinen Pelz!“

„O, pfui, sei nicht noch muthwillig. Wenn Du wüßtest, wie mir zu Muthe ist! – Ach – ach! sie kommt! Vielleicht ist es passender, ich gehe mit ihr zusammen hinter den Möbelwagen. Wir sind da geschützter! Was meinst Du?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, entschlüpfte der Collaborator dem nachschauenden Freunde.

Zwei Männer gingen jetzt an dem Schauspieler vorüber, der sich nach seinem Wagen umsah. Einer dieser Männer war klein, zusammengedrückt, im Gange schleichend: Iffland erkannte Fellmer. Von seinem Genossen hörte er nur mit scharfer Stimme einige Worte:

„Sie sind ein Armseliger, ein Feigling! Es thut mir leid, Ihnen den wichtigen Posten anvertraut zu haben. Sie standen dicht unter meiner Loge, Sie mußten sehen, wie ich das Zeichen gab, und haben doch nichts zur rechten Zeit gethan. Die Kerle hätten gleich brüllen sollen, wie er auftrat. Da war aber Alles still. Ich konnte mit meinem Tuche winken, so viel ich wollte.“

„Herr Graf,“ tönte die Gegenrede, „wir hatten ausgemacht, daß am Schlusse –“

„Nun – und am Schlusse? Was haben Sie denn da gethan? Ist denn nicht Alles gerade so gegangen, wie es nicht gehen sollte?“

„Mein Gott – Ihre Majestät –“

„Narrheit! Hätten wir ärger gewüthet, wäre die Königin nicht erschienen. Ich habe mein Geld umsonst weggeworfen.“

„Wir finden wohl noch eine andere Gelegenheit, Herr Graf; entgehen wird er uns nicht. Dieser Schade ist noch der geringste, ein Anschlag anderer Art, den ich klug geleitet und gesponnen, leider ist der auch mißglückt. Teufel! das ist etwas, was mich wahrhaft wurmt –“

Bis dahin hatte die schnarrende Stimme gesprochen, da fühlte sich der Sprecher von einem starken Arme gefaßt.

„Nichtswürdiger!“ rief Ifflands Stimme, „Du folgst nur sogleich und gibst Rechenschaft.“

Zwei herbeigerufene Diener der Polizei bemächtigten sich Fellmer’s. Sein Begleiter, der Niemand anders, als der Graf Sylchon war, entfloh.

So endete ein sehr stürmischer und sehr inhaltreicher Abend.




VII.

Ein anhaltendes Unwohlsein hielt den gefeierten Künstler über drei Wochen nach der Benefizvorstellung in seinem Zimmer gefesselt. Die Erschütterung seines Gemüths war zu heftig gewesen, als daß sie hätte ohne Folgen sein können. Laura wachte an seinem Bette und pflegte den Fieberkranken. In den Stunden seiner Genesung spielte sie ihm seine Lieblingslieder auf der Harfe vor. Er hatte hastig nach Anton verlangt, man mußte ihm verheimlichen, daß der Jüngling sich in Haft befand, in Folge eines tollkühnen Versuchs, den General zur Rede zu stellen. Die Rache des Mächtigen war dadurch gereizt und es schwebte die für ein schweres Subordinationsvergehen festgesetzte Strafe über dem Haupte des Unglücklichen. Die Freunde waren thätig, aber sie vermochten [244] nichts auszurichten. Sophie befand sich im Forsthause. Das liebenswürdige Mädchen schmeichelte sich durch täglichen Umgang in das Herz der redlichen, alten Frau, und es gelang ihr, selbst die Starrheit des Vaters nach und nach zu lösen, indem ihr der günstige Eindruck, den das Schauspiel auf den Alten gemacht, vorarbeitete. Er schrieb an Iffland:

„Ich fange an, zu glauben, daß, nachdem ich Dich habe Komödie spielen sehen, es doch auf den mir so verhaßten Bretern ehrliche und brave Menschen geben kann, die Gott, ihren Nebenmenschen und der guten Sache dienen, wenn es auch nicht auf die Weise geschieht, wie wir Andern es thun. Mein Anton hat seinen Kopf aufgesetzt und da er eben so eigensinnig ist, wie der Anton im Stücke, und ich ihn eben so lieb habe, wie mein Amtsbruder im Stücke seinen Anton lieb hat, so – nun, das Weitere wird sich finden. Der Wald steht jetzt im besten Flor; komm bald zu uns heraus oder erlaube, daß ich mit meiner Alten zu Dir komme; Riekchen, oder vielmehr Mamsell Sophie, muß doch säuberlich von uns dort wieder abgeliefert werden, von wo wir sie bekommen, sonst passirt es zum zweiten Male, daß ein herumstreifender Spitzbube, wie Ihr sie in Euren Städten groß zieht, sie meinem Jungen vor der Nase wegfischt.“

Dieser Brief trug sehr viel zu Ifflands Genesung bei. Sein erster Ausgang war in das Haus der Ministerin, die ihn hatte zu sich bitten lassen. Er traf eine kleine, aber auserlesene Gesellschaft beisammen, in der sich auch die Gräfin Wellenthal befand. Die Vorgänge der letzteren Wochen waren diesem Kreise nicht fremd geblieben; doch war es dem vornehmen und angesehenen Wüstlinge, um dessen Verbrechen es sich hier besonders handelte, gelungen, alle Schuld von sich zu wälzen und jede Spur eines Mitspielens in diesem unglücklichen Drama zu tilgen. Iffland wußte um die Künste, die der Freche angewendet hatte, vor der Welt sich die reiche Braut und den Namen eines ehrlichen Mannes zu bewahren, und er beschloß, sie zu nichte zu machen. Seine Gönnerin, die Gemahlin des Ministers, war seine Vertraute und Helferin. Auch ihr lag Alles daran, die Freundin aus ihrem Wahne zu reißen, sie den Charakter des Verhaßten klar sehen zu lassen, wo denn nothwendig das Bündniß getrennt werden mußte. Die Aufschlüsse, die man der Gesellschaft geben, die Strafe, die man den Schuldigen zukommen lassen wollte, mußte in die Form eines gesellschaftlichen Scherzes eingekleidet werden. Iffland entwarf rasch den Plan eines kleinen Drama’s, in welchem nur er allein agirte. Seine Gabe, fremde Stimmen täuschend nachzumachen, kam ihm dabei trefflich zu statten. Es wurden Sprüchwort-Spiele aufgeführt, und als die Gesellschaft eine Anzahl derselben bereits gesehen und sich daran erfreut hatte, wurde geschickt das betreffende Stück eingeschoben. Die Bühne stellte den Gang in einem Gefängnisse vor, zur Rechten und zur Linken zwei vergitterte Thüren.

Iffland erschien. Er stellte einen Fürsten vor, der sich in den Kerker begeben hatte, um selbst zu hören und zu sehen, weshalb und wie man die Strafbaren eingeschlossen. Nachdem er bereits ein paar Gemächer durchspäht, näherte er sich der Gitterthüre zur Rechten. Er fragte, weshalb der Gefangene hier eingeschlossen sei, und eine bekannte Stimme, die Iffland täuschend nachmachte, indem er sich halb wie lauschend in die Coulisse bog, erwiderte: „Man hat mich eingesperrt, weil ich mich lächerlich gemacht habe.“

„Ach,“ sagte Iffland, „das ist allerdings ein großes Verbrechen, ja, ich möchte behaupten, das größte, welches sich innerhalb der Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, begehen läßt. Doch wie hast Du Dich lächerlich gemacht, mein Freund?“

„Einen harmlosen Scherz,“ entgegnete die Stimme, „wollte ich dadurch rächen, daß ich gegen die Ehre, die Ruhe, ja gegen das Leben eines ehrlichen Mannes zu Felde zog.“

„Wer war dieser ehrliche Mann? War er etwa aus Deinem Stande?“

„O nein! alsdann hätte ich ihn zu schonen nöthig gehabt; es war nur ein elender Komödiant.“

„Wie!“ rief Iffland, „hör’ ich recht! Gerade dieser elende Komödiant hat mich, dem Fürsten, gebeten, Dir die Freiheit wiederzugeben. Geh’ – und wenn Du künftig wieder Helfershelfer dingen willst, um den elenden Komödianten öffentlich beschimpfen zu lassen, so wisse, daß seine Börse Dir zu diesem Behufe zu Gebote steht.“

Man lachte, und Graf Sylchon, der gegenwärtig war, verschwand in dem Augenblicke, als er seine eigene Stimme aus dem Gitter des Gefängnisses hatte ertönen hören. Wenige Tage darauf verließ er Berlin, nachdem er einem Freunde geschrieben:

„Es ist unmöglich, mit diesem Teufel von einem Possenreißer Krieg zu führen und Sieger zu bleiben. Ich gehe um meinen Abschied ein und sehe Berlin nie wieder.“

Vor der zweiten vergitterten Thüre stehen bleibend, richtete der Fürst obige Frage auch hier an den Eingekerkerten. Auch hier antwortete eine der Gesellschaft bekannte Stimme:

„Frage nicht, Fürst, nach meinem Vergehen; nur eine Frau kann mir verzeihen, und ich zweifle, daß sie es thun wird, wenn sie den ganzen Umfang meiner Schuld inne wird.“

„Alsdann wende Dich an die, welche Du am tiefsten beleidigt hast; ich habe hier nichts zu thun,“ entgegnete der Fürst.

Alle in der Gesellschaft wußten, auf wen sich diese Worte bezogen, allein man hütete sich wohl, die Gräfin anzublicken, die, in ihren Shawl gehüllt, in den Polstern ihres Fauteuils lag, scheinbar völlig unberührt von dem, was sich ihrem Auge und Ohr darstellte. Nur die Ministerin konnte es nicht lassen, einen besorgten Blick auf ihre Freundin und einen höhnenden auf den General Xavier zu richten, der ihr zur Seite am Eingange der kleinen Bühne lehnte.

Wenige Tage darauf wurde dem Hofe und der Gesellschaft bekannt gemacht, daß das Verlöbniß des Generals mit der Gräfin Wellenthal gelöst worden. Iffland erhielt von seiner schönen Gönnerin eine goldene Tabatière mit einem Zettel darin, auf dem die Worte standen:

„Groß auf der Bühne, größer außer derselben.“

Wir eilen jetzt zum Schlüsse unserer Erzählung. Daß Anton und Sophie sich im glücklichen Bunde für’s Leben vereinten, erräth nun wohl der Leser. Daß aber in der festlich ausgeschmückten Wohnung des berühmten Schauspielers noch ein zweites Paar an demselben Abende sich ein feierliches, gegenseitiges Gelöbniß that, möchte der freundliche Beschauer, der bis hierher unser Gemälde betrachtet hatte, nicht so deutlich haben vorhersehen können. Es war der Collaborator, der seine Florine heimführte. Iffland’s Freude über dieses zweite Bündniß war nicht geringer, als über das erste. Der Collaborator aber verbat sich alle zu sehr aufregenden Bemerkungen und Glückwünsche und ging gerade an diesem Abende eine halbe Stunde früher zu Bette, indem er behauptete, daß eine Hochzeit bei so vorgerückten Jahren kein Fest, sondern nur eine neue, bequeme und diätetische Anordnung sei, die, wie jede medicinische Vorschrift, in der größten Ruhe und ohne alle Störung vorgenommen werden müsse. An der Abendtafel wurden die Toaste ausgebracht:

„Anton und Sophie – Ottokar und Florine.“

Iffland setzte in seliger Freude hinzu: „Und August und Laura.“

Die Präsidentin reichte ihm die Hand über den Tisch hin und der Präsident fügte hinzu: „Hierbleiben!“

„So sei es!“ rief Iffland, „aber nun laßt uns auch die Gläser erheben auf das Wohl von Preußens schönster und hochgestelltester Frau.“

Mit dem Namen „Louise“ erklangen hell die Gläser.




Eine Reise im Apenninengebirge – – des Mondes.
Ein Beitrag zur Verbreitung naturgemäßer Ansichten von H. Wendel.
Erster Artikel.

Wie mag es denn wohl auf dem Monde eigentlich aussehen? Mag es dort auch Menschen, Thiere, wie bei uns, geben? – Diese und ähnliche Fragen hat sich wohl Jeder schon einmal gestellt. Es dürfte darum gewiß von allgemeinem Interesse sein, eine genauere Schilderung der dortigen Natur zu hören. Von Zeit zu Zeit sind zwar einzelne solche Unternehmungen in’s weitere

[245]

Die Mondoberfläche.[1]

Publicum gedrungen, allein meist waren es nur Phantasien, und wollten auch nichts Anderes sein, als blose „Träume.“ Diese kann sich aber Jeder selbst bilden, sobald es eben erlaubt ist, willkürlich zu fingiren und auszuschmücken. Ganz anders ist es dagegen, wenn man „nur Wahrheit, nur Thatsachen“ zu wissen verlangt. Wie schwierig dann die Fragen zu lösen sind, brauche ich nicht erst nachzuweisen. Die Meisten werden sogar bezweifeln, daß unter dieser Bedingung jemals auf diese Fragen genügend geantwortet werden könne. Der Wissenschaft ist es indeß wirklich gelungen, ein treues und ziemlich vollständiges Bild der Mondnatur zu entwerfen, und wenn auch mancher der verehrlichen Leser Vereinzeltes über den Mond gehört hat, so dürfte es für ihn vom höchsten Interesse sein zu erfahren, welches der neueste wissenschaftliche Standpunkt sei, auf dem unsere Kenntniß vom Monde angekommen ist. Folgende Schilderung hat den Zweck, diesem fühlbaren Mangel in unserer populären Literatur abzuhelfen.

Um dem verehrlichen Leser ein recht anschauliches Bild von jener fremden Welt vorzuführen, wählte ich, wie die Ueberschrift sagt, die Form einer Reisebeschreibung. Allein jenem umfassenderen Zwecke gemäß strebte ich die Natur des ganzen Mondes zu schildern, indem ich das Allgemeine an das Specielle anzuknüpfen suchte. Ich habe die ganze Schilderung in vier Abtheilungen gruppirt, von denen die erste „das Verhältniß des Mondes zur Erde“ behandelt, weil hierüber die meisten Ansichten [246] des weitern Publicums theils ganz falsch, theils nur halb wahr sind. Es ist dieser Theil, streng genommen, nicht eigentlich Reiseschilderung, jedoch nothwendig. Denn wie Jemand, der auf Reisen gehen will, sicher zunächst gewisse Vorkehrungen treffen und nicht ungerüstet drauflos marschiren wird, so ist auch diese Mondreise erst vorbereitender Begriffe bedürftig. Sie dürften übrigens ebenso belehrend und berichtigend sein, als die Reiseschilderungen selbst, und ebenso, wie letztere, für die meisten Leser Neues enthalten. Zum Beweis will ich nur das Eine daraus verrathen: „die Erde ist eigentlich kein Planet, sondern selbst blos ein Mond.“ – Man betrachte diesen ersten Theil als Einleitung, die über das Reiseziel im Allgemeinen handelt.

Die zweite Abtheilung wird „Streifzüge im Apenninengebirge des Mondes selbst“ enthalten, die dritte „Blicke vom Gebirge aus in das Mond-Flachland“, die vierte „eine Nacht auf dem Monde“ und die letzte, die fünfte „Schlußbemerkungen über den Mond.“


I.
Verhältniß des Mondes zur Erde.

Fast das ganze Publicum glaubt, daß der Mond sich um das Centrum der Erde drehe und diese wieder um das Centrum der Sonne. Schon diese so tief und weit um sich gewurzelte Ansicht ist nicht eine der Natur gemäße, wenigstens eine ungenaue. Denn nicht die Erde, sondern „das Erdsystem“ macht seinen jährlichen Lauf um die Sonne. Zu diesem Erdsysteme gehören Erde, Mond und der diesen beiden gemeinschaftliche Schwerpunkt. Eigentlich ist es letzterer, welcher jene Bahn beschreibt, und erstere, also Erde und Mond, sind nur die beiden Pole des Erdsystems. Ständen wir in hinreichender Entfernung von der Erde, so würde Erde und Mond uns nur als ein Stern erscheinen, kämen wir dann näher, so würde das Erdsystem sich als ein Doppelstern zeigen. Man kann also das „Erdsystem“ als einen Himmelskörper auffassen, dessen Centrum eigentlich jener Schwerpunkt ist. Allein bei der Entstehung des „Erdsystems“ concentrirte sich alle Materie an jenen Polen zu dichter Masse, so daß diese beiden, natürlich einander entgegengesetzten Pole zu materiellen Theilen des Erdsystems wurden, während die übrigen nur als ideelle anzusehen sind, oder wenigstens als aus ganz verschwindend dünner Materie bestehende. Aber auch jene zwei materiellen Theile sind durchaus nicht von gleicher Dichtheit, denn die Masse desjenigen Poles vom Erdsysteme, den wir bewohnen, ist beinahe noch einmal so dicht, als die des Mondes.[2] Ja die Dichtheit ist sogar an einem und demselben Pole bedeutend verschieden. Denn offenbar ist Luft viel dünner als Fels, und zur Materie der Erde gehört bekanntlich nicht blos Stein, sondern auch Wasser und Luft. Bedenkt man nun, daß die Kraft des einen Poles im Verhältnis; zum andern nicht blos dichter wurde, sondern auch mehr Materie concentrirte, als das Erdsystem entstand, so folgt daraus, daß diese beiden Kräfte an den Polen des Erdsystems von verschiedener Intensität seien und daß namentlich der Erdpol, der eine so gewaltige Kugelmasse, als die Erde ist, zusammen ballen konnte, der stärkere sei. Die Gründe aber, warum der eine Pol in jener Zeit voll tiefster Geheimnisse, als Gott die Welten aus Nichts schuf, ein solches Uebergewicht erhielt, hat die Wissenschaft noch nicht völlig evident aus den bis jetzt erkannten Naturgesetzen nachzuweisen vermocht. Und zweifelnd wird man fragen können: wird dies jemals dem Menschen vergönnt sein, so lange er an die Grenzen seiner Erdnatur gebunden ist? Sein Ohr, sein Auge etc. bezeugen, daß sie nur für die Erdnatur geschaffen sind, so daß sie nicht einmal für die Natur unseres nächsten Himmelskörpers, des Mondes, passen, wie die folgenden Mondschilderungen beweisen werden. Wie sollte da der Mensch, dessen Denken allein aus den Sinnen hervorwächst, wie die Blume aus dem Fruchtlande, mit seinen erdgebornen Begriffen den Urgrund alles Seins durchdringen können!

Einst staunte man nur stumm und dumm die Wunderwerke Gottes an, Erklärungsversuche des Verstandes galten für Verbrechen; später wollte man Alles erklären können, wie altkluge Kinder von beschränkter Einsicht. Jetzt erkennt man das Factum an, Erklärung wird nur zugelassen. Es läßt sich aber als Thatsache nicht leugnen, daß fast ein halb Hundert[3] Kugeln, deren jede so groß wie der Mond wäre, nöthig sein würden, um eine Kugel von der Größe unserer Erde daraus zu machen.

Jene zwei Pole des Erdsystems bewegen sich um dessen Schwerpunkt ganz so, wie sich zwei Monde um einen Planeten bewegen. Mithin wohnen wir Erdenmenschen eigentlich auf einem Monde, und zwar auf dem größeren Monde des Erdsystems. Wenn wir sagen: „die Erde sei der Hauptplanet und der Mond nur sein gehorsamer Trabant“, so ist dies Selbstüberhebung von uns, doch noch genug Bescheidenheit im Verhältnis; zu unsern Vorfahren, die bekanntlich gar meinten, daß nicht blos der Mond, sondern auch die Sonne und alle übrigen Sterne um unsere Erde sich drehten.

Die Erde ist also nicht viel vornehmer, als der Mond. Die Wissenschaft weiß jetzt sogar, daß beinahe Mond und Erde, jeder für sich, ein selbstständiger Planet geworden wäre. Denn es ist gewiß, daß ein Mond, der vielleicht in eben der Zeit (oder gar eher) sich um seinen Hauptplaneten bewegt hat, während dieser sich um sich selbst drehte, gar nicht sich hätte erst bilden können. Seine Materie würde zur Masse seines Hauptplaneten übergegangen sein, d. h. dazu gezählt werden müssen. Ferner ist es eben so gewiß, daß, wäre die Umlaufszeit eines Mondes gleich oder größer, als die Umlaufszeit seines Planeten, jener nicht Mond geblieben sein, sondern selbstständig als Planet die Sonne umkreist haben würde. Die Wissenschaft beweist ferner, daß die Umlaufszeit eines Mondes diesen beiden Grenzen auch nicht nahe kommen dürfe. – Hält man diese Wahrheiten fest und prüft man daran unsern Mond, so findet man, daß er der obern Grenze weit näher kommt, als irgend ein anderer Mond. Wie weit dies wahr sei, möge der Leser selbst entscheiden. Ich füge deshalb einige specielle Angaben hinzu, durch die unser Mond mit den Monden anderer Planeten verglichen werden kann.

Würden wir auf einem Monde des Jupiter oder des Saturn oder des Uranus stehen, so würde es uns scheinen, als wenn der zu jenem Monde gehörende Hauptplanet einen mindestens 35 Mal größern Durchmesser habe, als die Sonne; ja, von einigen Monden aus sogar einen 400 bis 800 Mal größern. Stellten wir uns dagegen auf unsern Mond, so erschiene die Erde nur 31/2 Mal so groß, als die Sonne. – Die Monde der genannten drei Planeten machen mehrere hundert Umläufe während eines Umlaufs ihres Planeten, ja, der innerste Saturnusmond sogar 11,000, dagegen unser Mond nur 13. – Die Störungen, welche jene Trabanten aufeinander gegenseitig ausüben, sind weit beträchtlicher als die, welche sie durch die Sonnenanziehungen erfahren. Ihre Bahnen sind sehr wenig gegen die Ebene des Aequators ihres Hauptplaneten und beträchtlich gegen seine Bahn geneigt; bei unserm Monde sehen wir das Gegentheil. Das Perisaturnium des Huygenischen Saturnmondes vollendet (nach Bessel’s Untersuchungen) seinen Umlauf um den Himmel in 710 Jahren und seine Knoten in 36,500 Jahren; bei unserem Monde sind die Zahlen = 8,8 und 18,6 Jahre. – Während eines seiner Jahre erblickt der Jupiter gegen 4500 Verfinsterungen seiner Monde und etwa die gleiche Anzahl Sonnenfinsternisse; unser Mond bietet uns deren etwa zwei im Jahre. Gewiß groß und auffallend sind diese Verschiedenheiten!

Die Behauptung, daß der Mond beinahe neben der Erde, trotz seiner verhältnißmäßig geringen Entfernung, ein Planet geworden wäre, mag vielen Lesern kühn erscheinen, weil sie neu ist, allein jene Möglichkeit ist durchaus nicht so unglaublich, da wir Aehnliches bereits anderwärts im Welträume haben. Ich meine das System, das zwischen Mars und Jupiter ebenfalls um unsere Sonne kreist, – die Planetoiden Ceres, Pallas etc. Hier haben sich sogar noch mehr als zwei selbstständige Planeten neben einander gebildet, und zwar so nahe, daß ihre Bahnen sich öfters kreuzen. Dies System hat somit das in der That entwickelt, was in unserm Erdensysteme nur als nahe Möglichkeit schlummert. Deshalb läßt sich auch wieder umgekehrt von den Planetoiden behaupten, daß, wäre einer der kleinen selbstständigen Planeten genug mächtig geworden, als das System sich zu jetziger Form ausprägte, so würden alle die andern benachbarten Planetoiden nur Monde vom ersteren geworden sein, die sich also nicht so direct, wie jetzt, um die Sonne hätten bewegen können, sondern es zunächst um den unter ihnen mächtig gewordenen Planeten hätten [247] thun müssen. – Bis jetzt hatte sich noch die rohe Meinung erhalten (und zwar nicht blos in Schulbüchern), daß jene Planetoiden die einzelnen Stücke eines einst geplatzten Planeten seien! Ich will hierzu kein Wort verlieren.

Es verhält sich mit den Systemen der Himmelskörper ganz so, wie mit den Staatensystemen des politischen Lebens. Während jenes Planetoidensystem sich in kleinere selbstständige Körperschaften auflöste, deren jede ihre eigenen Wege geht, so hat das Erdsystem noch seine Einheit erhalten durch die Furcht vor dem Gesetze; ich meine den Gehorsam vor jenem Schwerpunktsgesetze. Diesem mußte sich die Erde unterordnen, weshalb sie nicht den von uns geträumten bevorzugten Stand erhielt, sondern den eines bloßen Vasallen. Der bis jetzt unbeachtet gebliebene Kronprätendent ist jener „Schwerpunkt des Erdsystems.“

Wo aber ist denn eigentlich dieser neue Herrscher? werden die Leser fragen. Daß jener Punkt zwischen dem Centrum der Erde und dem des Mondes sein muß, versteht sich von selbst, und daß er der Erde viel näher als dem Monde sei, läßt sich errathen; denn wie alle ungehinderte Körper auf der Erde nach deren Mittelpunkte (ihrem specifischen Schwerpunkt) zu fallen streben (was man bekanntlich „Schwere“ eines Körpers nennt), so haben auch Mond und Erde wiederum das Streben, nach dem ihnen gemeinschaftlichen Schwerpunkt[4] zu fallen. Die Erde ist aber 88 Mal schwerer, als der Mond. Man weiß dies bestimmt, denn man hat sie gewogen. Was! wird mancher Leser ausrufen, der recht lebhaft diese zwei furchtbar großen Klumpen mit ihren Bergen und Gebirgen im Geiste vor sich sieht. Allerdings hat man sie gewogen, wenn auch nicht mit einer Krämerwage, und man hat sich überzeugt, daß der Mond 14,770 Trillionen Centner schwer sei, die Erde dagegen 1,300,000 Trillionen Centner. Deshalb läßt sich erwarten, daß die Erde bedeutend näher an jenen „Schwerpunkt“ sank (wenn es erlaubt ist, der Anschaulichkeit halber so zu sagen), und zwar hat man berechnet, daß der letztere Punkt nur noch 584 Meilen vom Erdcentrum nach der Mondseite zu entfernt ist.

Doch bleibt sich diese Entfernung nicht immer gleich, indem die Erde öfters noch näher sinkt, manchmal sogar um 36 Meilen; öfters dagegen ist sie, durch andere Umstände genöthigt, jenem „Punkte“ ferner, was sich ebenfalls bis zu 36 Meilen steigern kann. Wann dies geschieht und wo im Weltenraume und wie weit an jedem einzelnen Tage, jeder Stunde und Minute das Erdcentrum von jenem „Punkte“ entfernt sei, – alles dies vermag die Wissenschaft genau voraus zu berechnen.

Da wir aber von unserer Erdoberfläche bis in den Mittelpunkt der Erde 8–900 Meilen haben, so folgt daraus, daß jener „Schwerpunkt des Erdsystems“ immer noch unter der Erdkruste in der Richtung zum Erdmittelpunkte liegt. Jener gewiß Vielen geheimnißvolle „Punkt“ ist also 275 Meilen tief, senkrecht unter unsern Füßen (natürlich, wenn der Mond gerade über uns steht). Könnte man mit einem Dampfwagen zu diesem „Schwerpunkt des Erdsystems“ fahren, so würden wir schon in 4–5 Tagen dort sein können, während, wenn wir zu dem Monde auf einer Eisenbahn reisen wollten, wir über 2 Jahre lang fahren müßten, ehe wir dort anlangten.

Wie wichtig diese rechte Auffassung unseres Erdsystems sei, wenn man die Natur des Mondes nicht so ungerecht beurtheilen, wie es gewöhnlich bis jetzt geschehen ist, wenn man vielmehr sie richtig begreifen will, – wird sich dem Leser bald zeigen. Ich gebe aber gern zu, daß es nicht für Jeden etwas Leichtes sein wird, sich einen Körper, der zum Theil nur ideelle Theile hat, klar zu denken, da man hierbei die gewöhnliche Steifheit des Vorstellungsvermögens überwinden und es zur nöthigen Biegsamkeit heraufbilden muß. Anhaltende philosophische, besonders aber mathematische Beschäftigungen erleichtern es sehr, da sie vielfältige Gelegenheiten bieten, sich in solche, für Laien meist subtile Objecte hineinzudenken. So hat es z. B. die Mathematik mit „Rotationskörpern“ zu thun, die doch durchaus keine materiellen Bestandtheile enthalten; man berechnet die Größen der Rotationskörper, die also Größen sind, und doch nur aus ideellen Theilen bestehen. Leser, die sich den Körper des Erdsystems nicht deutlich vorstellen können, mögen sich das Verhältniß der Erde und des Mondes zu jenem Schwerpunkte vielleicht dadurch veranschaulichen, indem sie an einen zweiarmigen Hebel denken. Der eine Hebelarm ist hier sehr kurz, an ihm hängt aber eine sehr große Last; der andere Arm ist verhältnißmäßig sehr lang, an ihm zieht ein kleineres Gewicht; letzteres ist der Mond, ersteres die Erde. Der Punkt des Hypomochlion, also die Stelle an dem Hebel, die man unterstützen müßte, wenn beide Hebelarme sich das Gleichgewicht halten sollten, ist jener „Schwerpunkt des Erdsystems.“ Freilich sind auch hier wieder die Arme des Hebels ideell, und der Leser wird immer wieder die alte Schwierigkeit vor sich haben.

Soll sich aber der Leser diese zwei anscheinend himmelweit verschiedenen und für sich selbstständigen Körper, Erde und Mond, zu einer Einheit verbunden, als ein Ganzes denken, so wird noch besonders zweierlei ihm darüber Bedenken verursachen, nämlich die furchtbare Größe und die ungewöhnliche Form.

„Der Mond,“ wird Mancher sagen, „ist so viele Tausend Meilen von der Erde entfernt, und sie sollten zusammen zu einem Körper gehören? Wie furchtbar groß müßte da dieser sein!“

Allerdings, es gehört eine gewisse Kühnheit des geistigen Fassens dazu, die Möglichkeit jenes Körpers zu begreifen; allein diese Zaghaftigkeit werden nur solche Leser haben, die sich noch wenig mit Astronomie beschäftigt haben, und folglich noch nicht sich an die Ungeheuern Dimensionen der Unendlichkeit des Universums gewöhnt haben. Doch ich erinnere die Leser, daß sogar in unserm eignen Sonnensystem ein Körper ist, der mehr als noch einmal so groß ist, ein Körper, der dazu aus lauter materiellen, und, soweit unsere Kenntniß geht, ziemlich gleich dichten Theilen besteht. Gegen diesen gehalten, ist der Körper des Erdsystems sogar klein zu nennen. Jener Körper ist – unsere Sonne. Denkt man sich nämlich die, Sonnenkugel als hohl, und denkt man sich unsere Erdkugel, ganz so groß, wie sie wirklich ist, in die Mitte der hohlen Sonnenkugel, so würde trotzdem noch so viel Platz in letzterer sein, daß die Mondkugel in ihrer natürlichen Größe sich rings um die Erde bewegen könnte, und zwar eben so fern noch, wie der Mond jetzt von uns entfernt ist! Obgleich der Mond gewiß einen gewaltig großen Platz zu dieser seiner ungestörten Bewegung gebraucht, so würde er in jenem angenommenen Falle doch noch nicht an die innere Schale der hohlgedachten Sonnenkugel anstoßen.

Und doch ist diese Sonnenkugel und die Gruppe aller Planeten, die in weiten Bahnen sie umkreisen, wiederum unendlich klein gegen die außerhalb derselben gelegene Sternenwelt. Die ungeheuere Größe dieser letzteren möge folgende Bemerkung anschaulich machen:

In dem Meere der Unendlichkeit befinden sich bekanntlich unzählige sogenannte „Sterneninseln“, und fast alle Sterne, die wir an unserm nächtlichen Himmel sehen, bilden mit unserer Sonne eine einzige solche Gruppe, – unsere Sterneninsel. Stände nun Jemand an dem einen Ende dieses Sternenhimmels, und schauete er durch denselben an das andere Ende, ob dort vielleicht alle Sterne noch da wären, so würde er erst nach 6700 Jahren eine dort stattgefundene Veränderung sehen können; denn – so lange Zeit würde das Licht brauchen, um von jenem Ende der Sterneninsel bis zu seinem Auge zu gelangen, obgleich das Licht, wie vielfältige Berechnungen bestätigen, in einer Stunde einen Raum von 150 Mill. Meilen durchläuft! Dagegen, stände er auf dem Monde, und schauete er auf die Erde, so würde er z. B. eine Zerberstung der Erdkugel schon in der zweiten Secunde darauf sehen können. – Vermöchten wir eine unserer Telegraphenstationen auf den Mond zu verlegen, so langte die dahin telegraphirte Nachricht schon nach dem 73sten Theile einer Minute dort an; also noch in derselben Secunde des Telegraphirens würden dann die Mondbewohner erfahren können, was es für Neuigkeiten auf der Erde gäbe.

[248]
Für Gartenfreunde.
III. Das Veredeln der Bäume.

Mit dem Frühjahre naht für den Gärtner und Gartenfreund auch die günstigste Zeit für das sogenannte Veredeln der Bäume und anderer Pflanzen heran. Wir hoffen, durch Mittheilung des Nachstehenden manchem Leser der „Gartenlaube“ für seinen Garten, sei es auch nur ein Garten im Zimmer, uns nützlich zu machen. Gestattet uns auch der gebotene Raum nicht, das interessante Thema ausführlich und erschöpfend zu behandeln, so wird doch ein rationelles Eingehen in die Natur desselben für das Verständniß des Hauptsächlichen genügen.

a. das Oculiren.

Das Veredeln, das heißt das Uebertragen eines Pflanzentheiles (Propfreises oder Auges) auf den Stamm oder die Wurzel einer anderen Pflanze, des sogenannten Wildlings oder der Unterlage, so daß beide zu einem Individuum zusammenwachsen, bezweckt entweder die Vermehrung solcher Pflanzengattungen, die sich nicht anders fortpflanzen lassen, wie viele Obstarten, Varietäten, wie die Hänge-Esche etc. oder die schnellere Erzielung von Blüthen und Früchten. So wird eine Kirsche, Orange oder Myrthe, aus dem Kern erzogen, auf ihrem eigenen Stamme mehrere Jahre später zum Blühen gelangen, als wenn man davon ein Propfreis auf ein anderes Exemplar überträgt, und noch früher erhält man einen blühbaren Baum, wenn man das Propfreis von einem schon fruchtfähigen Stamme, resp. Zweige genommen hat. Auch erlangt man durch das Veredeln noch andere Vortheile. Man veredelt z. B. Süßkirschen auf Weichselkirschen, Prunus Mahalep, und gewinnt dadurch Bäume, die einen schlechten und von Grundwasser heimgesuchten Boden vertragen; und man pfropft Aepfel und Birnen auf Quitten, die ebenfalls mit geringerem Boden vorlieb nehmen und ein gutes Verpflanzen noch im hohen Alter aushalten.

b. das Pelzen oder Pfropfen in die Rinde.

– Zur Veredelung aufeinander sind jedoch nur solche Gattungen geeignet, die in einer natürlichen Verwandtschaft mit einander stehen. So die verschiedenen Arten des Kernobstes unter sich, Aepfel, Birnen, Quitten, Mispeln, Ebereschen, Weißdorn; oder des Steinobstes, Aprikosen, Pfirsiche, Mandeln, Pflaumen, Kirschen, Weichselkirschen etc. Andere Arten, die sich nicht verwandt sind, gehen wohl mitunter eine Verbindung ein, aber diese ist niemals von längerer Dauer.

Die Manipulation des Veredelns besteht darin, daß das Pfropfreis mit der veredelnden Unterlage so in Verbindung gebracht wird, daß Rinde und Bast beider Theile in genaue Berührung mit einander kommen, damit die darin befindlichen Saftgefäße zusammenwachsen können. Darüber wird ein Verband angelegt, der die Atmosphäre von der Schnittwunde möglichst absperrt und beide Theile zusammenhält, ohne jedoch den Saftzufluß zu verhindern. Ist die Operation gut ausgeführt, so lassen beide Theile Saft in die Wunde treten, aus dem sich eine Anhäufung von Gefäßzellen (Callus) bildet, welcher ein schwamm- oder knorpelartiges Aussehen hat. Dieser Callus erlangt mit der Zeit die Härte des Holzes und vermittelt die Verbindung und den Saftzufluß aus der Unterlage in den edlen Theil. Dennoch wird diese Verbindung nicht so organisch und einig, daß nicht zuweilen bei ungünstigen Umständen, großer Dürre, Frost, Wechsel des Standorts, der aufgesetzte Theil bis zur Unterlage wieder einginge.

Man hat je für die verschiedenen Pflanzenarten, die Zeit der Veredelung, für den Standort im freien Lande oder im Gewächshause mancherlei Arten der Veredelung in Anwendung gebracht; wir müssen uns aber hier begnügen, das Hauptsächlichste mitzuteilen und durch Zeichnungen anschaulich zu machen.

c. das Pfropfen in den Spalt.

a. Das Oculiren oder Einsetzen eines einzelnen Auges mit einem daran in der Form eines Schildes ausgeschnittenen Stücke der Rinde geschieht zur Zeit, wenn solches sich leicht vom Holze ablösen läßt, im Freien am besten von Juni bis Ende August bei Rosen, Obstbäumen, Trauereschen etc., im Gewächshause auch zu andern Zeiten. Unsere Zeichnung zeigt ein solches ausgelöstes edles Auge und einen zur Aufnahme desselben vorgerichteten Wildling. Das Verbinden geschieht kreuzweise mit einem Bast- oder Wollfaden, wobei das Auge selbst aber nicht bedeckt werden darf. Das Oculiren ist die am wenigsten gewaltsame Operation, gelingt deshalb auch am leichtesten und verdirbt beim Fehlschlagen den Wildling nicht, so daß derselbe immer noch wieder operirt werden kann. Sobald das edle Auge austreibt, was bei den im Spätsommer oculirten erst im Frühjahr geschieht, ist der Wildling dicht über dem Auge wegzuschneiden und sämmtliche wilde Triebe zu entfernen.

d. das Copuliren

b. Das Pelzen oder Propfen in die Rinde hat insofern mit dem Oculiren Aehnlichkeit, als auch hier das Pfropfreis, welches unten einseitig zugespitzt werden muß, zwischen Holz und Rinde eingeschoben wird. Auch schneidet man es oft so zu, daß es mit einem sattelartigen Ansatz auf dem Wildling aufzusitzen kommt, wodurch die Haltung eine festere wird. Das Pelzen wird im Frühjahre bei Exemplaren angewendet, die zum Copuliren zu stark sind. Der Verband geschieht bei diesen und den folgenden Operationen am leichtesten mittelst mit weichem Baumwachs dünn bestrichenen Papierstreifen. Das Papier haftet beim Umwickeln sofort fest, bildet einen luftdichten Verband und zerreißt von selbst, wenn ein Anwachsen des Pfropfreises erfolgt ist, wodurch kein Lockern des Verbandes nöthig wird.

c. Das Propfen in den Spalt wird besser nur bei älteren Bäumen angewendet, die keine weniger gewaltsame Art der Veredelung zulassen. Doch pfropft man auch krautartige Pflanzen in dieser Weise. Das Pfropfreis wird von zwei Seiten keilförmig zugespitzt und, wie die Zeichnung zeigt, in den geöffneten Spalt des Wildlings so eingeschoben, daß Rinde genau auf Rinde paßt. Bei stärkeren Exemplaren pflegt man mehrere Reiser rund um einen Stamm aufzusetzen.

e. das Einspitzen.

d. Das Copuliren ist jedenfalls die beste Veredelungsart, sobald Wildling und Edelreis von einer Stärke sind und ganz besonders für Kirschen und andere dem Harzflusse unterworfene [249] Obstarten zu empfehlen. Es stellt eine gut verwachsende organische Verbindung her; doch gehört dazu ein sehr exactes Zuschneiden beider Theile und ein festangelegter Verband.

e. Das Einspitzen geschieht gewöhnlich bei manchen Gewächshauspflanzen, wie Orangen, Camelien etc. Das Verfahren ist einfach aus der Zeichnung zu ersehen, und der Verband kann mit einem Faden Wolle oder Bast gemacht werden.

f. das Pfropfen in den Kerb

f. Das Pfropfen in den Kerb ist ähnlich dem Pfropfen in den Spalt, gewährt aber den Vortheil, daß eine weniger starke Verletzung dadurch herbeigeführt wird. Schwieriger dagegen ist es, das Pfropfreis passend für die Unterlage zuzuschneiden.

g. Das Ablactiren wird meist bei Pflanzen der Gewächshäuser angewendet und zwar bei solchen, die nicht leicht eine Verbindung eingehen. Es ist jedenfalls die natürlichste Art, zwei Gewächse mit einander zu verbinden, und wir glauben, daß ein ähnliches zufälliges Zusammenwachsen zweier Zweige oder Bäume, wie solches in der Natur gar nicht so selten vorkommt, dem Menschen als Fingerzeig gedient habe, Veredelungen vorzunehmen. Behufs der Operation stellt man die beiden aufeinander zu ablactirenden Gewächse nahe zusammen, entfernt durch scharfe Schnitte an der Vereinigungsstelle beider Zweige oder Stämme die Rinde und einen Theil des Holzes, bindet nun beide Theile mit ihren Schnittflächen genau gegeneinander, und umgibt sie mit einem guten Verband. Sind sie nach kürzerer oder längerer Zeit verwachsen, so trennt man, wie auf der Zeichnung durch die Striche 1 und 2 angegeben ist, das ablactirte Edelreis von seinem Stamme und schneidet von der Unterlage die Spitze hart über der Veredlungsstelle weg. Das Ablactiren gewährt den großen Vortheil, nicht nur einzelne Reiser, sondern selbst ganze Zweige und kleine Kronen veredeln zu können. Zur Vorsicht ist es aber rathsam, die Trennungsschnitte nicht mit einem Male auszuführen, sondern durch allmähliches Einschneiden den ablactirten Zweig zu gewöhnen, aus seinem neuen Ernährer Nahrung zu ziehen.

Außer den erwähnten Veredelungsarten gibt es noch mancherlei mit Erfolg angewendete, wie Anplatten, Röhren, Veredeln auf die Wurzeln u. s. w., doch ist die Theorie immer dieselbe und daher von jedem denkenden Gartenfreund leicht auszuführen. Geschicklichkeit und Genauigkeit sind selbstredend bei der Operation die Hauptsachen, und können nur durch Uebung, durch Fehlschlagen und Bessermachen erlangt werden. Noch einmal machen wir aber darauf aufmerksam, daß der Verband nicht sorgsam genug gemacht werden kann, und alle verletzten Stellen, die nicht durch den Verband gedeckt werden, noch besonders mit Baumwachs zu verkitten sind.

g. das Ablactiren.

Wir behalten uns vor, in einem spätern Artikel besondere Vortheile bei der Nutzanwendung des heute kurz behandelten Thema’s specieller hervorzuheben.

H. Neumann.




Morgenständchen.

Steh’ auf und öffne das Fenster schnell,
Es lacht der Morgen so frisch, so hell,
Und unten im kleinen Garten
Sind Leute, die Deiner warten.

Die Veilchen kamen über Nacht,
Hoffährtig breit sich die Tulpe macht,
Und träumend auf und nieder
Schwankt schon der blaue Flieder.

Die Armen haben keine Ruh’,
Sie blicken an’s Fenster immerzu:
Sie glauben nicht an des Lenzes Wehen,
Bis sie die holde Rose gesehen.

Alb. Traeger.




Ein Fall in die Unterwelt Londons.

In älteren Schilderungen Londons findet man schreckliche Geschichten von Straßen und ganzen Stadttheilen, die ausschließlich von Spitzbuben und andern Verbrechern bewohnt wurden und in welche sich kein ehrlicher Mensch und keine Polizei hineinwagte. Vor etwa vierzig Jahren wurde der letzte auf diese Weise so privilegirte und „über dem Gesetz“ stehende Stadttheil von allen Seiten zugleich in Angriff genommen, niedergerissen, ausgeräuchert, gereinigt und neu aufgebaut. Seitdem haben sich die Verbrecher von Profession in verschiedenen Stadttheilen wieder einzelner Straßen bemächtigt, durch welche zwar Polizei, Gesetz, Menschen, Wagen und Verkehr ungestraft passiren, ohne es aber dahin zu bringen, daß die Menschen und Gesetze darin sich den Gesetzen der bürgerlichen Gesellschaft fügen. Sie setzen der Polizei nicht mehr, wie früher, gewaltsamen Widerstand entgegen, aber unentwirrbare Windungen, [250] List und Ränke, so daß selbst die in London sehr starke geheime Polizei oft die größten Schwierigkeiten hat, die Urheber großer Verbrechen aus diesen Schlupfwinkeln herauszuwittern.

Statt theoretischer Aufzählung dieser Kniffe und Pfiffe, Fallthüren und unentdeckbarer Fluchtlöcher will ich ein Erlebniß erzählen, das mir vor einigen Jahren in Field-Lane passirte und an welches ich neuerdings durch Abbruch und Zerstörung dieser berüchtigten Gasse erinnert wurde.

Field-Lane war ein Ueberbleibsel des berüchtigten Spitzbuben-Stadttheils im Westend, welches vor etwa vierzig Jahren erobert, durchbrochen und ausgeräuchert wurde. Man legte die jetzt stets donnernde und wogende Oxfordstreet hindurch, welche über Holborn hinunter als die zweite Hauptverkehrsader in die City steigt. Field-Lane mündete direct in diese stets wogende, breite Holbornstraße, in welche die Trophäen der Spitzbuben, lauter seidene Taschentücher, zu Tausenden an langen Stangen hereinwinkten, um die als Käufer anzulocken, die es vielleicht vorzogen, ihr gestohlenes Taschentuch wieder zu kaufen, statt sich mit neuen zu versehen. Field-Lane war und blieb Jahrzehende hindurch die eigentliche Verkaufsstraße für gestohlene Taschentücher.

Ein paar zweibeinige Wesen, wie man sie nur in London finden kann, so schmutzig, so zerlumpt, so elastisch und scharf, so kindlich klein und so ausstudirt altklug, so entsetzlich und gräßlich komisch pavianisch, daß man sehr zögert, die allgemeine Annahme, sie gehörten noch zu menschlichen Wesen, zu theilen, ein paar solche zweibeinige Wesen waren in der Oxfordstreet plötzlich gegen mich und in demselben Augenblicke blitzschnell und aalartig durch die Menge davon gesprungen. Ein Herr hatte es gesehen und rieth mir, mich nach einem andern Taschentuche umzusehen, denn das meinige sei eben gestohlen worden.

Richtig. Field-Lane, die enge, schmutzige Seitengasse mit Tausenden bunter, flatternder Taschentücher winkte in der Nähe. Neugierde und Bedürfniß trieben mich hinein. Taschentücher in allen Farben auf Stangen, Leinen und Dächern, aus Fenstern flatternd, von Dach zu Dach oben das schmale Streifchen Himmel verdunkelnd, Taschentücher die Eingangsthür versperrend und um schreiende, schmutzige, zankende, lachende Kinder, Mädchen, Frauen und Greise herumklatschend im Winde, Thüren, Fenster, Wände, Dächer, Himmel und Erde, Alles voll Taschentücher, gestohlner, seidner Taschentücher. Ich ward förmlich umschrieen und einige Male förmlich angepackt und beinahe gewaltsam in einen Laden hineingezogen; aber ich hielt mich tapfer, um mir erst eine Totalansicht zu verschaffen und dann meine Wahl zu treffen.

Endlich trat ich just in einen ganz stillen Laden, vor welchem kein Schreier zum Kaufen einlud, weniger in einen Laden, als in einen leeren, dunkeln Schuppen, dessen Vorräthe alle draußen auf Leinen und an Stangen flatterten. Ich verlangte ein gutes Taschentuch.

„Werd’ Ihnen meine beste Waare zeigen, Sir! Waare nur für Gentlemen!“

Mit diesen Worten lud mich ein unheimlicher Kerl, der gar kein Gesicht, sondern nur struppiges Haar und eine Nase daraus hervor zu besitzen schien, ein, ihm zu folgen. Doch merkte ich, daß er unter dunkeln, buschigen Brauen auch noch ein Paar spitze, stechende Augen verbarg.

„Dann folgen Sie mir gefälligst in’s Waarenlager, Herr! Dort Hab’ ich die reelle Waare für Gentlemen! Dort mögen Sie aussuchen nach Herzenslust die beste Waare im wohlfeilsten Handelshause Londons, Herr!“

So einladend schloß er eine schmutzige Thür auf und winkte mir, ihm zu folgen. Mir war’s einen Augenblick, als ob ich zögern sollte, aber ich unterdrückte diese Regung der Furcht als kindisch und folgte ihm durch die aufgeschlossene, schmutzige, knarrende Thür, durch einen öden, weiß angestrichenen, niedrigen Corridor bis zu einer zweiten Thür, die er mit rostigen Schlüsseln öffnete, um mich mit schnarrender Höflichkeit hinein zu nöthigen. Ich trat in einen leeren, dunkeln, blos durch ein kleines „Himmelsfenster“ in der Decke spärlich erleuchteten, feuchtkalten Raum. Mir fiel dieses „Waarenlager“ als das originellste, das ich je gesehen, auf. Die unheimliche Leere darin wurde blos durch eine alte Breterkiste, einige Stücken Holz und ein Dutzend schmutzige Mauersteine unterbrochen.

„Ist das Ihr Waarenlager?“ rief ich verwundert.

„Ha! ha! Werd’ Ihnen zeigen Raritäten von Schätze, was man nicht seigen thut gemeine Augen!“ rief der struppige Aufsatz von Haaren und Nase, indem er Schlüssel aus der Tasche zog und an dem Schlosse der großen Breterkiste zu arbeiten anfing. Er probirte mehrere Schlüssel, ohne daß das Schloß nachgeben wollte. Er klirrte und klapperte sich dabei in eine immer hitzigere Leidenschaft hinein und schimpfte in immer lauteren, kreischenden Tönen auf ein altes Weib, das er als seine Haushälterin bezeichnete und welches er beschuldigte, das Schloß verdorben zu haben. Die Wuth dauerte und stieg so lange, daß sie mir überhaupt unnatürlich, gemacht erschien.

Es wurde mir plötzlich Angst. Ich war allein in einem Hinterhauswinkel der berüchtigten Spitzbubenstraße und retirirte, mit den Augen den wüthenden Kerl fixirend, rückwärts nach der Thür. Diese öffnete sich rasch hinter mir. Ich wandte mich um und erblickte ein riesiges altes Weib, auf einer Seite unnatürlich auf eine Krücke gelehnt. Indem ich vor dieser wahrhaften Schreckensgestalt unwillkürlich zurückbebte, bemerkte ich deutlich mit einem Blicke, daß ihr Kinn, ihre Oberlippen, ihre Backen mit dicken, dichten Stoppeln eines Bartes bedeckt waren. Dieses Weib war ein starker Kerl etwa in den Vierzigen; das war mir wie ein Blitz klar. Mir ward es grau vor den Augen. Die Ohren summten. Mir versagte die Kraft in den Knieen. Doch behielt ich so viel Geistesgegenwart, zu thun, als merkt’ ich nichts. Ich versuchte, harmlos zu lächeln, wie der Kerl seine Haushälterin komödiantisch auszankte, und dabei um letztere herum durch die offene Thür zu entkommen. Dabei merkt’ ich, wie das verkappte Weib hinter sich nach einer Holzstange an der Wand griff und mir den Weg vertrat. Mit dem „Instincte der Verzweiflung“ griff ich selbst danach und riß sie an mich, wobei mir ein neuer, tödlicher Schreck durch die Glieder fuhr. Das Stück Holz war eine wie Holz angestrichene Eisenstange.

Während ich sie, vor Schreck gelähmt, empor zu schwingen suchte, warfen beide Schurken ihre Masken ab. Das Weib ergriff die Krücke mit beiden Fäusten und holte nach mir aus. Dies gab mir Kraft: ich schleuderte meine Eisenstange gegen die niedersausende Krücke und schlug sie ihm in zwei Stücken aus den Händen. In demselben Augenblicke aber faßte mich das andere Scheusal bei der Gurgel in ganz echter Würgmanier, mit der einen Hand die Kehle, mit der andern den Nacken knochenfäustig zusammendrückend. Es gelang mir, ihm das Ende meiner Eisenstange in das Gesicht zu stoßen, so daß er mit meinem abgewürgten Halstuche in der Hand donnernd auf den hohlen Boden hinfiel. Ich erwartete nun einen neuen Angriff des größeren und stärkeren Helfershelfers, aber dieser stellte sich mit dem Rücken gegen die von ihm geschlossene Thür und machte sich mit dem einen Stück seiner Krücke auf meine Attake gefaßt. Schon sah ich, wie der Andere sich wieder aufraffte: es war kein Augenblick zu verlieren. Mit meiner geschwungenen Eisenstange stürzte ich gegen den Thürhüter, um ihm mit einem Schlage den Schädel zu zerschmettern und die Thüre aufzustoßen. Da schien plötzlich die ganze Scene vor mir und um mich in die Luft zu fliegen. Mein letzter Anblick waren die feuerspritzenden Augen und das teuflische Grinsen meines Gegners. Ich selbst stürzte, stürzte, sank, sank, sank in einen dickfinstern Abgrund.

Dieses Sinken kann nur eine halbe Secunde gedauert haben, aber ich durchblitzte während derselben mein ganzes Leben. Ich erlebte, ich genoß in dieser entsetzlichen halben Secunde, was ich in Dichtungen von der zauberhaften Geschwindigkeit des Gedankens und Gefühls gelesen, was uns zuweilen auch in Träumen begegnet, daß wir in einem Momente des Einschlafens und Wiedererwachens nach einigen Minuten alle Erlebnisse vieler Jahre wieder durchleben, mit längst verstorbenen Freunden und Geliebten ganze Jahrzehende der verschiedensten Freuden und Leiden durchmachen, als Kinder spielen, als Jünglinge lieben, als Männer trotzen und dafür lange büßen u. s. w. Alles in einem Momente vorläufigen Einschlafens, dem dann ein langes Erwachen folgt, um uns zu wundern und zu staunen über diese mysteriöse Energie der Idealität des Raumes und der Zeit, die zu dreißig bis vierzig Jahren Lebensinhalt und Hunderten von Meilen nicht mehr als einige Minuten gebraucht, um sie mit allem Reichthume von Scenen, Leiden und Freuden in uns wieder aufzuerwecken und auf idealem Boden verklärt zu verwirklichen. Ich stürzte und sank eine halbe Secunde (wie ich später ermittelte, denn so tief war der Abgrund etwa), aber während derselben war ich ein Kind auf dem Arme der Mutter, belobter und [251] bestrafter Junge in der Schule, Gymnasiast, Student, Bräutigam, Gatte, Vater, Wittwer, Flüchtling, gefangener, bestrafter und entkommener Preßverbrecher, auf's Neue glücklich, dann erschlagen, beraubt, ausgeplündert, in einen Abgrund geschleudert, versteckt, bedeckt, weggepackt und verloren für ewige Zeiten.

Der letzte Theil dieser Vision lös’te sich jedoch in die Wirklichkeit auf, welche mich aufnahm, in einen entsetzlich stinkenden, unterirdischen, mit Nacht und Ratten und dem Unrath von ganz London gefüllten, trägen Styxfluß, in eine mauergewölbte Ader des riesigen Cloaken-Systems, das London unten zwischen Hunderten von Meilen Gasröhren, Wasserrohren und wieder Gas- und Wasserrohren verschiedener Compagnieen, Eisenbahntunnels und einem endlosen Gewirre elektrischer Drähte in ganzer Länge und Breite durchfurcht und Millionen von Ratten und Hunderten von Menschen eine unterirdische Existenzquelle geworden ist.

Mir sollte es die Quelle des Todes werden! Ich lebte noch, aber mit halbem Körper in einem Fluidum, das mit jedem Athemzuge das Leben ersticken zu wollen schien. Die Fallthür oben war geschlossen. Ohne Führer in dem viele Meilen umherirrenden entsetzlichen Geader – wo sollt’ ich hin? Mit Hülfe meiner Eisenstange, die ich noch festhielt, wand ich mich etwas ab- und seitwärts, und fühlte auf der Seite in dem runden Mauerwerk eine Art Bank, auf der ich Platz nahm, um zu mir zu kommen und den Wahnsinn, der mein Gehirn bedrohte, wo möglich abzuschütteln. Kaum hatte ich mich auf die Bank hinaufgearbeitet, öffnete sich die Fallthür wieder, einige Schritte seitwärts von mir, und ein entsetzlicher Mauersteinregen donnerte und plantschte herunter, hinreichend, einen Ochsen zu zerschmettern. Dann ward es wieder pechfinster. Ich kroch weiter ab mit dem entsetzlichsten Tode um mich, ich weiß nicht, wie lange, bis ich durch einen rothen Schein, der etwa 30 Fuß lang aus dem dunklen Schmutzwasser heraufschoß, aus meiner dunklen Todesmattigkeit aufgeschreckt ward. In dem rothen Scheine entdeckte ich eine Laterne, darüber das noch blutende Gesicht des Schurken, dem ich die Eisenstange in das Gesicht gestoßen, in seiner Hand ein langes Messer. Ich errieth ihn. Mit kaltem Schweiße bedeckt, drängte ich mich in einen kleineren Seitencanal, wobei mein Hut abflog und auf dem trägen Strome fortschwamm. Der Kerl sah ihn, und schien daraus die Ueberzeugung zu schöpfen, daß ich umgekommen sei, denn ich hörte in einiger Entfernung ein Geflüster von oben durch eine Oeffnung, durch welche er, wie ich aus dem Geräusche schloß, in die Höhe gewunden ward.

Werden sie nun nicht kommen, um mich auszuplündern? Ich zweifelte nicht daran. Wie ihnen nun meinen vermeintlichen Leichnam entziehen? In dem Lichtstreifen der Laterne hatte ich gesehen, daß nach der Themse zu abwärts der Cloaken-Inhalt viel höher stand, und an ein Entkommen durch die großen Ausgangsthore an der Themse nicht vor Ablauf der Fluth zu denken war. Ich tappte mich stromaufwärts, wo ich bald etwas Lichtschimmer bemerkte, der durch engere Seiten-Cloaken eindrang. Letztere warm blos durch enge, starke Eisengitter von der Straße oben getrennt. Das Donner- und Knattern des Lebens oben schüttelte zu mir herab, aber ich konnte weder in diese engeren Seitengänge eindringen, noch von da emporschreien. Ich drang weiter aufwärts, nur um zunächst so weit als möglich von meinen Mördern wegzukommen, und sogar in große Verästelungen dieser unterirdischen Steinadern hinein, bis Todesmattigkeit mich zwang, nach einer Stätte zum Ruhen umherzufühlen. Ich fand wieder einen Mauerabsatz unten. Hier schöpfte ich Athem. Hier preßten sich Thränen aus den Augen, als ich das dichte Leben oben donnern hörte, und die Scheidewand um mich festgemauert fand, die mich hier lebendig begraben wollte. Ein entsetzlicher Schmerz an meinem Fuße forderte mich zu einem neuen Kampfe um mein Leben auf. Eine Ratte hatte sich so fest in meine Wade gebissen, daß ich sie nur mit der größten Gewalt abreißen konnte. Kurz darauf hatte ich wohl mit Hunderten zu kämpfen. Ich hörte und fühlte sie von allen Seiten heranspringen, diese entsetzlichen Wölfe der Unterwelt, und mußte mit meiner Eisenstange ununterbrochen stampfen und stoßen, bis ich genug für den Hunger der noch lebenden getödtet haben mochte. Sie schmaußten ihre getödteten Gefährten, und ließen mir einstweilen so viel Ruhe, daß ich meinen Weg weiter fort zu tappen im Stande war. Aber wohin? Unter ein neues Heer hungerwüthender Ratten. Mit den Füßen und meiner Eisenstange verzweifelt dreinschlagend, entkam ich nach langem Kampfe und an Händen und Füßen blutend, athemlos, völlig erschöpft, aber mit der Gewißheit, daß im ersten Augenblicke der Ruhe ich auf’s Neue attakirt und, dem Schlafe nachgebend, bis auf die Knochen aufgefressen werden würde.

Zuweilen fühlt’ ich mich schon ganz fieberhaft bewußtlos, wahnsinnig, und in den Momenten der Besinnung in brausendem, grausendem Entsetzen, daß ich doppelt sterben würde, erst geistig, dann körperlich. Aber ich kämpfte, ich schüttelte das Entsetzen ab, so oft es mich überfiel, und schärfte meine ganze Kraft, auf einen Ausweg zu denken. Kann ich den Ablauf der Fluth der Themse abwarten (das wurde mir als einzige Rettung klar), gibt es einen Ausweg stromab. Deshalb kehrte ich in einem andern entdeckten Hauptcanal um, und verfolgte den Weg abwärts, so lange das träge Gewässer um mich nur die Füße deckte. Mit dem Umsinken und Zusammensinken meines ganzen Körpers kämpfend, bemerkte ich endlich – endlich – wieder einen Lichtschein, vernahm ich ein entsetzliches Geräusch fliehender Ratten und Hundegebell. Dann sah ich Licht und ein Menschengesicht darin. Ein Menschengesicht über einer Hornlaterne, einen Korb hinter sich, einen platschenden, bald schwimmenden, bald am Rande auf mich zubellenden Hund neben ihm, eine ekelhafte, von triefenden Lumpen bedeckte Menschengestalt, aber ich hätte ihn jetzt umarmen und küssen mögen – den rettenden Gott, den ich in ihm begrüßte.

Er folgte dem Hunde und beleuchtete mich lange, ganz erstaunt, ganz sprachlos.

„Wo ist Dein Hund?“ rief er endlich. „Was ist das? Jemand ohne Hund hier? Und noch nicht von den Ratten aufgefressen? Wie kamst Du hierher?“

„Mann, wollen Sie mich an’s Tageslicht bringen?“ rief ich. „Ich will es Ihnen lohnen, lohnen, wie Sie nie belohnt wurden.“

„Freilich will ich das! Aber wie kommen Sie hierher? Fluth noch nicht ’runter, keinen Hund – wie ist’s möglich?“

Ich erzählte ihm mein entsetzliches Abenteuer, nachdem er mir aus seiner Branntweinflasche einen Schluck gegeben. Erst könnt’ er’s lange nicht begreifen, als es ihm aber klar geworden, schwor und wiederholte er unzählige Male, daß er die Kerle in Field-Lane hängen sehen müsse, und sollt’ er die ganze Nacht stehen, um sich einen guten Platz zu sichern.

Er war auf einem extraordinären Wege vor Ablauf der Fluth heruntergekommen, um den Hunderten seiner Collegen, den „Schmutzlerchen“, die in den Kloaken Schätze suchen und zuweilen silberne Löffel, goldene Ringe, Geld und Pretiosen auffischen, zuvorzukommen. Mein Rettungsengel war eigentlich von Profession ein Rattenfänger. In den fashionablen Localen, wo Gentlemen auf die Virtuosität ihrer Hunde im Rattentödten wetten, bezahlt man 8 Pence für’s Dutzend lebendige Ratten. Er hatte schon einen ganzen zappelnden Sack voll und zeigte mir auf unserm noch langen Wege bis zu dem nächsten Ausflußthore noch manche Proben seiner Kunst, auch ein bis zum Skelett abgenagtes Menschengebein, wie man sie nach seiner Aussage öfter da unten findet, ohne daß sich die „Schmutzlerchen“ weiter darum kümmern.

Ich erinnere mich noch, wie er mich an’s Tageslicht führte und wie ich zusammensank. Dann kamen sechs Wochen in einem Hospitale, von denen ich nichts mehr weiß, da sie einem bewußtlos verphantasirten Nervenfieber gehörten. Als ich, zum Bewußtsein gekommen, der Polizei mein Abenteuer erzählt hatte, nahm sie ganz Field-Lane in Angriff. Aber die Schurken hatten Zeit gehabt, die Fallthür unsichtbar zu machen oder ganz zu überdielen. Wenigstens konnte keine Spur davon entdeckt werden. Das alte, professionelle, freche Verbrechen dieser berüchtigten Straße hat aber endlich zu den jetzigen Schritten geführt, durch welche Field-Lane bis auf den Grund und Untergrund zerstört und mit neuen, anständigen Häusern breiter und heiter aufgebaut wird.



[252]
Der brave Schmied von Regenbach.

Die ersten Reben blüh’n am Rhein,
Die letzten Rosen an dem Hage,
Beim guten Wirth zum „kühlen Wein“
Sitzt man am Sanct Johannistage;

5
Auf stehen Fenster, Thür’ und Thor,

Das streicht so lind um Stirn und Wangen!
Man singt und sagt im lust’gen Chor
Von schöner Zeit, die lang vergangen.

Und Bursch und Dirne necken sich,

10
Als flögen sie zum Kirmeßtanze;

Die blonden Buben strecken sich
Und brechen manche scharfe Lanze.
Man singt und sagt von alter Zeit,
Wo Lieb’ und Treu’ im Land gegolten,

15
Wo man die Memm’ im zwilch’nen Kleid

Und feinen Tuche laut gescholten.

Und wie man plaudert, lacht und singt,
Schnaubt’s auf dem Hausflur scheu und lüstern:
Wie wenn der Föhn durch Forste dringt,

20
Drin Föhrenäst’ unheimlich flüstern –

Und durch die offne Thür herein
Stürzt’s, – wie in fromme Lämmerheerden
Der Wolf – im goldnen Abendschein
Mit rauhen Lauten und Gebehrden –

25
Die Augen funkeln schauerlich

Im rothen Licht wie glühend Eisen. –
Wie Wolken, die novemberlich
Bleifarben durch die Länder reisen
So hängt die Zung’ aus schlaffem Maul, –

30
Mit eingekniffnem Schweif, und zitternd,

Zu nah’n sich bald zu feig und faul,
Bald rasend laut und heiß gewitternd –

„Weh, Himmel, hilf! Ein toller Hund!“
Ruft kreidebleich vom Dorf der Bader,

35
Der auf der Bank saß, und zur Stund’

Verschollen liegen Lust und Hader.
Gleichwie verschüttend Hof und Haus
In’s Thal Lawinen donnernd rollen,
So schlägt das lust’ge Schenkenhaus

40
In Bann des Hundes giftig Grollen.


Wenn roth die Sonne untergeht,
Hebt hohler Wind die feuchten Schwingen:
So schnappt nach links und rechts gedreht
Sein Haupt umher in losen Ringen.

45
Dumpf, wie der schwarze Nordlandssturm,

Daraus die rothen Blitze fahren:
So steht der Hund, und Mann und Wurm
Packt’s, wie mit Fäusten, bei den Haaren.

Auf springt der Schmied, der auf der Bank

50
Bei’m Bader nebenan gesessen,

Da steht er sonder Wank und Schwank,
Hat kurzen Blicks den Hund gemessen,
Die braune Wange wird ihm blaß:
Hier hilft nicht Denken, hilft nicht Tagen –

55
Zum Rathen ist das Volk zu laß,

Hier gilt es Thaten, Amboß schlagen.

Und groß und mächtig, wie er war:
„Zurück!“ er donnert’s in die Reihen;
„Das kleinste Zaudern bringt Gefahr,

60
Mir gilt’s! Ich weiß und will mich weihen.

Sonst Keiner zwingt ihn, Einer fällt,
Und der bin ich. Denkt an’s Entweichen!
Für Weib und Kind sorgt! Schöne Welt,
Ade! Mein Weg geht zu den Leichen.“

65
Die giftgeschwoll’ne Natter naht,

Und Alt und Jung schreit laut vor Jammer.
„Komm, armer, kranker Camerad,
Wir streiten um die letzte Kammer.
In Gottes Namen drauf!“ So fällt

70
Die Windsbraut in verschwieg’ne Wälder

Und mäht die Stämme wie bestellt
Als Schnitter in die Aehrenfelder.

Der Tolle sträubt sich, schnappt und stöhnt
Und beißt den Schmied in Arm und Lenden,

75
Das Schenkenhaus vom Kampfe dröhnt,

Blut rinnt nach allen Ecken, Enden,
Und wie das letzte Kind entfloh’n,
So schleudert er mit beiden Händen
Das halberwürgte Thier davon,

80
Laut hallt’s von Wölbung und von Wänden.


Dicht schließt er hinter sich das Thor
Und tritt, bespritzt mit gift’gem Geifer,
Tiefathmend auf die Gass’ hervor,
Allwo das Volk harrt sein mit Eifer:

85
„Durch’s Fenster schießt den Hund mir todt!

Wollt ihr dem Alten noch gehorchen,
Brecht meinen Waisen euer Brod
Und laßt mich für mich selber sorgen!“

Zur Schmiede lenkt er seinen Schritt,

90
Und lautlos bebt’s rings in der Runde,

Die Schmiede tönt von seinem Tritt,
Heiß tröpfelt’s aus der frischen Wunde.
Die schwersten, stärksten Ketten wählt
Er aus und schürt das Kohlenfeuer –

95
Es bläst der Balg und stöhnt, gequält

Von Fäusten, die nicht recht geheuer.

Legt Ketten sich um Arm und Bein
Und um den Amboß; wie in Wettern
Die Blitze Nachts im wilden Hain

100
Den Eichenstrunk umsonst umklettern:

So steht der Amboß festgerammt
Und mit dem Schmied zumal verkettet;
Kein Schwert, und ob es feurig flammt,
Die beiden von einander bettet.

105
Von rothen Funken sprüht das Haus,

Die schweren Hammerschläge fallen,
Wie Donnerkeil’ in Nacht und Graus
Weithin durch öde Wälder hallen.
Roth glüht das Erz, er schweißt mit Macht

110
Die beiden Enden fest zusammen

Und schleudert stumm „zu guter Nacht“
Den Hammer in die lichten Flammen.

„Nun ist’s geschehen. Vergeßt mich nicht
Und betet für mein letztes Leiden,

115
Und reicht, so lang’ mich grüßt das Licht,

Noch Brod – nun aber laßt uns scheiden!“
Neun Tage dringt ein wirrer Klang
Wie Schmettern, Wettern, Stöhnen, Streiten,
Nachhallend Berg und Thal entlang

120
Tief aus des Hauses Eingeweiden.


Neun Tag’ und Nächte starrt das Dorf
Wie eine Mauer nach der Schmiede – –
Dort wohnen heute Moos und Schorf
Und langes Gras nur noch zur Miethe;

125
Der Amboß schmolz, es schwand das Haus:

Doch schlagen meines Liedes Flammen
Hoch über Moder, Schutt und Graus
Wie Rosen lichterloh zusammen.

Und aus den Rosen klingt ein Lied,

130
Wie Nachtigallen von der Linde:

„Von Regenbach der brave Schmied,
Er lebt im Volk, er lebt im Winde,
Und mit dem Winde zieht sein Nam’
In alle Herzen, alle Hütten,

135
Es läßt sich solch’ ein edler Sam’

Mit Berg’ und Thälern nicht verschütten.

„Viel Tausend gingen in den Tod,
Für’s Land, für Weib und Kind zu sterben,
Mit Leib und Leben blutig roth
Das Feld der wilden Schlacht zu färben:

140
Der brave Schmied von Regenbach,

Er blutete aus tausend Wunden
Neun Tag’ und Nächte, – tausendfach
Hat Auferstehung er gefunden.“

Christian Schad.
[253] 

Der brave Schmied von Regenbach.

[254]
Zur Natur- und Jagdgeschichte des Tigers.

Indien ist das klassische Land für Tiger-Jagden. In keinem Theile der Erde wuchert die Gattung dieses stärksten und furchtbarsten aller Raubthiere in solcher Masse, weil es den Eingebornen an Mitteln fehlt, sie zu bekämpfen und zu vertilgen, und die europäischen Jäger finden dort ein Jagdgebiet, wie sie es sich nur wünschen können. Wild in Masse, und wenn sie in rechter Ausrüstung zu dessen Jagd ausziehn, eine nicht allzu schwer zu erlegende Beute, welche ihnen Staunen und Bewunderung in ihrer Heimath verheißt.

Gegen die Gefahren, welche Jäger, wie Gordon Cumming, in Afrika zu bestehen hatten, sind die in Indien gering, weil die Jagd in diesem von bewohnten Stellen ausgeht und die Eingebornen den Europäern, welche sie von ihrer Plage befreien wollen, gern Beistand leisten.

Es ist daher auch begreiflich, daß die englischen Officiere sich die Jagd in Indien im hohem Grade angelegen sein lassen, um bei ihrer Rückkehr die glänzenden Trophäen mit sich nehmen zu können, welche die hohe Jagd in Indien verheißt.

Einer derselben, welcher seine Jagd-Abenteuer kürzlich dem Druck übergeben hat, berichtet, daß er in einem Jahre 156 Stück größeren Wildes erlegt hat. Unter diesen befanden sich 68 getödtete und 30 verwundete Tiger, im Ganzen 98, 25 getödtete und 26 verwundete Bären und sieben Panther. Damit ihm nicht der Vorwurf gemacht werden kann, daß er etwa bloße Jagdgeschichten erzähle und seinen Lesern Bären, aufbinden wolle, beruft er sich dabei auf das Zeugniß von sieben Officieren, welche Theilnehmer seiner Jagdzüge an verschiedenen Stellen des Landes waren.

Sein im Ganzen etwas einförmig und in zu wenig fesselnder Weise geschriebenes Buch enthält nichtsdestoweniger manche interessante Beiträge zur Naturgeschichte des Tigers, und wir hoffen, uns den Dank unserer Leser zu verdienen, wenn wir diese zusammenstellen und ihnen eine Anschauung von diesem Zweige der hohen Jagd geben.

Während der Regenzeit, welche mit Ende Juni beginnt und vier Monate anhält, ist dem Raubgezücht in Indien nicht beizukommen, da es während derselben unmöglich ist, in die schlüpfrigen Wälder und die sumpfigen Theile des Landes zu dringen, und der Aufenthalt in diesen außerdem zu ungesund ist. Selbst die folgenden fünf Monate dauern diese Gefahren noch fort und es sind deshalb die drei Monate der heißen Jahreszeit, welche auf diese Jagd verwandt werden müssen.

Zu derselben bedarf man drei und mehr guter Doppelbüchsen und der Begleitung von zwei Eingebornen, welche die Büchsen stets in Bereitschaft halten müssen. So lange der geübte Jäger auf diese Hülfe rechnen kann, ist er im Stande, dem aufgestörten oder umherstreifenden Tiger sicher entgegen zu treten und ihn durch ein Paar gut gezielte Schüsse zu erlegen; hierin liegt aber seine größte Gefahr, daß sie beim Anblick des Tigers davon laufen.

Die englischen Officiere bilden deshalb gewöhnlich Jagdgesellschaften, welche für längere Zeit ausziehen und außer dem Vortheil der gegenseitigen Hülfe zugleich das Vergnügen des gesellschaftlichen Verkehrs gewähren.

Beim Beginne der Jagd leisten die Pfauen und die Affen dem Schützen die größten Dienste. Beide sind die natürlichen Feinde des räuberischen Katzengeschlechts, das ihnen fortwährend nachstellt, und rächen sich dafür an diesem, sobald sie sehen, daß ihm deren stärkster Feind, der Mensch, naht. Beim ersten Lärm der Treiber erheben die Pfauen ihr Geschrei „ha-uk, ha-uk“, das alsbald von ihren ferner hausenden Genossen wiederholt wird und fast jedes Mal das Zeichen ist, daß sich Tiger oder wilde Katzen in ihrem Reviere aufhalten. Wenn Hirsche und Bären durch das Gebüsch streifen, schweigen die Pfauen. In gleicher Weise erheben die Affen ihr Kriegsgeschrei, sobald ein Tiger oder Panther von den Treibern aufgestört wird. Sie mögen damit wohl nur ihr Geschlecht von der nahenden Gefahr benachrichtigen wollen, verrathen aber zugleich dem Menschen die Anwesenheit des Raubthieres, denn auch sie schreien nur beim Anblick eines solchen, nicht des andern Wildes. Die Affen führen in Indien ein äußerst comfortables Leben, da die Indier ihnen aus religiösen Vorurteilen nicht nachstellen, aber die Panther und die Boa’s verbittern es ihnen, weil diese Nachts die hohen Bäume erklimmen und sie im Schlaf überraschen und tödten.

Auch das Geschrei der Krähen verräth den Tiger, doch kann man sich darauf nicht verlassen, da sie es auch beim Anblick anderen Wildes erheben. Nachts verkündet dagegen das „Kole ballu“ der Schakals den Tiger, da die alten Thiere dieser Gattung den Tiger zu begleiten pflegen, um sich der von ihm übrig gelassenen Jagdbeute zu bemächtigen, und diese dem Tiger durch ihr Geheul die Nähe von Vieh, Kameelen, Pferden und Menschen verkünden, um ihn zum Raubzug gegen sie zu stacheln.

Die Tiger-Jäger kleiden sich sorgfältig in braune Farben, damit ihre Kleider nicht gegen die Felsen und die in der heißen Jahreszeit braun gesengten Büsche abstechen. Tiger sind, wie alles größere Wild, außerordentlich vorsichtig, namentlich wenn sie schon einmal angeschossen sind, und brechen lieber durch die Treiber durch, als daß sie auf einen ihnen fremden Gegenstand zueilen.

Gut gezielte Schüsse in die Hirnschale oder in’s Blatt strecken den Tiger leicht zu Boden, aber selbst dann ist noch große Vorsicht nöthig. Einmal begegnete es dem Verfasser des erwähnten Buches, daß ein Tiger, der nach zwei Schüssen in seiner Höhle wie todt niedergestreckt dalag, nachdem der Vorsicht halber noch ein Schuß in’s Blatt abgefeuert worden, plötzlich wieder aufsprang und ein furchtbares Gebrüll erhob. Zum Glück war er jedoch selbst so von Furcht erfüllt, daß er sich in seine Höhle flüchtete, statt sich, wie zu besorgen war, auf die Leute zu stürzen, welche ihn auszuweiden im Begriff standen. Dadurch konnte er auf’s Neue erlegt werden, ehe er dazu kam, Unheil anzurichten.

Wenn die Treiber sich zusammenhalten und den Tiger unter lautem Lärm mit Steinen werfen, getraut er sich nicht, sie anzugreifen; sieht er sie jedoch vereinzelt, so wirft er sich auf einen von ihnen und trägt ihn im Maule fort, um ihm den Kopf zu zerbeißen, sobald er Zeit dazu gewinnt. Häufig wird ihm die Beute jedoch auch abgejagt. Ein solches Schicksal betraf selbst einmal einen englischen Officier, welcher der Jagdgefährte des erwähnten Schriftstellers war.

Wir wollen diese Schilderung wiedergeben.

Um das hohe Gras in unserer Nähe zu übersehen, stiegen wir Beide mit unsern Büchsen auf einen kleinen Dornbaum. Kaum hatten die Treiber ihren gewöhnlichen Lärm begonnen, als ein schöner Tiger erschien und zu unserer Freude gerade auf uns zukam. Wir wollten ihn bis auf einige Schritt herankommen lassen, als zu unserm Leidwesen ein Mann, der einen höheren Baum hinter uns erklommen hatte, uns zurief, um uns vor dem Nahen des Tigers zu warnen. Dieser Ruf machte ihn stutzig, er stand still, lugte einen Augenblick umher und sprang in entgegengesetzter Richtung fort. Wir feuerten darauf unsere Doppelbüchsen ab und das laute Geheul des Tigers sagte uns, daß wir nicht gefehlt hatten, aber das dichte Gebüsch verbarg den Tiger, so daß wir nicht mehr zum Schuß kommen konnten. Wir warteten, um den Treibern Zeit zu lassen, das Revier zu durchstöbern, und hörten darauf einige Pfauen-Rufe. Ein junger Tiger erschien und wurde durch einen Schuß zu Boden gestreckt, verkroch sich jedoch so tief in das hohe Gras, daß wir seiner nicht habhaft werden konnten und ihn erst nach zwei Tagen todt fanden. Da der Abend nahte, so folgten wir nun schnell den Spuren und den Schweißtropfen des verwundeten Tigers. Sie führten uns durch dichtes Dorngebüsch und hohes Gras, und wir folgten ihnen an der Spitze unserer Leute, bis wir an einen offenen Platz kamen, wo sie aufhörten. Wir ließen einen Mann auf einen Baum steigen, um zu recognosciren, und Elliot und ich gingen ein paar Schritte vor, um die Spuren genauer zu untersuchen, ehe sie von unsern Leuten zertreten würden.

Bei dieser Beschäftigung hörten wir plötzlich ein lautes Gebrüll in einem Sumpfe wenige Schritte rechts von uns. Elliot war etwa zwanzig Schritte weit von mir entfernt. Dem Gebrüll folgte gleich darauf eine Tigerin, welche gerade auf mich los ging. Ich hatte kaum Zeit, beide Läufe meiner Büchse abzuschießen; diese Schüsse oder der Pulverdampf veranlaßten sie, von mir abzulassen und sich Elliot zuzuwenden, auf den sie so rasch zusprang, [255] daß er nicht Zeit hatte, seine Büchse zu erheben. Im nächsten Augenblicke sah ich ihn rücklings unter der Tigerin hinstürzen, welche furchtbar brüllte und heulte. Meine „Shikari’s“ blieben bei dieser Gelegenheit bewundernswerth kaltblütig und händigten mir rasch meine Reserve-Büchse ein. Ich feuerte zwei Mal in das Schulterblatt der Bestie, während sie über dem armen Elliot lag; diese Wunden übten aber wenig Wirkung, denn sie schleppte ihn rückwärts an dem linken Oberarme, den sie mit ihren Zähnen festhielt, nach dem Sumpfe zu, in dem sie gelegen hatte. Der Grund war äußerst uneben und mit Felsstücken bedeckt, ich getraute mich deshalb nicht zu schießen, aus Furcht, meinen Freund zu treffen, denn da sein Gesicht unter ihrem Kopfe lag, konnte ich nicht nach ihrem Schädel zielen, während sie über die Felsstücke sprang. Elliot war ohnmächtig, als die Tigerin ihn fortschleppte. Sie brüllte fortwährend und sah nach uns, als ich ihr mit den Leuten etwa acht Schritt weit folgte und auf den Augenblick wartete, wo ich nach ihrem Kopfe zielen konnte, denn jeder andere Schuß war nutzlos. Endlich, nachdem ich zwei bis drei Mal vergeblich gezielt, traf meine Kugel sie glücklich in die Hirnschale, worauf sie den armen Elliot fallen ließ und todt auf ihn hinstürzte, ihre Klaue nach seiner Brust streckend. Rasch gab ich ihr mit dem zweiten Lauf den Rest und stürzte dann mit den Bheels hinzu, um Elliot unter der Tigerin hervorzuziehen.

Als wir ihn aufhoben, kam er sogleich zur Besinnung und bat um Wasser. Wir gaben ihm den Schlauch, der unser Wasser enthielt, und er that einen langen Zug daraus. Sein Arm war furchtbar zerfleischt, und wir verbanden ihn, so gut es ging, mit den Turbanen, welche die Leute bereitwillig dazu hergaben, und machten dann eine Bahre aus Zweigen, auf der wir ihn nach unserm Zelt in Rajghur, zwei und eine halbe Meile weit durch das Gebüsch trugen. Hinter ihm folgten die Bheels mit der Tigerin, einem äußerst starken Thiere.

Den ersten Schlag, welchen die Tigerin ihm mit der Tatze geben wollte, hatte Elliot mit seiner erhobenen Büchse parirt. Auf dem Schaft waren die Spuren ihrer Klauen zu sehen, Hahn und Versicherung waren so platt gedrückt, daß die Büchse erst reparirt werden mußte, ehe sie gebraucht werden konnte. Von Rajghur ließ ich Elliot nach der nächsten Stadt bringen, und nahm, als Alles dazu angeordnet war, Abschied von ihm, da ich ihm nicht weiter helfen konnte.

Nachdem ich gehört, daß eine Anzahl Officiere fünfzehn Meilen weit vom Lager auf einer Piknikpartie befindlich sei, ritt ich zu ihnen, und war sehr erfreut, bei ihnen Speise und Trank zu finden. Am nächsten Morgen meldeten die Bheels, daß ein Tiger gespürt worden sei, und es wurde beschlossen, eine Jagd anzustellen. Oberst D., die beiden Doctoren C. und M. und ich zogen dazu aus. Wir hatten drei Doppelbüchsen und meine Pistolen. Als wir den Abhang erreichten, ließen wir treiben, Doctor C., der Oberst und ich faßten auf Bäumen mit den Büchsen Posto, während Doctor M., welcher nur als Zuschauer gefolgt war, sich auf einen niedrigen Baum stellte. Sobald der Lärm der Treiber erschallte, kam ein starker Tiger in raschem Trabe auf uns zu. Wir ließen ihn dicht herankommen, feuerten dann dicht hinter einander, und streckten ihn zu Boden; gleich darauf sprang er aber wieder auf, und stierte umher in sichtlicher Unschlüssigkeit, was er thun solle. Er ging einige Schritte zurück. Hier gewahrte er Doctor M., der weiß gekleidet war, und vollkommen regungslos auf einem niedrigen Zweige des Baumes zwanzig Schritt weit von dem Tiger stand. Nachdem er lange den Doctor angestiert, der die Geistesgegenwart hatte, sich nicht zu rühren, lief die Bestie raschen Schrittes einem Korinthen-Gebüsche zu, und wir sahen sie nicht wieder, wie viel Mühe wir uns auch gaben, sie durch Herabrollen von Steinblöcken zu treffen und zu reizen. Der Regen machte unsern Bestrebungen vollends ein Ende.

Doctor M. wäre verloren gewesen, wenn er sich geregt hätte. Die „Shikaris“ sagten uns jedoch, der Tiger habe den Doctor sicher für ein Stück weißen Tuches genommen, das die Eingebornen bei ihren Jagden auf die Büsche hängen, um die Tiger zu schrecken.

Nach zwei Tagen erst wurde der Tiger etwa dreihundert Schritt von dem Orte, wo er stürzte, verendet gefunden.

Für ihre Raubzüge beschränken sich die Tiger gewöhnlich auf ein Gebiet von wenig Meilen, das sie dadurch genau kennen lernen. Beim Nahen der Nacht erschallt ihr Gebrüll an verschiedenen Stellen in einiger Entfernung von einander, um das in der Nähe liegende Wild nach dem Sumpfgebüsch zu treiben, dem sich der Tiger darauf zuwendet. Wenn er sich dann dort an den Stellen, welche das Wild zum Saufen aussucht, auf die Lauer legt, seine Opfer zu Boden reißt und tödtet, hat er nicht halb soviel Mühe, als wenn er sie auf einer großen Fläche jagt. Das Gebrüll dient indessen auch dazu, das Wild und kleinere Thiere zu warnen und zur Flucht zu treiben, sonst würden sie von den Raubthieren vollends aufgerieben werden.

Zu den Feinden des Tigers gehören auch die wilden Hunde. Wo es solche in Indien gibt, jagen sie den Tiger, der vor ihnen furchterfüllt flieht, bis er einen Baum findet, durch dessen Erklimmen er sich vor ihnen retten kann. Die Hunde belagern ihn jedoch darauf, und erheben einen so furchtbaren und fortgesetzten Lärm, bis gewöhnlich Schützen erscheinen, und den Tiger mit leichter Mühe erlegen.

Hat der Tiger einen Stier getödtet, so folgt ein interessantes Schauspiel. Schon während seiner Jagd kreisen die Geier, welche den Mord wittern, und ist er geschehen, so setzen sie sich ruhig auf die nächsten Bäume, um zu warten, bis der Tiger seinen Durst und Hunger aus dem Blut und Fleisch seines Opfers gestillt hat. Eben so sitzen die Schakals in ehrfurchtsvoller Entfernung. Erhebt sich der Tiger dagegen, so stürzen sie hinzu, und zanken sich dabei auf eine höchst komische Weise mit den Vögeln, sobald diese ein Stück Eingeweide oder Fleisch weghacken. Die Geier wissen dem Schnappen der Schakals jedoch sehr geschickt auszuweichen. Entfernen sich die letzteren mit einem Knochen, so beginnt erst das wahre Mahl der Geier. Oft fressen sie sich so voll, daß sie nachher kaum fliegen können.

Zuweilen rächen sich die Kuhhirten auf raffinirte Weise an den Tigern, welche sie ihres Viehes berauben. Nachdem sie von einem Baume aus zugesehen, wie der Tiger ein Stück Vieh erwürgt und seine erste Gier an diesem gestillt hat, steigen sie nach dessen Entfernung herab, machen mehrere Einschnitte in die Keulen des erwürgten Stieres, und streuen Arsenik oder das Mehl einer giftigen rothen Beere hinein, welche in den Dschungeln wächst. Jede dieser Giftarten ist geschmacklos, und wenn der Tiger nach einiger Zeit zurückkehrt, und auf’s Neue zu schwelgen beginnt, merkt er nicht, daß er den sichern Tod einsaugt.

Einer dieser Hirten zeigte mir die Reste von drei Tigern, welche er auf diese Weise getödtet hatte. Als Tiger-Jäger mußte ich über diesen Erfolg erfreut scheinen, bedauerte aber im Herzen dieses Tödten, das der Jagd Eintrag that.

Nach der Tödtung eines Stieres lauern die Eigenthümer desselben dem Tiger auch häufig von den Bäumen aus auf und schießen nach ihm, verwunden ihn jedoch nur, da ihre schlechten Gewehre und ihr schlechtes Pulver nicht hinreichen, die starken Thiere zu erlegen. Sie können höchstens darauf rechnen, daß die Tiger an den Folgen der Verwundung verenden; sie überstehen diese jedoch gewöhnlich, und ich fand häufig Kugeln unter dem Fell der von mir erlegten Thiere.

E. M.
Blätter und Blüthen.

Feuer ohne Rauch. Das alte Sprüchwort: „wo Rauch, ist auch Feuer“, oder umgekehrt: „wo Feuer, ist auch Rauch“, muß oder soll ungültig werden, da wir mit unserer feuerbegierigen Industrie und für unsere kalten, commerciellen Herzen viel und reelles Feuer, d. h. Feuer ohne Rauch bedürfen. Wir wissen, daß just Rauch Zeichen eines schlechten, unvollkommenen Feuers ist. Der Rauch ist nutzlos und schädlich, unverbraucht in die Luft entweichendes Brennmaterial. In England werden täglich über 1000 Centner reelle Steinkohlen als Rauch an die Luft gesetzt. Sie bilden einen ewigen großen Sack voll Asche über den Häuptern, der den Himmel verschließt und immerwährend schwarz auf Denkmäler, Vatermörder, Vorhemdchen, Damenhüte und das ganze englische Leben herabregnet. Die Denkmäler der Lords und Könige in London sehen [256] aus, als hätte man in nationaler Dankbarkeit lauter verdienstvollen Schornsteinfegern Monumente errichten wollen. Unter ihnen war und ist aber blos ein verdienstvoller Schornsteinfeger, welchem man just noch kein Denkmal gesetzt hat: Lord Palmerston.

Dieser war funfzig Jahre lang fast stets auswärtiger und Kriegsminister und setzte den Engländern blos in den Ländern anderer Völker Denkmäler, die schrecklich viel Geld, Flotte, Armee, Diplomatie und Blut zu erhalten kosten, so daß die Engländer tatsächlich kaum mehr an ihre eigenen Angelegenheiten zu Hause denken können, so sehr sind sie durch den berühmten Schornsteinfeger von ihrer Heimath weggefegt, außer sich und Ausland geworden.

Lord Palmerston war aber einmal vor einigen Jahren auf kurze Zeit Minister des Innern. Als solcher trat er mit einem Recept für Gensd’armenfabrikation auf, außerdem verbot er das Rauchen. Mit beiden Recepten hatte er Unglück: die Gensd’armen blieben aus und der Rauch blieb, obgleich „Punch“ das Verbot sehr drastisch unterstützte und bildlich darstellte.

Lord Palmerston hatte nämlich den großen Fabrikschornsteinen und Dampfschloten oberhalb der London-Brücke das Rauchen verboten. Diese wußten aber nicht gleich, wohin mit dem Rauche, und so qualmten sie fort, dicht um Palmerston und die Polizei herum, dick, schwarz, grimmig, unaufhörlich. Die Polizei sah den Rauch vor Rauch nicht und war in Verzweiflung, wie und wo die Schuldigen zu entdecken seien. Punch zeichnete einen Policeman auf einer himmelhohen Leiter an einem Dampfschlote in die Höhe gestiegen und in den schwarzen, dicken Qualm von oben mit erstickter Stimme hinunterhustend:

Hei no smoking allowed! Sie darfen hier nich roochen!“

Das Verbot und das Rauchen bestanden neben einander fort, wie tausenderlei andere Widersprüche in England; aber hier und da wurde doch ein polizeiwidriger Schornstein denuncirt und bestraft, so daß sich die Dampfmaschinen doch nach Mitteln umsahen, durch welche das Feuer gezwungen wird, seinen eigenen Rauch zu verzehren. Dieses große Problem des Jahrhunderts ist denn nun auch bereits auf verschiedene Weise mehr oder minder vollkommen gelöst worden.

Da Tausende von industriellen und commerciellen Geschäften und Unternehmungen, Betriebs-Capitalien, Preise von Fabrikaten, Gesundheit und Leben, landschaftliche Heiterkeit, Erdenglück und Himmelsbläue in allen Ländern damit zusammen- und davon abhängen, glauben wir, im Interesse der Majorität unserer Leser zu handeln, wenn wir mittheilen, wie weit man es in der Lösung dieser Aufgabe bis jetzt in England gebracht hat.

Eine „Dampf-Kohlenbergwerks-Association“ in London schrieb vor etwa einem Jahre den Preis von 500 Pfund Sterling auf die beste Methode aus, Feuer für eine bestimmt angegebene Art von vielröhrigen Dampfkesseln so zu unterhalten, daß es keinen sichtbaren Rauch abgebe. Der Feuerheerd ward dem Ermessen der Bewerber überlassen, Gestalt, Form und Größe des Dampfkessels aber jedem in einer Zeichnung geschickt und vorgeschrieben. Außerdem wurden Jedem Kohlen aus derselben Grube geliefert und die Ueberbleibsel derselben je von bestimmten Quantitäten sorgfältig gewogen.

Ueber diese Bewerbungen und Versuche ist jetzt ein sehr genauer Bericht erschienen, aus welchem wir das Wesentlichste mittheilen. Die Association bekam 103 Methoden der Rauchvertilgung in theoretischen Vorschlägen von allen Theilen England« zugeschickt. Davon wählte sie vier als die theoretisch vollkommensten zur Erprobung durch die Praxis auf ihre eigenen Kosten aus. Den andern Bewerbern wurde freigestellt, ihre Theorien auf eigene Kosten praktisch zu prüfen. Die vier von der Association geprüften sind die von Hopson und Hopkinson in Huddersfield, E. W. Williams in Liverpool, B. Stoney in Dublin und Robson in Süd-Shields. Den Preis von 500 Pfund bekam Williams, weil sich dessen Theorie als die bewährte, welche das Feuer auf die einfachste und wohlfeilste Weise zur vollkommensten Rauchvertilgung nöthigte, welche also mit andern Worten die vollkommenste Verbrennung und die größte Entwickelung von Hitze aus einem bestimmten Brennmaterial erzeugte.

Der Bericht setzt zunächst auseinander, daß Feuer ohne Rauch noch kein vollkommener Verbrennungsproceß sei, da Gase aus Mangel an hinzutretendem Sauerstoff noch unverbrannt entweichen. Haupterforderniß ist also gehörige Versorgung des Feuers mit Luft, welche, durch das Feuer dringend, den Verbrennungsproceß möglichst vollkommen macht, aber auch nicht mit zu viel Luft, welche dann, neben dem Feuer hinziehend, dessen Wirkung vermindern würde. Bloßes Eindringen der Luft in das Feuer thut’s aber noch nicht, so daß es hierbei viel aus das Wie? ankommt. Danach nun unterscheiden sich auch hauptsächlich die vier geprüften Methoden der Rauchvertilgung.

Robson theilt das Local des Feuers in zwei Kammern, eine vordere für Kohlen und eine Hintere für Cokes. Erstere brennt mit ihrem Rauch in die verhältnißmäßig rauchlose Cokeskammer hinein, deren nun bedeutend erhöhte Hitze diesen Rauch mit verbrennt, da durch angebrachte Luftlöcher genug Sauerstoff dafür zugeführt wird. Aber der Rauch wurde nicht „ganz“ verzehrt. Die Einrichtung selbst erschien aber gut und man glaubt, durch Vervollkommnung der Coustruction diesen schwachen Punkt noch überwinden zu können.

Hopson und Comp. erzielten vollkommene Verbrennung ohne Rauch. Aber die Einrichtung ist complicirt. Säulen und Kammern von feuerfestem Thon bewirken eine vollkommene Mischung von äußerer Luft und den Gasen des Feuers, aber dieses Mauerwerk kann brechen und sich spalten, daher setzt diese Methode große Vorsicht und Sorgfalt beim Feuern voraus, was im Großen und in Masse nicht ausführbar ist, da man seltene, kostspielige, wissenschaftlich gebildete und praktisch geübte Feuermänner dazu brauchen würde.

Stoney’s Plan ist im Principe gleich mit dem von Williams. Beide lassen die Luft von Außen durch die Ofenthür einströmen. Ueber diese heraus ragt in Stoney’s Apparat der Boden des innern Feuerheerdes in gleicher Ebene hervor. Diese neigt sich nach innen und läßt das theils außerhalb, theils innerhalb placirte Brennmaterial immer nach dem Centrum des Feuers rutschen, wobei durch eine Menge kleine Oeffnungen in der Thür reichlich Luft zuströmt, ohne aber gänzliche Verzehrung des Rauches zu sichern.

Der Williams’sche Apparat läßt die Luft auch von außen durch kleine Oeffnungen eindringen, welche, durch Röhren nach außen verlängert, beliebig geschlossen werden können. Die Hauptsache dabei ist, daß inwendig stets zwei verschiedene Grade von Feuerung erhalten werden, eine weißglühende auf der einen, eine brennende und mit frischen Kohlen versehene auf der andern Seite.

Während die letztere Rauch entwickelt, verzehrt die Gluth der ersteren denselben, bis Alles vollständig durchglüht ist und nun auf der andern Seite wieder frisches Brennmaterial aufgeschüttet werden kann, welches nun bald in vollkommene Verbrennung übergeht, und so fort. Der Rauch wurde dabei vollkommen verzehrt, heißt es in dem Berichte, gleichviel, ob während der Stunde 15 oder 27 Pfund Kohlen per Quadratfuß verbrannten. Bei einem Experimente wurde die Verbrennung sogar auf 371/2 Pfund auf den Quadratfuß per Stunde getrieben, ohne daß Rauch sichtbar ward, obgleich dabei 5 1/2 Kubikfuß Wasser auf jedem Quadratfuß Feuerplatz per Stunde verdunsteten. Dabei ergab sich noch der Vorzug, daß keine besondere Sorgfalt und Wissenschaftlichkeit von Seiten des Heizers erforderlich ist, wenn er nur abwechselnd rechts und links frische Kohlen aufschüttet, was bei großen Fabriken u. s. w. sehr wichtig ist. Ueberhaupt beziehen sich diese Experimente blos auf große Fabrik- und Dampfmaschinenfeuer. Im Kleinen für Haus, Heerd und Ofener reicht man den Zweck schon ziemlich vollkommen durch sehr häufige, in kleinen Portionen regelmäßige Hinzufügung frischen Brennmaterials.

Für Kohlenfeuer im Kleinen reicht die schon vor 15 Jahren patentirte Einrichtung von Jules hin, um stets Feuer und Hitze ohne Rauch zu sichern. Die Einrichtung besteht in beständiger Versorgung des Feuers mit kleinen Quantitäten vermittelst sich mechanisch drehender Eisenstangen. Es ist ein Apparat, der nur aufgezogen und mit Kohlen versehen zu werden braucht, um ein einmal gut brennendes Feuer hell und rauchlos zu unterhalten.

Im Großen ist das Problem durch Williams wesentlich gelöst worden und das Palmerston’sche Rauchverbot keine Fabel mehr. Da sich die civilisirte Erde überall dichter mit Dampfschloten bedeckt, wie mit Kirchtürmen und adeligen Schlösserzinnen, ist diese gelöste Aufgabe von der weitesten und breitesten Wichtigkeit und eine heitere Aussicht für Alle, die reine Luft und klaren Himmel dem schwarzen Schmutze vorziehen, mit welchem jetzt alle großen dampfgetriebenen Industrieen umhüllt erscheinen.




Auch nicht übel! Burmeister erzählt in seiner Reise durch die Pampas, daß er im Postzimmer der Estancia la Cobra, einer abscheulichen Barracke, eine so große Menge der größten blutsaugenden Wanze Vincucha angetroffen habe, daß er es vorgezogen, im Freien zu übernachten. „Doch auch diese Stelle,“ fährt er fort, „gönnte mir das Schicksal nur kurze Zeit; es zogen plötzlich Regenwolken herbei, die bald sich entluden, und mich in’s Zimmer zurücktrieben. Es blieb nichts anderes übrig, als mich ganz in eine wollene Decke zu wickeln, um vor den Wanzen sicher zu sein. Diese großen, über ein Zoll langen Bestien sind eine sehr lästige Plage der argentinischen Lande; sie halten sich am Tage in den Fugen des Dachstuhls oder sonst wo versteckt, und kommen in der Nacht hervor, die im Zimmer Schlafenden anstechend, um ihr Blut zu saugen. Jung und halbwüchsig sind sie noch ungeflügelt und bauchiger gebaut; im reifen Lebensalter haben sie große Flügel, einen flachen Leib und fliegen geschickt. Ein recht vollgesogenes Thier schwillt enorm an, und kann den Umfang einer Eichel annehmen; bei mir ist freilich keine so stark geworden, ich fühlte sie alsbald, schon ehe sie gestochen hatte, an der Bewegung der Haut, griff zu und riß ihr den Kopf ab. Am andern Morgen lag gegen ein Dutzend todt vor meinem Lager.“



Das herrschaftliche Erbbegräbnis zu Riesa in Sachsen. Der berühmte Bleikeller in Bremen und eine Gruft im Dorfe Wiewert bei Franecker haben die Eigenschaft, daß die daselbst beigesetzten Leichen nicht verwesen, sondern nur vertrocknen. Ein Gleiches erzählten wir neulich (in Nr. 12.) von der Gruft in dem ungarischen Dorfe Szent-Ivanyi. Die Kirche in Riesa, jenem von drei Eisenbahnen gekreuzten Städtchen, bietet im herrschaftlichen Erbbegräbniß eine ähnliche Eigenthümlichkeit. Dasselbe enthält gegen 30 Leichen, und schützt menschliche Körper und Gerätschaften vor Fäulniß. Glieder von Leichnamen, welche schon 202 Jahre hier ruhen, lassen sich noch sehr gut bewegen. Ein junges Frauenzimmer, das 1634 beigesetzt ward, hat noch ziemlich Farbe, und zwei ältere Leichen sind noch ganz den von ihnen in der Kirche aufgehängten Bildnissen ähnlich. Fliegen und Spinnen, welche man in dem einen Sarge bemerkt, sind gleich dem menschlichen Körper nur vertrocknet. Eine im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts begrabene Leiche trägt einen Lorbeerkranz, dessen Blätter noch riechen. Eins derselben aber, das man heraus nahm und sorgfältig verwahrte, hatte nach einigen Tagen den Geruch verloren. Gleichwohl zeichnet sich dieses in seinen Wirkungen sonderbare Begräbniß weder durch Lage, Boden noch Bauart aus. Ueber dieser Gruft bemerkt man durch eine Oeffnung noch eine zweite mit ganz unversehrten, doch nie geöffneten Särgen, wogegen in einem dritten, nur fünfzig Ellen von jenem entfernten Begräbniß die Leichen verwesen.




Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Da der erste Theil im Allgemeinen über den Mond handelt, so füge ich hier eine Abbildung der Mondfläche bei, wie sie, durch die Instrumente einer Sternwarte betrachtet, beim ersten Anblick sich darbietet. Der sinnige Leser möge dies Bild, das offenbar den Charakter einer fremden Welt tragt, aufmerksam betrachten und zur Erhöhung des Interesses es zu deuten selbst versuchen. Im Laufe meiner folgenden Schilderung wird er erfahren, was bis jetzt die Wissenschaft daraus entzifferte. Deshalb sei vorläufig erwähnt, daß die helleren, also von der Sonne mehr beschienenen Partien sicher Erhebungen der Mondoberfläche und das die dunkleren Theile tiefer gelegene Mondflächen sind. Von jenen hat die Wissenschaft einzelne Gebirge (die in der Abbildung mit Zahlen bezeichnet wurden) unterschieden und mit folgenden Namen benannt:
    1. mit dem Namen Apenninengebirge, – 2. Kaukasus, – 3. Alpen, – 4. Taurus, – 5. Hämus, – 6. Altai, – 7. Cordilleren. – S. Riphäen-Gebirge, – 9. Karpathen, – 10. Hercynisches Gebirge.
    Die Namen der in der Abbildung mit Buchstaben bezeichneten dunkleren Stellen sind:
    A. mare crisium (d. h. Meer der Krankheitswechsel), – B. mare foecunditatis (d. h. Meer der Fruchtbarkeit), – C. mare nectaris (d. h. Meer des Göttertrankes), – D. mare tranquillitatis (d. h. Meer der Stille), – E. mare serenitatis (d. h. Meer der Heiterkeit), – F. lacus somniorum (d. h. See der Träume), – G. lacus mortis (d. b. See des Todes), – H. palus somnii (d. h. Sumpf des Traumes), – J. mare frigoris (d. h. Meer der Kälte), – K. mare vaporum (d. h. Meer der Dämpfe), – L. sinus medii (d. h. Busen der Mitte), – M. mare nubium (d. h. Meer der Wolken), – N. mare humorum (d. h. Meer der Feuchtigkeiten), – O. sinus epidemiarum (d. h. Busen der epidemischen Krankheiten), – P. oceanus procellarum (d. h. Ocean der Stürme), – Q. mare imbrium (d. h. Meer der Platzregen), – R. sinus iridum (d. h. Busen der Regenbogen), – S. sinus roris (d. h, Busen des Thau’s) und neuerdings wurde benannt – T. mare Humboldtianum.
  2. Die Dichtigkeit der Erde verhält sich zu der des Mondes, wie 0,5614.
  3. Genauer: 491/2 Kugeln.
  4. Man verwechsle ja nicht: „Erde“ mit „Erdsystem“; es sind also „Schwerpunkt der Erde“ und „Schwerpunkt des Erdsystems“ zwei völlig verschiedene Punkte, deren Entfernung von einander im Weltenraum mehrere hundert Meilen beträgt.